Fedeli d’Amore und 72 (Zahl): Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:Portrait_de_Dante.jpg|thumb|[[Dante Alighieri]], Portät von [[Wikipedia:Sandro Botticelli|Alessandro („Sandro“) Botticelli]] (1445-1510)]]
{{Zeichen|72}}
[[Datei:Codice Banco Rari 217.jpg|miniatur|Die berühmte Kanzone „Al cor gentil rempaira sempre amore“ von Guido Guinizelli]]
'''Zweiundsiebzig''', oft auch abgerundet zu '''Siebzig''', ist eine [[Zahl]] von hoher [[realsymbol]]ischer Bedeutung, vornehmlich in der [[jüdisch]]-[[christlich]]en Tradition. Sie spiegelt [[Kosmos|kosmische]] Verhältnisse wider, die für die [[Entwicklung]] des einzelnen [[Menschen]] und für die [[Menschheitsentwicklung]] insgesamt entscheidend sind. '''72''' bzw. '''70''' [[Jahr]]e währt die kosmisch bestimmte [[Lebensdauer des Menschen]], wobei 72 * 360 = [[25920]] etwa die Länge des [[Platonisches Weltenjahr|Platonischen Weltenjahres]] ist. 72 Jahre entsprechen damit ziemlich genau einem Tag des großen Weltenjahres. Ein Zwölftel dieses Weltenjahres, also 2160 Jahre, ergibt die Dauer einer [[Kulturepoche]], die damit einem Weltenmonat mit 30 Weltentagen entspricht (72 * 30 = 2160). Die tatsächliche Lebensdauer des Menschen kann von diesem kosmischen Idealmaß, bedingt durch die kulturellen und individuellen [[Karma|karmischen]] Verhältnisse, natürlich innerhalb gewisser Grenzen abweichen.


Die '''Fedeli d’Amore''' ({{ItS|}} „Getreue der Liebe“) bildeten im [[Wikipedia:13. Jahrhundert|13.]] und [[Wikipedia:14. Jahrhundert|14. Jahrhundert]] eine [[esoterisch]]e, historisch nur schwer konkret fassbare geistige Gemeinschaft [[Wikipedia:Toskana|toskanischer]], namentlich [[Wikipedia:Florenz|florentinischer]] [[Dichter]] und [[Denker]], die im Gefolge der [[Wikipedia:Provence|provenzalischen]] [[Trobadordichtung]] enstanden war und zugleich über diese hinausstrebte. Auf ihrem [[Einweihungsweg]] suchten sie nach der reinen [[Minne]], nach der [[Liebe]] in ihrer höchsten Form. Das fand in ihren Gedichten und Schriften seinen Niederschlag, die in oft bewustt dunkel gehaltenen Worten von den tiefsten Geheimnissen der [[Christentum|christlichen]] Liebe künden, zugleich aber auch die Brücke zur irdischen Liebe schlagen.  
== Beispiele ==
* [[Zweiundsiebzig Sprachen]] und [[zweiundsiebzig Völker]] sind laut {{B|Gen|10||LUT}} durch die [[babylonische Sprachverwirrung]] als Folge des [[Turmbau zu Babel|Turmbaus zu Babel]] entstanden.
* [[Zweiundsiebzig Jünger]] des [[Christus]] werden im [[Lukasevangelium]] erwähnt {{Bibel|Lk|10|1–24|LUT}}.
* 72 [[jüdisch]]e Gelehrte sollen für die [[Wikipedia:Septuaginta|Septuaginta]] im Lauf von 72 Tagen in [[Wikipedia:Alexandria|Alexandria]] die [[Tora]], also die fünf Bücher [[Moses|Mose]], vom [[Hebräische Sprache|Hebräischen]] ins [[Altgriechische Sprache|Griechische]] übertragen haben. Die 72 Gelehrten arbeiteten dabei völlig unabhängig voneinander, dennoch sollen die Übersetzung wortwörtlich vollkommen miteinander übereingestimmt haben, was als unmittelbare [[Inspiration]] durch den [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] angesehen wurde.
* Im [[Daoismus]] werden [[Wikipedia:Grottenhimmel|zweiundsiebzig glückliche Orte]] erwähnt.
* In der [[jüdisch]]en Überlieferung werden nach dem [[Tanach]] 72 [[Hierarchien|Engelsnamen]] genannt.
* Die [[Kabbala]] nennt 72 Namen Gottes.


Über die provenzalischen Trobadors und ihr Verhältnis zur [[Katharer]]-Bewegung, die sich ebenfalls in der [[Wikipedia:Provence|Provence]] vom 12. - 14. Jahrhundert entfaltete und deren Untergang durch den [[Wikipedia:Albigenserkreuzzug|Albigenserkreuzzug]] (1209 bis 1229) eingeleitet wurde, schreibt [[Arthur Schult]]:
== Die 72 Namen Gottes in der jüdischen Kabbala ==


{{LZ|In der Provence begründeten die Minnesänger eine neue, freie Geistigkeit, die sich eng mit den mystisch-religiösen Lehren der provenzalischen [[Katharer]]-Gemeinden verband. Das war die Gaiescience („Gayascienza“), die „Fröhliche Wissenschaft“ der Troubadoure, die [[Friedrich Nietzsche]] bewunderte; er benannte eines seiner grundlegenden Werke „Fröhliche Wissenschaft“. Die Troubadoure impulsierten einen neuen Weg abendländischer Esoterik. Sie forderten nicht mönchische Askese und Weltentsagung, sondern gingen von der Anerkennung der den Menschen verliehenen Sinnennatur aus. Sie ließen das asketische Heiligkeitsideal des christlichen Mönchtums gelten, wie ihre Verbindung mit den asketischen Katharern zeigte; sie selbst aber gingen einen anderen Weg. Nicht durch Abtötung der Erdennatur des Menschen wollten sie den Geist erkraften. Dieses asketische Ideal mönchischer Heiligkeit empfanden sie als vorchristlich-orientalisch. Das wahrhaft christliche Ideal ist nicht Askese, sondern bejaht Leib, Erde und Sinnlichkeit im Vertrauen auf die Verwandlung der Erdennatur durch Christus. Die Troubadoure bejahten daher die im Blut waltenden Kräfte, die den jungen Menschen liebefähig machen. Sie wollten diese leiblichen Kräfte verklären, nicht unterdrücken oder abtöten. So lehrte schon Diotima in Platons Symposion, daß der Eros ein Mittler zum Göttlichen hin sei. So bejaht auch Christus die mystische Erotik, damit der ganze Mensch mit Leib Seele und Geist vom Göttlichen verklärt und zur Auferstehung gebracht werden kann.
'''72''' ist die '''Zahl der Namen Gottes''' in der jüdischen [[Kabbala]]. Damit ist auch das Judentum eine positive Religion, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, wie der Islam. Im Christentum ist diese Form der Theologie praktisch nicht bekannt. In der mittelalterlichen Scholastik war die ''Natürliche'' oder ''Rationale Theologie'' noch der Gipfel der Gefühle. Im Neuplatonismus wurde sogar ''nur'' eine ''Negative Theologie'' vertreten. Positive Aussagen über Gott waren grundsätzlich untersagt, weil man sie in Anbetracht der Größe und Heiligkeit Gottes für nicht angemessen hielt. Das ist auch der Grund, warum es im Christentum kaum echte Namen, Benennungen oder Zuschreibungen Gottes gibt.


Der Troubadour Montangayol aus Toulouse sagt: ‚Liebende sollen reinen Herzens sein und nur an Minne denken, denn die Minne ist keine Sünde, sondern eine Tugend, die die Schlechten gut und die Guten besser macht.‘ Echte Minne ist ebenso rein wie das Gebet und hat mit sexueller Gier nichts zu tun.
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Zweiundsiebzig}}
Wie in der Troubadourbewegung die Sexualität sublimiert wurde zum platonischen Eros, so führten die Katharer das religiöse Erleben auf eine Höhe, die nicht mehr zu überbieten war. Sie wußten, daß Gott Liebe ist und das Göttliche in Wahrheit von keinem Dogma erfaßt werden kann. , Ihnen war es nicht zu tun um die Lehre von Gott, um persönliche Glaubensauffassungen, sondern ihn war einzig wesentlich die Verwirklichung Gottes im persönlichen Leben, die reale Gotteserfahrung. Sie wußten: Gott entzieht sich dem Begriff. Er kann nur durch Schweigen verehrt und durch Läuterung der Seele erfahren werden. Sich seiner würdig machen, ist alles.|Schult, S. 23}}
 
Die Fedeli d’Amore entwickelten einen völlig neuen, zarten und einfühlsamen Stil, der später von [[Dante Alighieri]] (* 1265; † 1321), der auch diesem Kreis angehörte, als „[[dolce stil novo]]“ bezeichnet wurde. Als Begründer dieses neuen Stils gilt [[Guido Guinizelli]] (* um 1230; † um 1276). Im seiner berühmten [[Wikipedia:Kanzone (Literatur)|Kanzone]] ''[[Al cor gentil rempaira sempre amore]]'' («rempaira» ist ein [[Wikipedia:Provenzalische Sprache|provenzalisches]] Wort für „heimkehren“) mit dem Reimschema ABAB, cDc, EdE, die geradezu das Manifest dieser neuen Bewegung wurde, betonte Guinizelli die Verwandtschaft zwischen der Liebe und der ''edlen Seele'' (''nobiltà d’animo''), der zum [[Geistselbst]] verwandelten [[Seele]].
 
{| class="centered" width="800px" |
|-
| <poem>1  Al cor gentil rempaira sempre amore
come l’ausello in selva a la verdura;
  né fe’ amor anti che gentil core,
né gentil core anti ch’amor, natura:
5  ch’adesso con’ fu ’l sole,
sì tosto lo splendore fu lucente,
né fu davanti ’l sole;
e prende amore in gentilezza loco
così propïamente
10 come calore in clarità di foco.
 
[...]
 
Donna, Deo mi dirà: «Che presomisti?»,
sïando l’alma mia a lui davanti.
  «Lo ciel passasti e ’nfin a Me venisti
e desti in vano amor Me per semblanti:
55  ch’a Me conven le laude
e a la reina del regname degno,
per cui cessa onne fraude».
Dir Li porò: «Tenne d’angel sembianza
che fosse del Tuo regno;
60 non me fu fallo, s’in lei posi amanza».</poem> || <poem>1 In edle Herzen ziehet gern die Liebe,
Wie gern das Vöglein in des Waldes Grün;
Zugleich schuf uns Natur die süßen Triebe,
Zugleich ließ sie das edle Herz erblühn.
5 So trat hervor die hohe Sonne,
Nicht früher als des Glanzes milder Strahl
Erglühte jen' in Pracht und Wonne.
Die Liebe thront allein auf edelm Sitze,
Da weilt sie allzumal
10 Wie in des Feuers hellem Glanz die Hitze.
 
[...]
 
Was hast, fragt Gott, du dir herausgenommen?
Wenn meine Seel' im Tod' einst vor ihm steht,
Durch Himmel drangst du, bist hiehergekommen;
Doch Lieb' ehrt'st du statt meiner Majestät,
55 Mir ganz allein darf Lob gebühren!
Zur Himmelskön'gin sprech' ich dann sogleich,
Die alle Tück' uns konnt' entführen:
Von einem Engel hat sie alle Züge
Aus deinem sel'gen Reich:
60 Ist's Sünde dann, wenn ich der Lieb' erliege?<ref>Guido Guinizelli: ''Lob der Liebe'', Übersetzer unbekannt [http://www.deutsche-liebeslyrik.de/europaische_liebeslyrik/guinizelli_guido.htm]</ref></poem>
|}
 
Die Liebe wird Guinizelli zu einem Weg des moralischen Aufstiegs, der überhaupt erst die [[Unsterblichkeit der Seele]] begründet. Nicht zufällig wird nach einem [[okzitanisch]]en Wortspiel die Liebe mit der Unsterblichkeit gleichgesetzt: [[amor]] = a („nicht“) mor(t) („[[Tod]]“).
 
Wahre [[Erotik]], heute zumeist einseitig nur auf die [[sinnlich]]e Beziehung zwischen den [[Mensch]]en reduziert, hat ihren wahren Ursprung in der Sehnsucht der [[Seele]] nach Erfüllung mit dem [[schöpferisch]]en [[Geist]], wie man ihn gezielt auf dem [[Einweihung]]sweg erstrebte, der selbst oft in sinnlich-erotischen Bildern symbolisiert wurde. Ein typisches Beispiel dafür ist das [[Hohelied Salomos]]. Dort heißt es etwa im 4. Kapitel:
 
{{Zitat|1 Siehe, meine Freundin, du bist schön! Siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Tauben hinter deinem Schleier. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gilead.
2 Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme kommen; alle haben sie Zwillinge, und es fehlt keiner unter ihnen.
3 Deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur, und dein Mund ist lieblich. Deine Schläfen sind hinter deinem Schleier wie eine Scheibe vom Granatapfel.
4 Dein Hals ist wie der Turm Davids, mit Brustwehr gebaut, an der tausend Schilde hangen, alle Köcher der Starken.
5 Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitze, Zwillinge einer Gazelle, die unter den Lotosblüten weiden.
6 Bis es Tag wird und die Schatten schwinden, will ich zum Myrrhenberge gehen und zum Weihrauchhügel.
7 Du bist schön, ganz wunderschön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir.
8 Komm mit mir, meine Braut, vom Libanon, komm mit mir vom Libanon, steig herab von der Höhe des Amana, von der Höhe des Senir und Hermon, von den Wohnungen der Löwen, von den Bergen der Leoparden!
9 Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, du hast mir das Herz genommen mit einem einzigen Blick deiner Augen, mit einer einzigen Kette an deinem Hals.
10 Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! Köstlicher als Wein ist deine Liebe! Und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Gewürze.
11 Von deinen Lippen, meine Braut, träufelt Honigseim. Honig und Milch sind unter deiner Zunge, und der Duft deiner Kleider ist wie der Duft des Libanon.
12 Ein verschlossener Garten bist du, meine Schwester, liebe Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Born.
13 Du bist wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, Zyperblumen mit Narden,
14 Narde und Safran, Kalmus und Zimt, mit allerlei Weihrauchsträuchern, Myrrhe und Aloe, mit allen feinen Gewürzen.
15 Ein Gartenbrunnen bist du, ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen.
16 Steh auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe durch meinen Garten, dass der Duft seiner Gewürze ströme! Mein Freund komme in seinen Garten und esse von seinen edlen Früchten.|Hoheslied|{{BB|Hld|4|1-16|LUT}}}}
 
Im Zentrum aller Bestrebungen der Fedeli d’Amore steht die ''donna unica'', die ''donna angelica'' („Engel-Frau“), das Bild der Frau als vom Gott entsandter [[Engel]], der die Seele des Liebenden zu läutern und ihn von der [[Sünde]] zur himmlischen [[Seligkeit]] zu führen vermag. [[Dante]]s ''donna angelicata'' ist seine [[Beatrice]]. Er erwähnt sie erstmals in seiner «[[Vita Nova]]» (''„Das neue Leben“'') und ist später die zentrale Gestalt der «[[Göttliche Komödie|Göttlichen Komödie]]». Als [[Sinnbild]] der [[vita contemplativa]] verkörpert sie den wahren [[christlich]]en [[Glaube]]n, die wahre «[[Theologia]]», die Dante ganz im Sinne der [[Templer-Esoterik]] deutet.
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn Sie die Lehren der [[Templer]] verfolgen, so ist da etwas im
Mittelpunkte, was als etwas Weibliches verehrt wurde. Dieses Weibliche
nannte man die [[Jungfrau Sophia|göttliche Sophia]], die göttliche Weisheit. Manas
ist das fünfte Prinzip, das geistige Selbst des Menschen, das aufgehen
soll, dem ein Tempel errichtet werden sollte. Und wie das Fünfeck
vom Eingang des [[Salomonischer Tempel|Salomonischen Tempels]] den fünfgliedrigen Menschen
charakterisiert, ebenso charakterisiert dieses Weibliche die Weisheit
des Mittelalters. Dante hat mit seiner «Beatrice» nichts anderes
als diese Weisheit zur Darstellung bringen wollen. Nur der versteht
Dantes «Göttliche Komödie», der sie von dieser Seite betrachtet." {{Lit|{{G|93|152|154}}}}
 
Dante hat darauf hingewiesen, dass seiner «[[Göttliche Komödie|Commedia]]» nicht nur ein einfacher, sondern ein vierfacher Schriftsinnn innewohnt. So kommt auch Beatrice, wie [[Arthur Schult]] überzeugend dargestellt hat, eine vierfache Bedeutung zu:
 
{{LZ|Wenn Beatrice sagt:
 
::Vor allem, was Natur und Kunst dir zeigte,
::Entzückten dich am meisten meine Glieder,<ref name="Beatrice">Purgatorio 31, 49-51</ref>
 
so haben diese Worte neben der geistigen Bedeutung, von der später gesprochen werden soll, auch einen irdischen Sinn, sind eine Bejahung sexuell-erotischer Liebe. Die Triebe sollen gesund erhalten werden. Wer um die
Vergänglichkeit aller Erdenfreuden weiß und sie durchseelt und durchgeistigt,
sie dankbar im sakramentalen Sinne genießt, steht dem Ewigen näher
als ein Asket, der keine wahre Erlösung erfährt, wenn er den Trieb unterdrückt.
Der [[Sexus]] ist das Einfallstor für den [[Eros]], der zur [[Agape]] erhöht
werden kann. Der Weg der Eros-Einweihung, wie ihn [[Platon]] im „Symposion“
aufzeigt, führt vom schönen Körper und der schönen Seele zum Meer
der göttlichen Schönheit, von der begrenzten Schönheit zur unbegrenzten
Schau des Ewig-Schönen, vom sinnlich-vergänglichen Bild zur quellhaft-fließenden
göttlichen Schöpferkraft. Das war auch Dantes Weg. Auf diesem
Weg besteht aber immer die Gefahr eines Abgleitens in seelenlose Sinnlichkeit,
in bloßen sinnlichen Genuß, dem auch Dante oft erlegen war; und
in diesem Sinn bekennt er sich schuldig.
 
Dante hat, wie schon ausgeführt, in seinem Dedikationsschreiben an [[Wikipedia:Cangrande I. della Scala|Cangrande della Scala]]
von der vielschichtigen Bedeutung seiner „Divina Commedia“ gesprochen
und darauf hingewiesen, daß ihr ein vierfacher Sinn zugrunde liege:
der wörtliche Sinn, der allegorische Sinn, der moralische Sinn und der
anagogische Sinn. Diese Betrachtungsweise angewandt auf die Gestalt Beatrices, können wir sagen: Im wörtlichen Sinn ist Beatrice, wie eben geschildert, eine Jugendgeliebte au Florenz; im allegorischen Sinn die Genie des
Himmlischen Paradiese, der ganz durchchristete Mensch; im moralischen
Sinne die Symbolgestalt der [[vita contemplativa]], des Gottschauens; im angogischen Sinne die Hierophantin des Himmlischen Paradieses als göttliche Weisheit, speziell gesehen im Aspekt der Templer-Gnosis und der Geistkirche.
 
Die Verse:
 
::Von allem, was Natur und Kunst dir zeigte,
::Entzückten dich am meisten meine Glieder,
::Die überall zerstreut nun sind auf Erden.<ref name="Beatrice"></ref>
 
deuten versteckt auch hin auf den Prozeß gegen den Tempelritterorden und
seine Folgen. Der Zusatz „die überall zerstreut nun sind auf Erden“
(„membra ... in terra sparte“) kann sich nicht auf die Glieder der irdischen Beatrice beziehen, die keineswegs zerstreut worden sind. Mit den
Glidern Beatrices sind hier gemeint jene Glieder des Tempelritterordens, die beim Angriff auf den Orden über die ganze Erde zerstreut wurden.|Schult, S. 443f}}
 
In höchster Steigerung der von den Fedeli d’Amore angebeteten ''donna angelica'' ist die [[Himmelskönigin]] selbst, die himmlische [[Jungfrau Maria]]. Als «[[Jungfrau Sophia]]» ist sie in der [[Christliche Esoterik|christlichen Esoterik]] zugleich der von allen niederen sinnlichen Begierden gereinigete (→ [[Katharsis]]) und zum [[Geistselbst]] erhöhte [[Astralleib]] und gleichbedeutend, allerdings jetzt in christlich verwandelter Form, mit der «[[Isis]]» der [[Ägyptische Mysterien|ägyptischen Mysterien]], später von [[Goethe]] im abschließenden [[Chorus Mysticus]] seiner [[Faust-Dichtung]] als das «[[Ewig-Weibliche]]» und in seinem [[Goethes Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie|Märchen]] als «[[schöne Lilie]]» angesprochen.
 
{{GZ|Die christliche Esoterik nannte diesen gereinigten, geläuterten astralischen Leib, der in dem Augenblick, wo er der Erleuchtung unterworfen ist, nichts von den unreinen Eindrücken der physischen Welt in sich enthält, sondern nur die Erkenntnisorgane der geistigen Welt, die «reine, keusche, weise Jungfrau Sophia». Durch alles das, was der Mensch aufnimmt in der Katharsis, reinigt und läutert er seinen astralischen Leib zur «Jungfrau Sophia». Und der «Jungfrau Sophia» kommt entgegen das kosmische Ich, das Welten-Ich, das die Erleuchtung bewirkt, das also macht, daß der Mensch Licht um sich herum hat, geistiges Licht. Dieses Zweite, das zur «Jungfrau Sophia» hinzukommt, nannte die christliche Esoterik - und nennt es auch heute noch - den «Heiligen Geist». So daß man im christlich-esoterischen Sinne ganz richtig spricht, wenn man sagt: Der christliche Esoteriker erreicht durch seine Einweihungsvorgänge die Reinigung und Läuterung seines astralischen Leibes; er macht seinen astralischen Leib zur «Jungfrau Sophia» und wird überleuchtet - wenn Sie wollen, können Sie es überschattet nennen - von dem «Heiligen Geiste», von dem kosmischen Welten-Ich.|103|201}}
 
Wie sich der [[Geistesschüler]] im Zuge des geistigen [[Schulungsweg]]es dazu vorbereitet, schildert [[Rudolf Steiner]] weiters so:
 
{{GZ|Erst ist es eine unbewußte Arbeit, die der Mensch an seinem Ätherleibe und seinem Astralleibe verrichtet. Diese vollzieht sich im allgemeinen Entwickelungsgang der Menschheit. Der Chela beginnt diese Arbeit bewußt in die Hand zu nehmen. Es wird bei unablässigem Üben ein bestimmter Moment erreicht, wo der ganze astralische Leib umgewandelt ist. Dann kann sich alles, was im astralischen Leibe ist, in den Ätherleib hinein abdrücken. Dann erst darf dieses geschehen, früher nicht, denn früher kämen schlimme Eigenschaften hinein. Das Erworbene geht dann mit dem [[Kausalleib]] durch alle Inkarnationen hindurch. Die Verewigung, Verlebendigung alles dessen, was der Astralleib enthält, ist ein ungeheuer wichtiger Vorgang. Das kann er in keinem Kamaloka abwerfen, das trägt er für immer in sich. Deshalb ist die vorherige Reinigung sehr notwendig.
 
Das Abdrücken dessen, was der Astralleib enthält, in den Ätherleib, wurde in der alten Einweihung so vollzogen, daß der Schüler in eine Krypta gebracht und dort in eine Art Sarg gelegt wurde. Manchmal wurde er auch an eine Art Kreuz gebunden und in einen lethargischen Zustand versetzt, bei dem der Ätherleib zugleich mit dem Astralleib aus dem physischen Leib heraustrat. Etwas ähnliches, nämlich das Heraustreten eines Teiles des Ätherleibes, geht beim Einschlafen eines Gliedes vor sich; man kann dann den betreffenden Teil des Ätherleibes aus dem Körper heraushängen sehen. Die Einweihung selbst nahm ein besonders hoher Initiierter vor. Vieles andere noch wurde da nach vorgeschriebenen Regeln gemacht. Solch ein Schlaf war etwas anderes als ein gewöhnlicher Schlaf. Es blieb bloß der physische Leib in dem sogenannten Sarg zurück, und der Ätherleib und Astralleib gingen heraus; es war also eine Art Tod. Dies war notwendig, daß man den Ätherleib frei bekam, denn nur dann kann sich der Astralleib in den Ätherleib abdrücken. Dreieinhalb Tage dauerte dieser Zustand. Wenn der Novize dann von dem Initiator wieder hingelenkt wurde zu dem physischen Leib, so wurde ihm noch eine letzte Formel eingeprägt, mit der er aufwachte. Das waren die Worte: «Eli, Eli, lama sabachthani!», das heißt: «Mein Gott, mein Gott, wie hast Du mich verherrlicht!» Zugleich schien ihm ein bestimmter Stern, in der ägyptischen Einweihung der Sirius, entgegen. Jetzt war er ein neuer Mensch geworden. Man nannte nun den ganz vergeistigten Astralleib aus einem ganz bestimmten Grunde mit einem ganz besonderen Namen: «Jungfräulich» nannte man diesen Astralleib, die «Jungfrau Sophia». Und den Ätherleib, der aufnimmt, was die Jungfrau Sophia in sich trug, nannte man den «Heiligen Geist». Und das, was aus beiden entstand, das war der «Menschensohn». Der Verkündigung und Geburt des Jesus von Nazareth liegen diese Mysterieninhalte zugrunde.
 
Dieses innere Erlebnis wurde im Bilde auch so dargestellt, daß der Heilige Geist als die Taube über dem Kelch schwebt. Das ist der Moment, der im Johannes-Evangelium 1,32 beschrieben wird: «Und Johannes zeugete und sprach: Ich sah, daß der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf Ihm.» Denken Sie sich das auf dem astralen Plan erlebt, so haben Sie ein wirkliches Ereignis.|94|290f}}
 
Das [[Hohelied der Liebe (Paulus)|Hohelied der Liebe]], das im 13. Kapitel des von [[Paulus von Tarsus]] verfassten [[Wikipedia:1. Brief des Paulus an die Korinther|1. Korintherbriefs]] steht, ist der [[christlich]]e ''Hymnus an die Liebe'' schlechthin. Es gipfelt in der Verherrlichung drei [[Christliche Tugend|christlichen Tugenden]] [[Glaube]], [[Liebe]] und [[Hoffnung]], die auch eine entscheidende Rolle in [[Dante]]s «[[Göttliche Komödie|Göttlicher Komödie]]» spielen und ist zugleich eine geheime Anleitung zum [[Lesen]] im [[Buch der Natur]] ([[Latein|lat.]] ''[[Liber Mundi]]''), wie es durch den schaffenden [[Logos]], den [[Christus]] selbst, im Zuge der [[Schöpfung]] geschrieben und durch seine [[Inkarnation]] als [[Christus Jesus]] auf [[Erde (Planet)|Erde]] durchgreifend verwandelt und erhöht wurde.
 
{{Zitat|1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.|Paulus von Tarsus|1. Korintherbrief {{Bibel|1 Kor|13|1-13|LUT}}}}
 
[[Rudolf Steiner]] hat darauf hingewiesen, dass die christlichen Tugenden die zentralen und sorgsam zu pflegenden [[Tugend]]en unserer, der [[Natur]] entstammenden [[leib]]lichen [[Wesensglieder]] sind. Der [[Glaube]] ist die höchste Tugend des [[Astralleib]]s; die [[Liebe]]kraft soll den [[Ätherleib]] durchströmen, und die [[Hoffnung]] bezieht sich auf den [[Physischer Leib|physischen Leib]] {{Lit|{{G|130|172ff}}}}.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Ernst Bindel]]: ''Die geistigen Grundlagen der Zahlen'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2003, ISBN 3-7725-1251-8, [http://d-nb.info/953552047/04 Inhaltsverzeichnis]
* [[Helmut Werner]]: ''Lexikon der Numerologie und Zahlenmystik'', Komet, ISBN 3-89836-132-2


* [[Wikipedia:Giovanni Boccaccio|Giovanni Boccaccio]]: ''Das Leben Dantes'', Übertragen von Edmund Theodor Kauer, Deutsche Buchgemeinschaft, Berlin
== Weblinks ==
* [[René Guénon]]: ''L’ésotérisme de Dante'', 1925 [http://noelpecout.blog.lemonde.fr/files/2010/07/guenon.1278243698.pdf]
* [http://www.ewigeweisheit.de/geheimwissen/kabbalah/shemhamphorash Die 72 Namen Gottes in der jüdischen Kabbala]
* [[Willem Frederik Veltman]]: ''Dantes Weltmission'', J. Ch. Mellinger Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 978-3-88069006-6
* [http://de.pluspedia.org/wiki/72_Namen_Gottes_im_Judentum Die 72 Namen Gottes im Judentum]
* Robert L. John: ''Dante'', Springer-Verlag, Wien 1946, ISBN 978-3-211-80023-2
* [[Arthur Schult]]: ''Dantes Divina Commedia als Zeugnis der Tempelritter-Esoterik'', Turm-Verlag, Bietigheim 1979, ISBN 978-3799901840
* [[Wikipedia:Joseph P. Strelka|Joseph P. Strelka]]: ''Dante und die Templergnosis'', A. Francke Verlag, Tübingen 2012, ISBN 978-3772084430
* [[Wikipedia:Luigi Valli|Luigi Valli]]: ''Il linguaggio segreto di Dante e dei «Fedeli d'Amore»'', Luni Editrice, Milano 1994, ISBN 88-7984-018-5 [http://www.classicitaliani.it/Valli/valli_linguaggio_segreto_dante_01.htm online]
* Alfonso Ricolfi: ''Studi sui Fedeli d'Amore'', Albrighi, Segati & c. 1933
#Rudolf Steiner: ''Die Tempellegende und die Goldene Legende '', [[GA 93]] (1991), ISBN 3-7274-0930-4 {{Vorträge|093}}
#Rudolf Steiner: ''Kosmogonie'', [[GA 94]] (1979) {{Vorträge|94}}
#Rudolf Steiner: ''Das Johannes-Evangelium'', [[GA 103]] (1995) {{Vorträge|103}}
#Rudolf Steiner: ''Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit'', [[GA 130]] (1995), ISBN 3-7274-1300-X {{Vorträge|130}}
 
{{GA}}
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />


[[Kategorie:Kunst]] [[Kategorie:Dichtung]] [[Kategorie:Dante]] [[Kategorie:Schulungsweg]] [[Kategorie:Einweihung]]
[[Kategorie:Zahlen]]

Aktuelle Version vom 6. Januar 2021, 23:06 Uhr

72

Zweiundsiebzig, oft auch abgerundet zu Siebzig, ist eine Zahl von hoher realsymbolischer Bedeutung, vornehmlich in der jüdisch-christlichen Tradition. Sie spiegelt kosmische Verhältnisse wider, die für die Entwicklung des einzelnen Menschen und für die Menschheitsentwicklung insgesamt entscheidend sind. 72 bzw. 70 Jahre währt die kosmisch bestimmte Lebensdauer des Menschen, wobei 72 * 360 = 25920 etwa die Länge des Platonischen Weltenjahres ist. 72 Jahre entsprechen damit ziemlich genau einem Tag des großen Weltenjahres. Ein Zwölftel dieses Weltenjahres, also 2160 Jahre, ergibt die Dauer einer Kulturepoche, die damit einem Weltenmonat mit 30 Weltentagen entspricht (72 * 30 = 2160). Die tatsächliche Lebensdauer des Menschen kann von diesem kosmischen Idealmaß, bedingt durch die kulturellen und individuellen karmischen Verhältnisse, natürlich innerhalb gewisser Grenzen abweichen.

Beispiele

Die 72 Namen Gottes in der jüdischen Kabbala

72 ist die Zahl der Namen Gottes in der jüdischen Kabbala. Damit ist auch das Judentum eine positive Religion, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, wie der Islam. Im Christentum ist diese Form der Theologie praktisch nicht bekannt. In der mittelalterlichen Scholastik war die Natürliche oder Rationale Theologie noch der Gipfel der Gefühle. Im Neuplatonismus wurde sogar nur eine Negative Theologie vertreten. Positive Aussagen über Gott waren grundsätzlich untersagt, weil man sie in Anbetracht der Größe und Heiligkeit Gottes für nicht angemessen hielt. Das ist auch der Grund, warum es im Christentum kaum echte Namen, Benennungen oder Zuschreibungen Gottes gibt.

Siehe auch

Literatur

Weblinks