Sozialwissenschaft und Theaitetos: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Sozialwissenschaften''' (oft auch als '''Gesellschaftswissenschaften''' bezeichnet) umfassen jene [[Wissenschaft]]en, die Phänomene des [[wikipedia:Gesellschaft (Soziologie)|gesellschaftlichen]] Zusammenlebens der Menschen theoriegeleitet und/oder empirisch untersuchen.
[[Datei:Theaitetos beginning. Clarke Plato.jpg|mini|Der Anfang des ''Theaitetos'' in der ältesten erhaltenen mittelalterlichen Handschrift, dem 895 geschriebenen ''Codex Clarkianus'' (Oxford, [[Bodleian Library]], Clarke 39)]]
Der '''''Theaitetos''''' ({{ELSalt|Θεαίτητος}} ''Theaítētos'', [[lat.]] ''Theaetetus'', eingedeutscht auch ''Theätet'') ist ein in [[Platonischer Dialog|Dialogform]] verfasstes Werk des [[Wikipedia:Philosophie der Antike|griechischen Philosophen]] [[Platon]]. Darin wird ein fiktives, literarisch gestaltetes Gespräch wörtlich wiedergegeben. Beteiligt sind Platons Lehrer [[Sokrates]] und zwei Mathematiker: der junge [[Wikipedia:Theaitetos (Mathematiker)|Theaitetos]], nach dem der Dialog benannt ist, und dessen Lehrer [[Wikipedia:Theodoros von Kyrene (Mathematiker)|Theodoros von Kyrene]].


In den Sozialwissenschaften werden [[Struktur]]en und [[Funktion]]en [[wikipedia:Soziales Netzwerk (Soziologie)|sozialer Verflechtungszusammenhänge]] von [[wikipedia:Institution|Institution]]en und [[wikipedia:Soziales System|Systemen]] und auch deren Wechselwirkung mit [[wikipedia:Soziales Handeln|Handlungs]]- und [[wikipedia:Sozialverhalten|Verhaltensprozessen]] der einzelnen [[Individuum|Individuen]] ([[wikipedia:Akteur|Akteur]]e) analysiert.
Das Thema bilden Kernfragen der [[Erkenntnistheorie]]. Erörtert wird, worin Erkenntnis besteht und wie man gesichertes [[Wissen]] von wahren, aber unbewiesenen Behauptungen unterscheidet. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche allgemeine Unterscheidung überhaupt möglich ist und überzeugend begründet werden kann. Es soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen man den Anspruch erheben kann, etwas zu wissen und darüber nachweislich wahre Aussagen zu machen. Benötigt wird ein unanfechtbares Kriterium für erwiesene [[Wahrheit]].


In den Sozialwissenschaften werden wissenschaftliche Methoden verwendet, die zum Teil mit denen der Natur- und zum Teil mit denen der Geisteswissenschaften verwandt sind. Deshalb ist die Abgrenzung schwierig. Es gibt keine einheitlichen Regelungen jenseits der Traditionen derjenigen wissenschaftlichen Institutionen, die sich den Sozialwissenschaften oder anderen Wissenschaftschaftszweigen zurrechnen. Sozialwissenschaft kann z.B. der Psychologie (Sozialpsychologie) oder der Philosophie (Sozialphilosophie) zugeordnet sein, sich aber auch als eigenständige Wissenschaft mit einem besonderen Gegenstand, einer besonderen Methode oder einer besonderen Perspektive (auf einen Gegenstand, der auch von anderen Wissenschaften untersucht wird) verstehen (z.B. die Soziologie).
Im Verlauf der Diskussion scheitern alle Versuche, den Unterschied zwischen Wissen und richtigem Meinen zu bestimmen. Wenn sinnvolle Aussagen überhaupt möglich sind, muss es objektive Wahrheit geben, denn jeder Diskurs setzt die Unterscheidung von „wahr“ und „falsch“ voraus. Es gelingt aber nicht, mittels eines allgemein anwendbaren Kriteriums mutmaßlich richtige von nachweislich richtigen Vorstellungen abzugrenzen. Jede der vorgeschlagenen Definitionen von „Wissen“ trifft auch auf eine richtige, aber unbewiesene Annahme zu. Damit erweist sich die Verwendung des Begriffs „Wissen“ als grundsätzlich problematisch. Anscheinend kann man zwar wahre Aussagen machen, aber nicht wirklich wissen, dass sie wahr sind. Der Dialog endet in einer Ratlosigkeit ([[Aporie]]).


== Sozialwissenschaftliche Grundlagen der Lehre vom dreigegliederten sozialen Organismus ==
In der philosophiegeschichtlichen Forschung haben die erkenntnistheoretischen Erörterungen im ''Theaitetos'' zu lebhaften Debatten geführt, die weiterhin andauern. Dabei geht es vor allem um die Frage nach Platons eigener Position. Einer Hypothese zufolge hat er die erkenntnistheoretische [[Skeptizismus#Antike|Skepsis]], die sich aus dem Fehlschlag der Bemühungen im Dialog zu ergeben scheint, zumindest zeitweilig selbst vertreten, nachdem er mit seiner [[Ideenlehre]] in unüberwindlich scheinende logische Schwierigkeiten geraten war. Die Gegenmeinung besagt, er habe die pessimistische Einschätzung der Möglichkeit von Wissen nicht geteilt. Vielmehr habe er sie im ''Theaitetos'' nur dargelegt, um die Leser dazu anzuregen, das Problem zu erfassen und zu lösen.
{{GZ|Nur wer in abstrakten
Gedanken lebt, dem erscheint alles in  
eindeutigen
Umrissen. Ein solcher tadelt das
Lebenspraktische oft, weil
er es nicht bestimmt, nicht «klar» genug
dargestellt findet.
Viele, die sich Praktiker dünken, sind
gerade solche Abstraktlinge.
Sie bedenken nicht, daß das Leben die
mannigfaltigsten
Gestaltungen annehmen kann. Es ist ein
fließendes
Element. Und wer mit ihm gehen will, der muß
sich auch
in seinen Gedanken und Empfindungen diesem
fließenden
Grundzug anpassen. Die sozialen Aufgaben
werden nur
mit einem solchen Denken ergriffen werden
können.|23|21f.}}


{{GZ|[Der Verfasser] hält nicht viel von dem bloßen Hinweis
== Ort, Zeit und Umstände ==
auf «den Geist», von dem Reden über eine nebelhafte
Geisteswelt. Er kann nur die Geistigkeit anerkennen, die
der eigene Lebensinhalt des Menschen wird. Dieser erweist
sich in der Bewältigung der praktischen Lebensaufgaben
ebenso wirksam wie in der Bildung einer Welt-und Lebensanschauung,
welche die seelischen Bedürfnisse befriedigt.
Es kommt nicht darauf an, daß man von einer Geistigkeit
weiß oder zu wissen glaubt, sondern darauf, daß dies eine
Geistigkeit ist, die auch beim Erfassen der praktischen
Lebenswirklichkeit zutage tritt.|23|25}}


{{GZ|In der Gegenwart dieser Entwickelung steht man vor
Die Gesprächssituation ist wahrscheinlich von Platon frei erfunden. Die Dialoghandlung ist in eine ebenfalls fiktive [[Rahmenerzählung|Rahmenhandlung]] eingebettet. Zwei ehemalige Schüler des schon vor langer Zeit hingerichteten Sokrates, [[Euklid von Megara|Eukleides]] und Terpsion, führen das Rahmengespräch. Sie treffen in ihrer Heimatstadt [[Megara]] im äußersten Westen der Landschaft [[Attika (Landschaft)|Attika]] zusammen. Eukleides erzählt, dass er von Sokrates viel über dessen denkwürdige Unterredungen mit dem damals noch sehr jungen Theaitetos gehört hat. Diese Gespräche fanden in [[Athen]], der Heimatstadt von Sokrates und Theaitetos, statt. Eine solche Diskussion hat Eukleides, dem Bericht des Sokrates folgend, aus dem Gedächtnis in einem Buch aufgezeichnet. Dort gibt er den Gesprächsverlauf durchgängig in direkter Rede wieder. Auf Terpsions Wunsch lässt er nun das Buch vorlesen. Dessen Inhalt macht die [[Binnenerzählung|Binnenhandlung]] des ''Theaitetos'' aus.
der Notwendigkeit, diese Gliederung durch zielbewußtes
soziales Wollen zu erstreben.|23|26 ; [Gliederung: Dreigliederung]}}


{{GZ|Die hier gemeinte Gliederung ist nicht eine
Für die Zeit der Rahmenhandlung bieten die Angaben des Eukleides einen wichtigen Anhaltspunkt. Er hat soeben im Hafen von Megara Theaitetos getroffen, der kürzlich in einem Kampf bei [[Korinth]] verwundet worden ist und nun nach Athen gebracht wird. Gemeint ist anscheinend eine militärische Auseinandersetzung im Rahmen des [[Korinthischer Krieg|Korinthischen Krieges]], aber nicht die [[Schlacht von Korinth]] im Jahr 392 v. Chr., sondern möglicherweise ein Gefecht zwischen athenischen und spartanischen Truppen im Frühjahr 391 v. Chr. Demnach liegt der Tod des Sokrates, der 399 v. Chr. hingerichtet wurde, zur Zeit der Rahmenhandlung schon acht Jahre zurück. Allerdings ist diese Datierung umstritten; nach einer alternativen, von vielen Forschern akzeptierten Hypothese fällt die Teilnahme des Theaitetos an Kämpfen bei Korinth in das Jahr 369 v. Chr. Damals unterlag eine Allianz, an der die Athener beteiligt waren, einer Streitmacht des [[Theben (Böotien)|thebanischen]] Feldherrn [[Epameinondas]].<ref>Michel Narcy: ''Théétète''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 688 f.; Michael Erler: ''Platon'', Basel 2007, S. 232; Debra Nails: ''The People of Plato'', Indianapolis 2002, S. 275–277, 320 f.; Holger Thesleff: ''Platonic Patterns'', Las Vegas 2009, S. 301–303.</ref>
solche nach räumlich
abgrenzbaren Leibesgliedern, sondern eine
solche nach Tätigkeiten
(Funktionen) des Organismus.  
«Kopforganismus» ist nur zu gebrauchen,
wenn man sich bewußt ist, daß im Kopfe in  
erster Linie das
Nerven-Sinnesleben zentralisiert ist. Doch
ist natürlich im Kopfe auch
die rhythmische und die
Stoffwechseltätigkeit vorhanden, wie in den
andern Leibesgliedern die Nerven-
Sinnestätigkeit vorhanden ist.
Trotzdem sind die drei Arten der Tätigkeit
ihrer Wesenheit nach
streng voneinander geschieden.|23|57 (Fußnote)}}


{{GZ|(...) Betrachtung des menschlichen
Der ''Theaitetos'' ist der erste Teil einer [[Trilogie]], einer Gruppe von drei inhaltlich und szenisch verknüpften Dialogen, die sich innerhalb von zwei Tagen abspielen. Am ersten Tag findet das Gespräch von Sokrates, Theaitetos und Theodoros statt, das die Handlung des ''Theaitetos'' bildet. Der folgende Tag beginnt mit der in Platons Dialog ''[[Sophistes]]'' dargestellten Diskussion, in der sich Sokrates ganz zurückhält. Dort tritt ein neuer Gesprächsteilnehmer auf, der „Fremde aus [[Elea]]“, der mit Theaitetos und Theodoros Definitionsfragen untersucht. Dabei kommt die schon im ''Theaitetos'' behandelte Wahrheitsproblematik wiederum ins Blickfeld, diesmal unter einem anderen Gesichtspunkt. Am gleichen Tag folgt der dritte Dialog, der ''[[Politikos]]'' („Staatsmann“). Dort wird die Vorgehensweise beim Definieren anhand des Beispiels der Definition des Begriffs „Staatsmann“ erprobt.
Organismus (...), welche durchschaut, wie
diese drei Glieder - Kopfsystem, Zirkulationssystem oder
Brustsystem und Stoffwechselsystem - dadurch den Gesamtvorgang
im menschlichen Organismus aufrechterhalten, daß
sie in einer gewissen Selbständigkeit wirken, daß nicht eine
absolute Zentralisation des menschlichen Organismus vorliegt,
daß auch jedes dieser Systeme ein besonderes, für sich
bestehendes Verhältnis zur Außenwelt hat. Das Kopfsystem
durch die Sinne, das Zirkulationssystem oder rhythmische
System durch die Atmung, und das Stoffwechselsystem
durch die Ernährungs- und Bewegungsorgane.|23|58}}


{{GZ|Man muß dieses im
Der Zeitpunkt der drei Diskussionen ist das Frühjahr 399 v. Chr.; der Prozess gegen Sokrates, in dem er zum Tode verurteilt wird, steht bevor. Im ''Theaitetos'' wird erwähnt, dass die Anklage gegen ihn bereits erhoben ist.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 210d.</ref> Die zeitliche Nähe zur Hinrichtung des Philosophen, einem Platons Zeitgenossen vertrauten Ereignis, bildet unausgesprochen den Hintergrund des Geschehens. Sie trägt zu der Wirkung bei, die Platon bei den Lesern erzielen will. Die Auseinandersetzung mit diesem für die Sokratiker und [[Platonische Akademie|Platoniker]] erschütternden Vorgang ist ein wesentlicher Aspekt von Platons schriftstellerischer Tätigkeit.<ref>Debra Nails: ''The People of Plato'', Indianapolis 2002, S. 320.</ref>
Leben empfindend unterscheiden, damit sich
als Folge dieser
Empfindung das Wirtschafts- von dem  
Rechtsleben scheidet,
wie im menschlichen natürlichen Organismus
die Tätigkeit
der Lunge zur Verarbeitung der äußeren Luft
sich abscheidet
von den Vorgängen im Nerven-Sinnesleben.|23|62}}


{{GZ|Der notwendige Verkehr zwischen den Leitungen
Der Schauplatz der Handlung des ''Theaitetos'' ist die [[Palästra|Palaistra]] – ein für Ringkämpfe bestimmter Übungsplatz – in einem athenischen [[Gymnasion]]. Die Gymnasien dienten damals in erster Linie der körperlichen Ertüchtigung; außerdem war eine Palaistra auch ein sozialer Treffpunkt der Jugend. Aus den Schilderungen in Platons Dialogen geht hervor, dass sich Sokrates gern an solchen Orten aufhielt. Dort bot sich ihm Gelegenheit zu fruchtbaren philosophischen Gesprächen mit jungen Männern und Jugendlichen. Neben den drei Gesprächspartnern Sokrates, Theaitetos und Theodoros sind noch zwei Freunde des Theaitetos anwesend,<ref>Platon, ''Theaitetos'' 144b–c.</ref> die schweigend zuhören. Einer von ihnen ist [[Sokrates der Jüngere]].<ref>Platon, ''Theaitetos'' 147c–d.</ref>
des Rechts- und Wirtschaftskörpers wird erfolgen annähernd
wie gegenwärtig der zwischen den Regierungen souveräner
Staatsgebiete.|23|70}}


{{GZ|Wie das Wirtschaftsleben auf der einen Seite
== Die Teilnehmer ==
den Bedingungen
[[Datei:Socrates Louvre.jpg|mini|Büste des Sokrates (1.&nbsp;Jahrhundert, [[Louvre]], Paris)]]
der Naturgrundlage (Klima, geographische
Beschaffenheit des Gebietes, Vorhandensein
von Bodenschätzen
und so weiter) unterworfen ist, so ist es
auf der
andern Seite von den Rechtsverhältnissen
abhängig, welche
der Staat zwischen den wirtschaftenden
Menschen und
Menschengruppen schafft. Damit sind die
Grenzen dessen
bezeichnet, was die Tätigkeit des  
Wirtschaftslebens umfassen
kann und soll. Wie die Natur Vorbedingungen
schafft, die
außerhalb des Wirtschaftskreises liegen und
die der wirtschaftende
Mensch hinnehmen muß als etwas Gegebenes,
auf das er erst seine Wirtschaft aufbauen
kann, so soll alles,
was im Wirtschaftsbereich ein
Rechtsverhältnis begründet
von Mensch zu Mensch, im gesunden sozialen
Organismus
durch den Rechtsstaat seine Regelung
erfahren, der wie die
Naturgrundlage als etwas dem
Wirtschaftsleben selbständig
Gegenüberstehendes sich entfaltet.|23|70}}


{{GZ|In der Lebenshaltung des einzelnen Menschen fließen
'''Sokrates'''
die Wirkungen aus den Rechtseinrichtungen mit denen aus
der rein wirtschaftlichen Tätigkeit zusammen. Im gesunden
sozialen Organismus müssen sie aus zwei verschiedenen
Richtungen kommen.|23|73}}


{{GZ|Ein solches Verhältnis der Arbeit zur Rechtsordnung wird die im
Wie in vielen anderen Dialogen Platons übernimmt auch hier Sokrates die Rolle des Gesprächslenkers. In der Kunst der philosophischen Untersuchung ist er den beiden Mathematikern weit überlegen. Er zeigt ihnen, dass ihre bisherigen Vorstellungen einer Nachprüfung nicht standhalten. Die Ratlosigkeit, in die er seine Gesprächspartner stürzt, ist von ihm beabsichtigt; sie ist ein didaktisches Mittel, mit dem er zu weiteren Anstrengungen anspornen will. Um diese Wirkung zu erzielen, bringt er die Unzulänglichkeit der Ansätze der anderen ans Licht und vermeidet es dabei sorgfältig, sich zu einer eigenen Auffassung zu bekennen. Auf den Grund für diese Zurückhaltung, die ein Hauptmerkmal seiner gewohnten Vorgehensweise ist, geht er im ''Theaitetos'' näher ein. Er beschreibt sich als Geburtshelfer, der zwar selbst unwissend sei, aber anderen zur „Geburt“ ihrer Einsichten verhelfen könne.
Wirtschaftsleben tätigen Assoziationen nötigen, mit dem, was «rechtens
ist» als mit einer Voraussetzung zu rechnen. Doch wird dadurch erreicht,
daß die Wirtschaftsorganisation vom Menschen, nicht der Mensch von
der Wirtschaftsordnung abhängig ist.|23|79 (Fußnote)}}


{{GZ|Die neuere Zeit
Nach einer verbreiteten, früher allgemein vorherrschenden Interpretation fungiert Sokrates hier wie auch in anderen Werken Platons als „Sprachrohr“ des Autors; das heißt, er gibt dessen Sichtweise oder zumindest einen Teil des platonischen Konzepts wieder. Allerdings wird diese Gleichsetzung von manchen Philosophiehistorikern abgelehnt oder nur mit erheblichen Einschränkungen akzeptiert. Hinzu kommt, dass manche Äußerungen des platonischen Sokrates nicht oder nur teilweise ernst gemeint sind. Unklar und strittig ist, inwieweit die Positionen von Platons Dialogfigur mit denen des historischen Sokrates übereinstimmen. Ein analoges Problem besteht hinsichtlich der Lehre des berühmten [[Sophisten]] [[Protagoras]], die Sokrates im ''Theaitetos'' beschreibt und bekämpft: Die Frage, wie getreu Platons Darstellung die Denkweise des historischen Protagoras wiedergibt, ist umstritten. Deutlich erkennbar ist jedenfalls Platons Absicht, Protagoras in ungünstigem Licht erscheinen zu lassen.<ref>[[Gustav Adolf Seeck]]: ''Platons Theaitetos. Ein kritischer Kommentar'', München 2010, S. 9 f., 28 f., 81 f.; [[Thomas Alexander Szlezák]]: ''Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen'', Berlin 2004, S. 92, 98, 114 f., 126 f.; zum Protagoras-Bild [[Joachim Dalfen]]: ''Der Homo-mensura-Satz des Protagoras in seinem historischen Umfeld''. In: [[Otto Neumaier]] (Hrsg.): ''Ist der Mensch das Maß aller Dinge?'', Möhnesee 2004, S. 1–16, hier: 1–5, 16; [[Daniel Babut]]: ''Platon et Protagoras: l’„Apologie“ du sophiste dans le Théétète et son rôle dans le dialogue''. In: ''Revue des Études Anciennes'' 84, 1982, S. 49–86; Edward N. Lee: ''„Hoist with His Own Petard“: Ironic and Comic Elements in Plato’s Critique of Protagoras (Tht. 161–171)''. In: Edward N. Lee u. a. (Hrsg.): ''Exegesis and Argument'', Assen 1973, S. 225–261.</ref>
fordert ein bewußtes Sichhineinstellen des Menschen in den
Gesellschaftsorganismus. Dieses Bewußtsein kann dem Verhalten
und dem ganzen Leben der Menschen nur dann eine
gesunde Gestaltung geben, wenn es von drei Seiten her
orientiert ist. Nach dieser Orientierung strebt in den unbewußten
Tiefen des Seelischen die moderne Menschheit;|23|87}}


{{GZ|Die drei Glieder sollen
'''Theodoros'''
nicht in einer abstrakten, theoretischen Reichstags- oder
sonstigen Einheit zusammengefügt und zentralisiert sein.
Sie sollen lebendige Wirklichkeit sein. Ein jedes der drei
sozialen Glieder soll in sich zentralisiert sein; und durch
ihr lebendiges Nebeneinander- und Zusammenwirken kann
erst die Einheit des sozialen Gesamtorganismus entstehen.|23|88}}


{{GZ|Notwendig ist aber heute, zu
Der Mathematiker Theodoros ist keine erfundene Gestalt; an seiner historischen Existenz besteht kein Zweifel und Platons Angaben zu ihm gelten großenteils als glaubhaft. Er stammte aus [[Kyrene]], einer griechischen Stadt im heutigen [[Libyen]]. Dass er zur Generation des Sokrates gehörte, ergibt sich nicht nur aus Platons Darstellung, sondern geht auch aus der ''Geschichte der Geometrie'' des [[Eudemos von Rhodos]] hervor.<ref>Eudemos von Rhodos, Fragment [[Die Fragmente der Vorsokratiker|DK]] 43 A 2.</ref> Die Angaben der Quellen führen zur Datierung seiner Geburt um 475/460 v. Chr.<ref>Siehe dazu [[Kurt von Fritz]]: ''Theodoros (31)''. In: [[Pauly-Wissowa]] RE, Bd. 5 A/2, Stuttgart 1934, Sp. 1811–1825, hier: 1811; Leonid Zhmud: ''Theodoros aus Kyrene''. In: Hellmut Flashar u. a. (Hrsg.): ''Frühgriechische Philosophie'', Basel 2013, S. 420 f., hier: 420; Leonid Zhmud: ''Pythagoras and the Early Pythagoreans'', Oxford 2012, S. 128.</ref> Da er Sokrates überlebte, ist er frühestens 399 v. Chr. gestorben. Er war ein Schüler und Freund des Protagoras,<ref>Siehe dazu Anne Balansard: ''Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète'', Sankt Augustin 2012, S. 24 f.</ref> doch wandte er sich schon früh von der Sophistik ab und der Geometrie zu.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 165a.</ref> Nach Platons wohl zutreffenden Angaben war er nicht nur Mathematiker, sondern galt auch in der Astronomie und Musik als hervorragender Fachmann<ref>Platon, ''Theaitetos'' 145a, 169a.</ref> und erteilte in diesen Fächern Unterricht.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 145c–d.</ref> Vielleicht zählte Platon selbst zu seinen Schülern.<ref>Diogenes Laertios 2,103; 3,6.</ref> Allerdings ist ungewiss, ob Theodoros jemals in Athen war. Der Philosophiegeschichtsschreiber [[Diogenes Laertios]] behauptet, Platon habe ihn in Kyrene aufgesucht.<ref>Diogenes Laertios 3,6.</ref> Möglicherweise ist sein Aufenthalt in Athen, von dem im ''Theaitetos'' berichtet wird, eine Erfindung Platons zu dem literarischen Zweck, ihn mit Sokrates zusammentreffen zu lassen.<ref>Kurt von Fritz: ''Theodoros (31)''. In: Pauly-Wissowa RE, Bd. 5 A/2, Stuttgart 1934, Sp. 1811–1825, hier: 1811; Leonid Zhmud: ''Theodoros aus Kyrene''. In: Hellmut Flashar u. a. (Hrsg.): ''Frühgriechische Philosophie'', Basel 2013, S. 420 f., hier: 420.</ref> Der spätantike Philosoph [[Iamblichos von Chalkis|Iamblichos]] zählte Theodoros zu den [[Pythagoreer]]n,<ref>Iamblichos, ''De vita Pythagorica'' 267.</ref> doch wird die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht in der Forschung bezweifelt.<ref>Kurt von Fritz: ''Theodoros (31)''. In: Pauly-Wissowa RE, Bd. 5 A/2, Stuttgart 1934, Sp. 1811–1825, hier: 1811 f.; [[Bartel Leendert van der Waerden]]: ''Erwachende Wissenschaft'', 2., ergänzte Auflage, Basel 1966, S. 233–240, hier: 233. Zu einer anderen Einschätzung gelangt jedoch Leonid Zhmud: ''Theodoros aus Kyrene''. In: Hellmut Flashar u. a. (Hrsg.): ''Frühgriechische Philosophie'', Basel 2013, S. 420 f.</ref>
sehen, daß man nicht anders ein den
Tatsachen gewachsenes
Urteil gewinnen kann als durch Zurückgehen
zu den Urgedanken,
die allen sozialen Einrichtungen zugrunde
liegen.
Wenn nicht rechte Quellen vorhanden sind,  
aus denen die
Kräfte, welche in diesen ''Urgedanken''  
liegen, immer von
neuem dem sozialen Organismus zufließen,  
dann nehmen
die Einrichtungen Formen an, die nicht
lebenfördernd,
sondern lebenhemmend sind.|23|92f.}}


{{GZ|Diese Erschütterungen werden nur dann nicht
Zur Zeit der Handlung des ''Theaitetos'' ist Theodoros ebenso wie Sokrates bereits ein alter Mann. Nach der Darstellung im Dialog betrachtet er sich nicht als Philosophen, sondern beschränkt sich bewusst auf sein Fach, die Geometrie, in die er sich nach seinen Worten „gerettet“ hat.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 165a.</ref> Somit gehört er in Platons Augen nicht zur Elite der Weisheitsliebenden. An philosophischen Untersuchungen will er sich nicht beteiligen, da er sich auf diesem Gebiet für unzuständig hält und auch meint, dafür zu alt zu sein.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 146b.</ref> Trotz seines Sträubens wird er aber von Sokrates in die gemeinsame philosophische Wahrheitssuche einbezogen.<ref>Zur Dialogfigur Theodoros siehe Thomas Alexander Szlezák: ''Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen'', Berlin 2004, S. 98–103; Anne Balansard: ''Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète'', Sankt Augustin 2012, S. 22–31; Eugenio Benitez, Livia Guimaraes: ''Philosophy as Performed in Plato’s Theaetetus''. In: ''The Review of Metaphysics'' 47, 1993/1994, S. 297–328, hier: 303–305, 314.</ref>
eintreten, wenn der soziale Organismus in der Art gestaltet
ist, daß in ihm jederzeit die Neigung vorhanden sein kann,
zu beobachten, wo eine Abweichung von den durch die Urgedanken
vorgezeichneten Einrichtungen sich bildet, und
wo zugleich die Möglichkeit besteht, dieser Abweichung
entgegenzuarbeiten, ehe sie eine verhängnistragende Stärke
gewonnen hat.


In unsern Tagen sind in weitem Umfange des Menschenlebens
'''Theaitetos'''
die Abweichungen von den durch die Urgedanken
geforderten Zuständen groß geworden. Und das Leben der
von diesen Gedanken getragenen Impulse in Menschenseelen
steht als eine durch Tatsachen laut sprechende Kritik
da über das, was sich im sozialen Organismus der letzten
Jahrhunderte gestaltet hat. Daher bedarf es des guten
Willens, in energischer Weise zu den Urgedanken sich zu
wenden und nicht zu verkennen, wie schädlich es gerade
heute ist, diese Urgedanken als «unpraktische» Allgemeinheiten
aus dem Gebiete des Lebens zu verbannen.|23|93}}


{{GZ|Denn das Menschenleben ist mit der neuesten Zeit in einen
Auch bei Theaitetos handelt es sich um eine historische Person. Platons Angaben, wonach er Mathematiker und Schüler des Theodoros war und als Jugendlicher kurz vor dem Tod des Sokrates in den Kreis von dessen Gesprächspartnern eintrat, treffen wohl zu. Auch die Darstellung im Dialog, der zufolge er bei Korinth verwundet wurde, überdies dort an einer Seuche schwer erkrankte und daher auf der Heimreise dem Tode nahe war, gilt in den Grundzügen als glaubhaft. Strittig ist aber, bei welchen Kampfhandlungen – 391 oder 369 v. Chr. – dies geschah. Aus Platons Darstellung lässt sich erschließen, dass Theaitetos um 415 v. Chr. geboren wurde. Falls er 391 trotz seines sehr schlechten Gesundheitszustands überlebte oder falls er erst 369 bei Korinth kämpfte, kann er – wie manche Forscher vermuten – der [[Platonische Akademie|Platonischen Akademie]] angehört haben, die um 387 gegründet wurde.<ref>Siehe zum historischen Theaitetos Debra Nails: ''The People of Plato'', Indianapolis 2002, S. 274–278.</ref>
Zustand eingetreten, der aus dem sozial Eingerichteten
immer wieder das Antisoziale hervorgehen läßt. Dieses muß
stets neu bewältigt werden. Wie ein Organismus einige Zeit
nach der Sättigung immer wieder in den Zustand des
Hungers eintritt, so der soziale Organismus aus einer Ordnung
der Verhältnisse in die Unordnung. Eine Universalarznei
zur Ordnung der sozialen Verhältnisse gibt es so
wenig wie ein Nahrungsmittel, das für alle Zeiten sättigt.|23|14}}


{{GZ|Wer die Frage
Platon schätzte Theaitetos offenbar sehr. Im Dialog zeichnete er ein außerordentlich vorteilhaftes Bild vom Intellekt und Charakter des noch sehr jungen, hochbegabten und für philosophische Fragen aufgeschlossenen Mathematikers. Als Dialogfigur ist Theaitetos das Muster eines vielversprechenden künftigen Philosophen, der sich für eine staatsmännische Führungsaufgabe in einem Idealstaat qualifizieren könnte. Äußerlich war er allerdings nach Platons Schilderung unansehnlich, was seinen sozialen Rang bei den schönheitsbewussten Athenern minderte. Wegen seines Mangels an körperlicher Attraktivität kam er für die homoerotischen Beziehungen, die im Milieu des Kreises um Sokrates eine wichtige Rolle spielten, nicht in Betracht.<ref>Debra Nails: ''The People of Plato'', Indianapolis 2002, S. 275; Thomas Alexander Szlezák: ''Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen'', Berlin 2004, S. 103–109; Jill Gordon: ''Plato’s Erotic World'', Cambridge 2012, S. 125–130; Anne Balansard: ''Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète'', Sankt Augustin 2012, S. 32–38; Eugenio Benitez, Livia Guimaraes: ''Philosophy as Performed in Plato’s Theaetetus''. In: ''The Review of Metaphysics'' 47, 1993/1994, S. 297–328, hier: 301–303.</ref>
so stellt, der richtet dabei sein Augenmerk
nicht auf die
Tatsache, daß der soziale Organismus ein
fortwährend
''Werdendes, Wachsendes'' ist. Man kann diesem
Wachsenden
gegenüber nicht so fragen: Wie soll man es
am besten einrichten,
damit es durch diese Einrichtung dann in dem
Zustande
verbleibe, den man als den richtigen erkannt
hat?
So kann man gegenüber einer Sache denken,  
die von einem
gewissen Ausgangspunkt aus wesentlich
unverändert weiter
wirkt. Das gilt nicht für den sozialen
Organismus. Der
verändert durch sein Leben fortwährend
dasjenige, das in
ihm entsteht. Will man ihm eine vermeintlich
beste Form
geben, in der er dann bleiben soll, so
untergräbt man seine
Lebensbedingungen.|23|107}}


{{GZ|... daß von einem ''unwirklichen'' Denken
'''Eukleides und Terpsion'''
ausgegangen wird.
Daß geglaubt wird, die Menschen
könnten in einer Gemeinschaft nur eine
Einheit des Lebens
erzeugen, wenn diese Einheit durch Anordnung
erst in die
Gemeinschaft hineingetragen wird. Doch das
Umgekehrte
wird von der Lebenswirklichkeit verlangt.
Die Einheit muß
als das ''Ergebnis'' entstehen; die von
verschiedenen Richtungen
her zusammenströmenden Betätigungen müssen
''zuletzt'' eine
Einheit bewirken. ''Dieser''
wirklichkeitsgemäßen Idee lief
die Entwickelung der letzten Zeit zuwider.|23|121}}


{{GZ|Man sieht nicht, wie der Mensch zu jedem der  
Eukleides von Megara, dem Platon in der Rahmenhandlung die Rolle des Berichterstatters zuweist, war der Begründer einer philosophischen Richtung, die unter der Bezeichnung „[[Megariker]]“ bekannt wurde. In Platons Dialog ''[[Phaidon]]'' wird er unter den Freunden des Sokrates genannt, die bei der Hinrichtung des Philosophen anwesend waren. Als Platon und einige andere Sokratiker nach dem Tod des Sokrates Athen verließen, nahm sie Eukleides in Megara auf.<ref>Siehe zu Eukleides [[Klaus Döring]]: ''Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen''. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Bd. 2/1, Basel 1998, S. 139–364, hier: 207–212; Debra Nails: ''The People of Plato'', Indianapolis 2002, S. 144 f.; Robert Muller: ''Euclide de Mégare''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Bd. 3, Paris 2000, S. 272–277.</ref>
drei
Glieder ein ''besonderes'' Verhältnis hat,  
das in seiner Eigenart
nur entfaltet werden kann, wenn im
wirklichen Leben
ein für sich bestehender Boden vorhanden
ist, auf dem
sich, abgesondert von den beiden andern,  
dieses Verhältnis
ausgestalten kann, um mit ihnen
zusammenzuwirken.|23|122}}


{{GZ|[Es ist zu erkennen] ...wie in der Darstellung dieses Buches dem sozialen Leben eben
Terpsion ist der einzige der fünf namentlich genannten Sprecher des Dialogs, dessen historische Existenz unsicher ist, denn sie ist nur in Schriften bezeugt, die von Platon stammen oder deren Autoren von seinen Angaben ausgingen. Ebenso wie Eukleides war er nach Platons Bericht im ''Phaidon'' beim Tod des Sokrates unter den Anwesenden.<ref>Siehe zu Terpsion Michel Narcy: ''Théétète''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 689 f.; Debra Nails: ''The People of Plato'', Indianapolis 2002, S. 274.</ref>
lebendige und nicht mathematische Gesetze zugrunde liegend gedacht
werden.|23|132 (Fußnote)}}


{{GZ|Gewiß wird die Entwickelung das Notwendige
== Inhalt ==
bringen müssen; aber in dem sozialen
'''Die Rahmenhandlung'''
Organismus
sind die Ideenimpulse des Menschen
''Wirklichkeiten''. Und
wenn die Zeit ein wenig vorgeschritten sein
wird und das
''verwirklicht'' sein wird, was heute nur
gedacht werden kann:
dann wird eben dieses Verwirklichte in der
Entwickelung drinnen sein. Und diejenigen,
welche «nur von der Entwickelung» und nicht
von der Erbringung fruchtbarer Ideen etwas
halten, werden sich Zeit lassen müssen mit
ihrem Urteil bis dahin, wo, was heute
gedacht wird, Entwickelung sein wird. Doch
wird es eben dann ''zu spät'' sein zum
Vollbringen gewisser Dinge, die von den
''heutigen'' Tatsachen schon gefordert
werden. Im sozialen Organismus ist es nicht
möglich, die Entwickelung ''objektiv'' zu
betrachten wie in der Natur. Man muß die
Entwickelung ''bewirken''. (...) [In die
soziale Lebensauffassung ist aufzunehmen],
... was nicht nur im ''Bestehenden'' liegt,
sondern ''dasjenige'', was in den
Menschenimpulsen - von ihnen oft unbemerkt -
keimhaft ist und sich verwirklichen will.|23|137}}


{{GZ|[D]ie Dreigliederung
In Megara treffen sich zwei Bürger, Eukleides und Terpsion, die beide einst in Athen Schüler des vor Jahren hingerichteten Philosophen Sokrates waren. Eukleides kommt vom Hafen, wo er Theaitetos begegnet ist, einem Athener, der früher ebenfalls zum Umkreis des Sokrates gehörte. Er erzählt, dass Theaitetos, der an einem Feldzug teilgenommen hat, bei Korinth schwer verwundet worden ist, außerdem an der im Heer grassierenden [[Bakterienruhr|Ruhr]] erkrankt ist und jetzt dem Tode nahe scheint. Diese Begegnung hat Eukleides daran erinnert, dass Sokrates Theaitetos sehr schätzte und von fruchtbaren Unterredungen erzählte, die er mit ihm hatte. Darüber machte Eukleides damals aus dem Gedächtnis Aufzeichnungen, die er später in Buchform zusammenstellte. In dem Buch gibt er einen Dialog des Sokrates mit Theaitetos und dem Mathematiker Theodoros von Kyrene in direkter Rede wieder. Gern erfüllt er Terpsions Wunsch, ihm den Inhalt mitzuteilen. Die beiden begeben sich in das Haus des Eukleides, der das Buch sogleich vorlesen lässt.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 142a–143c. Vgl. Zina Giannopoulou: ''Plato’s Theaetetus as a Second Apology'', Oxford 2013, S. 20–26.</ref>
des sozialen Organismus [hat] ihre
Begründung
im Wesenhaften des menschlichen
Gesellschaftslebens.|23|138}}


{{GZ|Die Menschen
'''Das einleitende Gespräch'''
werden weder in Klassen noch in Stände
''sozial'' eingegliedert
sein, sondern der soziale Organismus selbst
wird gegliedert
sein. Der Mensch aber wird gerade dadurch
wahrhaft
Mensch sein können. Denn die Gliederung wird
eine solche
sein, daß er mit seinem Leben in jedem der
drei Glieder
wurzeln wird.|23|140}}


{{GZ|Dreigeteilt wird der vom Menschen
Sokrates fragt Theodoros, der sich offenbar schon einige Zeit in Athen aufhält und Mathematikunterricht erteilt, wer von den jungen Leuten ihm durch besondere Begabung aufgefallen sei. Theodoros nennt einen, Theaitetos, den er als seinen begabtesten Schüler betrachtet. Theaitetos sei ihm nicht nur durch seine vorzügliche Auffassungsgabe aufgefallen, sondern auch durch seinen vortrefflichen Charakter, seine Gelassenheit und Ausdauer. Eine solche Verbindung von Scharfsinn und Tugend sei selten. Körperlich sei Theaitetos allerdings keine anziehende Erscheinung, vielmehr sehe er dem für sein unattraktives Äußeres bekannten Sokrates ähnlich. Auf Wunsch des Sokrates wird Theaitetos gebeten heranzutreten.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 143c–144d.</ref>
abgesonderte,
seinen Lebensboden bildende soziale
Organismus
sein; jeder Mensch als solcher wird ein
Verbindendes
der drei Glieder sein.|23|140}}


{{GZ|In meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen Frage»
Theaitetos erzählt, dass er unter der Anleitung des Theodoros auf mathematischem, astronomischem und musikalischem Gebiet sachkundig wird. Unter Sachkunde ''(sophía)'' versteht er, wie er auf Nachfrage des Sokrates erklärt, nichts anderes als Wissen ''(epistḗmē)''; diese beiden Begriffe seien gleichbedeutend. Für Sokrates ist dies aber nicht selbstverständlich, sondern begründungsbedürftig; er verlangt nach einer Bestimmung des Begriffs „Wissen“.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 144d–146c.</ref>
ist der Vergleich des sozialen Organismus mit dem natürlichen
menschlichen wohl herangezogen; zugleich aber darauf
aufmerksam gemacht, wie irreführend es ist, wenn man
glaubt, Anschauungen, die man an dem einen gewonnen
hat, auf den andern ohne weiteres übertragen zu können.
Wer die Wirksamkeit der Zelle oder eines Organes im
menschlichen Leibe nach den Ansichten der Naturwissenschaft
ins Auge faßt und dann nach der «sozialen Zelle»
oder den «sozialen Organen» sucht, um den Bau und die
Lebensbedingungen des «sozialen Organismus» kennenzulernen,
der wird nur allzuleicht in ein wesenloses Analogiespiel
verfallen.


Anders liegt die Sache, wenn man, wie es in den «Kernpunkten» geschehen ist, darauf hinweist, daß an einer
'''Die Frage nach dem Wissen'''
gesunden Betrachtung des menschlichen Organismus man
sein Denken so erziehen kann, wie man es braucht für eine
wirklichkeitsgemäße Auffassung des sozialen Lebens. Man
wird durch eine solche Erziehung sich dazu befähigen, die
sozialen Tatsachen nicht nach vorgefaßten Meinungen, sondern
nach ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit beurteilen zu
lernen.|24|99}}


{{GZ|[D]as Wirtschaftsleben (...) [muß] nach ganz anderen Methoden begriffen werden
Theaitetos, dem die philosophische Suche nach dem Allgemeingültigen nicht vertraut ist, versucht den Begriff zu erläutern, indem er Beispiele nennt. Unter Wissen versteht er sowohl das, was Theodoros in der Mathematik und den anderen Fächern lehrt, als auch die beruflichen Kenntnisse, über die Handwerker verfügen. Sokrates macht ihn darauf aufmerksam, dass sich alle diese Kenntnisse jeweils auf ein bestimmtes Fachgebiet beziehen. Gefragt wird aber nicht nach einzelnen Wissensgebieten, sondern nach dem Wissen an sich. Gesucht ist eine Begriffsbestimmung, die auf jede Art von Wissen zutrifft.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 146c–147c. Vgl. David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 19–27; Zina Giannopoulou: ''Plato’s Theaetetus as a Second Apology'', Oxford 2013, S. 29–33.</ref>
muß als der Mensch selber (...)
der Glaube [ist] falsch ..., man könne
durch die Betrachtung des bloßen Wirtschaftssystems, auf das allein die
naturwissenschaftliche Methode paßt, die Wege herausfinden, wie die
Arbeitskraft des einzelnen Menschen in den sozialen Organismus sich
eingliedern könne.|328|20f.}}


{{GZ|Die theoretische Ansicht, daß das Geistige bloß Ideologie ist, sie ist das
Theaitetos merkt, dass es nicht um eine Veranschaulichung, sondern um eine allgemeine Definition geht. Dazu fällt ihm ein mathematisches Beispiel ein. Auch in der Geometrie kommt es darauf an, nicht nur für einzelne Figuren die Richtigkeit einer Behauptung zu prüfen, sondern Allgemeingültiges zu finden. Theodoros konnte mathematisch [[Beweis (Mathematik)|beweisen]] oder zumindest anhand einer Konstruktion zeichnerisch demonstrieren, dass die Seitenlänge eines [[Quadrat (Geometrie)|Quadrates]] vom [[Flächeninhalt]] 3 Quadratfuß (die [[Quadratwurzel]] aus 3) mit der Längeneinheit 1 [[Fuß (Einheit)|Fuß]] [[Inkommensurabilität (Mathematik)|inkommensurabel]] und somit eine [[irrationale Zahl]] ist. Dies zeigte er auch für die Quadratwurzeln der [[Natürliche Zahl|natürlichen Zahlen]], die keine [[Quadratzahl]]en sind, von 5 bis 17. Dann brach er aber ab. Davon ausgehend formulierten Theaitetos und Sokrates der Jüngere das allgemeine Gesetz für die Quadratwurzeln aus nichtquadratischen natürlichen Zahlen und für die [[Wurzel (Mathematik)#Quadrat- und Kubikwurzel|Kubikwurzeln]] aus nichtkubischen natürlichen Zahlen. Sokrates lobt diese Entdeckung und ermuntert Theaitetos, nun auch hinsichtlich des Wissens das Allgemeingültige zu suchen und sich nicht von der Schwierigkeit der Aufgabe entmutigen zu lassen.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 147c–148d. Vgl. Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 28–39; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 27 f.; Zina Giannopoulou: ''Plato’s Theaetetus as a Second Apology'', Oxford 2013, S. 33–37; [[Ivor Bulmer-Thomas]]: ''Theodorus of Cyrene''. In: ''[[Dictionary of Scientific Biography]]'', Bd. 13, New York 1976, S. 314–319.</ref>
Ungefährlichste. Das Wichtigste ist, daß in einem Menschen, der die
Anschauung hat, das Geistige wurzele nicht in einer allen Dingen zugrunde
liegenden geistigen Wirklichkeit, sondern in einer bloßen Ideologie,
nicht die geistige wirkliche Stoßkraft vorhanden sein kann. Ein
solcher Mensch hat kein Interesse daran, dem geistigen Leben seine richtige
Rolle in der Welt zuzuerteilen.|328|22}}


{{GZ|Nach Verstaatlichung strebt man, weil man glaubt, daß ein einziger
'''Die mäeutische Vorgehensweise'''
sozialer Organismus alles übernehmen könne.|328|22}}


(Diese Formulierung legt nahe, daß die drei Glieder des sozialen Organismus je für sich selbst auch soziale Organismen sind. Es ist auch insofern nicht gerechtfertigt, von "Sub"systemen des sozialen Gesamtorganismus zu sprechen. Die drei Glieder des sozialen Organismus sind nicht zentralisiert, sie können daher keine "Sub"-Systeme sein.)
Theaitetos bekennt, dass die Frage nach der Natur des Wissens ihn schon oft beschäftigt hat und ihn weiterhin nicht loslässt. Seine bisherigen Klärungsversuche haben aber zu nichts geführt. Sokrates vergleicht diese geistige Konstellation mit einer Schwangerschaft: Theaitetos ist mit einem Konzept, einer Lösungsidee „schwanger“ und leidet nun unter „Geburtsschmerzen“. Für solche Situationen ist Sokrates Spezialist. Seine Mutter war Hebamme, und er selbst praktiziert auf geistigem Gebiet die „Hebammenkunst“, die [[Mäeutik]].<ref>Platon, ''Theaitetos'' 148e–149a.</ref>


{{GZ|Und dieses Leben
Hebammen sind stets ältere Frauen, die diesen Beruf ausüben, wenn sie selbst keine Kinder mehr bekommen können. Sie wissen, wie man die Wehen beeinflusst, eine schwere Geburt bewältigt oder auch eine Abtreibung durchführt. Außerdem wären sie dank ihrer vorzüglichen Menschenkenntnis auch die besten Heiratsvermittlerinnen, doch halten sie sich bei der Ehestiftung zurück, um nicht als [[Kuppelei|Kupplerinnen]] in Verruf zu geraten.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 149b–150a.</ref>
der Geisteskultur, dieses Leben des Geistes im sozialen Organismus, das
hat nun nicht Gesetze, die sich analog denken lassen den Gesetzen der
menschlichen Begabungen, den Gesetzen des menschlichen Sinnes- und
Nervenlebens, sondern das, was geistiges Leben im sozialen Organismus
ist, das hat Gesetze, die sich nur vergleichen lassen mit den Gesetzen
des menschlichen gröbsten Systems, des Stoffwechselsystems.|328|30}}


(In den Kernpunkten heißt es dazu, daß Wirtschaft und Geistesleben sich ihre Gesetze selbst geben, die Korporationen des Geisteslebens und die Assoziationen des Wirtschaftsleben wirken als "Gesetzgeber". Dabei wird es sich nicht um rechtliche Gesetze, sondern selbstgegebene Ordnungen handeln, die in bestimmtem Verhältnis zu den Selbstverwaltungen stehen im Sinne von "Verfassung". Dabei sollen diese selbst zu schaffenden Gesetze, bzw. ihre dem "gesunden" Organismus gemäße Reproduktion und Wandlung, im Geistesleben und im Wirtschaftsleben nicht einer demokratischen Legitimation bedürfen.)
Analog verhält es sich in mancherlei Hinsicht mit der Mäeutik, der Hebammenkunst des Sokrates. Er steht nicht Frauen bei, sondern Männern, und ihm geht es nicht um körperliche, sondern um geistige Geburten. Sich selbst hält er für unfruchtbar, das heißt unweise. Ihm kommen, wie er behauptet, keine eigenen Einfälle, aber anderen hilft er dabei, das in ihnen geistig Herangereifte ans Licht zu bringen, es gleichsam zu gebären. Mit den geistigen Wehen kennt er sich bestens aus. Die Geburtshilfe leistet er mit zielführenden Fragen, die er den „Schwangeren“ stellt; damit ermöglicht er ihnen die Klärung ihrer noch unausgereiften oder falschen Vorstellungen und Gedanken. Da er sich darauf beschränkt, in diesem Sinne Hilfestellung zu bieten, ist er kein Lehrer im eigentlichen Sinn, denn er gibt kein Wissen weiter. Die Hebammenkunst bringt nichts hervor als das, was im „Schwangeren“ bereits vorhanden ist und ans Licht drängt. Auch die Beratung bei der „Partnersuche“ weiß Sokrates zu übernehmen: Wenn jemand für seine Art der Wahrheitssuche ungeeignet ist und daher unter seiner Anleitung keine Fortschritte machen würde, dann empfiehlt er ihm einen Lehrmeister, der zu ihm passt und ihn auf konventionelle Weise belehrt.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 150a–151b.</ref>


Die drei Systeme haben jeweils ein besonderes Außenverhältnis, (wie das rhythmische System über die Lunge ein Außenverhältnis zur Luft hat). Die Wirtschaft hat ein Außenverhältnis zur Natur, das Rechtsleben hat ein Außenverhälnis zum "rein Menschlichen", das Geistesleben hat ein Außenverhältnis zu den Begabungen, Fähigkeiten der Individuen. (GA 328, S. 31f.)
Allerdings besteht, wie Sokrates ausführt, auch ein wesentlicher Unterschied zwischen der philosophischen Mäeutik und der Tätigkeit der Hebammen: Diese haben es nur mit echten Kindern und wirklichen Geburten zu tun, während bei den geistigen Schwangerschaften auch Trugbilder zur Welt kommen. Daher ist die Mäeutik des Philosophen anspruchsvoller als der Hebammenberuf: Der geistige Geburtshelfer muss nicht nur während der Wehen Beistand leisten, sondern auch die Natur dessen, was hervorgebracht wird, einschätzen können. Die Unterscheidung zwischen brauchbaren Erkenntnissen und abwegigen Gedanken ist der wichtigste Teil seiner Arbeit und die größte Herausforderung. Er bringt seine Gesprächspartner dazu, vorhandene irrige Vorstellungen zu durchschauen und aufzugeben. Dabei stößt er allerdings oft auf Unverständnis, wenn die von ihm Betreuten nicht erkennen, dass es zu ihrem Besten geschieht. Nun soll sich Theaitetos der Führung des erfahrenen Geburtshelfers anvertrauen, indem er dessen Fragen beantwortet.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 150a–151d.</ref>


{{GZ|Notwendig ist, daß ebenso, wie das Zirkulationssystem
'''Die erste Begriffsbestimmung des Wissens'''
seine eigene Lunge, wie das Nerven-Sinnessystem sein eigenes Gehirnsystem
hat, daß ein eigener Verwaltungsorganismus, ein selbständiger
Verwaltungs-, ein selbständiger Vertretungsorganismus, also Partei- oder
sonstige Vertretung, vorhanden ist je für das Wirtschaftsleben, für
das politische Leben oder das öffentliche Rechtsleben, und für das dritte
Gebiet, wiederum selbständig, für das geistige Leben.|328|36}}


Das läßt sich dahingehend interpretieren, daß die jeweiligen Körperschaften, Selbstverwaltungen, die Organe für die  Außenbeziehungen der drei Glieder des sozialen Organismus sind. Zu regeln ist allerdings auch ein Innenverhältnis. Die Wirtschaft hat ein Verhältnis zur Natur und zum Rechtsleben/Staat. An den beiden Schnittstellten sitzen "Organe".  
Der erste Versuch des Theaitetos, die Natur des Wissens zu bestimmen, geht von der Wahrnehmung ''(aísthēsis)''<ref>Siehe zu diesem Begriff Michael Hoffmann: ''Die Entstehung von Ordnung'', Stuttgart 1996, S. 41 f., 47–55; Hans-Georg Gadamer: ''Gesammelte Werke'', Bd. 7, Tübingen 1991, S. 297.</ref> aus, das heißt von der Unmittelbarkeit der [[Evidenz]]. Der junge Mathematiker meint, Wissen ''(epistḗmē)'' beruhe auf Wahrnehmung. Somit könne man es mit deren Inhalt, dem Wahrgenommenen und daher Offenkundigen, gleichsetzen; zwischen Wahrnehmung und Erkenntnis oder Wissen bestehe kein Unterschied. Sokrates weist darauf hin, dass der berühmte Sophist [[Protagoras]] auch so denke. Von Protagoras stammt der bekannte Spruch „Der Mensch ist das Maß aller Dinge: der seienden, dass sie sind, und der nichtseienden, dass sie nicht sind.“ Demnach sind die Dinge so, wie sie jeweils dem Betrachter erscheinen; der Wahrnehmende legt fest, dass etwas so ist, wie es ihm erscheint, und das ist der einzige Zugang zur Wirklichkeit, den er haben kann. Diese Theorie führt zur Konsequenz, dass es keine objektiv wahren Aussagen über Sachverhalte gibt, sondern nur Aussagen über Eindrücke. Man kann also nicht behaupten, etwas sei groß oder schwer, sondern nur, es erscheine einer bestimmten Person zu einem bestimmten Zeitpunkt so. Einem anderen mag es klein oder leicht vorkommen. Was ein Frierender als kalt empfindet, ist für jemand, der nicht friert, nicht kalt. Dieser [[Relativismus]] ist nach Sokrates’ Vermutung eine Geheimlehre des Protagoras, die der Sophist nur seinen (zahlenden) Schülern offenbart hat. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, über den fast alle Denker – Sokrates hebt hier [[Heraklit]] und [[Empedokles]] namentlich hervor – einig sind:<ref>Zum philosophiegeschichtlichen Hintergrund siehe [[Uvo Hölscher (Philologe)|Uvo Hölscher]]: ''Der Herakliteer in Platons Theätet''. In: [[Reiner Wiehl]] (Hrsg.): ''Die antike Philosophie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart'', Heidelberg 1981, S. 37–53.</ref> Da alles in unablässigem Wandel begriffen ist, gibt es nichts, was „ist“, denn Sein würde eine Beständigkeit voraussetzen, die es nicht gibt. Alles verändert sich; es „ist“ nicht, sondern es wird („flux theory“). Dieser Wandel allein ist produktiv; Stillstand wäre Vernichtung, so wie das Weltall unterginge, wenn die Sonne stillstünde. Somit gibt es keine objektive, absolute Wahrheit, sondern nur relative Gegebenheiten und zutreffende Aussagen über momentane Verhältnisse. Unterschiedlich sind sowohl die Wahrnehmungen verschiedener Betrachter als auch diejenigen desselben Betrachters zu verschiedenen Zeiten.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 151d–155c. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 53–71; Rosemary Desjardins: ''The Rational Enterprise'', Albany 1990, S. 16–27; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 51–60; Mi-Kyoung Lee: ''The Secret Doctrine: Plato’s Defence of Protagoras in the Theaetetus''. In: ''Oxford Studies in Ancient Philosophy'' 19, 2000, S. 47–86. Zum Text von 155b1–2 siehe Denis O’Brien: ''Platon, Théétète 155 B 1–2: Une correction du texte''. In: ''[[Revue des Études Grecques|Revue des Études grecques]]'' 124, 2011, S. 137–151.</ref>


{{GZ|Diese drei Gebiete haben in sich eine gewisse Souveränität im gesunden
Angesichts der Schilderung der Relativität aller Dinge und Verhältnisse gerät Theaitetos ins Staunen. Sokrates macht ihn darauf aufmerksam, dass die Verwunderung – die Fähigkeit, Tatsachen nicht einfach als selbstverständlich hinzunehmen – den Anfang der Philosophie bildet.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 155c–d.</ref>
sozialen Organismus und verhandeln untereinander durch ihre selbständigen
Vertreter, um dadurch jenes gegenseitige Verhältnis herzustellen
zwischen den drei Gliedern des sozialen Organismus.|328|36}}


{{GZ|Eine Gliederung des sozialen Organismus in der Art, daß in ihm ein sich selbst verwaltendes Geistesleben zur Entfaltung kommt, wird nicht die lebendige Einheit dieses Organismus zerstören, sondern, im Gegenteil, erst recht begründen. Gegliedert wird nur die Verwaltung; in dem Leben des Menschen wird die Einheit zur Entwickelung kommen können.|24|208}}
Anschließend beschreibt Sokrates ausführlich die Sichtweise der Denker, die sowohl in der Außenwelt als auch innerhalb der Seele nur Vorgänge annehmen und klassifizieren. In ihrem Weltbild existiert nirgends ein „Dieses“ oder „Jenes“ als wirkliches, fortbestehendes „Ding“. Es gibt nur ein Zusammenwirken von Faktoren, das die wechselnde Beschaffenheit der Wahrnehmungsobjekte verursacht. Theaitetos kann sich diesem Gedankengang nicht verschließen, weiß aber nicht, was er davon halten soll.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 156a–157d. Vgl. Rosemary Desjardins: ''The Rational Enterprise'', Albany 1990, S. 34–54.</ref>


Diese Unterscheidung zwischen einer gegliederten Verwaltung, und einem einheitlichen sozialen Organismus, der nicht gegliedert ist, bedarf einiger Aufmerksamkeit. Ist das nicht widersprüchlich zu anderen Aussagen? Zudem wird einerseits betont, daß die Einheit sich in jedem einzelnen Menschen herstelle und dadurch gewährleistet sei, andererseits wird aber auch für erforderlich gehalten, daß die Zentralverwaltungen der drei Glieder in gegenseitige Beziehung treten, wohl auch in organhafter Art. Ja, Rudolf Steiner schlägt sogar vor, daß es eine Gesamtkörperschaft geben solle:
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Wahrnehmungen können unzuverlässig und irreführend sein. Sinnestäuschungen, Träume, Fieberphantasien und Wahnsinn erzeugen Eindrücke, die keine Gegenstücke in der äußeren Wirklichkeit haben. Der Träumende glaubt den Trauminhalt wirklich wahrzunehmen und zu erleben. Es ist unmöglich zu beweisen, dass man im gegenwärtigen Augenblick weder träumt noch phantasiert, sondern etwas Wirkliches wahrnimmt. Damit ist die Wahrnehmung als Wissensquelle diskreditiert, denn auf sie ist kein Verlass.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 157e–158e.</ref>


{{GZ|Der Zusammenschluß der drei Glieder durch eine Gesamtkörperschaft, die aus den Delegierten der drei Zentralverwaltungen und Zentralvertretungen sich ergibt, wird die denkbar größte Gewähr dafür bieten, daß nicht das eine Gebiet durch das andere vergewaltigt werde.|24|218}}
Diese Überlegungen haben Konsequenzen für die Frage nach Wahrheit, Erkenntnis und Wissen. In einer Welt, in der nichts beständig ist, sind überzeitliche Wahrheiten und immer gültige Urteile unmöglich. Somit muss die Annahme, es gebe eine erkennbare objektive Wahrheit, einen Sachverhalt „an sich“, verworfen werden. An die Stelle einer objektiven Wahrheit tritt eine subjektive und zeitabhängige. Das, was einem Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt als real erscheint, ist für ihn zu dieser Zeit die ganze Wirklichkeit, und nur in dieser Form kann es Wirklichkeit geben. Das, was sich dem Wahrnehmenden zeigt, ist wahr, aber nur bezogen auf ihn und auf den jeweiligen Zeitpunkt. Jede Konstellation ist einmalig. So macht sich jeder zum Richter über seine eigene momentane Wahrheit, die dann in diesem begrenzten Rahmen unbedingt gilt. Damit ist die Ausgangsthese des Theaitetos gerettet und sogar untermauert: Alles Wahrgenommene ist per Definition so, wie es jeweils erscheint, wahr. Dank dem konsequenten Verzicht auf jeden objektiven Wahrheitsanspruch kann das subjektive Urteil zu einer unfehlbaren Instanz erhoben werden. Aus dieser Perspektive fallen Wahrnehmung und Wissen in eins zusammen.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 158e–160e. Siehe dazu Marcel van Ackeren: ''Das Wissen vom Guten'', Amsterdam 2003, S. 234 f.</ref>


Abgesehen von der Frage, ob dieser Vorschlag einer Gesamtkörperschaft ("[[wikipedia:Runder Tisch|runder Tisch]]?") möglicherweise ein Zugeständnis an die Ängstlichkeit derjenigen politischen Verantwortungsträger damals darstellte, an die sich Rudolf Steiner mit seinem Gestaltungsvorschlag zunächst richtete, nämlich an deren antizipierte Befürchtung, der soziale Organismus würde durch die Dreigliederung auseinander fallen, nicht genug Zusammenhalt haben, ist doch die Differenzierung zwischen einem dreigegliederten Organismus in Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben, und einer Dreigliederung der den Gliedern zugeordneten Verwaltungen: Korporationen des Geisteslebens, Assoziationen des Wirtschaftslebens, und politische Vertretung und Administration, auffällig.
'''Kritik an der ersten Begriffsbestimmung'''


Dieser Unterschied hat möglicherweise auch bisher zu wenig Beachtung gefunden, gerade bei Vertretern einer "funktionellen" Dreigliederung. Die funktionelle Dreigliederung in die Bereiche Wirtschaft, Politik und Kultur ist heute im allgemeinen Bewußtsein gut sichtbar, die drei "Sphären" werden auseinandergehalten. Ist damit der Idee der sozialen Dreigliederung schon Genüge getan?
Mit Unterstützung des Geburtshelfers Sokrates hat Theaitetos sein geistiges Kind zur Welt gebracht. Nun muss geprüft werden, was es taugt. Sokrates übt fundamentale Kritik am Konzept des Protagoras. Zugleich übernimmt er aber auch die Verteidigung der Position, die er angreift, denn der bereits verstorbene Protagoras kann seiner Lehre nicht „zu Hilfe kommen“. Den Angriff eröffnet Sokrates mit dem Argument, es gebe für Protagoras keinen Grund, den Menschen und nicht etwa den Affen oder das Schwein zum Maß aller Dinge zu machen. Wenn alle Meinungen als subjektive Wahrheiten gleichberechtigt nebeneinander stünden, werde jeder Diskurs sinnlos, denn eine Diskussion habe immer den Zweck, Aussagen zu vergleichen und nach ihrem Wahrheitsgehalt zu bewerten. Dies setze einen überindividuellen Maßstab voraus. Allerdings könnte, wie Sokrates sogleich hinzufügt, Protagoras einwenden, die Wahl des Menschen als Maßstab sei tatsächlich willkürlich und man könne ebenso ein Tier wählen. Das sei nur für die dünkelhafte Menge eine schockierende Vorstellung. Auch gegen den Einwand, die Bestreitung einer objektiven Wahrheit verunmögliche einen vernünftigen Diskurs, könnte sich Protagoras leicht verteidigen. Er könnte vorbringen, er verfüge durchaus über ein Bewertungskriterium, an dem sich der Diskurs orientieren könne: Es gehe nicht darum, ob etwas objektiv wahr oder falsch sei, sondern nur darum, was besser und was schlechter sei. Darüber könne man sinnvoll reden und andere belehren.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 160e–171d. Vgl. Alex Long: ''Refutation and Relativism in Theaetetus 161–171''. In: ''[[Phronesis (Zeitschrift)|Phronesis]]'' 49, 2004, S. 24–40; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 54–62; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 73–82.</ref>


Es handelt sich dabei zunächst nur um den einen Aspekt, den Rudolf Steiner so formuliert hat:
In der Rolle des Kritikers zeigt Sokrates jedoch, dass die Gleichsetzung von Wahrgenommenem und Gewusstem der Realität nicht gerecht wird. Man kann etwas wahrnehmen, ohne es zu verstehen. Wissen ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Sehen oder Hören, sondern aus der Fähigkeit zur Verarbeitung der Eindrücke, die Verständnis ermöglicht. Beispielsweise muss man, um eine Mitteilung aufzunehmen, die Sprache des Mitteilenden verstehen. Man benötigt die Erinnerung, und diese ist eine auch ohne aktuelle Wahrnehmungen aktive Funktion. Eine weitere Kritik des Sokrates, der nun auch Theodoros in die Untersuchung einbezieht, zielt auf mangelnde Konsistenz der Position des Protagoras. Hier geht Sokrates von folgenden Überlegungen aus: Protagoras gerät in einen Selbstwiderspruch, wenn er das Gegenteil seiner Auffassung ausschließt, denn dieses ist nach seinem Konzept ebenso wahr wie seine Lehre, solange jemand es vertritt. Auch sein Grundsatz, es gebe keine Wahrheit schlechthin, sondern nur Wahrheit „für jemand“, ist nicht an sich richtig, sondern nur weil und solange ihn jemand für zutreffend hält. Die Ersetzung von „wahr“ und „falsch“ durch „besser“ und „schlechter“ oder „nützlicher“ und „schädlicher“ scheitert daran, dass gerade dort, wo es um die Nützlichkeitsfrage geht, die Relativierung der Wahrheit nicht überzeugen kann. Dies kann man etwa in der Medizin oder in der Politik sehen. In diesen Bereichen gibt es Berater, die zu beurteilen haben, was nützlich ist. Die Berater sind aber untereinander verschiedener Meinung; manchmal sind sie und die von ihnen beratenen Entscheidungsträger im Irrtum. Somit würde ein objektives Kriterium für die Einschätzung des Nutzens von Ratschlägen benötigt. Das ist aber mit einem konsequenten Relativismus unvereinbar.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 163a–164d, 169d–172b. Vgl. Timothy D. J. Chappell: ''Reading the περιτροπή: Theaetetus 170c–171c''. In: ''Phronesis'' 51, 2006, S. 109–137; Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 94–102, 108–120; Gail Fine: ''Plato on Knowledge and Forms'', Oxford 2003, S. 184–212; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 83–96.</ref>


{{GZ|Das Wirtschaftsleben hat einfach
'''Abschweifung über die philosophische Lebensweise („Digression“)'''
durch sich selbst in der neueren Zeit ganz bestimmte Formen
angenommen. Es hat durch eine einseitige Wirksamkeit in
das menschliche Leben sich besonders machtvoll hereingestellt.
Die andern beiden Glieder des sozialen Lebens sind
bisher nicht in der Lage gewesen, mit derselben Selbstverständlichkeit
sich in der richtigen Weise nach ihren
eigenen Gesetzen in den sozialen Organismus einzugliedern.
Für sie ist es notwendig, daß der Mensch aus den oben
angedeuteten Empfindungen heraus die soziale Gliederung
vornimmt, jeder an seinem Orte; an dem Orte, an dem er
gerade steht. Denn im Sinne derjenigen Lösungsversuche
der sozialen Fragen, die hier gemeint sind, hat jeder einzelne
Mensch seine soziale Aufgabe in der Gegenwart und in der
nächsten Zukunft.|23|64f.}}


{{GZ|Man muß dieses im
Theodoros meint, es schade nichts, wenn man von einer Untersuchung zu einer anderen, umfassenderen voranschreite, denn Zeit zum Diskutieren sei zur Genüge vorhanden. Daran anknüpfend vergleicht Sokrates den philosophischen Diskurs mit dem juristischen. Da er damit vom ursprünglichen Thema des Dialogs abschweift, werden diese Ausführungen als „Digression“ oder „Exkurs“ im ''Theaitetos'' bezeichnet. Auch die Bezeichnung „Episode“ wird verwendet.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 172b–c.</ref>
Leben empfindend unterscheiden, damit sich als Folge dieser
Empfindung das Wirtschafts- von dem Rechtsleben scheidet,
wie im menschlichen natürlichen Organismus die Tätigkeit
der Lunge zur Verarbeitung der äußeren Luft sich abscheidet
von den Vorgängen im Nerven-Sinnesleben.|23|62}}


Die angeführten "Empfindungen" beziehen sich auf die Wahrnehmung unterschiedlicher Sphären, verschiedener Sinnhorizonte und einem entsprechenden "passenden" Verhalten. Es ist damit zunächst nur eine bewußtseinsmäßige Gliederung verbunden. Im Falle von Korruption liegt ein Fehlverhalten vor. Dies nimmt man wahr, ohne daß dadurch auch die Korruption schon aufgehoben wäre. Trotz der Wahrnehmung unterschiedlicher Sphären kann die erforderliche Gliederung im Sinne von richtiger getrennter Selbständigkeit fehlen. Und so ist es ja heute auch weiterhin. Man darf also die Forderung nach der konkret-verwaltungsmäßigen Gliederung, die die richtige Trennung der drei Glieder und deren Zusammenspiel gewährleisten soll, nicht unterschätzen. Eine gegebene Trennung und auch Einheit der drei Sphären im Bewußtsein des Menschen genügt für sich alleine nicht. Die Menschen müssen auch entsprechend handeln, und das heißt, entsprechend handeln ''können''. Damit Dreigliederung funktioniert, müssen entsprechende Einrichtungen da sein, d.h. es muß Selbstverwaltung der Wirtschaft und des Geisteslebens unabhängig von staatlichen Vorschriften geben. Nur mittels konkreter, staatsunabhängiger Selbstverwaltung kann sich ein freies Geistesleben "realisieren".
Ausführlich schildert Sokrates, was die Lebensweise und den Diskurs der Philosophen von der Haltung und dem Verhalten der Nichtphilosophen unterscheidet. Im Brennpunkt des Interesses der gewöhnlichen Bürger stehen im [[Attische Demokratie|demokratischen Staat der Athener]] zwei Bereiche des öffentlichen Lebens: die in den Volksversammlungen ausgetragenen politischen Auseinandersetzungen und das in Athen stark politisierte Justizwesen. Der Philosoph hält sich von beiden fern. Für Sokrates gleicht der Nichtphilosoph einem Sklaven, da er Zwängen unterliegt, von denen der Philosoph frei ist.<ref>Siehe dazu Zina Giannopoulou: ''The Digression in Plato’s Theaetetus: Observations on its Thematic Structure and Philosophical Significance''. In: ''[[Elenchos (Zeitschrift)|Elenchos]]'' 23, 2002, S. 75–88.</ref>


Es ist deswegen auch nicht richtig, von der Idee der sozialen Dreigliederung lediglich als von einem "Urbild" zu sprechen, mittels dessen man soziale Wahrnehmungen hat. Da findet man dann überall dreigegliedertes soziales Geschehen. Die drei Aspekte lassen sich überall aufsuchen, ohne daß dadurch etwas am sozialen Organismus bereits gebessert wäre. Das Urbild der sozialen Dreigliederung ist nur ein wahres, wenn es in der konkreten, praktischen Realisierung "lebt". Das Urbild, die Urgedanken müssen im konkreten-praktischen Leben zur Geltung kommen, sich ausleben können. Wenn das nicht der Fall ist, dann handelt es sich um den von Rudolf Steiner kritisierten Zustand eines bloß ideologischen Geisteslebens, das keine Kraft zur Umgestaltung, zur Herstellung oder Wiederherstellung von Ebenbildlichkeit im sozialen Leben hat.
Wer als Prozessbeteiligter vor Gericht aufzutreten hat, steht immer unter Druck. Seine Redezeit ist begrenzt; er darf seine Themen nicht frei wählen, sondern muss sich darauf beschränken, auf die Argumentation der Gegenseite zu erwidern. Inhaltlich geht es nicht um sachliche Gesichtspunkte, sondern nur um die Durchsetzung persönlicher Interessen. Es kommt nur darauf an, die Richter zu beeinflussen, und dazu benötigt man List, Lüge und Schmeichelei. Die Wahrheit interessiert nicht. Daher werden die Bürger, die sich von Jugend auf mit dem Gerichtswesen befassen, seelisch verkrüppelt. Sie haben kein Rückgrat, sondern sind Knechte derer, denen sie zu dienen haben. Ähnlich verhält es sich im sonstigen öffentlichen Leben, wo es darauf ankommt, einen Gegner mit Schmähungen anzugreifen oder einen Mächtigen zu loben. Ein zentrales Anliegen ist dabei die Wahrung des eigenen sozialen Rangs, der einerseits vom Vermögen, andererseits vom familiären Hintergrund abhängt. Besonders wichtig ist die Abstammung, die man [[Genealogie|genealogisch]] über zahlreiche Generationen bis zu [[Griechische Mythologie|mythischen Gestalten]] wie [[Herakles]] zurückverfolgt.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 172c–175b.</ref>


{{GZ|Denn es handelt sich nicht um ein Programm, das man ausführen
Ganz anders ist das Leben der Philosophen ausgerichtet. Der Politikbetrieb und das Gerichtswesen sind ihnen so gleichgültig, dass sie nicht einmal wissen, wo sich das Gericht, das Rathaus oder Versammlungsstätten befinden. Machtkämpfe um Ämter nehmen sie nicht zur Kenntnis. Wer von wem abstammt, interessiert sie ebenso wenig wie fremde Besitztümer und die Privatangelegenheiten ihrer Nachbarn. Über die Gesetzgebung und die Volksbeschlüsse wissen sie nicht Bescheid. Ihre Aufmerksamkeit gilt nur der Erforschung der Natur der Dinge, insbesondere der menschlichen Natur, und der richtigen Lebensführung. Für diese Themen haben sie beliebig viel Zeit. Dabei ist ihre Richtschnur das Göttliche; ihr Ziel ist, der Gottheit möglichst ähnlich zu werden, indem sie die göttlichen Tugenden kultivieren.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 172d–177a. Vgl. zur „Angleichung an Gott“ Dietrich Roloff: ''Gottähnlichkeit, Vergöttlichung und Erhöhung zu seligem Leben'', Berlin 1970, S. 198–206; Florian Finck: ''Platons Begründung der Seele im absoluten Denken'', Berlin 2007, S. 243–247, 262–264; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 74–81; Zina Giannopoulou: ''Socrates and Godlikeness in Plato’s Theaetetus''. In: ''Journal of Philosophical Research'' 36, 2011, S. 135–148.</ref>
oder unterlassen kann, sondern es handelt sich darum, daß das erkannt
werden muß, was sich verwirklichen will, und was der Mensch
deshalb verwirklichen muß, weil es in seinen notwendigen geschichtlichen
Wachstumskräften für die Gegenwart und die nächste Zukunft
liegt.|328|43f.}}


{{GZ|Dieses moderne Leben - wie ich ja oftmals
Aus diesem Gegensatz zwischen den Philosophen und der Masse der unphilosophischen Bürger ergibt sich eine gegenseitige Geringschätzung. Jede der beiden Seiten erscheint der anderen lächerlich und für wichtige Aufgaben untauglich; jede hält das, was aus der Sicht der anderen das Wichtigste ist, für belanglos. Vor Gericht ist ein Philosoph hilflos, da ihm die dortigen Verhaltensregeln völlig fremd sind. Sokrates veranschaulicht die gegensätzlichen Haltungen mit der Anekdote von [[Thales]], einem [[Vorsokratiker|vorsokratischen]] Philosophen, der die Himmelskörper betrachtend in einen Brunnen fiel. Eine [[Thraker|thrakische]] Magd, die das sah, verspottete ihn: Er wolle den Himmel erkunden, kenne aber nicht einmal das, was vor seinen Füßen liege. Die Weltfremdheit der Philosophen wird von Sokrates positiv bewertet, er sieht sie als Zeichen ihrer inneren Freiheit. Außerdem meint er, man könne jeden Verächter der Philosophie mit Argumenten in Verlegenheit bringen, wenn er bereit sei, einen solchen Dialog durchzuhalten.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 173c–177b.</ref>
in meinen Vorträgen, die ich hier in Zürich gehalten habe, betonte - hat
Denkgewohnheiten, hat Denkformen herausgebildet, die sich für eine
gewisse Richtung der Naturwissenschaft außerordentlich fruchtbar erweisen.
Es hat dann dieses moderne Denken auch eindringen wollen in
das Begreifen und begreifende Reformieren, reformierende Begreifen
des sozialen Lebens selbst, der sozialen Erscheinungen und Impulse des
Lebens. Aber bei diesem Eindringen hat man überall das Gefühl: Die
Menschen der Gegenwart, die gerade rein in den Denkformen und
Denkgewohnheiten der Gegenwart drinnenstehen, haben nicht Begriffe,
welche in Wirklichkeit die komplizierten Erscheinungen des
sozialen Lebens erfassen können. Gewissermaßen sind die Begriffe zu
engmaschig. Sie können nicht in sich fassen die komplizierten Erscheinungen
des sozialen Lebens selbst. Sie bleiben abstrakt, sie bleiben konturenhaft,
aber sie dringen nicht ein in das wirkliche Leben selbst, das
sich im sozialen Körper abspielt.|328|51f.}}


{{GZ|Dieser lebendig wirksame Geist ist in uns. Er ist da, wie die Dinge
'''Das Scheitern der ersten Begriffsbestimmung'''
draußen im Räume sind und die Vorgänge draußen in der Zeit sind. Und
wenn man sich in diese Stellung zum wirklichen geistigen Erkennen nun
nicht bloß hineindenkt, sondern hineinlebt, dann sprießt aus diesem geistigen
Erkennen ein innerlicher Impuls, der ein Antrieb ist, den Geist in
der Welt real zu machen durch sich selber, der ein Antrieb ist, den Geist
als Realität zu erleben und zu verwirklichen in einer ganz anderen Weise,
als das sein kann durch das, was ein bloßes Spiegelbild ist an Ideen, an
Begriffen, die von einem Geistigen handeln. Es ist ein großer Unterschied,
ob man sagt: Ich denke über den Geist, ich glaube an den Geist -,
oder ob man sagt: In mir denkt der Geist, in mir empfindet der Geist. - (...)
Etwas von seelisch-geistiger Stärke muß in
die Menschheitsentwickelung hineinkommen aus diesem geistigen Erleben
heraus. Und dieses Etwas von seelisch-geistiger Stärke, was in die
Menschheitsempfindung hineinkommen soll, es ist von größerer sozialer
Wichtigkeit als man denken kann, denn es ist das, was das Heilmittel
ist für die lähmende, in der vorigen Woche hier charakterisierte Ideologie,
welche das Proletariat von dem Bürgertum als ein bedrückendes
Erbe übernommen hat.|328|58}}


{{GZ|Das ist es, was in der ersten wahren Gestalt der sozialen Frage in Wirklichkeit
Nach der Abschweifung kehrt Sokrates zur Widerlegung der [[Subjektivismus|subjektivistischen]] Gegenauffassung zurück. Wie er nun darlegt, steht der Ersetzung von „wahr“ und „falsch“ durch subjektive Werturteile über den Nutzen der Umstand entgegen, dass Nützlichkeitserwägungen auch auf die Zukunft ausgerichtet sind. Die Zukunft wird zeigen, ob Annahmen über den Nutzen von etwas zutreffen oder nicht, etwa bei einem Gesetz, das sich bewährt oder seinen Zweck nicht erfüllt. Oft wird der Zweck verfehlt. Daher kann die Behauptung nicht stimmen, der Mensch trage das Kriterium für das, was für ihn nützlich ist, stets in sich. Vielmehr muss er sich darüber von einer Zukunft, die er noch nicht kennt, belehren lassen.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 177c–179b. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 129–132; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 86–88; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 104–116.</ref>
lebt, wenn man in die Tiefen dieser Frage einzudringen versteht,
daß die Entwickelung des modernen Geisteslebens um die Wende der
neueren Zeit oder seit dieser Wende der neueren Zeit im 19.Jahrhunderte
allmählich sich so abgestumpft, abgeschwächt, abgelähmt hat, daß
die Menschen nicht mehr wußten: in ihnen lebt der Geist als ein realer,
lebendiger, sondern daß sie glaubten, nur Ideen, nur Spiegelbilder
irgendeiner Wirklichkeit leben in ihnen - was dann in der Welt- und
Lebensanschauung des modernen Proletariats dazu geworden ist, daß
dieses Proletariat sagt: Es gibt auf geistigem Gebiete nur eine Ideologie.
Die Wirklichkeit ist nur in dem ökonomischen, in dem wirtschaftlichen
Prozesse, in dem Klassenkampfe; da spielt sich die Realität ab. - Aber
daraus dampft in irgendeiner Weise etwas herauf in die Seelen der Menschen;
das kommt in Form von Bildern zur Offenbarung, von Bildern,
die sich ausleben in der Wissenschaft, in der Sitte, in der Religion, in der
Kunst. Das gibt einen Überbau für den einzig wirklich realen Unterbau.
Und wenn man auch nicht umhin kann zuzugeben in der Soziologie, daß
das, was in diesem Überbau als eine Ideologie lebt, wiederum real zurückwirkt
auf das wirtschaftliche Leben, es bleibt doch Ideologie. Es
gibt kein Heilmittel aus dieser Ideologie heraus, wenn man nicht zum
wirklichen geistigen Erleben, wie es die geistige Wissenschaft in die
moderne Menschheit hineinführen will, wenn man nicht zu diesem geistigen
Erleben greift. Heilung von den Schäden der Ideologie ist nur zu
erreichen durch wirkliche Vertiefung in den wahrhaftigen Geist und
seine Erscheinungen, durch Vertiefung in die wirkliche übersinnliche
Welt.|328|58f.}}


== Zur Finanzierung des Geisteslebens ==
Auch die andere Stütze des Subjektivismus, die Bestreitung jeder Beständigkeit, hält der Nachprüfung nicht stand. Zahlreiche Weltdeuter behaupten, es gebe nichts Seiendes und Ruhendes, sondern nur Werdendes und Bewegtes. Die Prozesse, die nach ihrer Meinung die gesamte Wirklichkeit ausmachen, zerfallen in zwei Hauptarten: Ortswechsel und Änderung der Beschaffenheit. Demnach müssen sie, wie Sokrates nun feststellt, annehmen, dass alles immer gleichzeitig beiden Arten der Veränderung unterliege, da es sonst zumindest in einer Hinsicht Beständigkeit gäbe. Wenn dies aber so ist, wird nicht nur das Sein aufgehoben, sondern auch die Basis eines rationalen Diskurses. Wenn beispielsweise etwas Weißes in jedem Augenblick einer farblichen Veränderung unterliegt, kann der Begriff „weiß“ nicht zeitunabhängig definiert und verwendet werden. Das heißt, er ist unbrauchbar. Jede Äußerung, mit der etwas als „so“ bezeichnet wird, fixiert einen angenommenen Sachverhalt und ist damit in einer Welt, die nichts Gleichbleibendes aufweist, unangemessen.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 179c–183c. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 133–140; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 89–99; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 117–124.</ref>
{{GZ|[Es ist] notwendig ..., ein soziales Gefühl dafür zu entwickeln,
wie das geistige Leben, der ganze Betrieb des geistigen Lebens im sozialen
Organismus so drinnenstehen muß, daß er gerechtfertigt ist durch
die allgemeinen Interessen der Menschheit.|328|63}}


Rudolf Steiner bringt dazu das Beispiel einer Promotion eines Studierenden über das Thema: Schimpfwörter eines antiken Autors. Während der Zeit, wo der Student an der überflüssigen Bearbeitung eines solchen Themas sitze, müßten andere für seinen Lebensunterhalt sorgen. Das Beispiel ist insofern völlig verfehlt, weil es bei solcher Promotion nicht um Nützlichkeit für die Gesellschaft geht, sondern um das Erlangen der Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit, und allenfalls um einen internen Beitrag zum Fortschritt der Wissenschaft.  
Schließlich kehrt Sokrates zur Prüfung der Ausgangsthese des Theaitetos zurück, wonach Erkenntnis auf Wahrnehmung reduzierbar ist. Er legt dar, dass man stets mittels der einzelnen Sinnesorgane wahrnimmt, von denen jedes einer bestimmten Art von Wahrnehmung zugeordnet ist. Weder kann das Auge das Ohr ersetzen noch umgekehrt, denn Sehen und Hören sind zwei völlig getrennte, verschiedenartige Vorgänge. Wenn aus den Sinneswahrnehmungen Kenntnis eines Sachverhalts werden soll, wird eine Instanz benötigt, welche die Informationen der einzelnen Sinnesorgane aufnimmt, zusammenfasst und auswertet. Man kann diese Instanz „[[Seele]]“ nennen. Die Auswertung geschieht durch Vergleichen und Folgern, was eine Kenntnis von Eigenschaften wie „gleich“ und „verschieden“, „ähnlich“ und „unähnlich“, „schön“ und „hässlich“ voraussetzt. Somit erfordert Erkenntnis den Besitz von Begriffen, die nicht zum Inhalt der Wahrnehmungen gehören. Also ist es nicht möglich, Erkenntnis und Wissen restlos auf Wahrnehmung zurückzuführen und entsprechend zu definieren.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 183c–186e. Siehe dazu Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 141–149; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 125–158.</ref>


Zudem kann in vielen Fällen es eine Würdigung von Leistungen des Geisteslebens im Voraus gar nicht geben. Soll die Berechtigung eines Malers, Bilder zu malen, davon abhängig gemacht sein, daß diese Bilder Anerkennung finden? In sehr vielen Fällen wird eine Beurteilungsmöglichkeit dafür gar nicht vorhanden sein. Auch daß die kreativ Schaffenden sich gegenseitig Konkurrenz machen sollen, und das rezipierende Publikum dann entscheiden soll nach dem eigenen Urteilsvermögen, was nun Wert für die Gesellschaft hat - und nur das wird dann auch finanziert - , ist weit ab von einem praktikablen Geistesleben, in dem sich kreatives Schaffen ohne finanzielle Manipulation frei entfalten kann.
'''Die zweite Begriffsbestimmung und die Frage nach dem Irrtum'''


Es kann viele Jahrzehnte dauern, bis ein Werk zur Würdigung durch die Gesellschaft kommt. Anderes, das sich im Rahmen der aktuellen Mode zur Anerkennung bringen kann, erweist sich in späteren Jahren als wertlos. Zu dem Thema ist fraglich, ob würde die Methode des freien Spendenwesens für das freie Geistesleben funktionieren können, wo doch die Geldgeber oft gar nicht das Urteilsvermögen darüber haben, was wissenschaftlichen oder künstlerischen Wert hat. Noch nicht einmal innerhalb des Geisteslebens selbst gibt es die Möglichkeit, sich gegenseitig die jeweiligen Leistungen zu bewerten, und zu entscheiden, wer weiter kreativ tätig sein darf, und wer besser es läßt und in die Politik oder Wirtschaft geht, um sich dort zu betätigen. In vielem muß das Urteil der Nachwelt überlassen bleiben. Es muß eine generelle Finanzierung geben auch für diejenigen, die sich um einen Beitrag auf dem Gebiet der Kunst oder Wissenschaft bemühen, auch wenn letztlich nicht viel dabei heraus kommt. Nur ''insgesamt'' ist es natürlich richtig, daß die Wissenschaft oder Kunst einen Beitrag leisten muß für die Gesellschaft. Das ist aber wiederum so selbstverständlich, daß es keiner Diskussion bedarf. Eine Gießkannenfinanzierung des Geisteslebens ist durchaus richtig: Man weiß ja noch gar nicht, welches Pflänzlein sich gut entwickelt, und welches nicht. Die Finanzierung muß im Voraus geschehen. Deswegen mag wohl eine Leistungskonkurrenz unter kreativ Schaffenden um der Sache selbst willen wertvoll sein, aber doch nicht als Selektionsinstrument von der Finanzierungsseite aus. Damit hätte man dann ja die Abhängigkeit von der Wirtschaft oder vom Staat nur auf andere Art weiter fortgeführt.
Nach dem Fehlschlag der ersten Begriffsbestimmung schlägt Theaitetos eine neue vor. Da die Reduzierung des Wissens auf materielle Vorgänge, die Sinneswahrnehmungen, missglückt ist, nimmt er diesmal einen geistigen Vorgang zum Ausgangspunkt: die Meinungsbildung, das Vorstellen. Vorstellungen können korrekt oder irrig sein. Daher definiert Theaitetos das Wissen als richtige Meinung ''(alēthḗs dóxa)''. Dann stellen sich aber, wie Sokrates zu bedenken gibt, sogleich die Fragen, was den Irrtum ausmacht und wie eine falsche Meinung überhaupt zustande kommen kann.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 187a–d. Siehe dazu Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 150–157.</ref>


{{GZ|Das, was geistiges Leben ist, muß mit einer relativen Selbständigkeit
Die erste Schwierigkeit besteht darin, dass ein Irrtum theoretisch unmöglich scheint. Zwischen Wissen und Nichtwissen scheint es kein Mittleres zu geben; man kann etwas nicht zugleich wissen und nicht wissen. Wenn man etwas kennt, kann man sich keine falsche Vorstellung darüber bilden, und wenn man etwas nicht kennt, kommt man nicht auf den Gedanken, sich darüber eine Vorstellung zu bilden. Wer beispielsweise Sokrates und Theaitetos nicht kennt, dem käme es nicht in den Sinn, Sokrates für Theaitetos zu halten.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 187e–188c. Vgl. Timothy Chappell: ''The puzzle about the puzzle of false belief: Theaetetus 188a–c''. In: ''Bulletin of the Institute of Classical Studies'' 45, 2001, S. 97–111; Timothy Chappell: ''188a–c: The Key to the Theaetetus''. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): ''Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense'', Prag 2008, S. 203–216; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 120–125; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 162–171.</ref>
dastehen, muß nicht nur auf die innere Freiheit des Menschen gestellt
sein, sondern es muß so innerhalb des sozialen Organismus dieses geistige
Leben stehen, daß es auch in völlig freie Konkurrenz gestellt ist,
daß es auf keinem Staatsmonopol beruht, daß dasjenige, was das geistige
Leben als Geltung sich verschafft bei den Menschen - was es für den
einzelnen individuellen Menschen für eine Geltung hat, das ist eine andere
Sache, wir reden von der Gestaltung des sozialen Organismus -,
daß das auf völlig freier Konkurrenz, auf völlig freiem Entgegenkommen
den Bedürfnissen der Allgemeinheit einzig und allein sich offenbaren
kann. Mag irgend jemand in seiner Freizeit dichten, so viel er will,
mag er auch Freunde finden für diese Dichtung, so viel er will- das, was
berechtigt ist im geistigen Leben, ist allein das, was die anderen Menschen
miterleben wollen mit der einzelnen menschlichen Individualität.|328|63}}


Das ist ganz unpraktisch gedacht und völlig an einer möglichen Realität vorbei, weil unterstellt wird, es könne immer eine Gleichzeitigkeit von kreativer Produktion und ihrer Würdigung geben. Solche Gleichzeitigkeit gibt es nur in den wenigsten Fällen. Würde man dies so praktizieren, würden kreativ Schaffende mit guter Reputation die ihnen nötige Finanzierung weiter erlangen, während andere Leistungsbereite ohne Reputation ihre Projektvorhaben nicht finanziert erhalten. Diese Projekte werden dann auch nicht in die Welt kommen, und niemals wird man erfahren, welch einen Wert sie für die Gesellschaft hätten gewinnen können.
Die zweite Schwierigkeit ergibt sich, wenn man den Irrtum als Annahme definiert, deren Gegenstand in Wirklichkeit nicht existiert. Demnach ist eine Vorstellung dann falsch, wenn sie sich auf etwas Nichtseiendes bezieht. Man kann sich aber nur Seiendes vorstellen. Eine Vorstellung, die sich auf etwas bezieht, was nicht ist, bezieht sich nicht auf etwas, sondern auf nichts. Somit ist sie selbst nicht etwas, sondern nichts. Da es aber Irrtümer gibt, ist die Definition unbrauchbar.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 188c–189b. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 163–165; László Bene: ''False Judgement and the Puzzles about Not-Being: Theaetetus 188c–189b''. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): ''Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense'', Prag 2008, S. 217–249; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 125–127; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 172 f.</ref>


Man wird also, zumindest zu einem guten Teil, das freie Geistesleben "auf gut Glück" finanzieren müssen. Genauso wird ja auch jedes Kind nach Möglichkeit gefördert, unabhängig davon, ob es später im Leben ein nützliches Gemeinschaftsmitglied sein wird oder nicht. Viele Menschen bringen es zu Wenigem im Leben, andere leisten dafür umso mehr. Im Geistesleben kann dem nicht eine entsprechende knappe oder reiche Finanzierung korrespondieren. Dadurch würde man die kreative Produktion mit finanziellen Mitteln steuern, also das freie Geistesleben unfrei machen, und tendentiell abwürgen. Die diesbezüglichen Ansichten Steiners widersprechen sich auch in merkwürdiger Weise damit, daß das freie Geistesleben durch Schenkungsgeld erhalten werden soll. Schenkungen kann man nicht mit zu erwartenden Gegenleistungen verrechnen.
Ein Ausweg könnte darin bestehen, dass man den Irrtum nicht als Annahme von Nichtseiendem bestimmt, sondern als Verwechslung von Seiendem (fachsprachlich „Allodoxie“). Zwei Dinge oder Eigenschaften, die tatsächliche Gegebenheiten sind, werden irrtümlich in Gedanken vertauscht. Aber auch dann scheint es unerklärlich, wie es zu einem Irrtum kommen kann. Die Seele kennt die gegensätzlichen Qualitäten, die nicht zugleich im selben Objekt vorhanden sein können. Es ist nicht einsichtig, wie sie dazu kommen sollte, das Schöne für hässlich zu halten, das Langsame für schnell, das Rind für ein Pferd oder zwei für eins.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 189b–190e. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 166–171; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 127–134; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 173–175; Jan Szaif: ''Platons Begriff der Wahrheit'', Freiburg 1996, S. 363–374.</ref>


Wenn ein Lehrer mit seinem Beruf nicht klar zu kommen scheint, pädagogisch überfordert zu sein scheint, soll man ihn dann mit finanziellem Druck dazu bringen, einen Bürojob anzutreten? Das geht nicht einfach so, und man kann auch nicht wissen, was seinen größeren oder geringern Wert für die Kinder ausmacht, im Vergleich zu anderen Lehrern, zumindest für die Zukunft nicht. Es ist schon merkwürdig, daß Rudolf Steiner meint, daß in diesen Hinsichten die im Geistesleben beschäftigten miteinander konkurrieren sollten unter dem Aspekt, wer bei knappen Mitteln finanziert werden soll. Wo sollen denn die Urteilsgrundlagen herkommen, wenn solch ein Lehrer von Lowperformer diese nicht selbst in sich selber trägt, d.h. selbst am besten wissen kann, ob die pädagogische Tätigkeit für ihn das Richtige ist oder nicht.
'''Das Gedächtnis als Wachsblock'''


{{GZ|Dieses
Darauf wird eine andere mögliche Erklärung des Irrens geprüft, die das Gedächtnis einbezieht und die strikte Trennung von Wissen und Nichtwissen aufgibt. Aus der Ferne kann man Sokrates mit einem Unbekannten verwechseln, also in Unkenntnis sein, obwohl man weiß, wie Sokrates aussieht. Urteile beruhen auf der Verknüpfung von Wahrnehmungen mit Gedächtniseindrücken. Das Gedächtnis ist mit einem wächsernen Block vergleichbar, der Abdrücke aufnimmt. Dieser ist bei jeder Person anders: bei manchen größer, bei anderen kleiner, bei den einen von reinerem Wachs, bei den anderen von schmutzigerem; auch die Härte und Feuchtigkeit variiert. Die Qualität der Abdrücke ist sehr unterschiedlich, wobei die jeweilige Beschaffenheit des Wachses die Rahmenbedingungen für Gelehrigkeit und Vergesslichkeit setzt. Irrtümer kommen zustande, wenn bereits vorhandene Abdrücke den späteren Wahrnehmungen falsch zugeordnet werden. Wenn eine Wahrnehmung nicht deutlich genug ist, etwa wenn jemand aus der Ferne gesehen wird, kann der passende Abdruck verfehlt werden. Diesem Erklärungsvorschlag des Sokrates stimmt Theaitetos begeistert zu, doch bald verflüchtigt sich seine Erleichterung, denn Sokrates trägt sogleich eine Widerlegung vor. Die Erklärung ist unzulänglich, denn es gibt auch mathematische Irrtümer, und diese beruhen nicht auf fehlgeschlagenen Verknüpfungen von Wahrnehmungen mit Gedanken und Gedächtniseindrücken.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 190e–196d. Siehe dazu Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 172–183; Paolo Crivelli: ''Plato’s Waxen Box''. In: [[Wolfgang Detel]] u. a. (Hrsg.): ''Ideal and Culture of Knowledge in Plato'', Stuttgart 2003, S. 175–200; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 134–140; Ernst Heitsch: ''Überlegungen Platons im Theaetet'', Stuttgart 1988, S. 114–122; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 176–189.</ref>
wirkliche Geistige muß in der Menschenseele in dem Lichte der Freiheit
und der freien Konkurrenz geboren werden, dann lebt es sich in der
richtigen Weise in den sozialen Organismus hinein. Dann darf es aber
auch nicht, und das ist wichtig, unter irgendeinem Aufsichtsrecht
irgendeines anderen Gliedes des sozialen Organismus stehen, dann muß
es in völliger Freiheit, nur herausgefordert durch die allgemeinen Bedürfnisse,
sich offenbaren können.|328|64}}


Unter Außerachtlassung der kritisierten Vermengung mit Finanzierungsfragen, kommt das ansonsten Gemeinte in dieser Passage gut zum Ausdruck: Die Kreativität soll sich auf einen Mangel richten, auf ein allgemeines Bedürfnis. Das ist verständlich, weil das freie Geistesleben dasjenige Teilgebiet ist, von dem die Versorgung, die "Ernährung" des sozialen Organismus ausgeht. Kreative Produktion ist Nahrung für die Gesellschaft, wie für den Menschen die Aufnahme von Feldfrüchten in den Magen. Den entsprechenden Bedürfnissen an Behebung solcher Mängel an Zufuhr von geistiger Leistung muß das freie Geistesleben aufs Ganze gesehen gerecht werden können, wozu auch die Leistungskonkurrenz unter den Kreativen gehören mag. Inwieweit geistige Leistungen und allgemeines Bedürfnis nach solchen ''unmittelbar'' korrespondieren müssen und können, hängt doch aber von der besonderen Bedürfnislage ab, worin die konkret besteht, und was an kreativem Potential jeweilig verfügbar ist. Oft wird sich ein Mangel nicht beheben lassen, wo dieser aufzutreten scheint, es aber einen Ausgleich anderswo oder ''später'' geben können, auch sogar mit einer ganzen anderen kreativen Leistung. Besteht ein Kunstbedürfnis, und kann leider kein Konzert veranstaltet werden, so entsteht ein Mangel, oder ein bestehender Mangel kann nicht behoven werden. Im nächsten Monat gibt es jedoch eine Gemäldeausstellung, bei der auch eine Musikgruppe auftritt, usw. Diese Bedürfnisse sind oft sehr unspezifisch, es gibt für das Geistesleben viele Wege, ihnen Genüge zu tun. Das gleiche gilt für technische Erfindungen und für organisatorische Leistungen, und sonstige Dienstleistungen, die eine kreative Komponente haben.
'''Das Gedächtnis als Taubenschlag'''


{{GZ|Erst dann,
Schließlich schlägt Sokrates eine Vorgehensweise vor, die er selbst als unverschämt bezeichnet: Es soll versucht werden, die Beschaffenheit des Wissens zu klären, obwohl es noch nicht gelungen ist, den Bedeutungsumfang dieses Begriffs abzugrenzen. Das findet Sokrates zwar methodisch bedenklich, doch wagt er diesen Schritt nun angesichts des aktuellen Dilemmas. Dabei führt er eine Unterscheidung zwischen dem „Haben“ und dem „Besitzen“ von Wissen ein. Wissen sei erst dann wirklich vorhanden, wenn man es habe, nicht schon wenn man es nur besitze. Dies veranschaulicht Sokrates durch den Vergleich mit einem Kleid, das man besitzt, wenn man es gekauft hat, aber erst „hat“, wenn man es auch trägt. Der persönliche Wissensschatz lässt sich mit einem Taubenschlag vergleichen, in dem jemand Tauben oder andere Vögel hält, die er gejagt und gefangen hat. Die Vögel entsprechen den einzelnen Kenntnissen. Wenn der Besitzer nun einen bestimmten Vogel benötigt, muss er sich innerhalb des Taubenschlags nochmals auf die Jagd nach ihm machen. Erst wenn er ihn dann in den Händen hält, „hat“ er ihn. Greift er versehentlich in dem Durcheinander nach einem falschen Vogel, so hat er den gewünschten nicht, obwohl er ihn schon besitzt. Dies entspricht dem Verwechseln von gespeicherten Wissensinhalten, das die Ursache von Denkfehlern wie etwa der mathematischen Irrtümer ist.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 196d–199c. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 184–191; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 140–145; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 190–197.</ref>
wenn man diese drei Glieder relativ selbständig nebeneinander hat,
wenn man ein selbständiges geistiges Glied, ein selbständiges Rechtssystemglied,
eigentliches Staatsleben, und ein selbständiges Wirtschaftsleben
hat und diese Glieder mit relativer Selbständigkeit nebeneinander
wirken, wenn jedes dieser Glieder aus seinen eigenen Grundlagen heraus
seinen Vertretungskörper, seinen Verwaltungskörper hat, sagen
wir, seinen Reichstag, seinen Bundestag, sein Ministerium hat und die
einzelnen Glieder fast so souverän zueinander stehen wie Einzelstaaten,
nur durch Delegierte zueinander verhandeln, erst dann wird der soziale
Organismus wirklich gesund.|328|69}}


=== Der Forschungsgegenstand "sozialer Organismus" ===
Wiederum stimmt Theaitetos zu, und er ergänzt, dass nicht alle Vögel Wissensinhalten entsprechen müssen; manche von ihnen können auch Fehlinformationen sein, die ebenfalls in der Seele herumfliegen. Dann ist ein Irrtum nicht auf eine Verwechslung von Wissensstücken, sondern auf das Ergreifen einer gespeicherten Fehlinformation zurückzuführen. Doch auch diesen Ansatz lässt Sokrates sogleich scheitern. Er macht darauf aufmerksam, dass sich hier wiederum die Schwierigkeit einer [[paradox]]en Vermischung von Wissen und Nichtwissen erhebt: Der Besitzer des „Taubenschlags“ hält die Fehlinformation, die er erwischt hat, für Wissen. Demnach fehlt ihm diesbezüglich die Fähigkeit, Wissen von Nichtwissen zu unterscheiden. Wenn er aber ein Wissensstück und ein Nichtwissensstück nicht auseinanderhalten kann, hat er in Wirklichkeit keine Kenntnis von dem Wissensstück, also ist es kein solches. Wenn er sie auseinanderhalten könnte, so hätte er ein Wissen über das Nichtwissensstück; dann aber wäre dieses kein solches, sondern ein Wissensinhalt. Man muss also, wenn man dem Paradox entgehen und die Möglichkeit von Irrtümern erklären will, eine gesonderte Wissensart einführen, das Wissen über das Wissen und das Nichtwissen. Dieses muss sich dann in einem separaten „Taubenschlag“ befinden, wobei der Besitzer wiederum die dortigen „Vögel“ zwar besitzt, aber nicht immer „hat“. Damit gerät man aber in einen [[Infiniter Regress|infiniten Regress]], da der übergeordnete Speicher, in dem sich das Wissen und das Nichtwissen über Wissen und Nichtwissen befinden, seinerseits einen weiteren, ihm übergeordneten Speicher erfordert.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 199c–200d. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 184, 191 f.; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 145–149; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 199–205.</ref>
[[Datei:Social Network Analysis Visualization.png|mini|Visualisierung eines Sozialen Netzwerks: Briefwechsel zwischen Wissenschaftlern.]][[Datei:Kencf0618FacebookNetwork.jpg|mini|Visualisierung eines [[wikipedia:Soziales Netzwerk (Soziologie)|sozialen Netzwerks]]: „Freund“-Beziehungen zwischen [[wikpedia:Facebook|Facebook]]-Nutzern.]]
Der soziale Organismus ist nach dem bisherigen so beschaffen, daß es derer viele gibt, in etwa der Zahl der Nationalstaaten entsprechend. So hat jedes Staatsgebiet einen eigenen sozialen Organismus. Diese Konzeption paßt jedoch nicht so recht damit zusammen, daß das Geistesleben internationale Tendenz, und das Wirtschaftsleben räumlich-globale Tendenz hat. Die Vorstellung je eines sozialen Organismus pro Staatsgebiet dient auch dazu, möglich erscheinen zu lassen, daß ein Staat für sich selbst die Dreigliederung einführt, andere jedoch nicht, wodurch eine Inselsituation entsteht. Die damit verbundene Problematik wird von Rudolf Steiner ausführlich diskutiert.


Diese Vorstellung von je einzelnen sozialen Organismen je Staatsgebiet wurde z.B. von Wilhelm Schmundt kritiklos übernommen, mit der Begründung, er selbst habe die sozialen Organismen so "geschaut" (Wahrnehmung des Urbildes).
'''Die Unzulänglichkeit der zweiten Begriffsbestimmung'''


Dem steht gegenüber die Vorstellung, daß der soziale Organismus ein einziger, globaler sei. Auch dies ist von den Ausführungen Rudolf Steiners angedeutet. Der globale Organismus hat dann jeweils in den territorialen Staatsgebieten eine Art "Bodenkontakt". Steiner spricht von dem staatlichen Rechtsleben als einem "Band", als einer vermittelnden Verbindung zwischen Geistesleben und Wirtschaftsleben. Sieht man den globalen sozialen Organismus als einen einzigen an, so ist er doch gegliedert in unterschiedliche territoriale Rechtsgebiete. Dies betrifft aber eigentlich nur den mittleren Bereich. Der Idee nach verlaufen Grenzen innerhalb des Geistesleben und Wirtschaftslebens, sofern es überhaupt welche gibt, nicht territorial auf den gleichen Linien. Daß die territorialen Staatsgebiete einen Einfluß genommen hatten auf den Verlauf kultureller und wirtschaftsgeographischer Grenzen, ist eine Folge des Einheitsstaatsprinzips. Die Zusammenziehung von sozialen Organismen auf Staatsgebiete, also eine territorial-rechtlich veranlaßte Differenzierung des einen globalen Organismus, ist Ergebnis des Strebens nach Einheitsstaat. Wenn solch ein Einheitsstaat dann in einen dreigegliederten umgewandelt wird, kommt es zu einer Gegenbewegung, nämlich es verändert sich die Abgrenzung zum staatsexternen Gebiet. Während die territorial-rechtliche Grenze bestehen bleibt, ändern sich die kulturellen und wirtschaftlichen Grenzen. Die Interaktionsdichte und Strukturdichte zum kulturellen und wirtschaftlichen "Ausland" nimmt zu bis zu einem Grade, wo sich die Frage stellt, ob noch von einer Grenze zwischen unterscheidbaren sozialen Organismen gesprochen werden kann. Solche Entwicklung ist möglich, da die drei Glieder zueinander relativ selbständig sind. Hinzu kommt die Änderung oder Überwindung von rechtlichen Grenzen, wie in der europäischen Union, oder auch auf unfriedlichem Wege durch Krieg, oder Sezession per Volksentscheid (Ablösung von Schottland von Vereinigten Königreich, und Anschluß an europäische Union?) Auch die strenge rechtlich-territoriale Abgrenzung zwischen sozialen Organismen ist damit fraglich. Als Ergebnis bleibt, daß die sozialen Organismen auf der Erde, will man sie von dem einen sozialen Organismus unterscheiden, lediglich sich wahrnehmen lassen durch eine höhere Struktur- und Interaktionsdichte, die zu den fließenden Grenzen abfällt. Je geringer eine Interaktionsrate und die strukturelle Verflechtung irgendwo ist, desto eher wird man dort eine Grenze zwischen Teilgebieten finden können, entweder politisch-rechtlich, kulturell, oder wirtschaftsgeographisch. Wo jedoch Strukturdichte und Interaktionsaufkommen hoch ist, liegt ein Netzwerk vor. Vor daher stellt sich die Frage, ob der globale soziale Organismus mit seiner inneren, nicht nur territorial-staatlichen Differenzierung mit netzwerk-theoretischen Überlegungen und Wahrnehmungen besser faßlich sein könnte. Netzwerkstrukturen können auch informell sein, sie müssen nicht mit dem übereinstimmen, was Rudolf Steiner als die einzurichtenden Selbstverwaltungen vorgeschlagen hatte.
Schließlich kehrt Sokrates zur zweiten Begriffsbestimmung zurück, zur Gleichsetzung des Wissens mit einer richtigen Meinung, und zeigt ihre Untauglichkeit. Vor Gericht kann man durch geschicktes Auftreten die Richter davon überzeugen, dass ein Angeklagter eine Straftat begangen hat, auch wenn es keine Zeugen gibt. Das führt dann zur Verurteilung. Der Richter kann aber, auch wenn die Tat tatsächlich begangen wurde, dies nicht wissen, denn er war nicht dabei und es gibt keinen Beweis. Er fällt dann also ein korrektes Urteil aufgrund einer richtigen Meinung, die er hat, obwohl er keinerlei Wissen über den Tathergang besitzt.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 200d–201c. Vgl. Franco Trabattoni: ''Theaetetus, 200d–201c: Truth without Certainty''. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): ''Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense'', Prag 2008, S. 250–273; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 149–151; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 206–215.</ref>


== Siehe auch ==
'''Der dritte Bestimmungsversuch und sein Misslingen'''
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[[Kategorie:Soziales Leben]][[Kategorie:Sozialwissenschaft]][[Kategorie:Wissenschaft]][[Kategorie:Wissenschaftstheorie]][[Kategorie:Soziale Dreigliederung]]
Nun unterbreitet Theaitetos seinem kritischen Gesprächspartner eine ergänzte neue Version seines Definitionsvorschlags: Wissen sei eine „mit einer Erklärung ''([[Logos|lógos]])'' verbundene“ richtige Meinung, das heißt eine, deren Richtigkeit durch eine vernünftige Argumentation nachgewiesen sei. Nicht alle richtigen Aussagen seien „erklärt“, und Unerklärtes sei kein Gegenstand von Wissen.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 201c–d. Siehe dazu Ernst Heitsch: ''Theaetet 203c4–205e8''. In: ''Hermes'' 119, 1991, S. 74–83, hier: 76–78.</ref> Sokrates trägt dazu ergänzend eine Theorie vor, die er als „Traum“<ref>Siehe zu dieser Bezeichnung Myles F. Burnyeat: ''The Material and Sources of Plato’s Dream''. In: ''Phronesis'' 15, 1970, S. 101–122, hier: 103–106. Vgl. auch zum Motiv des Traums und seiner Bedeutung Piotr Pasterczyk: ''Der sokratische Traum und das Problem der Dialektik im Theaitetos'', Freiburg 2007, S. 15–30.</ref> bezeichnet. Dem „Traum“ zufolge gibt es Grundbestandteile oder Urelemente ''(prṓta stoicheía)'' von allem, die zwar wahrgenommen<ref>Zum Verständnis des Begriffs „Wahrnehmen“ in diesem Zusammenhang siehe [[Gerold Prauss]]: ''Platon und der logische Eleatismus'', Berlin 1966, S. 171–173.</ref> und benannt, aber auf nichts anderes zurückgeführt werden können und daher unerklärbar sind. Erst aus der Verbindung dieser Urelemente zu Strukturen entstehen erklärbare Dinge. Erkenntnis bezieht sich immer nur auf die Zusammensetzungen, nicht auf deren Grundbestandteile. Die Grundbestandteile können prinzipiell kein Gegenstand von Wissen sein.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 201c–202c. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 202–212; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 153–163; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 217–237.</ref> Mit der Einführung von Urelementen kann die Zirkularität vermieden werden, die sich aus der Forderung ergibt, jeden Begriff durch eine Erklärung zu bestimmen. Diese Forderung könnte nur durch Rückgriff auf andere Begriffe, die als bekannt vorausgesetzt werden müssten, erfüllt werden. Dadurch entstünde ein System, dessen Bestandteile aufeinander zurückgeführt würden. Ein solches System wäre selbst auf nichts zurückführbar, also ohne Begründung. Die Forderung, alles zu erklären, ist daher unerfüllbar.
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Wiederum findet die von Sokrates vorgetragene Theorie den Beifall des Theaitetos, und ein weiteres Mal widerlegt Sokrates seinen eigenen Vorschlag. Wenn das aus Elementen Zusammengesetzte nichts als die Summe seiner Elemente ist, ist es unerklärbar, da sich aus der Zusammenfügung von lauter Unerklärbarem nichts Erklärbares ergeben kann. Ist aber das Zusammengesetzte etwas anderes als die Summe seiner Teile, nämlich eine Form mit eigenständiger Beschaffenheit, so muss diese Form ebenfalls unerklärbar sein, da sie weder auf die Elemente noch auf etwas anderes zurückgeführt werden kann. Somit bildet die Annahme von undefinierbaren Urelementen keine Basis für eine Theorie des Wissens, sie schließt sogar die Möglichkeit von Wissen aus. Erkenntnis über Verknüpfungen setzt voraus, dass deren Elemente erklärbar sind.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 202c–206b. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 213–222; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 163–168.</ref>
 
Hier stellt sich für Sokrates die Frage, was es eigentlich bedeutet, etwas zu erklären. Man kann das Erklären bestimmen als vollständiges Erfassen und analytische Beschreibung aller Elemente der Zusammensetzung, die erklärt werden soll, oder als Angabe des charakteristischen Unterscheidungsmerkmals für den Begriff, der zu erklären ist. Beide Bestimmungen sind aber für die Lösung der Aufgabe, die Besonderheit des Wissens zu benennen, nutzlos. Weder die eine noch die andere ermöglicht eine klare Abgrenzung des Wissens vom richtigen Meinen. Überdies enthält die Definition des Wissens als richtige Meinung mit „Erklärung“ einen [[Zirkelschluss|logischen Zirkel]], wenn die „Erklärung“ darauf beruht, dass der Erklärende das charakteristische Merkmal des Wissensobjekts kennt. Die Kenntnis des Merkmals ist ein Wissen, sie setzt also das, was zu definieren ist, bereits voraus.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 206c–210a. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 223–235; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 168–178; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 267–288, 290 f.</ref>
 
'''Die Schlussbilanz'''
 
Es ergibt sich eine ernüchternde Schlussbilanz: Was Wissen ist, bleibt offen. Mehr als irrige Meinungen hat die Hebammenkunst bei Theaitetos nicht zutage fördern können. Theaitetos räumt das ein. Dennoch wertet Sokrates den Dialog nicht als Fehlschlag, sondern sieht in der gewonnenen Einsicht einen Fortschritt. Da ein Verständnis der Problematik erreicht wurde, wird ein künftiger neuer Lösungsvorschlag besser sein als die bisherigen, und auf jeden Fall weiß Theaitetos jetzt, wie es mit seinem Kenntnisstand bestellt ist.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 210a–d.</ref>
 
== Interpretation und philosophischer Gehalt ==
'''Die Frage nach Platons erkenntnistheoretischer Position'''
 
Im ''Theaitetos'' gibt Platon ebenso wie auch in seinen anderen Dialogen nicht direkt zu erkennen, wie er selbst über die aufgeworfenen Fragen denkt. Auch wenn man von der traditionell herrschenden Auffassung ausgeht, wonach Sokrates als das „Sprachrohr“ des Autors zu betrachten ist, bleibt manches unklar. Platon lässt seinen Sokrates eine subjektivistische, [[Phänomenalismus|phänomenalistische]] und [[Sensualismus|sensualistische]] Erkenntnistheorie bekämpfen, die er als Konsequenz von Behauptungen Heraklits und des Protagoras darstellt. Sokrates bringt aber auch Gegenargumente zugunsten der von ihm abgelehnten Position vor. Unklar ist, ob Platon beabsichtigt hat, die kritisierten Thesen gänzlich zu widerlegen, oder ob er nur ihren Geltungsbereich einschränken wollte. Die letztere Interpretation wird in der Forschungsliteratur seit Myles Burnyeat (1990)<ref>Myles Burnyeat: ''The Theaetetus of Plato'', Indianapolis 1990, S. 8 f.</ref> „Reading A“ genannt, die andere „Reading B“. Nach „Reading A“ hat Platon den Lehren Heraklits und des Protagoras einen auf die Welt der wandelbaren Dinge beschränkten Wahrheitsgehalt zugebilligt. Verworfen hat er nach dieser Interpretation nur eine starke, relativistische Version der kritisch untersuchten Thesen, welche die Existenz eines erkennbaren überzeitlichen Seins bestreitet und eine Erkenntnis objektiver Wahrheit ausschließt. Umstritten ist auch die Stichhaltigkeit einzelner Argumente, die im Dialog hierzu vorgebracht werden.<ref>Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 48–52; Robin A. H. Waterfield (Übersetzer): ''Plato: Theaetetus'', 2., ergänzte Auflage, London 2004, S. 159–163, 181–183; Michael Erler: ''Platon'', Basel 2007, S. 235; Ernst Heitsch: ''Überlegungen Platons im Theaetet'', Stuttgart 1988, S. 44–47; Marcel van Ackeren: ''Das Wissen vom Guten'', Amsterdam 2003, S. 233 Anm. 109; Jane M. Day: ''The Theory of Perception in Plato’s Theaetetus 152–183''. In: ''Oxford Studies in Ancient Philosophy'' 15, 1997, S. 51–80; Denis O’Brien: ''How Tall is Socrates?'' In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): ''Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense'', Prag 2008, S. 55–119, hier: 68–119.</ref>
 
Eine weitere Interpretation lautet, der ''Theaitetos'' sei eher eine methodische Übung als ein Plädoyer für eine bestimmte Lehre. Die Diskussion werde ergebnisoffen geführt und es werde vom Leser nicht erwartet, eine der typischen Lehrmeinungen Platons aus seiner mittleren Schaffensperiode zu akzeptieren. Eine andere Deutungsrichtung betont den erzielten Erkenntnisfortschritt; es finde im Verlauf der Diskussion eine wirkliche Annäherung an die von Platon für richtig gehaltene Erkenntnistheorie statt. Somit seien die Bemühungen der Gesprächspartner nur scheinbar fehlgeschlagen. Einer Forschungshypothese zufolge soll der Leser dazu angeregt werden, anhand der im Dialog gewonnenen Einsichten die Antwort auf die Frage nach dem Wissen selbst zu finden.<ref>David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 4 f.; Rosemary Desjardins: ''The Rational Enterprise'', Albany 1990, S. 7 f.; Mary Louise Gill: ''Why Does Theaetetus’ Final Definition of Knowledge Fail?'' In: Wolfgang Detel u. a. (Hrsg.): ''Ideal and Culture of Knowledge in Plato'', Stuttgart 2003, S. 159–173.</ref> Jörg Hardy meint, Platon gebe deutliche Hinweise darauf, wie die Probleme zu lösen seien. Er lasse die Dialogpartner vom Prinzip der Problemlösung durch Fehleranalyse Gebrauch machen. Dieses könne man auch als hermeneutisches Prinzip für das Verständnis des Dialoges fruchtbar machen.<ref>Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 15.</ref> Auch [[Dorothea Frede]] nimmt an, Platon habe einen Ausweg gesehen. Sie glaubt, er habe angedeutet, wo man danach suchen solle.<ref>Dorothea Frede: ''The soul’s silent dialogue. A non-aporetic reading of the Theaetetus''. In: ''Proceedings of the Cambridge Philological Society'' New Series 35, 1989, S. 20–49.</ref> Eugenio Benitez und Livia Guimaraes interpretieren den Ausgang des Dialogs zwar als tatsächliches Scheitern bei der Beantwortung der Ausgangsfrage nach dem Wissen, machen aber geltend, die Erfahrungen bei der Wahrheitssuche hätten einen Ertrag erbracht, der diesen Fehlschlag aufwiege.<ref>Eugenio Benitez, Livia Guimaraes: ''Philosophy as Performed in Plato’s Theaetetus''. In: ''The Review of Metaphysics'' 47, 1993/1994, S. 297–328, hier: 299, 327 f.</ref>
 
Unterschiedliche Meinungen gibt es auch darüber, ob Platon selbst der Überzeugung war, über eine stichhaltige Begriffsbestimmung des Wissens zu verfügen, oder ob er seine Bemühungen auf diesem Gebiet für gescheitert hielt und im Dialog die Bilanz seiner vergeblichen Suche nach einer Antwort auf die Ausgangsfrage vorgelegt hat.<ref>Siehe dazu die Forschungsübersicht bei Rosemary Desjardins: ''The Rational Enterprise'', Albany 1990, S. 8–13. Vgl. Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 22 f.; David Bostock: ''Plato’s Theaetetus'', Oxford 1988, S. 273 f.; Franco Trabattoni: ''Fondazionalismo o coerentismo? In margine alla terza definizione di ἐπιστήμη del Teeteto''. In: Giuseppe Mazzara, Valerio Napoli (Hrsg.): ''Platone. La teoria del sogno nel Teeteto'', Sankt Augustin 2010, S. 295–317.</ref>
 
Interpretationsprobleme ergeben sich bei der Klärung der Frage, was Platon eigentlich unter „Wissen“ verstanden hat. In der modernen Erkenntnistheorie wird zwischen „propositionalem“ Wissen („wissen, dass“) und Wissen mit einem direkten Objekt („kennen“) unterschieden. In der altgriechischen Sprache gibt es keine Begriffe, die eine solche Differenzierung ausdrücken. Daraus ergibt sich eine Doppeldeutigkeit, die das Verständnis des erkenntnistheoretischen Diskurses im ''Theaitetos'' behindert.<ref>Siehe dazu Ernst Heitsch: ''Überlegungen Platons im Theaetet'', Stuttgart 1988, S. 9–17, 47–51; Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 31 f.; Catherine Osborne: ''Knowledge is Perception. A Defence of Theaetetus''. In: Wolfgang Detel u. a. (Hrsg.): ''Ideal and Culture of Knowledge in Plato'', Stuttgart 2003, S. 133–158, hier: 141–150; Robin A. H. Waterfield (Übersetzer): ''Plato: Theaetetus'', 2., ergänzte Auflage, London 2004, S. 211–215, 235–237; Michael Erler: ''Platon'', Basel 2007, S. 233 f.</ref>
 
'''Die Frage der Lehrentwicklung Platons'''
 
Die Frage, ob Platon im Rahmen einer Entwicklung seiner Lehre seine Haltung zu Hauptfragen der [[Metaphysik]] und Erkenntnistheorie grundlegend geändert hat, gehört zu den umstrittensten Themen der Platonforschung. Die Auffassung der „Unitarier“, die meinen, er habe durchgängig eine kohärente Sichtweise vertreten, steht der „Entwicklungshypothese“ der „Revisionisten“ entgegen, die einen gravierenden Sinneswandel annehmen. Als wichtiges Argument zugunsten der Entwicklungshypothese gilt aus revisionistischer Sicht der Umstand, dass Platon im ''Theaitetos'' die Frage nach der wissenschaftlichen Erkenntnis ins Zentrum stellt, ohne dabei seine [[Ideenlehre]] ins Spiel zu bringen. Die Ideenlehre hatte er zu der Zeit, als er den ''Theaitetos'' schrieb, bereits konzipiert und im Dialog ''[[Politeia]]'' dargelegt. Sie besagt, dass [[Idee]]n als eigenständige, dem Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Objekte [[Ontologie|ontologisch]] übergeordnete [[Entität]]en existieren. Solche „platonische Ideen“, beispielsweise „das Schöne an sich“ oder „der Kreis an sich“, sind nach der Ideenlehre eine objektive metaphysische Realität. Sie bilden die Voraussetzung für die Existenz und Erkennbarkeit der einzelnen Sinnesobjekte, deren Urbilder sie sind. Somit müsste die Ideenlehre bei der Beantwortung der im ''Theaitetos'' erörterten Frage nach dem Wesen des Wissens eine wichtige Rolle spielen. Ihre dortige Nichterwähnung ist für die Revisionisten ein Beleg dafür, dass Platon von seiner Ideenlehre abgerückt ist, nachdem er bei ihrer Ausarbeitung auf unüberwindlich scheinende Hindernisse gestoßen war. Die gegenteilige Auffassung der Unitarier lautet, Platon habe im ''Theaitetos'' zeigen wollen, dass der Versuch, eine stichhaltige Begriffsbestimmung des Wissens zu finden, ohne die Annahme von platonischen Ideen zum Scheitern verurteilt sei. Damit habe er den Leser zur Erkenntnis führen wollen, dass die Ideenlehre für die Erarbeitung einer Erkenntnistheorie unabdingbar sei.<ref>Übersichten über die Forschungsdebatten bieten Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 16–21 und Wolfgang Detel: ''Platons Beschreibung des falschen Satzes im Theätet und Sophistes'', Göttingen 1972, S. 11–29. Siehe auch Denis O’Brien: ''How Tall is Socrates?'' In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): ''Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense'', Prag 2008, S. 55–119, hier: 70–78, 102 f., 118 f.; Franco Ferrari: ''Prädikate oder Ideen: Der ontologische Status der koina im Theaitetos''. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): ''Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense'', Prag 2008, S. 160–179; Gokhan Adalier: ''The Case of Theaetetus''. In: ''Phronesis'' 46, 2001, S. 1–37; Michael Erler: ''Platon'', Basel 2007, S. 234–236; Dennys Garcia Xavier: ''Con Socrate oltre Socrate. Il Teeteto come esempio di teatro filosofico'', Casoria 2011, S. 55–66, 136–150 (Darstellung aus unitarischer Sicht); Henry Teloh: ''The Development of Plato’s Metaphysics'', University Park 1981, S. 204–209 (Darstellung aus revisionistischer Sicht); Allan Silverman: ''Flux and Language in the Theaetetus''. In: ''Oxford Studies in Ancient Philosophy'' 18, 2000, S. 109–152; Robin A. H. Waterfield (Übersetzer): ''Plato: Theaetetus'', 2., ergänzte Auflage, London 2004, S. 239–246; Samuel C. Wheeler III: ''The Conclusion of the Theaetetus''. In: ''History of Philosophy Quarterly'' 1, 1984, S. 355–365.</ref>
 
Ein spezieller Aspekt der Auseinandersetzung zwischen Unitaristen und Revisionisten ist die Frage, ob Platon im ''Theaitetos'' an seiner früheren Überzeugung festgehalten hat, wonach hinsichtlich des Bereichs der Sinnesobjekte kein Wissen möglich ist, sondern nur ein Meinen, und nur metaphysische Entitäten als Wissensobjekte in Betracht kommen. In diesem Modell besteht zwischen Wissen und Meinen eine unaufhebbare Diskontinuität. Es gibt nichts, was zu einer richtigen Meinung hinzukommen könnte, sodass aus ihr Wissen wird. Nach einer insbesondere von Myles Burnyeat vorgetragenen revisionistischen Deutung verwarf Platon im ''Theaitetos'' diese erkenntnistheoretische Position, die er im Dialog ''Politeia'' vertreten hatte, und nahm nunmehr an, dass es ein Wissen über sinnlich Wahrgenommenes geben kann und somit Wissen und Meinen dieselben Objekte haben können. Die gegenteilige unitarische Interpretation, wonach Platon die Erkenntnistheorie der ''Politeia'' beibehielt und im ''Theaitetos'' bekräftigte, verteidigt Lloyd P. Gerson.<ref>Siehe zu dieser Forschungsdebatte Lloyd P. Gerson: ''Knowing Persons'', Oxford 2003, S. 194–238.</ref>
 
Einer der namhaftesten Revisionisten war [[Gilbert Ryle]]. Er zählte den ''Theaitetos'' zu einer Gruppe von späten Dialogen, in denen Platon seine Ideenlehre nicht mehr für die Argumentation herangezogen habe, nachdem er ihre Problematik erkannt habe.<ref>Gilbert Ryle: ''Plato’s Progress'', Cambridge 1966, S. 14–17.</ref>
 
Anne Balansard weist darauf hin, dass die Einteilung der Philosophiehistoriker in die zwei „Lager“ der Unitarier und der Revisionisten zu grob ist und der Meinungsvielfalt innerhalb der beiden „Lager“ nicht gerecht wird.<ref>Anne Balansard: ''Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète'', Sankt Augustin 2012, S. 9–15 (Forschungsübersicht).</ref>
 
'''Die Einschätzung des logischen Atomismus'''
 
Die im „Traum“ des Sokrates formulierte Annahme, es gebe letzte Einheiten als unmittelbare Gegebenheiten, die auf nichts zurückführbar seien, wird im modernen philosophischen Diskurs als „atomistisches“ Konzept bezeichnet. Gilbert Ryle hielt den „Traum“ für eine Vorwegnahme des modernen [[Logischer Atomismus|logischen Atomismus]], den Platon kritisch analysiert habe.<ref>Gilbert Ryle: ''Logical Atomism in Plato’s Theaetetus''. In: ''Phronesis'' 35, 1990, S. 21–46.</ref>
 
Nach der Interpretation von [[Michael-Thomas Liske]] hat Platon im ''Theaitetos'' noch atomistisch gedacht, das heißt, er hat das Wissen eines Sachverhalts als Vertrautheit mit einem einzelnen, nicht weiter aufzuschlüsselnden Gegenstand, als Kennen eines isolierten Objekts aufgefasst. Er hat dort aber bereits die Schwierigkeiten des Atomismus erkannt und damit gegenüber seiner mittleren Schaffensperiode einen Fortschritt erzielt. Erst später hat er im Dialog ''Sophistes'' die atomistische Position überwunden.<ref>Michael-Thomas Liske: ''Das veritative ‚ist‘ und der logische Atomismus in Platons Theaitetos''. In: ''Archiv für Geschichte der Philosophie'' 70, 1988, S. 147–166, hier: 162–166.</ref>
 
'''Unwissenheit und Mäeutik'''
 
Oft diskutiert wird in der Forschung das [[Paradox]] des sokratischen [[Ich weiß, dass ich nichts weiß|Nichtwissens]]: Platons Sokrates betont seine eigene Unwissenheit, er behauptet „unfruchtbar“ zu sein und nichts „als das Seinige“ vorzubringen, erhebt aber zugleich den Anspruch, anderen mit der Mäeutik bei der Erkenntnissuche wirkungsvoll beistehen zu können. Bei der Deutung dieser Aussagen ist zu beachten, dass es unterschiedlich enge Definitionen des Begriffs „Wissen“ ''(epistḗmē)'' gibt. Wenn Sokrates von seiner eigenen Unfruchtbarkeit und Unwissenheit spricht, hat er eine sehr enge Definition im Sinn. Er denkt dann an ein unumstößliches Wissen im Sinne einer auf zwingender Beweisführung basierenden Wahrheitskenntnis. Nur ein solches Wissen, über das er nach seinen Worten nicht verfügt, könnte ihn befriedigen. Da er es nicht hat „gebären“ können, hält er sich für geistig unfruchtbar. Er kennt auch niemand, der es besitzt. Mit den Geburten, zu denen er anderen verhilft, meint er nur Ergebnisse, die er zwar für gut begründet und richtig hält, deren Richtigkeit er aber nicht beweisen kann. Diese Ergebnisse sind zwar wertvoll, stellen aber kein Wissen im strengen Sinn dar.<ref>Siehe zu dieser Unterscheidung Klaus Döring: ''Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen''. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): ''Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathematik, Medizin'' (''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike'', Bd. 2/1), Basel 1998, S. 139–364, hier: 159f., 164. Vgl. David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 30–35; Zina Giannopoulou: ''Plato’s Theaetetus as a Second Apology'', Oxford 2013, S. 40–47.</ref>
 
'''Das philosophische Leben'''
 
Auffällig ist das in der Digression gezeichnete Bild eines weltfremden und radikal unpolitischen Philosophen, den Sokrates dort als vorbildlich darstellt. Die Haltung dieses Philosophen kontrastiert mit dem Eindruck von Sokrates’ eigener Lebensweise, den Platon in anderen Werken vermittelt. Dort erscheint Sokrates – für Platon das Ideal eines Philosophen – als kritischer, aber loyaler Staatsbürger. Der platonische Sokrates ist über die Entwicklungen im öffentlichen Leben gut informiert, kennt sich sowohl in der Politik als auch im Gerichtswesen und in der Rhetorik aus und hat sich Verdienste um das Gemeinwohl erworben. Daher ist die in der Digression gebotene Schilderung eines angesichts konkreter Herausforderungen hilflosen, sozial ahnungslosen Theoretikers erklärungsbedürftig. Einer Deutungsrichtung zufolge handelt es sich dabei um eine karikierende Darstellung, die keineswegs dem platonischen Ideal eines auch zur Staatslenkung befähigten Philosophen entspricht; vielmehr kritisiert Platon dieses Extrem einer unpraktischen Lebensführung.<ref>Marcel van Ackeren: ''Das Wissen vom Guten'', Amsterdam 2003, S. 243–253; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 100–103; Rachel Rue: ''The Philosopher in Flight: The Digression (172 C – 177 C) in Plato’s Theaetetus''. In: ''Oxford Studies in Ancient Philosophy'' 11, 1993, S. 71–100.</ref> Andere Forscher betrachten die Beschreibung des philosophischen Lebens in der Digression nicht als Karikatur, sondern als von Platon ernst gemeintes Konzept.<ref>Zina Giannopoulou: ''Socrates and Godlikeness in Plato’s Theaetetus''. In: ''Journal of Philosophical Research'' 36, 2011, S. 135–148, hier: 136 f.; Thomas Alexander Szlezák: ''Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen'', Berlin 2004, S. 121–124. Vgl. Maria Schwartz: ''Der philosophische bios bei Platon'', Freiburg 2013, S. 245–248.</ref>
 
Oft wird das Philosophenbild in der Digression im Sinne einer zwingenden Forderung nach Abkehr von der Alltagswelt gedeutet. Platon sei der Ansicht gewesen, ein Philosoph habe sich ausschließlich mit dem Allgemeinen zu befassen; das Einzelne, Besondere sei der Beachtung nicht wert und stelle nur eine Störung dar. Nach einer anderen Interpretation, die andere Texte Platons einbezieht, wertete er die Beschäftigung mit dem Besonderen neutral: Er verwarf sie nicht, sondern meinte, dass sie den Philosophen beim Streben nach seinem Ziel weder fördere noch behindere, sofern sie ihn nicht davon ablenke.<ref>Anna Lännström: ''Socrates, the philosopher in the Theaetetus digression (172c–177c), and the ideal of homoiôsis theôi''. In: ''Apeiron'' 44, 2011, S. 111–130.</ref>
 
'''Die angebliche Selbstwiderlegung des Relativismus'''
 
Ein oft erörtertes Thema der Forschung ist das von Platons Sokrates gegen den Relativismus vorgebrachte Argument, er sei logisch selbstwiderlegend. Diese Kritik an der relativistischen Erkenntnistheorie ist in der Fachliteratur unter der englischen Bezeichnung „exquisite argument“ bekannt; daneben wird auch die von [[Sextus Empiricus]] eingeführte Bezeichnung ''peritropḗ'' („Umschwung“) verwendet. Das Argument wird seit Platon in verschiedenen Abwandlungen angeführt und in Diskussionen über den [[Skeptizismus]] erörtert. Im ''Theaitetos'' richtet es sich gegen eine Lehre, die dort auf Protagoras zurückgeführt wird. Der Gedankengang lautet zunächst:<ref>Platon, ''Theaitetos'' 171a–b.</ref>
 
P: Jedes Urteil ist für den Urteilenden wahr (Behauptung des Protagoras).<br />
P’: Viele urteilen, dass P falsch sei.<br />
C: Da P’ nach P wahr ist, ist P falsch.
 
In dieser Form ist das Argument fehlerhaft, da der Schluss C unzulässig ist. In C liegt eine Aussage über die absolute Geltung von P vor. Eine solche wird aber im relativistischen Konzept ausgeschlossen: P soll nur für den jeweils Urteilenden wahr sein. Dennoch wird im Argument eine überindividuelle Geltung von Aussagen stillschweigend unterstellt und damit ein scheinbarer Selbstwiderspruch der Gegenposition konstruiert.
 
Diesem Einwand gegen das Argument kommt Sokrates zuvor, indem er darauf hinweist, dass die Gegner des Relativismus, die P für falsch halten, ihre eigene Position für objektiv richtig halten.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 171b.</ref> Ihre Meinung über die Richtigkeit ihrer Position ist aber auch ein Urteil, auf das P anwendbar ist, und daher nach P nicht weniger zutreffend als P. Das Argument lautet somit:
 
P: Jedes Urteil ist für den Urteilenden wahr.<br />
P’’: Viele urteilen, dass das Urteil, P sei falsch, nicht nur für den Urteilenden, sondern auch an sich wahr sei.<br />
C: Da das Urteil, die Falschheit von P sei an sich wahr, tatsächlich von jemand gefällt wird, ist es nach P nicht weniger zutreffend als P. Demnach ist P selbstwiderlegend.
 
Hier wird allerdings derselbe Fehler wie in der einfacheren Fassung des Arguments begangen, denn auch die Behauptung, P sei an sich falsch, ist in einem relativistischen Modell nur für diejenigen wahr, die dieses Urteil fällen. Somit ist die These des Protagoras rein logisch betrachtet nicht selbstwidersprüchlich. Sie ist gegen Widerlegung immun. Allerdings ist Protagoras inhaltlich außerstande, für den Relativismus einen höheren Wahrheitsgehalt zu beanspruchen als den, den er auch nichtrelativistischen Positionen zubilligen muss. Die Konsequenzen aus diesem Sachverhalt sind so gravierend, dass nach einer Forschungsmeinung die Argumentation des Sokrates die Befürworter des Relativismus zumindest in beträchtliche Schwierigkeiten bringt.<ref>Alexander Becker (Hrsg.): ''Platon: Theätet'', Frankfurt am Main 2007, S. 293–295; Luca Castagnoli: ''Protagoras Refuted''. In: ''Topoi'' 23, 2004, S. 3–32; Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 111–117; Richard Bemelmans: ''Why Does Protagoras Rush Off? Self-Refutation and Haste in Plato, Theaetetus 169a–171d''. In: ''Ancient Philosophy'' 22, 2002, S. 75–86; Margarita Kranz: ''Das Wissen des Philosophen'', Tübingen 1986, S. 22–25; Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“'', Göttingen 2001, S. 83–96; Marcel van Ackeren: ''Das Wissen vom Guten'', Amsterdam 2003, S. 239 f.; Zina Giannopoulou: ''Objectivizing Protagorean Relativism: The Socratic Underpinnings of Protagoras’ Apology in Plato’s Theaetetus''. In: ''Ancient Philosophy'' 29, 2009, S. 67–88; Gail Fine: ''Relativism and Self-Refutation''. In: Jyl Gentzler (Hrsg.): ''Method in Ancient Philosophy'', Oxford 1998, S. 137–163.</ref>
 
'''Die mathematische Untersuchung'''
[[Datei:Spiral of Theodorus.svg|mini|Wurzelschnecke]]
 
Nach der Darstellung im Dialog hat Theodoros geometrisch gezeigt, dass die Quadratwurzeln aus den nichtquadratischen natürlichen Zahlen von 3 bis 17 irrational sind, und Theaitetos hat diese Entdeckung verallgemeinert. Wie Theodoros den Beweis führte, ist nicht überliefert;<ref>Zur Diskussion dieser Frage siehe Debra Nails: ''The People of Plato'', Indianapolis 2002, S. 282; Ludger Hellweg: ''Mathematische Irrationalität bei Theodoros und Theaitetos. Ein Versuch der Wiedergewinnung ihrer Theorien'', Frankfurt am Main 1994, S. 5–87; Bartel Leendert van der Waerden: ''Erwachende Wissenschaft'', 2., ergänzte Auflage, Basel 1966, S. 233–240; [[Walter Burkert]]: ''Weisheit und Wissenschaft'', Nürnberg 1962, S. 439 Anm. 105.</ref> in der Forschung wird sogar bezweifelt, dass es sich tatsächlich um einen mathematischen [[Beweis (Mathematik)|Beweis]] handelt. Holger Thesleff, der eine schon 1941 von Jakob Heinrich Anderhub vorgetragene Idee aufgreift, meint, Theodoros habe seine Annahme nicht bewiesen, sondern nur anhand einer Konstruktion zeichnerisch demonstriert, und er habe bei 17 abbrechen müssen, weil die spiralförmige Zeichnung nur für 17 Dreiecke Platz bietet. Es handelt sich um die zur Konstruktion von Wurzeln verwendete „[[Wurzelschnecke]]“, die „Rad des Theodorus“ oder „Spirale des Theodorus“ genannt wird.<ref>Holger Thesleff: ''Theaitetos and Theodoros''. In: ''Arctos'' 24, 1990, S. 147–159, hier: 151–153.</ref>
 
Im Dialog behauptet Theaitetos, ihm und Sokrates dem Jüngeren sei eine Verallgemeinerung des Satzes seines Lehrers Theodoros gelungen. Eine Reihe von Forschern meinen, diese Angabe sei im Kern historisch glaubwürdig, wenn auch von Platon in einer seinem literarischen Zweck dienenden Gestalt dargeboten. Anderer Ansicht ist [[Árpád Szabó]]. Nach seiner Hypothese war Theaitetos nicht der Entdecker der verallgemeinerten Geltung des Satzes, sondern hat sich nur naiv eingebildet, einen wesentlichen Beitrag zur mathematischen Forschung geleistet zu haben. In Wirklichkeit hat ihn sein Lehrer im Unterricht zu einer Erkenntnis angeleitet, die ihm – Theodoros – und anderen Mathematikern längst geläufig war.<ref>Árpád Szabó: ''Anfänge der griechischen Mathematik'', München/Wien 1969, S. 69–111.</ref> Gegen diese Ansicht wendet sich Myles Burnyeat. Er hält an der traditionellen Deutung fest, wonach der Darstellung im Dialog zu entnehmen ist, dass Theaitetos eine echte Forschungsleistung vollbracht hat, und diese Leistung eine historische Tatsache ist.<ref>Myles F. Burnyeat: ''The Philosophical Sense of Theaetetus’ Mathematics''. In: ''[[Isis (Zeitschrift, 1912)|Isis]]'' 69, 1978, S. 489–513 (zur Forschungsgeschichte S. 490 f.). Vgl. Holger Thesleff: ''Theaitetos and Theodoros''. In: ''Arctos'' 24, 1990, S. 147–159, hier: 154.</ref>
 
[[Datei:Head Platon Glyptothek Munich 548.jpg|mini|Büste Platons (römische Kopie des griechischen Platonporträts des [[Silanion]], [[Glyptothek (München)|Glyptothek München]])]]
 
== Entstehung ==
Chronologisch wird der ''Theaitetos'' nach stilistischen Kriterien noch zur mittleren Gruppe der Dialoge Platons gezählt, doch unter inhaltlichem Gesichtspunkt gehört er eher schon zum Spätwerk. Man kann ihn daher einer Übergangsphase zwischen diesen beiden Schaffensperioden des Philosophen zuweisen, während die beiden anderen Dialoge der Trilogie, der ''Sophistes'' und der ''Politikos'', unter die späten Werke eingeordnet werden.<ref>Michel Narcy: ''Théétète''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 687; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 1–3.</ref> Vermutlich fällt der Abschluss der Arbeit am ''Theaitetos'' in die frühen 360er Jahre.<ref>Michael Erler: ''Platon'', Basel 2007, S. 232; Holger Thesleff: ''Platonic Patterns'', Las Vegas 2009, S. 300.</ref>
 
Möglicherweise hat Platon den Prolog, der die Rahmenhandlung enthält, überarbeitet. Den Anlass zu dieser Vermutung bietet eine Bemerkung eines unbekannten Kommentators, der wohl in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. tätig war. Er berichtet, dass zu seiner Zeit auch eine andere, „eher frostige“ Fassung des Prologs im Umlauf war. Zwar hielt der Kommentator die überlieferte Fassung für die allein authentische, doch ist in der Forschung die Möglichkeit erwogen worden, dass beide Prologe von Platon stammen. Die meisten Befürworter dieser Hypothese halten die überlieferte Version für die jüngere. Sie bietet jedenfalls nach dem heutigen Forschungsstand den definitiven Text.<ref>Michel Narcy: ''Théétète''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 687 f.; Michael Erler: ''Platon'', Basel 2007, S. 232; Antonio Carlini: ''Il commento anonimo al ‚Teeteto‘ e il testo di Platone''. In: ''Storia, poesia e pensiero nel mondo antico'', Napoli 1994, S. 83–91, hier: 83–87; [[William Keith Chambers Guthrie|William K. C. Guthrie]]: ''A History of Greek Philosophy'', Bd. 5, Cambridge 1978, S. 62; Holger Thesleff: ''Platonic Patterns'', Las Vegas 2009, S. 328 f.</ref>
 
[[Datei:Theaitetos marginalia 1. Clarke Plato.jpg|mini|Eine Randbemerkung auf einer Seite der ältesten erhaltenen mittelalterlichen ''Theaitetos''-Handschrift, des ''Codex Clarkianus'']]
 
== Textüberlieferung ==
 
Die antike Textüberlieferung besteht aus einigen auf [[Papyrus]] geschriebenen Fragmenten aus der [[Römische Kaiserzeit|römischen Kaiserzeit]]. Das älteste stammt aus dem 2. Jahrhundert, das jüngste aus dem 5. oder 6. Jahrhundert.<ref>''Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini (CPF)'', Teil 1, Bd. 1***, Firenze 1999, S. 466–474.</ref> Ferner bietet der Anfang eines Kommentars zu dem Dialog, der in einer Papyrus-Handschrift aus dem 2. Jahrhundert erhalten ist, eine Reihe von Lesarten, die für die Textkritik relevant sind.<ref>''Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini (CPF)'', Teil 1, Bd. 1***, Firenze 1999, S. 521–523 und Teil 3, Firenze 1995, S. 244–246.</ref>
 
Die älteste erhaltene mittelalterliche ''Theaitetos''-Handschrift wurde im Jahr 895 im [[Byzantinisches Reich|Byzantinischen Reich]] für [[Arethas von Caesarea]] angefertigt.<ref>Oxford, [[Bodleian Library]], Clarke 39 (= „Codex B“ der Platon-Textüberlieferung).</ref>
 
== Rezeption ==
=== Antike ===
 
Über die Nachwirkung des ''Theaitetos'' in der Antike ist relativ wenig bekannt. Die Spärlichkeit der Belege kann aber auf die ungünstige Überlieferungslage zurückzuführen sein und erlaubt nicht die Folgerung, dass die Thematik auf geringes Interesse stieß.
 
Platons Schüler [[Aristoteles]] muss den ''Theaitetos'' gekannt haben, wie einigen Anspielungen bei ihm zu entnehmen ist, doch ist nicht überliefert, wie er dieses Werk aufgefasst hat.<ref>Alexander Becker (Hrsg.): ''Platon: Theätet'', Frankfurt am Main 2007, S. 382.</ref>
 
Der Begründer der [[Stoa]], [[Zenon von Kition]], scheint bei der Formulierung seiner Erkenntnislehre Material aus dem ''Theaitetos'' aufgegriffen zu haben, das er allerdings als Gegner des [[Platonismus]] in unplatonischem Sinn verwertete.<ref>Anthony A. Long: ''Zeno’s epistemology and Plato’s Theaetetus''. In: Theodore Scaltsas, Andrew S. Mason (Hrsg.): ''The Philosophy of Zeno'', Larnaca 2002, S. 115–131.</ref>
 
In der Epoche der [[Platonische Akademie|Jüngeren („skeptischen“) Akademie]], die zwischen 268 und 264 v. Chr. begann und bis ins frühe 1. Jahrhundert v. Chr. dauerte, wurde der ''Theaitetos'' anscheinend bei den Akademikern besonders geschätzt, da er ihren erkenntnistheoretischen [[Skeptizismus]] stützen konnte. Es fehlt aber an zeitgenössischen Belegen für eine solche Rezeption.<ref>Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 22; Alexander Becker (Hrsg.): ''Platon: Theätet'', Frankfurt am Main 2007, S. 382 f.; [[Heinrich Dörrie]], [[Matthias Baltes]]: ''Der Platonismus in der Antike'', Bd. 3, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 200.</ref>
 
In der [[Tetralogie (Platon)|Tetralogienordnung]] der Werke Platons, die anscheinend im 1. Jahrhundert v. Chr. eingeführt wurde, gehört der ''Theaitetos'' zur zweiten Tetralogie. Der Philosophiegeschichtsschreiber [[Diogenes Laertios]] zählte ihn zu den „prüfenden“ Schriften und gab als Alternativtitel ''Über das Wissen'' an. Dabei berief er sich auf eine heute verlorene Schrift des Gelehrten [[Thrasyllos (Philosoph)|Thrasyllos]].<ref>Diogenes Laertios 3,56–58.</ref>
 
Aus der Epoche des [[Mittelplatonismus]] (1. Jahrhundert v. Chr. bis 3. Jahrhundert n. Chr.) liegen nur wenige Belege für die Nachwirkung des ''Theaitetos'' vor. Der frühe Mittelplatoniker [[Eudoros von Alexandria]], der im 1. Jahrhundert v. Chr. lebte, befasste sich in seinem nur fragmentarisch erhaltenen Werk ''Einteilung der Lehre der Philosophie'' mit dem Ziel des [[Ethik|ethischen]] Handelns. Dabei griff er den in der Digression des ''Theaitetos'' vorgetragenen Gedanken der „Angleichung an Gott im Rahmen des Möglichen“ auf.<ref>František Novotný: ''The Posthumous Life of Plato'', Den Haag 1977, S. 98 f.</ref> Das weitaus umfangreichste Zeugnis für die mittelplatonische ''Theaitetos''-Rezeption ist ein Kommentar, dessen Anfang – die Kommentierung von etwas über einem Fünftel des Dialogtextes – erhalten geblieben ist. Diese Schrift ist vermutlich in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. – jedenfalls nicht früher – entstanden und stellt somit den ältesten aller erhaltenen Platon-Kommentare dar. Der Verfasser ist ein unbekannter Mittelplatoniker. Er verteidigt seine Interpretation des kommentierten Textes gegen andere Deutungen und erwähnt mit impliziter Zustimmung die Argumentation von Platonikern, die sich gegen [[Stoa|stoische]] Kritik am Platonismus wenden. Außerdem bekämpft er eine ''Theaitetos''-Interpretation, der zufolge dieser Dialog eine erkenntnistheoretische Skepsis Platons belegt. Von den Vorschlägen, den anonymen Kommentator mit Eudoros von Alexandria, [[Albinos (Philosoph)|Albinos]] oder [[Alkinoos (Philosoph)|Alkinoos]] zu identifizieren, hat sich keiner in der Forschung durchgesetzt.<ref>Siehe dazu ''Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini (CPF)'', Teil 3, Firenze 1995, S. 227–562 (mit kritischer Edition, Untersuchung sowie einer umfangreichen Bibliographie von Guido Bastianini und David N. Sedley).</ref> [[Plutarch]] befasste sich in der ersten seiner zehn ''Platonischen Fragen'' mit der Mäeutik. Er stellte und beantwortete dort die Frage, warum die Gottheit Sokrates anwies, als Geburtshelfer für andere zu fungieren, aber ihm eigene Fruchtbarkeit versagte.<ref>Plutarch, ''Platonicae quaestiones'' 1. Zu Plutarchs ''Theaitetos''-Rezeption siehe Harold Tarrant: ''Plato’s First Interpreters'', Ithaca 2000, S. 173–175.</ref> Der Mittelplatoniker [[Alkinoos (Philosoph)|Alkinoos]], der vermutlich im 2. Jahrhundert lebte, behandelte in seinem ''Lehrbuch (didaskalikós) der Grundsätze Platons'' das Ziel der Angleichung an die Gottheit. Er ging auch auf die Überlegungen des platonischen Sokrates zum Verhältnis von Erinnerung und Meinung ein und erwähnte dabei den Vergleich des Gedächtnisses mit einem Wachsblock.<ref>Alkinoos, ''Didaskalikos'' 2,2; 4,5; 28.</ref>
 
Die Angleichung an Gott als Ziel fand auch außerhalb des Platonismus Anklang. Der einflussreiche [[Aristotelismus|Aristoteliker]] [[Alexander von Aphrodisias]] ging darauf ein. Er befand, es sei das höchste Gut für den Menschen, der Gottheit ähnlich zu werden. Dies werde den Denkern durch die Betrachtung und die Erkenntnis des Wahren, die durch den Beweis zustande komme, zuteil. Solche Betrachtung werde zu Recht göttlich genannt, wenn man das betrachte, was am ehrwürdigsten sei.<ref>[[Gyburg Uhlmann|Gyburg Radke-Uhlmann]]: ''Philosophieunterricht und Hermeneutik im Neuplatonismus''. In: [[Ada Neschke-Hentschke]] (Hrsg.): ''Argumenta in dialogos Platonis'', Teil 1, Basel 2010, S. 119–148, hier: 123–125.</ref>
 
Auch die [[Neuplatonismus|Neuplatoniker]], eine im 3. Jahrhundert entstandene, in der [[Spätantike]] den philosophischen Diskurs dominierende Richtung, griffen Überlegungen aus dem ''Theaitetos'' auf. Sie beschäftigten sich vor allem mit Metaphysik, mit der religiösen Dimension des Platonismus und mit der Thematik der philosophischen Lebensweise. Daher war für sie die Digression im ''Theaitetos'' von besonderem Interesse. Die dort von Platons Sokrates erhobene Forderung, ein Philosoph solle sich auf die Aufgabe konzentrieren, der Gottheit möglichst ähnlich zu werden, fiel auf fruchtbaren Boden.<ref>Alexander Becker (Hrsg.): ''Platon: Theätet'', Frankfurt am Main 2007, S. 386; David Sedley: ''The Midwife of Platonism'', Oxford 2004, S. 62 f. und Anm. 11.</ref> Sie wurde schon von [[Plotin]], dem Begründer des Neuplatonismus, erörtert.<ref>Hubert Merki: ''Ὁμοίωσις θεῷ. Von der platonischen Angleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa'', Freiburg (Schweiz) 1952, S. 18–25. Zu Plotins Verhältnis zum ''Theaitetos'' siehe Sara Magrin: ''Plotin et la „doctrine secrète“''. In: Dimitri El Murr (Hrsg.): ''La mesure du savoir'', Paris 2013, S. 335–378, hier: 335–373.</ref> [[Iamblichos von Chalkis|Iamblichos]] († um 320/325), der für den spätantiken Neuplatonismus eine wegweisende Rolle spielte, ließ in seiner Philosophenschule den ''Theaitetos'' als fünften der zwölf aus seiner Sicht wichtigsten Dialoge Platons studieren, wie der Verfasser der anonym überlieferten spätantiken ''Prolegomena zur Philosophie Platons'' berichtet.<ref>''Prolegomena zur Philosophie Platons'' 26, hrsg. von [[Leendert Gerrit Westerink|Leendert G. Westerink]]: ''Prolégomènes à la philosophie de Platon'', Paris 1990, S. 40.</ref> Der berühmte Neuplatoniker [[Proklos]] (412–485), der die Philosophenschule in Athen leitete, kommentierte den ''Theaitetos'', doch ist von seiner Beschäftigung mit dem Dialog nur wenig bekannt.<ref>Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: ''Der Platonismus in der Antike'', Bd. 3, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 201.</ref>
 
In der römischen Kaiserzeit wurde Platons Ideal der Angleichung an Gott im Rahmen des Möglichen nicht nur von [[Heidentum|paganen]] Platonikern vertreten, sondern fand auch bei christlichen Autoren Anklang. Der stark vom Platonismus beeinflusste [[Kirchenvater]] [[Clemens von Alexandria]], der im späten 2. und frühen 3. Jahrhundert tätig war, zitierte die einschlägige ''Theaitetos''-Stelle oft und sah darin einen Beleg für die Nähe des Platonismus zum Christentum.<ref>František Novotný: ''The Posthumous Life of Plato'', Den Haag 1977, S. 137.</ref> Auch in die [[Patristik|patristische]] Literatur der Spätantike fand das Motiv Eingang. Im 4. Jahrhundert griff der Kirchenvater [[Ambrosius von Mailand]] Platons berühmte Formulierung auf.<ref>František Novotný: ''The Posthumous Life of Plato'', Den Haag 1977, S. 196 f.</ref> Beachtung fand bei den Kirchenvätern auch die in verschiedenen Versionen kursierende Thales-Anekdote.<ref>Siehe zur Rezeption der Anekdote im christlichen Milieu Hans Blumenberg: ''Das Lachen der Thrakerin'', Frankfurt am Main 1987, S. 42–56.</ref>
 
[[Datei:Theaitetos beginning. Editio princeps.jpg|mini|Der Anfang des ''Theaitetos'' in der Erstausgabe, Venedig 1513]]
 
=== Mittelalter und Frühe Neuzeit ===
 
Im Mittelalter war der ''Theaitetos'' manchen [[Byzantinisches Reich|byzantinischen]] Gelehrten zugänglich, doch bei den lateinischsprachigen Gelehrten des Westens und im arabischsprachigen Raum war er unbekannt. Im Westen wurde er erst im Zeitalter des [[Renaissance-Humanismus]] wiederentdeckt. Die erste lateinische Übersetzung erstellte der Humanist [[Marsilio Ficino]]. Er veröffentlichte sie 1484 in Florenz in der Gesamtausgabe seiner Platon-Übersetzungen und machte den Dialog damit einem breiteren Lesepublikum zugänglich. Der Übersetzung stellte er eine Einleitung ''(argumentum)'' voran, aus der hervorgeht, dass er den Text durchweg als Darstellung von Platons eigener Lehre auffasste. Er betonte, dass der Körper keinerlei Beitrag zur Erkenntnis leisten könne. Der „Wachsblock“ sei in der Seele, nicht im Körper; er dürfe nicht mit dem Gehirn gleichgesetzt werden.<ref>Die Einleitung ist herausgegeben von [[Burkhard Mojsisch]]: ''Marsilius Ficinus: In Theaetetum Platonis vel De scientia ad Petrum Medicem, patriae patrem, Epitome''. In: ''Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter'' 1, 1996, S. 179–194 (anschließend S. 195–215 Übersetzung).</ref>
 
Die [[Erstausgabe]] des griechischen Textes erschien im September 1513 in Venedig bei [[Aldus Manutius|Aldo Manuzio]] als Teil der ersten Gesamtausgabe der Werke Platons. Der Herausgeber war [[Marcus Musurus|Markos Musuros]].
 
In den folgenden Jahrhunderten zeigten die Philosophen relativ wenig Interesse am ''Theaitetos''. [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] fertigte 1676 eine lateinische Zusammenfassung des Dialogs an.<ref>[[Benson Mates]]: ''Leibniz and the Phaedo''. In: ''Akten des II. Internationalen Leibniz-Kongresses Hannover, 17.–22. Juli 1972'', Wiesbaden 1973, S. 135–148, hier: 144.</ref> [[George Berkeley]] ging in seiner 1744 publizierten Schrift ''Siris'' mehrmals auf Stellen in dem antiken Werk ein. Er fand darin eine Vorwegnahme von Grundsätzen seiner eigenen [[Empirismus|empiristisch]] geprägten Erkenntnistheorie.<ref>George Berkeley: ''Siris'' 253, 304 f., 311, 348, 367.</ref>
 
=== Moderne ===
'''Philosophische Aspekte'''
 
In der Moderne hat das anfänglich relativ geringe Interesse am philosophischen Gehalt des Werks seit dem frühen 20. Jahrhundert stark zugenommen. [[Paul Shorey]] äußerte 1933 die Meinung, man könne den ''Theaitetos'' als den gedankenreichsten Dialog Platons betrachten.<ref>Paul Shorey: ''What Plato said'', Chicago 1933, S. 269.</ref> Als Meilensteine der Erforschung des ''Theaitetos'' gelten die 1935 publizierte Untersuchung von [[Francis Macdonald Cornford]] über die Erkenntnistheorie Platons<ref>Francis M. Cornford: ''Plato’s Theory of Knowledge'', London 1935.</ref> und der Kommentar von Myles Burnyeat (1990).<ref>Myles Burnyeat: ''The Theaetetus of Plato'', Indianapolis/Cambridge 1990.</ref>
 
Das Interesse der Philosophiehistoriker gilt hauptsächlich dem erkenntnistheoretischen Ertrag des Werks. Einem breiteren gebildeten Publikum sind in erster Linie der Abschnitt über die Hebammenkunst und die Digression über die philosophische Lebensform mit der Anekdote über Thales bekannt. Sie gehören zu den berühmtesten Passagen in Platons Gesamtwerk.<ref>Olof Gigon: ''Einleitung''. In: ''Platon: Spätdialoge I'' (= ''Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke'', Bd. 5), Zürich 1974, S. V–LI, hier: XI, XIX.</ref>
 
Der Philosoph [[Victor Cousin]] veröffentlichte 1824 eine französische ''Theaitetos''-Übersetzung. Er verteidigte sein metaphysisches Modell gegen [[Empirismus|empiristische]] und [[Sensualismus|sensualistische]] Kritik und griff dabei auf die Argumentation des platonischen Sokrates im ''Theaitetos'' zurück.<ref>Michel Narcy: ''Platon, Victor Cousin et la philosophie française''. In: Michael Erler, Ada Neschke-Hentschke (Hrsg.): ''Argumenta in dialogos Platonis'', Teil 2, Basel 2012, S. 103–126, hier: 111–114, 118.</ref>
 
Der [[Neukantianismus|Neukantianer]] [[Paul Natorp]] äußerte sich 1903 in seiner Monographie ''Platos Ideenlehre''. Er befand, der Gedankengang im ''Theaitetos'' sei „zwingend und unmittelbar überzeugend“, wenn man „des inneren Planes der Schrift sich einmal bemächtigt hat“. Nach Natorps Verständnis verwendete Platon, als er die Bestimmung des Wissens als wahre Meinung mit Erklärung untersuchte und verwarf, den Begriff ''dóxa'' („Meinung“) nicht im Sinne von „Urteil“, sondern im Sinne von „Vorstellung“. Der antike Denker bekämpfte den Dogmatismus der „wahren Vorstellung“, dem zufolge es nur darauf ankommt, eine gegebene Vorstellung mit gegebenen Dingen in die richtige Beziehung zu setzen, damit aus der „richtigen“ oder „wahren“ Vorstellung Erkenntnis wird. Natorp meinte, der Dialog enthalte eine tief angelegte, „für alle Zeit grundlegende Kritik der Sinnlichkeit“. Platon habe „klar die Bewusstseinseinheit als Grundfunktion der Erkenntnis ausgesprochen“. Er habe erkannt, dass das Bewusstsein die allgemeinen Bestimmungen wie Sein und Nichtsein, Identität und Verschiedenheit nicht mit Hilfe körperlicher Organe, sondern durch sich selbst auffasse. Die Erkenntnis beruhe auf den Relationsurteilen des von Platon als „Seele“ bezeichneten Bewusstseins.<ref>Paul Natorp: ''Platos Ideenlehre'', 3. Auflage, Darmstadt 1961 (Erstveröffentlichung 1903), S. 97, 101, 111–113, 115 f. Vgl. zu Natorps ''Theaitetos''-Interpretation Alan Kim: ''Plato in Germany'', Sankt Augustin 2010, S. 104–114.</ref>
 
[[F. C. S. Schiller|Ferdinand C. S. Schiller]] veröffentlichte 1908 den Aufsatz ''Plato or Protagoras?'', in dem er die Verteidigung der Auffassung des Protagoras im ''Theaitetos'' untersuchte. Er sah darin die authentische Position des antiken Sophisten, den er als frühen [[Humanismus|Humanisten]] und Vorläufer seines eigenen [[Pragmatismus]] betrachtete. Aus moderner Sicht habe sich der Ansatz des Protagoras als richtig erwiesen, Platons Kritik daran sei verfehlt.<ref>Ferdinand C. S. Schiller: ''Plato or Protagoras?'', Oxford/London 1908.</ref>
 
Für [[Martin Heidegger]] zählte der ''Theaitetos'' zu den wenigen Dialogen, die ihm die Textbasis für seine Interpretation der Philosophie Platons lieferten. Im Wintersemester 1931/1932 setzte er sich in einer Freiburger Vorlesung eingehend mit dem Werk auseinander. Dabei nahm er nicht die Haltung des „bloßen Lesers“ ein, sondern die eines mitfragenden Zuhörers. Heidegger meinte, es sei ein gravierendes Missverständnis, die Leitfrage „Was ist das Wissen?“ als Frage nach der Wissenschaft aufzufassen. Es handle sich auch nicht um eine erkenntnistheoretische Frage, sie beschränke sich nicht auf das Wissen als theoretische Erkenntnis und Beschäftigung der Gelehrten. Platons Thema sei vielmehr das „den ganzen Bereich und die Weite menschlichen Verhaltens durchherrschende und haltende und zugleich vielfältige Sich-auskennen“. Dazu gehöre auch „Wissen“ im Sinne von Ausdrücken wie „Jemand weiß sich zu benehmen“ oder „Er weiß sich durchzusetzen“. Gefragt werde, wie „der Mensch selbst in seinem Grundverhalten, dem Sich-auskennen in den Dingen, sich selbst nehmen will und soll, (...) wenn er ein Wissender sein soll“. Damit werde in einem ursprünglichen Sinn nach dem Menschen gefragt, und diese Frage sei „ein Angriff des Menschen auf sich selbst und sein vorläufiges Beharren im zunächst Geläufigen und seine Versessenheit auf das fürs erste Genügende“.<ref>Martin Heidegger: ''Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet'' (= Martin Heidegger: ''Gesamtausgabe'', Bd. 34), Frankfurt am Main 1988, S. 149–158.</ref> Es gehe um Wissen als Besitz von Wahrheit. Allerdings habe Platon Wahrheit und Unwahrheit als Richtigkeit der Aussage und Unwahrheit als deren Unrichtigkeit aufgefasst. Damit habe er die Einsicht verbaut, „daß und wie zum Wesen der Wahrheit die Unwahrheit gehört“. Wahrheit sei Unverborgenheit des Seienden. Unwahrheit bestehe im „Verstellen des Aussehens“ des Seienden, wobei aber das Seiende nicht schlechthin verborgen werde, denn es zeige sich ja. Es sei ein „Sich-verbergen im und durch das Sich-zeigen“, und das sei das Scheinen: eine Unverborgenheit, die „zugleich in sich, und zwar wesensmäßig, Verborgenheit“ sei.<ref>Martin Heidegger: ''Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet'' (= Martin Heidegger: ''Gesamtausgabe'', Bd. 34), Frankfurt am Main 1988, S. 318–322.</ref>
 
[[Ludwig Wittgenstein]] nahm in seinen ab 1936 entstandenen, aber erst 1953 postum veröffentlichten ''Philosophischen Untersuchungen'' auf den „Traum“ des platonischen Sokrates Bezug. Er identifizierte die dort eingeführten Urelemente, die „einfachen Bestandteile, aus denen sich die Realität zusammensetzt“, mit den „Gegenständen“ in seiner eigenen Terminologie und mit den „individuals“ bei [[Bertrand Russell]].<ref>Ludwig Wittgenstein: ''Philosophische Untersuchungen'' 46 f. Vgl. Ludwig Wittgenstein: ''Das Blaue Buch. Eine Philosophische Betrachtung (Das Braune Buch)'', Frankfurt am Main 1984, S. 121; Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus'', Sankt Augustin 2004, S. 35 f.</ref> In seiner Auseinandersetzung mit den Thesen des platonischen Sokrates problematisierte Wittgenstein den Begriff „zusammengesetzt“ als Gegenteil von „einfach“, der unterschiedlich definiert werde; man müsse sich erst über die Definition verständigen. Die These des Sokrates, man könne den Urelementen weder Sein noch Nichtsein beilegen, brachte Wittgenstein mit der Muster-Funktion von Elementen in Zusammenhang. Ein Muster sei ein Instrument der Sprache und als solches nicht ein Dargestelltes, sondern ein Mittel der Darstellung im Sprachspiel. Diese Überlegung veranschaulichte Wittgenstein mit dem Beispiel der Länge des [[Urmeter]]s. Man könne über das Urmeter weder sagen, es sei 1 m lang, noch es sei nicht 1 m lang. Der Grund dafür sei dessen „eigenartige Rolle im Spiel des Messens mit dem Metermaß“. Analoges gelte für die Elemente des Sprachspiels, beispielsweise das „R“.<ref>Ludwig Wittgenstein: ''Philosophische Untersuchungen'' 47–50.</ref> In seinem „Blauen Buch“ kritisierte Wittgenstein die Vorstellung des platonischen Sokrates, man müsse, um sich über die Bedeutung einer allgemeinen Bezeichnung klar zu werden, das gemeinsame Element in allen Anwendungen der Bezeichnung finden. Diese Vorstellung wirke bei philosophischen Untersuchungen hemmend. Man übergehe dann wie Sokrates konkrete Fälle als irrelevant, obwohl allein solche Fälle helfen könnten, den Gebrauch der allgemeinen Bezeichnung zu verstehen.<ref>Ludwig Wittgenstein: ''Das Blaue Buch. Eine Philosophische Betrachtung (Das Braune Buch)'', Frankfurt am Main 1984, S. 40 f.</ref>
 
[[Bertrand Russell]] behandelte das Verhältnis von Erkenntnis und Wahrnehmung nach dem ''Theaitetos'' ausführlich in seiner ''[[Philosophie des Abendlandes]]'' (''A History of Western Philosophy'', 1945). Er trug Argumente gegen die von Platons Sokrates geforderte Trennung von Wahrnehmung und Erkenntnis vor. Schlüssig sei die Beweisführung des Sokrates nur für die formalen Erkenntnisse in Logik und Mathematik, die nicht aus der Wahrnehmung abgeleitet seien.<ref>Bertrand Russell: ''A History of Western Philosophy'', New York 1945, S. 149–159.</ref>
 
[[Karl Popper]], ein scharfer Kritiker Platons, bezeichnete den ''Theaitetos'' als großartigen Dialog. Er zählte ihn zu einer Gruppe von Dialogen, deren Gedankengut eher dem historischen Sokrates zugehöre als Platon.<ref>Karl Popper: ''[[Die offene Gesellschaft und ihre Feinde]]'', Bd. 1, 7. Auflage, Tübingen 1992, S. 417–419; vgl. S. 357.</ref>
 
[[Paul Feyerabend]] befürwortete in seiner Schrift ''[[Erkenntnis für freie Menschen]]'' den im ''Theaitetos'' dargestellten und bekämpften Relativismus. Feyerabend befand, der Relativismus von Platons Protagoras sei vernünftig und klug, da er eine Vielzahl von Traditionen und Werten beachte und keine objektiven Wertsätze einführe. Er sei auch zivilisiert, da Protagoras nicht annehme, „dass das winzige Dorf, in dem man wohnt, am Nabel der Welt liegt und dass seine seltsamen Sitten Maßstäbe für die ganze Menschheit sind“.<ref>Paul Feyerabend: ''Erkenntnis für freie Menschen'', veränderte Ausgabe, Frankfurt 1981, S. 69.</ref>
 
[[Hans-Georg Gadamer]] nannte den ''Theaitetos'' einen der schwierigsten und tiefsinnigsten Dialoge Platons. Er werde wie das Grundbuch der antiken Erkenntnistheorie gelesen, doch sei der moderne Begriff der Erkenntnistheorie von dem Primat des Bewusstseins und Selbstbewusstseins bestimmt und weise damit in eine ganz andere Richtung als die Überlegungen im ''Theaitetos''. Gadamer betonte die Bedeutung des Umstands, dass Sokrates in diesem Dialog mit Mathematikern diskutiert. Er meinte, man könne die Gesprächsführung des Sokrates, die Anwendung der „Hebammenkunst“ sowie das Verhalten von Theodoros und Theaitetos besser verstehen, wenn man die mathematische Denkweise als Hintergrund berücksichtige.<ref>Hans-Georg Gadamer: ''Mathematik und Dialektik bei Plato (1982)''. In: Hans-Georg Gadamer: ''Gesammelte Werke'', Bd. 7, Tübingen 1991, S. 290–312.</ref>
 
[[Hans Blumenberg]] veröffentlichte 1987 seine Untersuchung ''Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie''. Darin nahm er die Anekdote vom Sturz des Thales in der Digression des ''Theaitetos'' zum Ausgangspunkt. Er thematisierte den Gegensatz zwischen dem Theoretiker Thales und der Thrakerin mit ihrem Misstrauen gegen die „theoretischen Umtriebe“ und ihrem Lachen über den „Rückschlag der Theorie auf ihren Betreiber“. Dieses Grundverhältnis werde nicht aus der Welt verschwinden, „selbst wenn eines Tages die Vermehrung der Theoretiker zu ihrer Mehrheit ausarten sollte“. Die modernen Erzeuger des Produkts „Theorie“ seien viel komischer als ihr antiker Urahn Thales. Auch sie würden ihre „Thrakerinnen“ finden, wo sie sie nicht erwarteten.<ref>Hans Blumenberg: ''Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie'', Frankfurt am Main 1987, S. 1.</ref>
 
Die im ''Theaitetos'' erörterte Irrtumsthematik ist für die moderne [[Analytische Philosophie]] unter dem Gesichtspunkt der logischen Problematik interessant, die sich bei irrigen Identitätsannahmen („false identity beliefs“) ergibt. Dabei geht es um Kombinationen von Aussagen des Typus (1) Sokrates glaubt (irrtümlich), dass die Person, die er in der Ferne erblickt, Theaitetos sei (obwohl es in Wirklichkeit Theodoros ist); (2) Sokrates glaubt, Theodoros sei Theaitetos; (3) Sokrates kennt sowohl Theodoros als auch Theaitetos sehr gut; (4) Sokrates glaubt nicht, Theodoros sei Theaitetos. Wenn sich die Annahme in (1) auf die Personen bezieht, auf die sie sich nach der Ansicht des Sokrates bezieht (die erblickte Person und Theaitetos), dann folgt (2) aus (1). (1) und (3) können zugleich wahr sein. Wenn aber (3) der Fall ist, folgt aus (3) die Aussage (4), also das Gegenteil von (2). Die Ursache des Problems scheint darin zu liegen, dass die Richtigkeit der Aussage (5) „Die Annahmen des Sokrates beziehen sich auf das, worauf sie sich nach seiner Ansicht beziehen“ unterstellt wird. Ob daher (5) falsch ist, wie Logiker der [[Gottlob Frege]] folgenden Richtung meinen, ist strittig.<ref>Terry Penner: ''The Wax Tablet, logic and Protagoreanism''. In: George Boys-Stones u.a. (Hrsg.): ''The Platonic Art of Philosophy'', Cambridge 2013, S. 186–220.</ref>
 
'''Literarische Aspekte'''
 
Der einflussreiche Platon-Übersetzer [[Friedrich Schleiermacher]] äußerte sich 1805 über die literarische Qualität anerkennend. Er befand, die „gleichförmig durchgeführte Bauart des Ganzen und der einzelnen Teile“ sei wunderbar kunstvoll.<ref>Friedrich Schleiermacher: ''Theaitetos. Einleitung''. In: Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: ''Über die Philosophie Platons'', hrsg. von Peter M. Steiner, Hamburg 1996, S. 194–206, hier: 199.</ref>
 
1919 tadelte der renommierte [[Gräzistik|Gräzist]] und Platon-Kenner [[Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff]] die Komposition des Dialogs, die er für unausgearbeitet hielt. Die Digression zeichne sich durch Fülle und Glanz aus und sei schön eingerahmt, ein Teil des Dialogs sei reichbewegt und witzig, doch im Schlussteil seien lange Strecken dürr und farblos. Dort dozierte Sokrates trotz seiner Behauptung, nur Helfer für die Entbindung fremder Gedanken zu sein. Das Werk mache einen unfertigen Eindruck.<ref>Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: ''Platon. Sein Leben und seine Werke'', 5. Auflage, Berlin 1959 (1. Auflage Berlin 1919), S. 405 f., 414 und ''Platon. Beilagen und Textkritik'', 4. Auflage, Dublin/Zürich 1969 (1. Auflage Berlin 1919), S. 230–232, 235–237.</ref>
 
Die neueren Urteile über die literarische Qualität sind meist positiv ausgefallen. 1974 befand [[Olof Gigon]], das Zusammenspiel von Sokrates, Theodoros und Theaitetos sei mit überlegener Kunst gestaltet. Die beiden Mathematiker seien daran, ebenbürtige Partner des Sokrates zu werden.<ref>Olof Gigon: ''Einleitung''. In: ''Platon: Spätdialoge I'' (= ''Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke'', Bd. 5), Zürich 1974, S. V–LI, hier: X.</ref> Auch [[Ernst Heitsch]] (1988) äußerte sich lobend. Er meinte, man gewinne erst beim zweiten Lesen einen Blick für die kunstreiche Anlage des Dialogs. Allerdings sei die Gesprächsführung außerordentlich verwickelt und schwerlich sogleich zu durchschauen. Gerade auch als literarische Komposition bedürfe der ''Theaitetos'' der Erläuterung.<ref>Ernst Heitsch: ''Überlegungen Platons im Theaetet'', Stuttgart 1988, S. 19, 30.</ref> [[Michael Erler]] (2007) stimmte Heitsch zu, er hielt die Komposition ebenfalls für durchdacht.<ref>Michael Erler: ''Platon'', Basel 2007, S. 233.</ref>
 
== Ausgaben und Übersetzungen ==
'''Ausgaben (teilweise mit Übersetzung)'''
 
* Alexander Becker (Hrsg.): ''Platon: Theätet''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-27009-7 (Abdruck der Ausgabe von Auguste Diès, Paris 1926, ohne den kritischen Apparat, mit einer von Becker überarbeiteten Fassung der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher und einem Kommentar von Becker)
* Gunther Eigler (Hrsg.): ''Platon: Werke in acht Bänden''. Bd. 6, 2. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-11280-6, S. 1–217 (Abdruck der kritischen Ausgabe von Auguste Diès mit der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, 2. Auflage, Berlin 1818)
* Winifred F. Hicken (Hrsg.): ''Theaitetos''. In: Elizabeth A. Duke u. a. (Hrsg.): ''Platonis opera'', Bd. 1, Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-814569-1, S. 277–382 (maßgebliche kritische Edition)
* [[Ekkehard Martens]] (Hrsg.): ''Platon: Theätet''. Durchgesehene und ergänzte Ausgabe, Reclam, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-006338-5 (unkritische Ausgabe mit Übersetzung)
 
'''Übersetzungen'''
 
* [[Otto Apelt]]: ''Platon: Theätet''. In: Otto Apelt (Hrsg.): ''Platon: Sämtliche Dialoge'', Bd. 4, Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1156-4 (mit Einleitung und Erläuterungen; Nachdruck der 4. Auflage, Leipzig 1923)
* Rudolf Rufener: ''Platon: Spätdialoge I'' (= ''Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke'', Bd. 5). Artemis, Zürich/München 1974, ISBN 3-7608-3640-2, S. 3–124 (mit Einleitung von [[Olof Gigon]] S. XI–XXVI)
* Friedrich Schleiermacher: ''Theaitetos''. In: [[Erich Ludwig Loewenthal|Erich Loewenthal]] (Hrsg.): ''Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden'', Bd. 2, unveränderter Nachdruck der 8., durchgesehenen Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17918-8, S. 561–661
 
== Literatur ==
'''Übersichtsdarstellungen'''
 
* Michael Erler: ''Platon'' (''[[Grundriss der Geschichte der Philosophie]]. Die Philosophie der Antike'', hrsg. von Hellmut Flashar, Bd. 2/2). Schwabe, Basel 2007, ISBN 978-3-7965-2237-6, S. 231–238, 637–641
* Mi-Kyoung Lee: ''The Theaetetus''. In: Gail Fine (Hrsg.): ''The Oxford Handbook of Plato''. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-518290-3, S. 411–436
* Michel Narcy: ''Théétète''. In: Richard Goulet (Hrsg.): ''Dictionnaire des philosophes antiques'', Bd. 5, Teil 1, CNRS Éditions, Paris 2012, ISBN 978-2-271-07335-8, S. 686–700.
 
'''Kommentare'''
 
* Anne Balansard: ''Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète''. Academia Verlag, Sankt Augustin 2012, ISBN 978-3-89665-552-3
* Alexander Becker (Hrsg.): ''Platon: Theätet''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-27009-7, S. 225–381
* Seth Benardete: ''The Being of the Beautiful. Plato’s Theaetetus, Sophist, and Statesman.'' The University of Chicago Press, Chicago/London 1984, ISBN 0-226-67037-6, S. I.85–I.191
* Myles Burnyeat: ''The Theaetetus of Plato''. Hackett, Indianapolis/Cambridge 1990, ISBN 0-915144-81-6
* Timothy Chappell: ''Reading Plato’s Theaetetus''. Academia Verlag, Sankt Augustin 2004, ISBN 3-89665-315-6
* John McDowell: ''Plato’s Theaetetus''. Clarendon Press, Oxford 1973, ISBN 0-19-872083-1
* Ronald M. Polansky: ''Philosophy and Knowledge. A Commentary on Plato’s Theaetetus''. Bucknell University Press, Lewisburg 1992, ISBN 0-8387-5215-2
* Paul Stern: ''Knowledge and Politics in Plato’s Theaetetus''. Cambridge University Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-88429-7
 
'''Untersuchungen'''
 
* Marcel van Ackeren: ''Das Wissen vom Guten. Bedeutung und Kontinuität des Tugendwissens in den Dialogen Platons''. Grüner, Amsterdam 2003, ISBN 90-6032-368-8, S. 226–258
* Rosemary Desjardins: ''The Rational Enterprise. Logos in Plato’s Theaetetus.'' State University of New York Press, Albany 1990, ISBN 0-88706-837-5
* Jörg Hardy: ''Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-25225-0 ([http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00044457_00001.html Digitalisat])
* Ernst Heitsch: ''Überlegungen Platons im Theaetet.'' Franz Steiner, Stuttgart 1988, ISBN 3-515-05301-8
* David Sedley: ''The Midwife of Platonism. Text and Subtext in Plato’s Theaetetus.'' Clarendon Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-926703-0
 
'''Aufsatzsammlungen'''
 
* Giovanni Casertano (Hrsg.): ''Il Teeteto di Platone: struttura e problematiche''. Loffredo, Napoli 2002, ISBN 88-8096-884-X
* Dimitri El Murr (Hrsg.): ''La mesure du savoir. Études sur le Théétète de Platon''. Vrin, Paris 2013, ISBN 978-2-7116-2495-9
* Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): ''Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense''. Oikoumene, Prag 2008, ISBN 978-80-7298-391-9
* Giuseppe Mazzara, Valerio Napoli (Hrsg.): ''Platone. La teoria del sogno nel Teeteto. Atti del Convegno Internazionale Palermo 2008''. Academia Verlag, Sankt Augustin 2010, ISBN 978-3-89665-498-4
 
== Weblinks ==
'''Ausgaben und Übersetzungen'''
* [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text;jsessionid=31C8B02B23BA45360208266869A173CB?doc=Perseus%3atext%3a1999.01.0171%3atext%3dTheaet. ''Theaitetos''], griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet, 1900 (Perseus Project)
* [http://www.opera-platonis.de/Theaitetos.html ''Theaitetos''], deutsche Übersetzung nach Friedrich Schleiermacher, bearbeitet (opera-platonis.de)
* [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Theaitetos ''Theaitetos''], deutsche Übersetzung nach Friedrich Schleiermacher (Zeno.org)
* [http://gutenberg.spiegel.de/buch/7315/4 ''Theaitetos''], deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher (Projekt Gutenberg-DE)
'''Literatur'''
* Timothy Chappell: [http://archelogos.com/xml/toc/toc-theae.htm ''Plato: Theaetetus. Commentary''] (alte Fassung, durch die 2004 publizierte Printversion überholt)
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/plato-theaetetus/|Plato on Knowledge in the Theaetetus|Timothy Chappell}}
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/t/theatetu.htm||Zina Giannopoulou}}
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=w|GND=4206078-3|LCCN=n/80/8545|VIAF=180630955}}
 
[[Kategorie:Philosophisches Werk von Platon|120]]
[[Kategorie:Philosophisches Werk]]
[[Kategorie:Corpus Platonicum|120]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 2. Juli 2020, 05:27 Uhr

Der Anfang des Theaitetos in der ältesten erhaltenen mittelalterlichen Handschrift, dem 895 geschriebenen Codex Clarkianus (Oxford, Bodleian Library, Clarke 39)

Der Theaitetos (griech. Θεαίτητος Theaítētos, lat. Theaetetus, eingedeutscht auch Theätet) ist ein in Dialogform verfasstes Werk des griechischen Philosophen Platon. Darin wird ein fiktives, literarisch gestaltetes Gespräch wörtlich wiedergegeben. Beteiligt sind Platons Lehrer Sokrates und zwei Mathematiker: der junge Theaitetos, nach dem der Dialog benannt ist, und dessen Lehrer Theodoros von Kyrene.

Das Thema bilden Kernfragen der Erkenntnistheorie. Erörtert wird, worin Erkenntnis besteht und wie man gesichertes Wissen von wahren, aber unbewiesenen Behauptungen unterscheidet. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche allgemeine Unterscheidung überhaupt möglich ist und überzeugend begründet werden kann. Es soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen man den Anspruch erheben kann, etwas zu wissen und darüber nachweislich wahre Aussagen zu machen. Benötigt wird ein unanfechtbares Kriterium für erwiesene Wahrheit.

Im Verlauf der Diskussion scheitern alle Versuche, den Unterschied zwischen Wissen und richtigem Meinen zu bestimmen. Wenn sinnvolle Aussagen überhaupt möglich sind, muss es objektive Wahrheit geben, denn jeder Diskurs setzt die Unterscheidung von „wahr“ und „falsch“ voraus. Es gelingt aber nicht, mittels eines allgemein anwendbaren Kriteriums mutmaßlich richtige von nachweislich richtigen Vorstellungen abzugrenzen. Jede der vorgeschlagenen Definitionen von „Wissen“ trifft auch auf eine richtige, aber unbewiesene Annahme zu. Damit erweist sich die Verwendung des Begriffs „Wissen“ als grundsätzlich problematisch. Anscheinend kann man zwar wahre Aussagen machen, aber nicht wirklich wissen, dass sie wahr sind. Der Dialog endet in einer Ratlosigkeit (Aporie).

In der philosophiegeschichtlichen Forschung haben die erkenntnistheoretischen Erörterungen im Theaitetos zu lebhaften Debatten geführt, die weiterhin andauern. Dabei geht es vor allem um die Frage nach Platons eigener Position. Einer Hypothese zufolge hat er die erkenntnistheoretische Skepsis, die sich aus dem Fehlschlag der Bemühungen im Dialog zu ergeben scheint, zumindest zeitweilig selbst vertreten, nachdem er mit seiner Ideenlehre in unüberwindlich scheinende logische Schwierigkeiten geraten war. Die Gegenmeinung besagt, er habe die pessimistische Einschätzung der Möglichkeit von Wissen nicht geteilt. Vielmehr habe er sie im Theaitetos nur dargelegt, um die Leser dazu anzuregen, das Problem zu erfassen und zu lösen.

Ort, Zeit und Umstände

Die Gesprächssituation ist wahrscheinlich von Platon frei erfunden. Die Dialoghandlung ist in eine ebenfalls fiktive Rahmenhandlung eingebettet. Zwei ehemalige Schüler des schon vor langer Zeit hingerichteten Sokrates, Eukleides und Terpsion, führen das Rahmengespräch. Sie treffen in ihrer Heimatstadt Megara im äußersten Westen der Landschaft Attika zusammen. Eukleides erzählt, dass er von Sokrates viel über dessen denkwürdige Unterredungen mit dem damals noch sehr jungen Theaitetos gehört hat. Diese Gespräche fanden in Athen, der Heimatstadt von Sokrates und Theaitetos, statt. Eine solche Diskussion hat Eukleides, dem Bericht des Sokrates folgend, aus dem Gedächtnis in einem Buch aufgezeichnet. Dort gibt er den Gesprächsverlauf durchgängig in direkter Rede wieder. Auf Terpsions Wunsch lässt er nun das Buch vorlesen. Dessen Inhalt macht die Binnenhandlung des Theaitetos aus.

Für die Zeit der Rahmenhandlung bieten die Angaben des Eukleides einen wichtigen Anhaltspunkt. Er hat soeben im Hafen von Megara Theaitetos getroffen, der kürzlich in einem Kampf bei Korinth verwundet worden ist und nun nach Athen gebracht wird. Gemeint ist anscheinend eine militärische Auseinandersetzung im Rahmen des Korinthischen Krieges, aber nicht die Schlacht von Korinth im Jahr 392 v. Chr., sondern möglicherweise ein Gefecht zwischen athenischen und spartanischen Truppen im Frühjahr 391 v. Chr. Demnach liegt der Tod des Sokrates, der 399 v. Chr. hingerichtet wurde, zur Zeit der Rahmenhandlung schon acht Jahre zurück. Allerdings ist diese Datierung umstritten; nach einer alternativen, von vielen Forschern akzeptierten Hypothese fällt die Teilnahme des Theaitetos an Kämpfen bei Korinth in das Jahr 369 v. Chr. Damals unterlag eine Allianz, an der die Athener beteiligt waren, einer Streitmacht des thebanischen Feldherrn Epameinondas.[1]

Der Theaitetos ist der erste Teil einer Trilogie, einer Gruppe von drei inhaltlich und szenisch verknüpften Dialogen, die sich innerhalb von zwei Tagen abspielen. Am ersten Tag findet das Gespräch von Sokrates, Theaitetos und Theodoros statt, das die Handlung des Theaitetos bildet. Der folgende Tag beginnt mit der in Platons Dialog Sophistes dargestellten Diskussion, in der sich Sokrates ganz zurückhält. Dort tritt ein neuer Gesprächsteilnehmer auf, der „Fremde aus Elea“, der mit Theaitetos und Theodoros Definitionsfragen untersucht. Dabei kommt die schon im Theaitetos behandelte Wahrheitsproblematik wiederum ins Blickfeld, diesmal unter einem anderen Gesichtspunkt. Am gleichen Tag folgt der dritte Dialog, der Politikos („Staatsmann“). Dort wird die Vorgehensweise beim Definieren anhand des Beispiels der Definition des Begriffs „Staatsmann“ erprobt.

Der Zeitpunkt der drei Diskussionen ist das Frühjahr 399 v. Chr.; der Prozess gegen Sokrates, in dem er zum Tode verurteilt wird, steht bevor. Im Theaitetos wird erwähnt, dass die Anklage gegen ihn bereits erhoben ist.[2] Die zeitliche Nähe zur Hinrichtung des Philosophen, einem Platons Zeitgenossen vertrauten Ereignis, bildet unausgesprochen den Hintergrund des Geschehens. Sie trägt zu der Wirkung bei, die Platon bei den Lesern erzielen will. Die Auseinandersetzung mit diesem für die Sokratiker und Platoniker erschütternden Vorgang ist ein wesentlicher Aspekt von Platons schriftstellerischer Tätigkeit.[3]

Der Schauplatz der Handlung des Theaitetos ist die Palaistra – ein für Ringkämpfe bestimmter Übungsplatz – in einem athenischen Gymnasion. Die Gymnasien dienten damals in erster Linie der körperlichen Ertüchtigung; außerdem war eine Palaistra auch ein sozialer Treffpunkt der Jugend. Aus den Schilderungen in Platons Dialogen geht hervor, dass sich Sokrates gern an solchen Orten aufhielt. Dort bot sich ihm Gelegenheit zu fruchtbaren philosophischen Gesprächen mit jungen Männern und Jugendlichen. Neben den drei Gesprächspartnern Sokrates, Theaitetos und Theodoros sind noch zwei Freunde des Theaitetos anwesend,[4] die schweigend zuhören. Einer von ihnen ist Sokrates der Jüngere.[5]

Die Teilnehmer

Büste des Sokrates (1. Jahrhundert, Louvre, Paris)

Sokrates

Wie in vielen anderen Dialogen Platons übernimmt auch hier Sokrates die Rolle des Gesprächslenkers. In der Kunst der philosophischen Untersuchung ist er den beiden Mathematikern weit überlegen. Er zeigt ihnen, dass ihre bisherigen Vorstellungen einer Nachprüfung nicht standhalten. Die Ratlosigkeit, in die er seine Gesprächspartner stürzt, ist von ihm beabsichtigt; sie ist ein didaktisches Mittel, mit dem er zu weiteren Anstrengungen anspornen will. Um diese Wirkung zu erzielen, bringt er die Unzulänglichkeit der Ansätze der anderen ans Licht und vermeidet es dabei sorgfältig, sich zu einer eigenen Auffassung zu bekennen. Auf den Grund für diese Zurückhaltung, die ein Hauptmerkmal seiner gewohnten Vorgehensweise ist, geht er im Theaitetos näher ein. Er beschreibt sich als Geburtshelfer, der zwar selbst unwissend sei, aber anderen zur „Geburt“ ihrer Einsichten verhelfen könne.

Nach einer verbreiteten, früher allgemein vorherrschenden Interpretation fungiert Sokrates hier wie auch in anderen Werken Platons als „Sprachrohr“ des Autors; das heißt, er gibt dessen Sichtweise oder zumindest einen Teil des platonischen Konzepts wieder. Allerdings wird diese Gleichsetzung von manchen Philosophiehistorikern abgelehnt oder nur mit erheblichen Einschränkungen akzeptiert. Hinzu kommt, dass manche Äußerungen des platonischen Sokrates nicht oder nur teilweise ernst gemeint sind. Unklar und strittig ist, inwieweit die Positionen von Platons Dialogfigur mit denen des historischen Sokrates übereinstimmen. Ein analoges Problem besteht hinsichtlich der Lehre des berühmten Sophisten Protagoras, die Sokrates im Theaitetos beschreibt und bekämpft: Die Frage, wie getreu Platons Darstellung die Denkweise des historischen Protagoras wiedergibt, ist umstritten. Deutlich erkennbar ist jedenfalls Platons Absicht, Protagoras in ungünstigem Licht erscheinen zu lassen.[6]

Theodoros

Der Mathematiker Theodoros ist keine erfundene Gestalt; an seiner historischen Existenz besteht kein Zweifel und Platons Angaben zu ihm gelten großenteils als glaubhaft. Er stammte aus Kyrene, einer griechischen Stadt im heutigen Libyen. Dass er zur Generation des Sokrates gehörte, ergibt sich nicht nur aus Platons Darstellung, sondern geht auch aus der Geschichte der Geometrie des Eudemos von Rhodos hervor.[7] Die Angaben der Quellen führen zur Datierung seiner Geburt um 475/460 v. Chr.[8] Da er Sokrates überlebte, ist er frühestens 399 v. Chr. gestorben. Er war ein Schüler und Freund des Protagoras,[9] doch wandte er sich schon früh von der Sophistik ab und der Geometrie zu.[10] Nach Platons wohl zutreffenden Angaben war er nicht nur Mathematiker, sondern galt auch in der Astronomie und Musik als hervorragender Fachmann[11] und erteilte in diesen Fächern Unterricht.[12] Vielleicht zählte Platon selbst zu seinen Schülern.[13] Allerdings ist ungewiss, ob Theodoros jemals in Athen war. Der Philosophiegeschichtsschreiber Diogenes Laertios behauptet, Platon habe ihn in Kyrene aufgesucht.[14] Möglicherweise ist sein Aufenthalt in Athen, von dem im Theaitetos berichtet wird, eine Erfindung Platons zu dem literarischen Zweck, ihn mit Sokrates zusammentreffen zu lassen.[15] Der spätantike Philosoph Iamblichos zählte Theodoros zu den Pythagoreern,[16] doch wird die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht in der Forschung bezweifelt.[17]

Zur Zeit der Handlung des Theaitetos ist Theodoros ebenso wie Sokrates bereits ein alter Mann. Nach der Darstellung im Dialog betrachtet er sich nicht als Philosophen, sondern beschränkt sich bewusst auf sein Fach, die Geometrie, in die er sich nach seinen Worten „gerettet“ hat.[18] Somit gehört er in Platons Augen nicht zur Elite der Weisheitsliebenden. An philosophischen Untersuchungen will er sich nicht beteiligen, da er sich auf diesem Gebiet für unzuständig hält und auch meint, dafür zu alt zu sein.[19] Trotz seines Sträubens wird er aber von Sokrates in die gemeinsame philosophische Wahrheitssuche einbezogen.[20]

Theaitetos

Auch bei Theaitetos handelt es sich um eine historische Person. Platons Angaben, wonach er Mathematiker und Schüler des Theodoros war und als Jugendlicher kurz vor dem Tod des Sokrates in den Kreis von dessen Gesprächspartnern eintrat, treffen wohl zu. Auch die Darstellung im Dialog, der zufolge er bei Korinth verwundet wurde, überdies dort an einer Seuche schwer erkrankte und daher auf der Heimreise dem Tode nahe war, gilt in den Grundzügen als glaubhaft. Strittig ist aber, bei welchen Kampfhandlungen – 391 oder 369 v. Chr. – dies geschah. Aus Platons Darstellung lässt sich erschließen, dass Theaitetos um 415 v. Chr. geboren wurde. Falls er 391 trotz seines sehr schlechten Gesundheitszustands überlebte oder falls er erst 369 bei Korinth kämpfte, kann er – wie manche Forscher vermuten – der Platonischen Akademie angehört haben, die um 387 gegründet wurde.[21]

Platon schätzte Theaitetos offenbar sehr. Im Dialog zeichnete er ein außerordentlich vorteilhaftes Bild vom Intellekt und Charakter des noch sehr jungen, hochbegabten und für philosophische Fragen aufgeschlossenen Mathematikers. Als Dialogfigur ist Theaitetos das Muster eines vielversprechenden künftigen Philosophen, der sich für eine staatsmännische Führungsaufgabe in einem Idealstaat qualifizieren könnte. Äußerlich war er allerdings nach Platons Schilderung unansehnlich, was seinen sozialen Rang bei den schönheitsbewussten Athenern minderte. Wegen seines Mangels an körperlicher Attraktivität kam er für die homoerotischen Beziehungen, die im Milieu des Kreises um Sokrates eine wichtige Rolle spielten, nicht in Betracht.[22]

Eukleides und Terpsion

Eukleides von Megara, dem Platon in der Rahmenhandlung die Rolle des Berichterstatters zuweist, war der Begründer einer philosophischen Richtung, die unter der Bezeichnung „Megariker“ bekannt wurde. In Platons Dialog Phaidon wird er unter den Freunden des Sokrates genannt, die bei der Hinrichtung des Philosophen anwesend waren. Als Platon und einige andere Sokratiker nach dem Tod des Sokrates Athen verließen, nahm sie Eukleides in Megara auf.[23]

Terpsion ist der einzige der fünf namentlich genannten Sprecher des Dialogs, dessen historische Existenz unsicher ist, denn sie ist nur in Schriften bezeugt, die von Platon stammen oder deren Autoren von seinen Angaben ausgingen. Ebenso wie Eukleides war er nach Platons Bericht im Phaidon beim Tod des Sokrates unter den Anwesenden.[24]

Inhalt

Die Rahmenhandlung

In Megara treffen sich zwei Bürger, Eukleides und Terpsion, die beide einst in Athen Schüler des vor Jahren hingerichteten Philosophen Sokrates waren. Eukleides kommt vom Hafen, wo er Theaitetos begegnet ist, einem Athener, der früher ebenfalls zum Umkreis des Sokrates gehörte. Er erzählt, dass Theaitetos, der an einem Feldzug teilgenommen hat, bei Korinth schwer verwundet worden ist, außerdem an der im Heer grassierenden Ruhr erkrankt ist und jetzt dem Tode nahe scheint. Diese Begegnung hat Eukleides daran erinnert, dass Sokrates Theaitetos sehr schätzte und von fruchtbaren Unterredungen erzählte, die er mit ihm hatte. Darüber machte Eukleides damals aus dem Gedächtnis Aufzeichnungen, die er später in Buchform zusammenstellte. In dem Buch gibt er einen Dialog des Sokrates mit Theaitetos und dem Mathematiker Theodoros von Kyrene in direkter Rede wieder. Gern erfüllt er Terpsions Wunsch, ihm den Inhalt mitzuteilen. Die beiden begeben sich in das Haus des Eukleides, der das Buch sogleich vorlesen lässt.[25]

Das einleitende Gespräch

Sokrates fragt Theodoros, der sich offenbar schon einige Zeit in Athen aufhält und Mathematikunterricht erteilt, wer von den jungen Leuten ihm durch besondere Begabung aufgefallen sei. Theodoros nennt einen, Theaitetos, den er als seinen begabtesten Schüler betrachtet. Theaitetos sei ihm nicht nur durch seine vorzügliche Auffassungsgabe aufgefallen, sondern auch durch seinen vortrefflichen Charakter, seine Gelassenheit und Ausdauer. Eine solche Verbindung von Scharfsinn und Tugend sei selten. Körperlich sei Theaitetos allerdings keine anziehende Erscheinung, vielmehr sehe er dem für sein unattraktives Äußeres bekannten Sokrates ähnlich. Auf Wunsch des Sokrates wird Theaitetos gebeten heranzutreten.[26]

Theaitetos erzählt, dass er unter der Anleitung des Theodoros auf mathematischem, astronomischem und musikalischem Gebiet sachkundig wird. Unter Sachkunde (sophía) versteht er, wie er auf Nachfrage des Sokrates erklärt, nichts anderes als Wissen (epistḗmē); diese beiden Begriffe seien gleichbedeutend. Für Sokrates ist dies aber nicht selbstverständlich, sondern begründungsbedürftig; er verlangt nach einer Bestimmung des Begriffs „Wissen“.[27]

Die Frage nach dem Wissen

Theaitetos, dem die philosophische Suche nach dem Allgemeingültigen nicht vertraut ist, versucht den Begriff zu erläutern, indem er Beispiele nennt. Unter Wissen versteht er sowohl das, was Theodoros in der Mathematik und den anderen Fächern lehrt, als auch die beruflichen Kenntnisse, über die Handwerker verfügen. Sokrates macht ihn darauf aufmerksam, dass sich alle diese Kenntnisse jeweils auf ein bestimmtes Fachgebiet beziehen. Gefragt wird aber nicht nach einzelnen Wissensgebieten, sondern nach dem Wissen an sich. Gesucht ist eine Begriffsbestimmung, die auf jede Art von Wissen zutrifft.[28]

Theaitetos merkt, dass es nicht um eine Veranschaulichung, sondern um eine allgemeine Definition geht. Dazu fällt ihm ein mathematisches Beispiel ein. Auch in der Geometrie kommt es darauf an, nicht nur für einzelne Figuren die Richtigkeit einer Behauptung zu prüfen, sondern Allgemeingültiges zu finden. Theodoros konnte mathematisch beweisen oder zumindest anhand einer Konstruktion zeichnerisch demonstrieren, dass die Seitenlänge eines Quadrates vom Flächeninhalt 3 Quadratfuß (die Quadratwurzel aus 3) mit der Längeneinheit 1 Fuß inkommensurabel und somit eine irrationale Zahl ist. Dies zeigte er auch für die Quadratwurzeln der natürlichen Zahlen, die keine Quadratzahlen sind, von 5 bis 17. Dann brach er aber ab. Davon ausgehend formulierten Theaitetos und Sokrates der Jüngere das allgemeine Gesetz für die Quadratwurzeln aus nichtquadratischen natürlichen Zahlen und für die Kubikwurzeln aus nichtkubischen natürlichen Zahlen. Sokrates lobt diese Entdeckung und ermuntert Theaitetos, nun auch hinsichtlich des Wissens das Allgemeingültige zu suchen und sich nicht von der Schwierigkeit der Aufgabe entmutigen zu lassen.[29]

Die mäeutische Vorgehensweise

Theaitetos bekennt, dass die Frage nach der Natur des Wissens ihn schon oft beschäftigt hat und ihn weiterhin nicht loslässt. Seine bisherigen Klärungsversuche haben aber zu nichts geführt. Sokrates vergleicht diese geistige Konstellation mit einer Schwangerschaft: Theaitetos ist mit einem Konzept, einer Lösungsidee „schwanger“ und leidet nun unter „Geburtsschmerzen“. Für solche Situationen ist Sokrates Spezialist. Seine Mutter war Hebamme, und er selbst praktiziert auf geistigem Gebiet die „Hebammenkunst“, die Mäeutik.[30]

Hebammen sind stets ältere Frauen, die diesen Beruf ausüben, wenn sie selbst keine Kinder mehr bekommen können. Sie wissen, wie man die Wehen beeinflusst, eine schwere Geburt bewältigt oder auch eine Abtreibung durchführt. Außerdem wären sie dank ihrer vorzüglichen Menschenkenntnis auch die besten Heiratsvermittlerinnen, doch halten sie sich bei der Ehestiftung zurück, um nicht als Kupplerinnen in Verruf zu geraten.[31]

Analog verhält es sich in mancherlei Hinsicht mit der Mäeutik, der Hebammenkunst des Sokrates. Er steht nicht Frauen bei, sondern Männern, und ihm geht es nicht um körperliche, sondern um geistige Geburten. Sich selbst hält er für unfruchtbar, das heißt unweise. Ihm kommen, wie er behauptet, keine eigenen Einfälle, aber anderen hilft er dabei, das in ihnen geistig Herangereifte ans Licht zu bringen, es gleichsam zu gebären. Mit den geistigen Wehen kennt er sich bestens aus. Die Geburtshilfe leistet er mit zielführenden Fragen, die er den „Schwangeren“ stellt; damit ermöglicht er ihnen die Klärung ihrer noch unausgereiften oder falschen Vorstellungen und Gedanken. Da er sich darauf beschränkt, in diesem Sinne Hilfestellung zu bieten, ist er kein Lehrer im eigentlichen Sinn, denn er gibt kein Wissen weiter. Die Hebammenkunst bringt nichts hervor als das, was im „Schwangeren“ bereits vorhanden ist und ans Licht drängt. Auch die Beratung bei der „Partnersuche“ weiß Sokrates zu übernehmen: Wenn jemand für seine Art der Wahrheitssuche ungeeignet ist und daher unter seiner Anleitung keine Fortschritte machen würde, dann empfiehlt er ihm einen Lehrmeister, der zu ihm passt und ihn auf konventionelle Weise belehrt.[32]

Allerdings besteht, wie Sokrates ausführt, auch ein wesentlicher Unterschied zwischen der philosophischen Mäeutik und der Tätigkeit der Hebammen: Diese haben es nur mit echten Kindern und wirklichen Geburten zu tun, während bei den geistigen Schwangerschaften auch Trugbilder zur Welt kommen. Daher ist die Mäeutik des Philosophen anspruchsvoller als der Hebammenberuf: Der geistige Geburtshelfer muss nicht nur während der Wehen Beistand leisten, sondern auch die Natur dessen, was hervorgebracht wird, einschätzen können. Die Unterscheidung zwischen brauchbaren Erkenntnissen und abwegigen Gedanken ist der wichtigste Teil seiner Arbeit und die größte Herausforderung. Er bringt seine Gesprächspartner dazu, vorhandene irrige Vorstellungen zu durchschauen und aufzugeben. Dabei stößt er allerdings oft auf Unverständnis, wenn die von ihm Betreuten nicht erkennen, dass es zu ihrem Besten geschieht. Nun soll sich Theaitetos der Führung des erfahrenen Geburtshelfers anvertrauen, indem er dessen Fragen beantwortet.[33]

Die erste Begriffsbestimmung des Wissens

Der erste Versuch des Theaitetos, die Natur des Wissens zu bestimmen, geht von der Wahrnehmung (aísthēsis)[34] aus, das heißt von der Unmittelbarkeit der Evidenz. Der junge Mathematiker meint, Wissen (epistḗmē) beruhe auf Wahrnehmung. Somit könne man es mit deren Inhalt, dem Wahrgenommenen und daher Offenkundigen, gleichsetzen; zwischen Wahrnehmung und Erkenntnis oder Wissen bestehe kein Unterschied. Sokrates weist darauf hin, dass der berühmte Sophist Protagoras auch so denke. Von Protagoras stammt der bekannte Spruch „Der Mensch ist das Maß aller Dinge: der seienden, dass sie sind, und der nichtseienden, dass sie nicht sind.“ Demnach sind die Dinge so, wie sie jeweils dem Betrachter erscheinen; der Wahrnehmende legt fest, dass etwas so ist, wie es ihm erscheint, und das ist der einzige Zugang zur Wirklichkeit, den er haben kann. Diese Theorie führt zur Konsequenz, dass es keine objektiv wahren Aussagen über Sachverhalte gibt, sondern nur Aussagen über Eindrücke. Man kann also nicht behaupten, etwas sei groß oder schwer, sondern nur, es erscheine einer bestimmten Person zu einem bestimmten Zeitpunkt so. Einem anderen mag es klein oder leicht vorkommen. Was ein Frierender als kalt empfindet, ist für jemand, der nicht friert, nicht kalt. Dieser Relativismus ist nach Sokrates’ Vermutung eine Geheimlehre des Protagoras, die der Sophist nur seinen (zahlenden) Schülern offenbart hat. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, über den fast alle Denker – Sokrates hebt hier Heraklit und Empedokles namentlich hervor – einig sind:[35] Da alles in unablässigem Wandel begriffen ist, gibt es nichts, was „ist“, denn Sein würde eine Beständigkeit voraussetzen, die es nicht gibt. Alles verändert sich; es „ist“ nicht, sondern es wird („flux theory“). Dieser Wandel allein ist produktiv; Stillstand wäre Vernichtung, so wie das Weltall unterginge, wenn die Sonne stillstünde. Somit gibt es keine objektive, absolute Wahrheit, sondern nur relative Gegebenheiten und zutreffende Aussagen über momentane Verhältnisse. Unterschiedlich sind sowohl die Wahrnehmungen verschiedener Betrachter als auch diejenigen desselben Betrachters zu verschiedenen Zeiten.[36]

Angesichts der Schilderung der Relativität aller Dinge und Verhältnisse gerät Theaitetos ins Staunen. Sokrates macht ihn darauf aufmerksam, dass die Verwunderung – die Fähigkeit, Tatsachen nicht einfach als selbstverständlich hinzunehmen – den Anfang der Philosophie bildet.[37]

Anschließend beschreibt Sokrates ausführlich die Sichtweise der Denker, die sowohl in der Außenwelt als auch innerhalb der Seele nur Vorgänge annehmen und klassifizieren. In ihrem Weltbild existiert nirgends ein „Dieses“ oder „Jenes“ als wirkliches, fortbestehendes „Ding“. Es gibt nur ein Zusammenwirken von Faktoren, das die wechselnde Beschaffenheit der Wahrnehmungsobjekte verursacht. Theaitetos kann sich diesem Gedankengang nicht verschließen, weiß aber nicht, was er davon halten soll.[38]

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Wahrnehmungen können unzuverlässig und irreführend sein. Sinnestäuschungen, Träume, Fieberphantasien und Wahnsinn erzeugen Eindrücke, die keine Gegenstücke in der äußeren Wirklichkeit haben. Der Träumende glaubt den Trauminhalt wirklich wahrzunehmen und zu erleben. Es ist unmöglich zu beweisen, dass man im gegenwärtigen Augenblick weder träumt noch phantasiert, sondern etwas Wirkliches wahrnimmt. Damit ist die Wahrnehmung als Wissensquelle diskreditiert, denn auf sie ist kein Verlass.[39]

Diese Überlegungen haben Konsequenzen für die Frage nach Wahrheit, Erkenntnis und Wissen. In einer Welt, in der nichts beständig ist, sind überzeitliche Wahrheiten und immer gültige Urteile unmöglich. Somit muss die Annahme, es gebe eine erkennbare objektive Wahrheit, einen Sachverhalt „an sich“, verworfen werden. An die Stelle einer objektiven Wahrheit tritt eine subjektive und zeitabhängige. Das, was einem Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt als real erscheint, ist für ihn zu dieser Zeit die ganze Wirklichkeit, und nur in dieser Form kann es Wirklichkeit geben. Das, was sich dem Wahrnehmenden zeigt, ist wahr, aber nur bezogen auf ihn und auf den jeweiligen Zeitpunkt. Jede Konstellation ist einmalig. So macht sich jeder zum Richter über seine eigene momentane Wahrheit, die dann in diesem begrenzten Rahmen unbedingt gilt. Damit ist die Ausgangsthese des Theaitetos gerettet und sogar untermauert: Alles Wahrgenommene ist per Definition so, wie es jeweils erscheint, wahr. Dank dem konsequenten Verzicht auf jeden objektiven Wahrheitsanspruch kann das subjektive Urteil zu einer unfehlbaren Instanz erhoben werden. Aus dieser Perspektive fallen Wahrnehmung und Wissen in eins zusammen.[40]

Kritik an der ersten Begriffsbestimmung

Mit Unterstützung des Geburtshelfers Sokrates hat Theaitetos sein geistiges Kind zur Welt gebracht. Nun muss geprüft werden, was es taugt. Sokrates übt fundamentale Kritik am Konzept des Protagoras. Zugleich übernimmt er aber auch die Verteidigung der Position, die er angreift, denn der bereits verstorbene Protagoras kann seiner Lehre nicht „zu Hilfe kommen“. Den Angriff eröffnet Sokrates mit dem Argument, es gebe für Protagoras keinen Grund, den Menschen und nicht etwa den Affen oder das Schwein zum Maß aller Dinge zu machen. Wenn alle Meinungen als subjektive Wahrheiten gleichberechtigt nebeneinander stünden, werde jeder Diskurs sinnlos, denn eine Diskussion habe immer den Zweck, Aussagen zu vergleichen und nach ihrem Wahrheitsgehalt zu bewerten. Dies setze einen überindividuellen Maßstab voraus. Allerdings könnte, wie Sokrates sogleich hinzufügt, Protagoras einwenden, die Wahl des Menschen als Maßstab sei tatsächlich willkürlich und man könne ebenso ein Tier wählen. Das sei nur für die dünkelhafte Menge eine schockierende Vorstellung. Auch gegen den Einwand, die Bestreitung einer objektiven Wahrheit verunmögliche einen vernünftigen Diskurs, könnte sich Protagoras leicht verteidigen. Er könnte vorbringen, er verfüge durchaus über ein Bewertungskriterium, an dem sich der Diskurs orientieren könne: Es gehe nicht darum, ob etwas objektiv wahr oder falsch sei, sondern nur darum, was besser und was schlechter sei. Darüber könne man sinnvoll reden und andere belehren.[41]

In der Rolle des Kritikers zeigt Sokrates jedoch, dass die Gleichsetzung von Wahrgenommenem und Gewusstem der Realität nicht gerecht wird. Man kann etwas wahrnehmen, ohne es zu verstehen. Wissen ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Sehen oder Hören, sondern aus der Fähigkeit zur Verarbeitung der Eindrücke, die Verständnis ermöglicht. Beispielsweise muss man, um eine Mitteilung aufzunehmen, die Sprache des Mitteilenden verstehen. Man benötigt die Erinnerung, und diese ist eine auch ohne aktuelle Wahrnehmungen aktive Funktion. Eine weitere Kritik des Sokrates, der nun auch Theodoros in die Untersuchung einbezieht, zielt auf mangelnde Konsistenz der Position des Protagoras. Hier geht Sokrates von folgenden Überlegungen aus: Protagoras gerät in einen Selbstwiderspruch, wenn er das Gegenteil seiner Auffassung ausschließt, denn dieses ist nach seinem Konzept ebenso wahr wie seine Lehre, solange jemand es vertritt. Auch sein Grundsatz, es gebe keine Wahrheit schlechthin, sondern nur Wahrheit „für jemand“, ist nicht an sich richtig, sondern nur weil und solange ihn jemand für zutreffend hält. Die Ersetzung von „wahr“ und „falsch“ durch „besser“ und „schlechter“ oder „nützlicher“ und „schädlicher“ scheitert daran, dass gerade dort, wo es um die Nützlichkeitsfrage geht, die Relativierung der Wahrheit nicht überzeugen kann. Dies kann man etwa in der Medizin oder in der Politik sehen. In diesen Bereichen gibt es Berater, die zu beurteilen haben, was nützlich ist. Die Berater sind aber untereinander verschiedener Meinung; manchmal sind sie und die von ihnen beratenen Entscheidungsträger im Irrtum. Somit würde ein objektives Kriterium für die Einschätzung des Nutzens von Ratschlägen benötigt. Das ist aber mit einem konsequenten Relativismus unvereinbar.[42]

Abschweifung über die philosophische Lebensweise („Digression“)

Theodoros meint, es schade nichts, wenn man von einer Untersuchung zu einer anderen, umfassenderen voranschreite, denn Zeit zum Diskutieren sei zur Genüge vorhanden. Daran anknüpfend vergleicht Sokrates den philosophischen Diskurs mit dem juristischen. Da er damit vom ursprünglichen Thema des Dialogs abschweift, werden diese Ausführungen als „Digression“ oder „Exkurs“ im Theaitetos bezeichnet. Auch die Bezeichnung „Episode“ wird verwendet.[43]

Ausführlich schildert Sokrates, was die Lebensweise und den Diskurs der Philosophen von der Haltung und dem Verhalten der Nichtphilosophen unterscheidet. Im Brennpunkt des Interesses der gewöhnlichen Bürger stehen im demokratischen Staat der Athener zwei Bereiche des öffentlichen Lebens: die in den Volksversammlungen ausgetragenen politischen Auseinandersetzungen und das in Athen stark politisierte Justizwesen. Der Philosoph hält sich von beiden fern. Für Sokrates gleicht der Nichtphilosoph einem Sklaven, da er Zwängen unterliegt, von denen der Philosoph frei ist.[44]

Wer als Prozessbeteiligter vor Gericht aufzutreten hat, steht immer unter Druck. Seine Redezeit ist begrenzt; er darf seine Themen nicht frei wählen, sondern muss sich darauf beschränken, auf die Argumentation der Gegenseite zu erwidern. Inhaltlich geht es nicht um sachliche Gesichtspunkte, sondern nur um die Durchsetzung persönlicher Interessen. Es kommt nur darauf an, die Richter zu beeinflussen, und dazu benötigt man List, Lüge und Schmeichelei. Die Wahrheit interessiert nicht. Daher werden die Bürger, die sich von Jugend auf mit dem Gerichtswesen befassen, seelisch verkrüppelt. Sie haben kein Rückgrat, sondern sind Knechte derer, denen sie zu dienen haben. Ähnlich verhält es sich im sonstigen öffentlichen Leben, wo es darauf ankommt, einen Gegner mit Schmähungen anzugreifen oder einen Mächtigen zu loben. Ein zentrales Anliegen ist dabei die Wahrung des eigenen sozialen Rangs, der einerseits vom Vermögen, andererseits vom familiären Hintergrund abhängt. Besonders wichtig ist die Abstammung, die man genealogisch über zahlreiche Generationen bis zu mythischen Gestalten wie Herakles zurückverfolgt.[45]

Ganz anders ist das Leben der Philosophen ausgerichtet. Der Politikbetrieb und das Gerichtswesen sind ihnen so gleichgültig, dass sie nicht einmal wissen, wo sich das Gericht, das Rathaus oder Versammlungsstätten befinden. Machtkämpfe um Ämter nehmen sie nicht zur Kenntnis. Wer von wem abstammt, interessiert sie ebenso wenig wie fremde Besitztümer und die Privatangelegenheiten ihrer Nachbarn. Über die Gesetzgebung und die Volksbeschlüsse wissen sie nicht Bescheid. Ihre Aufmerksamkeit gilt nur der Erforschung der Natur der Dinge, insbesondere der menschlichen Natur, und der richtigen Lebensführung. Für diese Themen haben sie beliebig viel Zeit. Dabei ist ihre Richtschnur das Göttliche; ihr Ziel ist, der Gottheit möglichst ähnlich zu werden, indem sie die göttlichen Tugenden kultivieren.[46]

Aus diesem Gegensatz zwischen den Philosophen und der Masse der unphilosophischen Bürger ergibt sich eine gegenseitige Geringschätzung. Jede der beiden Seiten erscheint der anderen lächerlich und für wichtige Aufgaben untauglich; jede hält das, was aus der Sicht der anderen das Wichtigste ist, für belanglos. Vor Gericht ist ein Philosoph hilflos, da ihm die dortigen Verhaltensregeln völlig fremd sind. Sokrates veranschaulicht die gegensätzlichen Haltungen mit der Anekdote von Thales, einem vorsokratischen Philosophen, der die Himmelskörper betrachtend in einen Brunnen fiel. Eine thrakische Magd, die das sah, verspottete ihn: Er wolle den Himmel erkunden, kenne aber nicht einmal das, was vor seinen Füßen liege. Die Weltfremdheit der Philosophen wird von Sokrates positiv bewertet, er sieht sie als Zeichen ihrer inneren Freiheit. Außerdem meint er, man könne jeden Verächter der Philosophie mit Argumenten in Verlegenheit bringen, wenn er bereit sei, einen solchen Dialog durchzuhalten.[47]

Das Scheitern der ersten Begriffsbestimmung

Nach der Abschweifung kehrt Sokrates zur Widerlegung der subjektivistischen Gegenauffassung zurück. Wie er nun darlegt, steht der Ersetzung von „wahr“ und „falsch“ durch subjektive Werturteile über den Nutzen der Umstand entgegen, dass Nützlichkeitserwägungen auch auf die Zukunft ausgerichtet sind. Die Zukunft wird zeigen, ob Annahmen über den Nutzen von etwas zutreffen oder nicht, etwa bei einem Gesetz, das sich bewährt oder seinen Zweck nicht erfüllt. Oft wird der Zweck verfehlt. Daher kann die Behauptung nicht stimmen, der Mensch trage das Kriterium für das, was für ihn nützlich ist, stets in sich. Vielmehr muss er sich darüber von einer Zukunft, die er noch nicht kennt, belehren lassen.[48]

Auch die andere Stütze des Subjektivismus, die Bestreitung jeder Beständigkeit, hält der Nachprüfung nicht stand. Zahlreiche Weltdeuter behaupten, es gebe nichts Seiendes und Ruhendes, sondern nur Werdendes und Bewegtes. Die Prozesse, die nach ihrer Meinung die gesamte Wirklichkeit ausmachen, zerfallen in zwei Hauptarten: Ortswechsel und Änderung der Beschaffenheit. Demnach müssen sie, wie Sokrates nun feststellt, annehmen, dass alles immer gleichzeitig beiden Arten der Veränderung unterliege, da es sonst zumindest in einer Hinsicht Beständigkeit gäbe. Wenn dies aber so ist, wird nicht nur das Sein aufgehoben, sondern auch die Basis eines rationalen Diskurses. Wenn beispielsweise etwas Weißes in jedem Augenblick einer farblichen Veränderung unterliegt, kann der Begriff „weiß“ nicht zeitunabhängig definiert und verwendet werden. Das heißt, er ist unbrauchbar. Jede Äußerung, mit der etwas als „so“ bezeichnet wird, fixiert einen angenommenen Sachverhalt und ist damit in einer Welt, die nichts Gleichbleibendes aufweist, unangemessen.[49]

Schließlich kehrt Sokrates zur Prüfung der Ausgangsthese des Theaitetos zurück, wonach Erkenntnis auf Wahrnehmung reduzierbar ist. Er legt dar, dass man stets mittels der einzelnen Sinnesorgane wahrnimmt, von denen jedes einer bestimmten Art von Wahrnehmung zugeordnet ist. Weder kann das Auge das Ohr ersetzen noch umgekehrt, denn Sehen und Hören sind zwei völlig getrennte, verschiedenartige Vorgänge. Wenn aus den Sinneswahrnehmungen Kenntnis eines Sachverhalts werden soll, wird eine Instanz benötigt, welche die Informationen der einzelnen Sinnesorgane aufnimmt, zusammenfasst und auswertet. Man kann diese Instanz „Seele“ nennen. Die Auswertung geschieht durch Vergleichen und Folgern, was eine Kenntnis von Eigenschaften wie „gleich“ und „verschieden“, „ähnlich“ und „unähnlich“, „schön“ und „hässlich“ voraussetzt. Somit erfordert Erkenntnis den Besitz von Begriffen, die nicht zum Inhalt der Wahrnehmungen gehören. Also ist es nicht möglich, Erkenntnis und Wissen restlos auf Wahrnehmung zurückzuführen und entsprechend zu definieren.[50]

Die zweite Begriffsbestimmung und die Frage nach dem Irrtum

Nach dem Fehlschlag der ersten Begriffsbestimmung schlägt Theaitetos eine neue vor. Da die Reduzierung des Wissens auf materielle Vorgänge, die Sinneswahrnehmungen, missglückt ist, nimmt er diesmal einen geistigen Vorgang zum Ausgangspunkt: die Meinungsbildung, das Vorstellen. Vorstellungen können korrekt oder irrig sein. Daher definiert Theaitetos das Wissen als richtige Meinung (alēthḗs dóxa). Dann stellen sich aber, wie Sokrates zu bedenken gibt, sogleich die Fragen, was den Irrtum ausmacht und wie eine falsche Meinung überhaupt zustande kommen kann.[51]

Die erste Schwierigkeit besteht darin, dass ein Irrtum theoretisch unmöglich scheint. Zwischen Wissen und Nichtwissen scheint es kein Mittleres zu geben; man kann etwas nicht zugleich wissen und nicht wissen. Wenn man etwas kennt, kann man sich keine falsche Vorstellung darüber bilden, und wenn man etwas nicht kennt, kommt man nicht auf den Gedanken, sich darüber eine Vorstellung zu bilden. Wer beispielsweise Sokrates und Theaitetos nicht kennt, dem käme es nicht in den Sinn, Sokrates für Theaitetos zu halten.[52]

Die zweite Schwierigkeit ergibt sich, wenn man den Irrtum als Annahme definiert, deren Gegenstand in Wirklichkeit nicht existiert. Demnach ist eine Vorstellung dann falsch, wenn sie sich auf etwas Nichtseiendes bezieht. Man kann sich aber nur Seiendes vorstellen. Eine Vorstellung, die sich auf etwas bezieht, was nicht ist, bezieht sich nicht auf etwas, sondern auf nichts. Somit ist sie selbst nicht etwas, sondern nichts. Da es aber Irrtümer gibt, ist die Definition unbrauchbar.[53]

Ein Ausweg könnte darin bestehen, dass man den Irrtum nicht als Annahme von Nichtseiendem bestimmt, sondern als Verwechslung von Seiendem (fachsprachlich „Allodoxie“). Zwei Dinge oder Eigenschaften, die tatsächliche Gegebenheiten sind, werden irrtümlich in Gedanken vertauscht. Aber auch dann scheint es unerklärlich, wie es zu einem Irrtum kommen kann. Die Seele kennt die gegensätzlichen Qualitäten, die nicht zugleich im selben Objekt vorhanden sein können. Es ist nicht einsichtig, wie sie dazu kommen sollte, das Schöne für hässlich zu halten, das Langsame für schnell, das Rind für ein Pferd oder zwei für eins.[54]

Das Gedächtnis als Wachsblock

Darauf wird eine andere mögliche Erklärung des Irrens geprüft, die das Gedächtnis einbezieht und die strikte Trennung von Wissen und Nichtwissen aufgibt. Aus der Ferne kann man Sokrates mit einem Unbekannten verwechseln, also in Unkenntnis sein, obwohl man weiß, wie Sokrates aussieht. Urteile beruhen auf der Verknüpfung von Wahrnehmungen mit Gedächtniseindrücken. Das Gedächtnis ist mit einem wächsernen Block vergleichbar, der Abdrücke aufnimmt. Dieser ist bei jeder Person anders: bei manchen größer, bei anderen kleiner, bei den einen von reinerem Wachs, bei den anderen von schmutzigerem; auch die Härte und Feuchtigkeit variiert. Die Qualität der Abdrücke ist sehr unterschiedlich, wobei die jeweilige Beschaffenheit des Wachses die Rahmenbedingungen für Gelehrigkeit und Vergesslichkeit setzt. Irrtümer kommen zustande, wenn bereits vorhandene Abdrücke den späteren Wahrnehmungen falsch zugeordnet werden. Wenn eine Wahrnehmung nicht deutlich genug ist, etwa wenn jemand aus der Ferne gesehen wird, kann der passende Abdruck verfehlt werden. Diesem Erklärungsvorschlag des Sokrates stimmt Theaitetos begeistert zu, doch bald verflüchtigt sich seine Erleichterung, denn Sokrates trägt sogleich eine Widerlegung vor. Die Erklärung ist unzulänglich, denn es gibt auch mathematische Irrtümer, und diese beruhen nicht auf fehlgeschlagenen Verknüpfungen von Wahrnehmungen mit Gedanken und Gedächtniseindrücken.[55]

Das Gedächtnis als Taubenschlag

Schließlich schlägt Sokrates eine Vorgehensweise vor, die er selbst als unverschämt bezeichnet: Es soll versucht werden, die Beschaffenheit des Wissens zu klären, obwohl es noch nicht gelungen ist, den Bedeutungsumfang dieses Begriffs abzugrenzen. Das findet Sokrates zwar methodisch bedenklich, doch wagt er diesen Schritt nun angesichts des aktuellen Dilemmas. Dabei führt er eine Unterscheidung zwischen dem „Haben“ und dem „Besitzen“ von Wissen ein. Wissen sei erst dann wirklich vorhanden, wenn man es habe, nicht schon wenn man es nur besitze. Dies veranschaulicht Sokrates durch den Vergleich mit einem Kleid, das man besitzt, wenn man es gekauft hat, aber erst „hat“, wenn man es auch trägt. Der persönliche Wissensschatz lässt sich mit einem Taubenschlag vergleichen, in dem jemand Tauben oder andere Vögel hält, die er gejagt und gefangen hat. Die Vögel entsprechen den einzelnen Kenntnissen. Wenn der Besitzer nun einen bestimmten Vogel benötigt, muss er sich innerhalb des Taubenschlags nochmals auf die Jagd nach ihm machen. Erst wenn er ihn dann in den Händen hält, „hat“ er ihn. Greift er versehentlich in dem Durcheinander nach einem falschen Vogel, so hat er den gewünschten nicht, obwohl er ihn schon besitzt. Dies entspricht dem Verwechseln von gespeicherten Wissensinhalten, das die Ursache von Denkfehlern wie etwa der mathematischen Irrtümer ist.[56]

Wiederum stimmt Theaitetos zu, und er ergänzt, dass nicht alle Vögel Wissensinhalten entsprechen müssen; manche von ihnen können auch Fehlinformationen sein, die ebenfalls in der Seele herumfliegen. Dann ist ein Irrtum nicht auf eine Verwechslung von Wissensstücken, sondern auf das Ergreifen einer gespeicherten Fehlinformation zurückzuführen. Doch auch diesen Ansatz lässt Sokrates sogleich scheitern. Er macht darauf aufmerksam, dass sich hier wiederum die Schwierigkeit einer paradoxen Vermischung von Wissen und Nichtwissen erhebt: Der Besitzer des „Taubenschlags“ hält die Fehlinformation, die er erwischt hat, für Wissen. Demnach fehlt ihm diesbezüglich die Fähigkeit, Wissen von Nichtwissen zu unterscheiden. Wenn er aber ein Wissensstück und ein Nichtwissensstück nicht auseinanderhalten kann, hat er in Wirklichkeit keine Kenntnis von dem Wissensstück, also ist es kein solches. Wenn er sie auseinanderhalten könnte, so hätte er ein Wissen über das Nichtwissensstück; dann aber wäre dieses kein solches, sondern ein Wissensinhalt. Man muss also, wenn man dem Paradox entgehen und die Möglichkeit von Irrtümern erklären will, eine gesonderte Wissensart einführen, das Wissen über das Wissen und das Nichtwissen. Dieses muss sich dann in einem separaten „Taubenschlag“ befinden, wobei der Besitzer wiederum die dortigen „Vögel“ zwar besitzt, aber nicht immer „hat“. Damit gerät man aber in einen infiniten Regress, da der übergeordnete Speicher, in dem sich das Wissen und das Nichtwissen über Wissen und Nichtwissen befinden, seinerseits einen weiteren, ihm übergeordneten Speicher erfordert.[57]

Die Unzulänglichkeit der zweiten Begriffsbestimmung

Schließlich kehrt Sokrates zur zweiten Begriffsbestimmung zurück, zur Gleichsetzung des Wissens mit einer richtigen Meinung, und zeigt ihre Untauglichkeit. Vor Gericht kann man durch geschicktes Auftreten die Richter davon überzeugen, dass ein Angeklagter eine Straftat begangen hat, auch wenn es keine Zeugen gibt. Das führt dann zur Verurteilung. Der Richter kann aber, auch wenn die Tat tatsächlich begangen wurde, dies nicht wissen, denn er war nicht dabei und es gibt keinen Beweis. Er fällt dann also ein korrektes Urteil aufgrund einer richtigen Meinung, die er hat, obwohl er keinerlei Wissen über den Tathergang besitzt.[58]

Der dritte Bestimmungsversuch und sein Misslingen

Nun unterbreitet Theaitetos seinem kritischen Gesprächspartner eine ergänzte neue Version seines Definitionsvorschlags: Wissen sei eine „mit einer Erklärung (lógos) verbundene“ richtige Meinung, das heißt eine, deren Richtigkeit durch eine vernünftige Argumentation nachgewiesen sei. Nicht alle richtigen Aussagen seien „erklärt“, und Unerklärtes sei kein Gegenstand von Wissen.[59] Sokrates trägt dazu ergänzend eine Theorie vor, die er als „Traum“[60] bezeichnet. Dem „Traum“ zufolge gibt es Grundbestandteile oder Urelemente (prṓta stoicheía) von allem, die zwar wahrgenommen[61] und benannt, aber auf nichts anderes zurückgeführt werden können und daher unerklärbar sind. Erst aus der Verbindung dieser Urelemente zu Strukturen entstehen erklärbare Dinge. Erkenntnis bezieht sich immer nur auf die Zusammensetzungen, nicht auf deren Grundbestandteile. Die Grundbestandteile können prinzipiell kein Gegenstand von Wissen sein.[62] Mit der Einführung von Urelementen kann die Zirkularität vermieden werden, die sich aus der Forderung ergibt, jeden Begriff durch eine Erklärung zu bestimmen. Diese Forderung könnte nur durch Rückgriff auf andere Begriffe, die als bekannt vorausgesetzt werden müssten, erfüllt werden. Dadurch entstünde ein System, dessen Bestandteile aufeinander zurückgeführt würden. Ein solches System wäre selbst auf nichts zurückführbar, also ohne Begründung. Die Forderung, alles zu erklären, ist daher unerfüllbar.

Wiederum findet die von Sokrates vorgetragene Theorie den Beifall des Theaitetos, und ein weiteres Mal widerlegt Sokrates seinen eigenen Vorschlag. Wenn das aus Elementen Zusammengesetzte nichts als die Summe seiner Elemente ist, ist es unerklärbar, da sich aus der Zusammenfügung von lauter Unerklärbarem nichts Erklärbares ergeben kann. Ist aber das Zusammengesetzte etwas anderes als die Summe seiner Teile, nämlich eine Form mit eigenständiger Beschaffenheit, so muss diese Form ebenfalls unerklärbar sein, da sie weder auf die Elemente noch auf etwas anderes zurückgeführt werden kann. Somit bildet die Annahme von undefinierbaren Urelementen keine Basis für eine Theorie des Wissens, sie schließt sogar die Möglichkeit von Wissen aus. Erkenntnis über Verknüpfungen setzt voraus, dass deren Elemente erklärbar sind.[63]

Hier stellt sich für Sokrates die Frage, was es eigentlich bedeutet, etwas zu erklären. Man kann das Erklären bestimmen als vollständiges Erfassen und analytische Beschreibung aller Elemente der Zusammensetzung, die erklärt werden soll, oder als Angabe des charakteristischen Unterscheidungsmerkmals für den Begriff, der zu erklären ist. Beide Bestimmungen sind aber für die Lösung der Aufgabe, die Besonderheit des Wissens zu benennen, nutzlos. Weder die eine noch die andere ermöglicht eine klare Abgrenzung des Wissens vom richtigen Meinen. Überdies enthält die Definition des Wissens als richtige Meinung mit „Erklärung“ einen logischen Zirkel, wenn die „Erklärung“ darauf beruht, dass der Erklärende das charakteristische Merkmal des Wissensobjekts kennt. Die Kenntnis des Merkmals ist ein Wissen, sie setzt also das, was zu definieren ist, bereits voraus.[64]

Die Schlussbilanz

Es ergibt sich eine ernüchternde Schlussbilanz: Was Wissen ist, bleibt offen. Mehr als irrige Meinungen hat die Hebammenkunst bei Theaitetos nicht zutage fördern können. Theaitetos räumt das ein. Dennoch wertet Sokrates den Dialog nicht als Fehlschlag, sondern sieht in der gewonnenen Einsicht einen Fortschritt. Da ein Verständnis der Problematik erreicht wurde, wird ein künftiger neuer Lösungsvorschlag besser sein als die bisherigen, und auf jeden Fall weiß Theaitetos jetzt, wie es mit seinem Kenntnisstand bestellt ist.[65]

Interpretation und philosophischer Gehalt

Die Frage nach Platons erkenntnistheoretischer Position

Im Theaitetos gibt Platon ebenso wie auch in seinen anderen Dialogen nicht direkt zu erkennen, wie er selbst über die aufgeworfenen Fragen denkt. Auch wenn man von der traditionell herrschenden Auffassung ausgeht, wonach Sokrates als das „Sprachrohr“ des Autors zu betrachten ist, bleibt manches unklar. Platon lässt seinen Sokrates eine subjektivistische, phänomenalistische und sensualistische Erkenntnistheorie bekämpfen, die er als Konsequenz von Behauptungen Heraklits und des Protagoras darstellt. Sokrates bringt aber auch Gegenargumente zugunsten der von ihm abgelehnten Position vor. Unklar ist, ob Platon beabsichtigt hat, die kritisierten Thesen gänzlich zu widerlegen, oder ob er nur ihren Geltungsbereich einschränken wollte. Die letztere Interpretation wird in der Forschungsliteratur seit Myles Burnyeat (1990)[66] „Reading A“ genannt, die andere „Reading B“. Nach „Reading A“ hat Platon den Lehren Heraklits und des Protagoras einen auf die Welt der wandelbaren Dinge beschränkten Wahrheitsgehalt zugebilligt. Verworfen hat er nach dieser Interpretation nur eine starke, relativistische Version der kritisch untersuchten Thesen, welche die Existenz eines erkennbaren überzeitlichen Seins bestreitet und eine Erkenntnis objektiver Wahrheit ausschließt. Umstritten ist auch die Stichhaltigkeit einzelner Argumente, die im Dialog hierzu vorgebracht werden.[67]

Eine weitere Interpretation lautet, der Theaitetos sei eher eine methodische Übung als ein Plädoyer für eine bestimmte Lehre. Die Diskussion werde ergebnisoffen geführt und es werde vom Leser nicht erwartet, eine der typischen Lehrmeinungen Platons aus seiner mittleren Schaffensperiode zu akzeptieren. Eine andere Deutungsrichtung betont den erzielten Erkenntnisfortschritt; es finde im Verlauf der Diskussion eine wirkliche Annäherung an die von Platon für richtig gehaltene Erkenntnistheorie statt. Somit seien die Bemühungen der Gesprächspartner nur scheinbar fehlgeschlagen. Einer Forschungshypothese zufolge soll der Leser dazu angeregt werden, anhand der im Dialog gewonnenen Einsichten die Antwort auf die Frage nach dem Wissen selbst zu finden.[68] Jörg Hardy meint, Platon gebe deutliche Hinweise darauf, wie die Probleme zu lösen seien. Er lasse die Dialogpartner vom Prinzip der Problemlösung durch Fehleranalyse Gebrauch machen. Dieses könne man auch als hermeneutisches Prinzip für das Verständnis des Dialoges fruchtbar machen.[69] Auch Dorothea Frede nimmt an, Platon habe einen Ausweg gesehen. Sie glaubt, er habe angedeutet, wo man danach suchen solle.[70] Eugenio Benitez und Livia Guimaraes interpretieren den Ausgang des Dialogs zwar als tatsächliches Scheitern bei der Beantwortung der Ausgangsfrage nach dem Wissen, machen aber geltend, die Erfahrungen bei der Wahrheitssuche hätten einen Ertrag erbracht, der diesen Fehlschlag aufwiege.[71]

Unterschiedliche Meinungen gibt es auch darüber, ob Platon selbst der Überzeugung war, über eine stichhaltige Begriffsbestimmung des Wissens zu verfügen, oder ob er seine Bemühungen auf diesem Gebiet für gescheitert hielt und im Dialog die Bilanz seiner vergeblichen Suche nach einer Antwort auf die Ausgangsfrage vorgelegt hat.[72]

Interpretationsprobleme ergeben sich bei der Klärung der Frage, was Platon eigentlich unter „Wissen“ verstanden hat. In der modernen Erkenntnistheorie wird zwischen „propositionalem“ Wissen („wissen, dass“) und Wissen mit einem direkten Objekt („kennen“) unterschieden. In der altgriechischen Sprache gibt es keine Begriffe, die eine solche Differenzierung ausdrücken. Daraus ergibt sich eine Doppeldeutigkeit, die das Verständnis des erkenntnistheoretischen Diskurses im Theaitetos behindert.[73]

Die Frage der Lehrentwicklung Platons

Die Frage, ob Platon im Rahmen einer Entwicklung seiner Lehre seine Haltung zu Hauptfragen der Metaphysik und Erkenntnistheorie grundlegend geändert hat, gehört zu den umstrittensten Themen der Platonforschung. Die Auffassung der „Unitarier“, die meinen, er habe durchgängig eine kohärente Sichtweise vertreten, steht der „Entwicklungshypothese“ der „Revisionisten“ entgegen, die einen gravierenden Sinneswandel annehmen. Als wichtiges Argument zugunsten der Entwicklungshypothese gilt aus revisionistischer Sicht der Umstand, dass Platon im Theaitetos die Frage nach der wissenschaftlichen Erkenntnis ins Zentrum stellt, ohne dabei seine Ideenlehre ins Spiel zu bringen. Die Ideenlehre hatte er zu der Zeit, als er den Theaitetos schrieb, bereits konzipiert und im Dialog Politeia dargelegt. Sie besagt, dass Ideen als eigenständige, dem Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ontologisch übergeordnete Entitäten existieren. Solche „platonische Ideen“, beispielsweise „das Schöne an sich“ oder „der Kreis an sich“, sind nach der Ideenlehre eine objektive metaphysische Realität. Sie bilden die Voraussetzung für die Existenz und Erkennbarkeit der einzelnen Sinnesobjekte, deren Urbilder sie sind. Somit müsste die Ideenlehre bei der Beantwortung der im Theaitetos erörterten Frage nach dem Wesen des Wissens eine wichtige Rolle spielen. Ihre dortige Nichterwähnung ist für die Revisionisten ein Beleg dafür, dass Platon von seiner Ideenlehre abgerückt ist, nachdem er bei ihrer Ausarbeitung auf unüberwindlich scheinende Hindernisse gestoßen war. Die gegenteilige Auffassung der Unitarier lautet, Platon habe im Theaitetos zeigen wollen, dass der Versuch, eine stichhaltige Begriffsbestimmung des Wissens zu finden, ohne die Annahme von platonischen Ideen zum Scheitern verurteilt sei. Damit habe er den Leser zur Erkenntnis führen wollen, dass die Ideenlehre für die Erarbeitung einer Erkenntnistheorie unabdingbar sei.[74]

Ein spezieller Aspekt der Auseinandersetzung zwischen Unitaristen und Revisionisten ist die Frage, ob Platon im Theaitetos an seiner früheren Überzeugung festgehalten hat, wonach hinsichtlich des Bereichs der Sinnesobjekte kein Wissen möglich ist, sondern nur ein Meinen, und nur metaphysische Entitäten als Wissensobjekte in Betracht kommen. In diesem Modell besteht zwischen Wissen und Meinen eine unaufhebbare Diskontinuität. Es gibt nichts, was zu einer richtigen Meinung hinzukommen könnte, sodass aus ihr Wissen wird. Nach einer insbesondere von Myles Burnyeat vorgetragenen revisionistischen Deutung verwarf Platon im Theaitetos diese erkenntnistheoretische Position, die er im Dialog Politeia vertreten hatte, und nahm nunmehr an, dass es ein Wissen über sinnlich Wahrgenommenes geben kann und somit Wissen und Meinen dieselben Objekte haben können. Die gegenteilige unitarische Interpretation, wonach Platon die Erkenntnistheorie der Politeia beibehielt und im Theaitetos bekräftigte, verteidigt Lloyd P. Gerson.[75]

Einer der namhaftesten Revisionisten war Gilbert Ryle. Er zählte den Theaitetos zu einer Gruppe von späten Dialogen, in denen Platon seine Ideenlehre nicht mehr für die Argumentation herangezogen habe, nachdem er ihre Problematik erkannt habe.[76]

Anne Balansard weist darauf hin, dass die Einteilung der Philosophiehistoriker in die zwei „Lager“ der Unitarier und der Revisionisten zu grob ist und der Meinungsvielfalt innerhalb der beiden „Lager“ nicht gerecht wird.[77]

Die Einschätzung des logischen Atomismus

Die im „Traum“ des Sokrates formulierte Annahme, es gebe letzte Einheiten als unmittelbare Gegebenheiten, die auf nichts zurückführbar seien, wird im modernen philosophischen Diskurs als „atomistisches“ Konzept bezeichnet. Gilbert Ryle hielt den „Traum“ für eine Vorwegnahme des modernen logischen Atomismus, den Platon kritisch analysiert habe.[78]

Nach der Interpretation von Michael-Thomas Liske hat Platon im Theaitetos noch atomistisch gedacht, das heißt, er hat das Wissen eines Sachverhalts als Vertrautheit mit einem einzelnen, nicht weiter aufzuschlüsselnden Gegenstand, als Kennen eines isolierten Objekts aufgefasst. Er hat dort aber bereits die Schwierigkeiten des Atomismus erkannt und damit gegenüber seiner mittleren Schaffensperiode einen Fortschritt erzielt. Erst später hat er im Dialog Sophistes die atomistische Position überwunden.[79]

Unwissenheit und Mäeutik

Oft diskutiert wird in der Forschung das Paradox des sokratischen Nichtwissens: Platons Sokrates betont seine eigene Unwissenheit, er behauptet „unfruchtbar“ zu sein und nichts „als das Seinige“ vorzubringen, erhebt aber zugleich den Anspruch, anderen mit der Mäeutik bei der Erkenntnissuche wirkungsvoll beistehen zu können. Bei der Deutung dieser Aussagen ist zu beachten, dass es unterschiedlich enge Definitionen des Begriffs „Wissen“ (epistḗmē) gibt. Wenn Sokrates von seiner eigenen Unfruchtbarkeit und Unwissenheit spricht, hat er eine sehr enge Definition im Sinn. Er denkt dann an ein unumstößliches Wissen im Sinne einer auf zwingender Beweisführung basierenden Wahrheitskenntnis. Nur ein solches Wissen, über das er nach seinen Worten nicht verfügt, könnte ihn befriedigen. Da er es nicht hat „gebären“ können, hält er sich für geistig unfruchtbar. Er kennt auch niemand, der es besitzt. Mit den Geburten, zu denen er anderen verhilft, meint er nur Ergebnisse, die er zwar für gut begründet und richtig hält, deren Richtigkeit er aber nicht beweisen kann. Diese Ergebnisse sind zwar wertvoll, stellen aber kein Wissen im strengen Sinn dar.[80]

Das philosophische Leben

Auffällig ist das in der Digression gezeichnete Bild eines weltfremden und radikal unpolitischen Philosophen, den Sokrates dort als vorbildlich darstellt. Die Haltung dieses Philosophen kontrastiert mit dem Eindruck von Sokrates’ eigener Lebensweise, den Platon in anderen Werken vermittelt. Dort erscheint Sokrates – für Platon das Ideal eines Philosophen – als kritischer, aber loyaler Staatsbürger. Der platonische Sokrates ist über die Entwicklungen im öffentlichen Leben gut informiert, kennt sich sowohl in der Politik als auch im Gerichtswesen und in der Rhetorik aus und hat sich Verdienste um das Gemeinwohl erworben. Daher ist die in der Digression gebotene Schilderung eines angesichts konkreter Herausforderungen hilflosen, sozial ahnungslosen Theoretikers erklärungsbedürftig. Einer Deutungsrichtung zufolge handelt es sich dabei um eine karikierende Darstellung, die keineswegs dem platonischen Ideal eines auch zur Staatslenkung befähigten Philosophen entspricht; vielmehr kritisiert Platon dieses Extrem einer unpraktischen Lebensführung.[81] Andere Forscher betrachten die Beschreibung des philosophischen Lebens in der Digression nicht als Karikatur, sondern als von Platon ernst gemeintes Konzept.[82]

Oft wird das Philosophenbild in der Digression im Sinne einer zwingenden Forderung nach Abkehr von der Alltagswelt gedeutet. Platon sei der Ansicht gewesen, ein Philosoph habe sich ausschließlich mit dem Allgemeinen zu befassen; das Einzelne, Besondere sei der Beachtung nicht wert und stelle nur eine Störung dar. Nach einer anderen Interpretation, die andere Texte Platons einbezieht, wertete er die Beschäftigung mit dem Besonderen neutral: Er verwarf sie nicht, sondern meinte, dass sie den Philosophen beim Streben nach seinem Ziel weder fördere noch behindere, sofern sie ihn nicht davon ablenke.[83]

Die angebliche Selbstwiderlegung des Relativismus

Ein oft erörtertes Thema der Forschung ist das von Platons Sokrates gegen den Relativismus vorgebrachte Argument, er sei logisch selbstwiderlegend. Diese Kritik an der relativistischen Erkenntnistheorie ist in der Fachliteratur unter der englischen Bezeichnung „exquisite argument“ bekannt; daneben wird auch die von Sextus Empiricus eingeführte Bezeichnung peritropḗ („Umschwung“) verwendet. Das Argument wird seit Platon in verschiedenen Abwandlungen angeführt und in Diskussionen über den Skeptizismus erörtert. Im Theaitetos richtet es sich gegen eine Lehre, die dort auf Protagoras zurückgeführt wird. Der Gedankengang lautet zunächst:[84]

P: Jedes Urteil ist für den Urteilenden wahr (Behauptung des Protagoras).
P’: Viele urteilen, dass P falsch sei.
C: Da P’ nach P wahr ist, ist P falsch.

In dieser Form ist das Argument fehlerhaft, da der Schluss C unzulässig ist. In C liegt eine Aussage über die absolute Geltung von P vor. Eine solche wird aber im relativistischen Konzept ausgeschlossen: P soll nur für den jeweils Urteilenden wahr sein. Dennoch wird im Argument eine überindividuelle Geltung von Aussagen stillschweigend unterstellt und damit ein scheinbarer Selbstwiderspruch der Gegenposition konstruiert.

Diesem Einwand gegen das Argument kommt Sokrates zuvor, indem er darauf hinweist, dass die Gegner des Relativismus, die P für falsch halten, ihre eigene Position für objektiv richtig halten.[85] Ihre Meinung über die Richtigkeit ihrer Position ist aber auch ein Urteil, auf das P anwendbar ist, und daher nach P nicht weniger zutreffend als P. Das Argument lautet somit:

P: Jedes Urteil ist für den Urteilenden wahr.
P’’: Viele urteilen, dass das Urteil, P sei falsch, nicht nur für den Urteilenden, sondern auch an sich wahr sei.
C: Da das Urteil, die Falschheit von P sei an sich wahr, tatsächlich von jemand gefällt wird, ist es nach P nicht weniger zutreffend als P. Demnach ist P selbstwiderlegend.

Hier wird allerdings derselbe Fehler wie in der einfacheren Fassung des Arguments begangen, denn auch die Behauptung, P sei an sich falsch, ist in einem relativistischen Modell nur für diejenigen wahr, die dieses Urteil fällen. Somit ist die These des Protagoras rein logisch betrachtet nicht selbstwidersprüchlich. Sie ist gegen Widerlegung immun. Allerdings ist Protagoras inhaltlich außerstande, für den Relativismus einen höheren Wahrheitsgehalt zu beanspruchen als den, den er auch nichtrelativistischen Positionen zubilligen muss. Die Konsequenzen aus diesem Sachverhalt sind so gravierend, dass nach einer Forschungsmeinung die Argumentation des Sokrates die Befürworter des Relativismus zumindest in beträchtliche Schwierigkeiten bringt.[86]

Die mathematische Untersuchung

Wurzelschnecke

Nach der Darstellung im Dialog hat Theodoros geometrisch gezeigt, dass die Quadratwurzeln aus den nichtquadratischen natürlichen Zahlen von 3 bis 17 irrational sind, und Theaitetos hat diese Entdeckung verallgemeinert. Wie Theodoros den Beweis führte, ist nicht überliefert;[87] in der Forschung wird sogar bezweifelt, dass es sich tatsächlich um einen mathematischen Beweis handelt. Holger Thesleff, der eine schon 1941 von Jakob Heinrich Anderhub vorgetragene Idee aufgreift, meint, Theodoros habe seine Annahme nicht bewiesen, sondern nur anhand einer Konstruktion zeichnerisch demonstriert, und er habe bei 17 abbrechen müssen, weil die spiralförmige Zeichnung nur für 17 Dreiecke Platz bietet. Es handelt sich um die zur Konstruktion von Wurzeln verwendete „Wurzelschnecke“, die „Rad des Theodorus“ oder „Spirale des Theodorus“ genannt wird.[88]

Im Dialog behauptet Theaitetos, ihm und Sokrates dem Jüngeren sei eine Verallgemeinerung des Satzes seines Lehrers Theodoros gelungen. Eine Reihe von Forschern meinen, diese Angabe sei im Kern historisch glaubwürdig, wenn auch von Platon in einer seinem literarischen Zweck dienenden Gestalt dargeboten. Anderer Ansicht ist Árpád Szabó. Nach seiner Hypothese war Theaitetos nicht der Entdecker der verallgemeinerten Geltung des Satzes, sondern hat sich nur naiv eingebildet, einen wesentlichen Beitrag zur mathematischen Forschung geleistet zu haben. In Wirklichkeit hat ihn sein Lehrer im Unterricht zu einer Erkenntnis angeleitet, die ihm – Theodoros – und anderen Mathematikern längst geläufig war.[89] Gegen diese Ansicht wendet sich Myles Burnyeat. Er hält an der traditionellen Deutung fest, wonach der Darstellung im Dialog zu entnehmen ist, dass Theaitetos eine echte Forschungsleistung vollbracht hat, und diese Leistung eine historische Tatsache ist.[90]

Büste Platons (römische Kopie des griechischen Platonporträts des Silanion, Glyptothek München)

Entstehung

Chronologisch wird der Theaitetos nach stilistischen Kriterien noch zur mittleren Gruppe der Dialoge Platons gezählt, doch unter inhaltlichem Gesichtspunkt gehört er eher schon zum Spätwerk. Man kann ihn daher einer Übergangsphase zwischen diesen beiden Schaffensperioden des Philosophen zuweisen, während die beiden anderen Dialoge der Trilogie, der Sophistes und der Politikos, unter die späten Werke eingeordnet werden.[91] Vermutlich fällt der Abschluss der Arbeit am Theaitetos in die frühen 360er Jahre.[92]

Möglicherweise hat Platon den Prolog, der die Rahmenhandlung enthält, überarbeitet. Den Anlass zu dieser Vermutung bietet eine Bemerkung eines unbekannten Kommentators, der wohl in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. tätig war. Er berichtet, dass zu seiner Zeit auch eine andere, „eher frostige“ Fassung des Prologs im Umlauf war. Zwar hielt der Kommentator die überlieferte Fassung für die allein authentische, doch ist in der Forschung die Möglichkeit erwogen worden, dass beide Prologe von Platon stammen. Die meisten Befürworter dieser Hypothese halten die überlieferte Version für die jüngere. Sie bietet jedenfalls nach dem heutigen Forschungsstand den definitiven Text.[93]

Eine Randbemerkung auf einer Seite der ältesten erhaltenen mittelalterlichen Theaitetos-Handschrift, des Codex Clarkianus

Textüberlieferung

Die antike Textüberlieferung besteht aus einigen auf Papyrus geschriebenen Fragmenten aus der römischen Kaiserzeit. Das älteste stammt aus dem 2. Jahrhundert, das jüngste aus dem 5. oder 6. Jahrhundert.[94] Ferner bietet der Anfang eines Kommentars zu dem Dialog, der in einer Papyrus-Handschrift aus dem 2. Jahrhundert erhalten ist, eine Reihe von Lesarten, die für die Textkritik relevant sind.[95]

Die älteste erhaltene mittelalterliche Theaitetos-Handschrift wurde im Jahr 895 im Byzantinischen Reich für Arethas von Caesarea angefertigt.[96]

Rezeption

Antike

Über die Nachwirkung des Theaitetos in der Antike ist relativ wenig bekannt. Die Spärlichkeit der Belege kann aber auf die ungünstige Überlieferungslage zurückzuführen sein und erlaubt nicht die Folgerung, dass die Thematik auf geringes Interesse stieß.

Platons Schüler Aristoteles muss den Theaitetos gekannt haben, wie einigen Anspielungen bei ihm zu entnehmen ist, doch ist nicht überliefert, wie er dieses Werk aufgefasst hat.[97]

Der Begründer der Stoa, Zenon von Kition, scheint bei der Formulierung seiner Erkenntnislehre Material aus dem Theaitetos aufgegriffen zu haben, das er allerdings als Gegner des Platonismus in unplatonischem Sinn verwertete.[98]

In der Epoche der Jüngeren („skeptischen“) Akademie, die zwischen 268 und 264 v. Chr. begann und bis ins frühe 1. Jahrhundert v. Chr. dauerte, wurde der Theaitetos anscheinend bei den Akademikern besonders geschätzt, da er ihren erkenntnistheoretischen Skeptizismus stützen konnte. Es fehlt aber an zeitgenössischen Belegen für eine solche Rezeption.[99]

In der Tetralogienordnung der Werke Platons, die anscheinend im 1. Jahrhundert v. Chr. eingeführt wurde, gehört der Theaitetos zur zweiten Tetralogie. Der Philosophiegeschichtsschreiber Diogenes Laertios zählte ihn zu den „prüfenden“ Schriften und gab als Alternativtitel Über das Wissen an. Dabei berief er sich auf eine heute verlorene Schrift des Gelehrten Thrasyllos.[100]

Aus der Epoche des Mittelplatonismus (1. Jahrhundert v. Chr. bis 3. Jahrhundert n. Chr.) liegen nur wenige Belege für die Nachwirkung des Theaitetos vor. Der frühe Mittelplatoniker Eudoros von Alexandria, der im 1. Jahrhundert v. Chr. lebte, befasste sich in seinem nur fragmentarisch erhaltenen Werk Einteilung der Lehre der Philosophie mit dem Ziel des ethischen Handelns. Dabei griff er den in der Digression des Theaitetos vorgetragenen Gedanken der „Angleichung an Gott im Rahmen des Möglichen“ auf.[101] Das weitaus umfangreichste Zeugnis für die mittelplatonische Theaitetos-Rezeption ist ein Kommentar, dessen Anfang – die Kommentierung von etwas über einem Fünftel des Dialogtextes – erhalten geblieben ist. Diese Schrift ist vermutlich in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. – jedenfalls nicht früher – entstanden und stellt somit den ältesten aller erhaltenen Platon-Kommentare dar. Der Verfasser ist ein unbekannter Mittelplatoniker. Er verteidigt seine Interpretation des kommentierten Textes gegen andere Deutungen und erwähnt mit impliziter Zustimmung die Argumentation von Platonikern, die sich gegen stoische Kritik am Platonismus wenden. Außerdem bekämpft er eine Theaitetos-Interpretation, der zufolge dieser Dialog eine erkenntnistheoretische Skepsis Platons belegt. Von den Vorschlägen, den anonymen Kommentator mit Eudoros von Alexandria, Albinos oder Alkinoos zu identifizieren, hat sich keiner in der Forschung durchgesetzt.[102] Plutarch befasste sich in der ersten seiner zehn Platonischen Fragen mit der Mäeutik. Er stellte und beantwortete dort die Frage, warum die Gottheit Sokrates anwies, als Geburtshelfer für andere zu fungieren, aber ihm eigene Fruchtbarkeit versagte.[103] Der Mittelplatoniker Alkinoos, der vermutlich im 2. Jahrhundert lebte, behandelte in seinem Lehrbuch (didaskalikós) der Grundsätze Platons das Ziel der Angleichung an die Gottheit. Er ging auch auf die Überlegungen des platonischen Sokrates zum Verhältnis von Erinnerung und Meinung ein und erwähnte dabei den Vergleich des Gedächtnisses mit einem Wachsblock.[104]

Die Angleichung an Gott als Ziel fand auch außerhalb des Platonismus Anklang. Der einflussreiche Aristoteliker Alexander von Aphrodisias ging darauf ein. Er befand, es sei das höchste Gut für den Menschen, der Gottheit ähnlich zu werden. Dies werde den Denkern durch die Betrachtung und die Erkenntnis des Wahren, die durch den Beweis zustande komme, zuteil. Solche Betrachtung werde zu Recht göttlich genannt, wenn man das betrachte, was am ehrwürdigsten sei.[105]

Auch die Neuplatoniker, eine im 3. Jahrhundert entstandene, in der Spätantike den philosophischen Diskurs dominierende Richtung, griffen Überlegungen aus dem Theaitetos auf. Sie beschäftigten sich vor allem mit Metaphysik, mit der religiösen Dimension des Platonismus und mit der Thematik der philosophischen Lebensweise. Daher war für sie die Digression im Theaitetos von besonderem Interesse. Die dort von Platons Sokrates erhobene Forderung, ein Philosoph solle sich auf die Aufgabe konzentrieren, der Gottheit möglichst ähnlich zu werden, fiel auf fruchtbaren Boden.[106] Sie wurde schon von Plotin, dem Begründer des Neuplatonismus, erörtert.[107] Iamblichos († um 320/325), der für den spätantiken Neuplatonismus eine wegweisende Rolle spielte, ließ in seiner Philosophenschule den Theaitetos als fünften der zwölf aus seiner Sicht wichtigsten Dialoge Platons studieren, wie der Verfasser der anonym überlieferten spätantiken Prolegomena zur Philosophie Platons berichtet.[108] Der berühmte Neuplatoniker Proklos (412–485), der die Philosophenschule in Athen leitete, kommentierte den Theaitetos, doch ist von seiner Beschäftigung mit dem Dialog nur wenig bekannt.[109]

In der römischen Kaiserzeit wurde Platons Ideal der Angleichung an Gott im Rahmen des Möglichen nicht nur von paganen Platonikern vertreten, sondern fand auch bei christlichen Autoren Anklang. Der stark vom Platonismus beeinflusste Kirchenvater Clemens von Alexandria, der im späten 2. und frühen 3. Jahrhundert tätig war, zitierte die einschlägige Theaitetos-Stelle oft und sah darin einen Beleg für die Nähe des Platonismus zum Christentum.[110] Auch in die patristische Literatur der Spätantike fand das Motiv Eingang. Im 4. Jahrhundert griff der Kirchenvater Ambrosius von Mailand Platons berühmte Formulierung auf.[111] Beachtung fand bei den Kirchenvätern auch die in verschiedenen Versionen kursierende Thales-Anekdote.[112]

Der Anfang des Theaitetos in der Erstausgabe, Venedig 1513

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Im Mittelalter war der Theaitetos manchen byzantinischen Gelehrten zugänglich, doch bei den lateinischsprachigen Gelehrten des Westens und im arabischsprachigen Raum war er unbekannt. Im Westen wurde er erst im Zeitalter des Renaissance-Humanismus wiederentdeckt. Die erste lateinische Übersetzung erstellte der Humanist Marsilio Ficino. Er veröffentlichte sie 1484 in Florenz in der Gesamtausgabe seiner Platon-Übersetzungen und machte den Dialog damit einem breiteren Lesepublikum zugänglich. Der Übersetzung stellte er eine Einleitung (argumentum) voran, aus der hervorgeht, dass er den Text durchweg als Darstellung von Platons eigener Lehre auffasste. Er betonte, dass der Körper keinerlei Beitrag zur Erkenntnis leisten könne. Der „Wachsblock“ sei in der Seele, nicht im Körper; er dürfe nicht mit dem Gehirn gleichgesetzt werden.[113]

Die Erstausgabe des griechischen Textes erschien im September 1513 in Venedig bei Aldo Manuzio als Teil der ersten Gesamtausgabe der Werke Platons. Der Herausgeber war Markos Musuros.

In den folgenden Jahrhunderten zeigten die Philosophen relativ wenig Interesse am Theaitetos. Gottfried Wilhelm Leibniz fertigte 1676 eine lateinische Zusammenfassung des Dialogs an.[114] George Berkeley ging in seiner 1744 publizierten Schrift Siris mehrmals auf Stellen in dem antiken Werk ein. Er fand darin eine Vorwegnahme von Grundsätzen seiner eigenen empiristisch geprägten Erkenntnistheorie.[115]

Moderne

Philosophische Aspekte

In der Moderne hat das anfänglich relativ geringe Interesse am philosophischen Gehalt des Werks seit dem frühen 20. Jahrhundert stark zugenommen. Paul Shorey äußerte 1933 die Meinung, man könne den Theaitetos als den gedankenreichsten Dialog Platons betrachten.[116] Als Meilensteine der Erforschung des Theaitetos gelten die 1935 publizierte Untersuchung von Francis Macdonald Cornford über die Erkenntnistheorie Platons[117] und der Kommentar von Myles Burnyeat (1990).[118]

Das Interesse der Philosophiehistoriker gilt hauptsächlich dem erkenntnistheoretischen Ertrag des Werks. Einem breiteren gebildeten Publikum sind in erster Linie der Abschnitt über die Hebammenkunst und die Digression über die philosophische Lebensform mit der Anekdote über Thales bekannt. Sie gehören zu den berühmtesten Passagen in Platons Gesamtwerk.[119]

Der Philosoph Victor Cousin veröffentlichte 1824 eine französische Theaitetos-Übersetzung. Er verteidigte sein metaphysisches Modell gegen empiristische und sensualistische Kritik und griff dabei auf die Argumentation des platonischen Sokrates im Theaitetos zurück.[120]

Der Neukantianer Paul Natorp äußerte sich 1903 in seiner Monographie Platos Ideenlehre. Er befand, der Gedankengang im Theaitetos sei „zwingend und unmittelbar überzeugend“, wenn man „des inneren Planes der Schrift sich einmal bemächtigt hat“. Nach Natorps Verständnis verwendete Platon, als er die Bestimmung des Wissens als wahre Meinung mit Erklärung untersuchte und verwarf, den Begriff dóxa („Meinung“) nicht im Sinne von „Urteil“, sondern im Sinne von „Vorstellung“. Der antike Denker bekämpfte den Dogmatismus der „wahren Vorstellung“, dem zufolge es nur darauf ankommt, eine gegebene Vorstellung mit gegebenen Dingen in die richtige Beziehung zu setzen, damit aus der „richtigen“ oder „wahren“ Vorstellung Erkenntnis wird. Natorp meinte, der Dialog enthalte eine tief angelegte, „für alle Zeit grundlegende Kritik der Sinnlichkeit“. Platon habe „klar die Bewusstseinseinheit als Grundfunktion der Erkenntnis ausgesprochen“. Er habe erkannt, dass das Bewusstsein die allgemeinen Bestimmungen wie Sein und Nichtsein, Identität und Verschiedenheit nicht mit Hilfe körperlicher Organe, sondern durch sich selbst auffasse. Die Erkenntnis beruhe auf den Relationsurteilen des von Platon als „Seele“ bezeichneten Bewusstseins.[121]

Ferdinand C. S. Schiller veröffentlichte 1908 den Aufsatz Plato or Protagoras?, in dem er die Verteidigung der Auffassung des Protagoras im Theaitetos untersuchte. Er sah darin die authentische Position des antiken Sophisten, den er als frühen Humanisten und Vorläufer seines eigenen Pragmatismus betrachtete. Aus moderner Sicht habe sich der Ansatz des Protagoras als richtig erwiesen, Platons Kritik daran sei verfehlt.[122]

Für Martin Heidegger zählte der Theaitetos zu den wenigen Dialogen, die ihm die Textbasis für seine Interpretation der Philosophie Platons lieferten. Im Wintersemester 1931/1932 setzte er sich in einer Freiburger Vorlesung eingehend mit dem Werk auseinander. Dabei nahm er nicht die Haltung des „bloßen Lesers“ ein, sondern die eines mitfragenden Zuhörers. Heidegger meinte, es sei ein gravierendes Missverständnis, die Leitfrage „Was ist das Wissen?“ als Frage nach der Wissenschaft aufzufassen. Es handle sich auch nicht um eine erkenntnistheoretische Frage, sie beschränke sich nicht auf das Wissen als theoretische Erkenntnis und Beschäftigung der Gelehrten. Platons Thema sei vielmehr das „den ganzen Bereich und die Weite menschlichen Verhaltens durchherrschende und haltende und zugleich vielfältige Sich-auskennen“. Dazu gehöre auch „Wissen“ im Sinne von Ausdrücken wie „Jemand weiß sich zu benehmen“ oder „Er weiß sich durchzusetzen“. Gefragt werde, wie „der Mensch selbst in seinem Grundverhalten, dem Sich-auskennen in den Dingen, sich selbst nehmen will und soll, (...) wenn er ein Wissender sein soll“. Damit werde in einem ursprünglichen Sinn nach dem Menschen gefragt, und diese Frage sei „ein Angriff des Menschen auf sich selbst und sein vorläufiges Beharren im zunächst Geläufigen und seine Versessenheit auf das fürs erste Genügende“.[123] Es gehe um Wissen als Besitz von Wahrheit. Allerdings habe Platon Wahrheit und Unwahrheit als Richtigkeit der Aussage und Unwahrheit als deren Unrichtigkeit aufgefasst. Damit habe er die Einsicht verbaut, „daß und wie zum Wesen der Wahrheit die Unwahrheit gehört“. Wahrheit sei Unverborgenheit des Seienden. Unwahrheit bestehe im „Verstellen des Aussehens“ des Seienden, wobei aber das Seiende nicht schlechthin verborgen werde, denn es zeige sich ja. Es sei ein „Sich-verbergen im und durch das Sich-zeigen“, und das sei das Scheinen: eine Unverborgenheit, die „zugleich in sich, und zwar wesensmäßig, Verborgenheit“ sei.[124]

Ludwig Wittgenstein nahm in seinen ab 1936 entstandenen, aber erst 1953 postum veröffentlichten Philosophischen Untersuchungen auf den „Traum“ des platonischen Sokrates Bezug. Er identifizierte die dort eingeführten Urelemente, die „einfachen Bestandteile, aus denen sich die Realität zusammensetzt“, mit den „Gegenständen“ in seiner eigenen Terminologie und mit den „individuals“ bei Bertrand Russell.[125] In seiner Auseinandersetzung mit den Thesen des platonischen Sokrates problematisierte Wittgenstein den Begriff „zusammengesetzt“ als Gegenteil von „einfach“, der unterschiedlich definiert werde; man müsse sich erst über die Definition verständigen. Die These des Sokrates, man könne den Urelementen weder Sein noch Nichtsein beilegen, brachte Wittgenstein mit der Muster-Funktion von Elementen in Zusammenhang. Ein Muster sei ein Instrument der Sprache und als solches nicht ein Dargestelltes, sondern ein Mittel der Darstellung im Sprachspiel. Diese Überlegung veranschaulichte Wittgenstein mit dem Beispiel der Länge des Urmeters. Man könne über das Urmeter weder sagen, es sei 1 m lang, noch es sei nicht 1 m lang. Der Grund dafür sei dessen „eigenartige Rolle im Spiel des Messens mit dem Metermaß“. Analoges gelte für die Elemente des Sprachspiels, beispielsweise das „R“.[126] In seinem „Blauen Buch“ kritisierte Wittgenstein die Vorstellung des platonischen Sokrates, man müsse, um sich über die Bedeutung einer allgemeinen Bezeichnung klar zu werden, das gemeinsame Element in allen Anwendungen der Bezeichnung finden. Diese Vorstellung wirke bei philosophischen Untersuchungen hemmend. Man übergehe dann wie Sokrates konkrete Fälle als irrelevant, obwohl allein solche Fälle helfen könnten, den Gebrauch der allgemeinen Bezeichnung zu verstehen.[127]

Bertrand Russell behandelte das Verhältnis von Erkenntnis und Wahrnehmung nach dem Theaitetos ausführlich in seiner Philosophie des Abendlandes (A History of Western Philosophy, 1945). Er trug Argumente gegen die von Platons Sokrates geforderte Trennung von Wahrnehmung und Erkenntnis vor. Schlüssig sei die Beweisführung des Sokrates nur für die formalen Erkenntnisse in Logik und Mathematik, die nicht aus der Wahrnehmung abgeleitet seien.[128]

Karl Popper, ein scharfer Kritiker Platons, bezeichnete den Theaitetos als großartigen Dialog. Er zählte ihn zu einer Gruppe von Dialogen, deren Gedankengut eher dem historischen Sokrates zugehöre als Platon.[129]

Paul Feyerabend befürwortete in seiner Schrift Erkenntnis für freie Menschen den im Theaitetos dargestellten und bekämpften Relativismus. Feyerabend befand, der Relativismus von Platons Protagoras sei vernünftig und klug, da er eine Vielzahl von Traditionen und Werten beachte und keine objektiven Wertsätze einführe. Er sei auch zivilisiert, da Protagoras nicht annehme, „dass das winzige Dorf, in dem man wohnt, am Nabel der Welt liegt und dass seine seltsamen Sitten Maßstäbe für die ganze Menschheit sind“.[130]

Hans-Georg Gadamer nannte den Theaitetos einen der schwierigsten und tiefsinnigsten Dialoge Platons. Er werde wie das Grundbuch der antiken Erkenntnistheorie gelesen, doch sei der moderne Begriff der Erkenntnistheorie von dem Primat des Bewusstseins und Selbstbewusstseins bestimmt und weise damit in eine ganz andere Richtung als die Überlegungen im Theaitetos. Gadamer betonte die Bedeutung des Umstands, dass Sokrates in diesem Dialog mit Mathematikern diskutiert. Er meinte, man könne die Gesprächsführung des Sokrates, die Anwendung der „Hebammenkunst“ sowie das Verhalten von Theodoros und Theaitetos besser verstehen, wenn man die mathematische Denkweise als Hintergrund berücksichtige.[131]

Hans Blumenberg veröffentlichte 1987 seine Untersuchung Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie. Darin nahm er die Anekdote vom Sturz des Thales in der Digression des Theaitetos zum Ausgangspunkt. Er thematisierte den Gegensatz zwischen dem Theoretiker Thales und der Thrakerin mit ihrem Misstrauen gegen die „theoretischen Umtriebe“ und ihrem Lachen über den „Rückschlag der Theorie auf ihren Betreiber“. Dieses Grundverhältnis werde nicht aus der Welt verschwinden, „selbst wenn eines Tages die Vermehrung der Theoretiker zu ihrer Mehrheit ausarten sollte“. Die modernen Erzeuger des Produkts „Theorie“ seien viel komischer als ihr antiker Urahn Thales. Auch sie würden ihre „Thrakerinnen“ finden, wo sie sie nicht erwarteten.[132]

Die im Theaitetos erörterte Irrtumsthematik ist für die moderne Analytische Philosophie unter dem Gesichtspunkt der logischen Problematik interessant, die sich bei irrigen Identitätsannahmen („false identity beliefs“) ergibt. Dabei geht es um Kombinationen von Aussagen des Typus (1) Sokrates glaubt (irrtümlich), dass die Person, die er in der Ferne erblickt, Theaitetos sei (obwohl es in Wirklichkeit Theodoros ist); (2) Sokrates glaubt, Theodoros sei Theaitetos; (3) Sokrates kennt sowohl Theodoros als auch Theaitetos sehr gut; (4) Sokrates glaubt nicht, Theodoros sei Theaitetos. Wenn sich die Annahme in (1) auf die Personen bezieht, auf die sie sich nach der Ansicht des Sokrates bezieht (die erblickte Person und Theaitetos), dann folgt (2) aus (1). (1) und (3) können zugleich wahr sein. Wenn aber (3) der Fall ist, folgt aus (3) die Aussage (4), also das Gegenteil von (2). Die Ursache des Problems scheint darin zu liegen, dass die Richtigkeit der Aussage (5) „Die Annahmen des Sokrates beziehen sich auf das, worauf sie sich nach seiner Ansicht beziehen“ unterstellt wird. Ob daher (5) falsch ist, wie Logiker der Gottlob Frege folgenden Richtung meinen, ist strittig.[133]

Literarische Aspekte

Der einflussreiche Platon-Übersetzer Friedrich Schleiermacher äußerte sich 1805 über die literarische Qualität anerkennend. Er befand, die „gleichförmig durchgeführte Bauart des Ganzen und der einzelnen Teile“ sei wunderbar kunstvoll.[134]

1919 tadelte der renommierte Gräzist und Platon-Kenner Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff die Komposition des Dialogs, die er für unausgearbeitet hielt. Die Digression zeichne sich durch Fülle und Glanz aus und sei schön eingerahmt, ein Teil des Dialogs sei reichbewegt und witzig, doch im Schlussteil seien lange Strecken dürr und farblos. Dort dozierte Sokrates trotz seiner Behauptung, nur Helfer für die Entbindung fremder Gedanken zu sein. Das Werk mache einen unfertigen Eindruck.[135]

Die neueren Urteile über die literarische Qualität sind meist positiv ausgefallen. 1974 befand Olof Gigon, das Zusammenspiel von Sokrates, Theodoros und Theaitetos sei mit überlegener Kunst gestaltet. Die beiden Mathematiker seien daran, ebenbürtige Partner des Sokrates zu werden.[136] Auch Ernst Heitsch (1988) äußerte sich lobend. Er meinte, man gewinne erst beim zweiten Lesen einen Blick für die kunstreiche Anlage des Dialogs. Allerdings sei die Gesprächsführung außerordentlich verwickelt und schwerlich sogleich zu durchschauen. Gerade auch als literarische Komposition bedürfe der Theaitetos der Erläuterung.[137] Michael Erler (2007) stimmte Heitsch zu, er hielt die Komposition ebenfalls für durchdacht.[138]

Ausgaben und Übersetzungen

Ausgaben (teilweise mit Übersetzung)

  • Alexander Becker (Hrsg.): Platon: Theätet. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-27009-7 (Abdruck der Ausgabe von Auguste Diès, Paris 1926, ohne den kritischen Apparat, mit einer von Becker überarbeiteten Fassung der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher und einem Kommentar von Becker)
  • Gunther Eigler (Hrsg.): Platon: Werke in acht Bänden. Bd. 6, 2. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-11280-6, S. 1–217 (Abdruck der kritischen Ausgabe von Auguste Diès mit der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, 2. Auflage, Berlin 1818)
  • Winifred F. Hicken (Hrsg.): Theaitetos. In: Elizabeth A. Duke u. a. (Hrsg.): Platonis opera, Bd. 1, Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-814569-1, S. 277–382 (maßgebliche kritische Edition)
  • Ekkehard Martens (Hrsg.): Platon: Theätet. Durchgesehene und ergänzte Ausgabe, Reclam, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-006338-5 (unkritische Ausgabe mit Übersetzung)

Übersetzungen

  • Otto Apelt: Platon: Theätet. In: Otto Apelt (Hrsg.): Platon: Sämtliche Dialoge, Bd. 4, Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1156-4 (mit Einleitung und Erläuterungen; Nachdruck der 4. Auflage, Leipzig 1923)
  • Rudolf Rufener: Platon: Spätdialoge I (= Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke, Bd. 5). Artemis, Zürich/München 1974, ISBN 3-7608-3640-2, S. 3–124 (mit Einleitung von Olof Gigon S. XI–XXVI)
  • Friedrich Schleiermacher: Theaitetos. In: Erich Loewenthal (Hrsg.): Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden, Bd. 2, unveränderter Nachdruck der 8., durchgesehenen Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17918-8, S. 561–661

Literatur

Übersichtsdarstellungen

  • Michael Erler: Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, hrsg. von Hellmut Flashar, Bd. 2/2). Schwabe, Basel 2007, ISBN 978-3-7965-2237-6, S. 231–238, 637–641
  • Mi-Kyoung Lee: The Theaetetus. In: Gail Fine (Hrsg.): The Oxford Handbook of Plato. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-518290-3, S. 411–436
  • Michel Narcy: Théétète. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 5, Teil 1, CNRS Éditions, Paris 2012, ISBN 978-2-271-07335-8, S. 686–700.

Kommentare

  • Anne Balansard: Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète. Academia Verlag, Sankt Augustin 2012, ISBN 978-3-89665-552-3
  • Alexander Becker (Hrsg.): Platon: Theätet. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-27009-7, S. 225–381
  • Seth Benardete: The Being of the Beautiful. Plato’s Theaetetus, Sophist, and Statesman. The University of Chicago Press, Chicago/London 1984, ISBN 0-226-67037-6, S. I.85–I.191
  • Myles Burnyeat: The Theaetetus of Plato. Hackett, Indianapolis/Cambridge 1990, ISBN 0-915144-81-6
  • Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus. Academia Verlag, Sankt Augustin 2004, ISBN 3-89665-315-6
  • John McDowell: Plato’s Theaetetus. Clarendon Press, Oxford 1973, ISBN 0-19-872083-1
  • Ronald M. Polansky: Philosophy and Knowledge. A Commentary on Plato’s Theaetetus. Bucknell University Press, Lewisburg 1992, ISBN 0-8387-5215-2
  • Paul Stern: Knowledge and Politics in Plato’s Theaetetus. Cambridge University Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-88429-7

Untersuchungen

  • Marcel van Ackeren: Das Wissen vom Guten. Bedeutung und Kontinuität des Tugendwissens in den Dialogen Platons. Grüner, Amsterdam 2003, ISBN 90-6032-368-8, S. 226–258
  • Rosemary Desjardins: The Rational Enterprise. Logos in Plato’s Theaetetus. State University of New York Press, Albany 1990, ISBN 0-88706-837-5
  • Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-25225-0 (Digitalisat)
  • Ernst Heitsch: Überlegungen Platons im Theaetet. Franz Steiner, Stuttgart 1988, ISBN 3-515-05301-8
  • David Sedley: The Midwife of Platonism. Text and Subtext in Plato’s Theaetetus. Clarendon Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-926703-0

Aufsatzsammlungen

  • Giovanni Casertano (Hrsg.): Il Teeteto di Platone: struttura e problematiche. Loffredo, Napoli 2002, ISBN 88-8096-884-X
  • Dimitri El Murr (Hrsg.): La mesure du savoir. Études sur le Théétète de Platon. Vrin, Paris 2013, ISBN 978-2-7116-2495-9
  • Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense. Oikoumene, Prag 2008, ISBN 978-80-7298-391-9
  • Giuseppe Mazzara, Valerio Napoli (Hrsg.): Platone. La teoria del sogno nel Teeteto. Atti del Convegno Internazionale Palermo 2008. Academia Verlag, Sankt Augustin 2010, ISBN 978-3-89665-498-4

Weblinks

Ausgaben und Übersetzungen

  • Theaitetos, griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet, 1900 (Perseus Project)
  • Theaitetos, deutsche Übersetzung nach Friedrich Schleiermacher, bearbeitet (opera-platonis.de)
  • Theaitetos, deutsche Übersetzung nach Friedrich Schleiermacher (Zeno.org)
  • Theaitetos, deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher (Projekt Gutenberg-DE)

Literatur

Einzelnachweise

  1. Michel Narcy: Théétète. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 688 f.; Michael Erler: Platon, Basel 2007, S. 232; Debra Nails: The People of Plato, Indianapolis 2002, S. 275–277, 320 f.; Holger Thesleff: Platonic Patterns, Las Vegas 2009, S. 301–303.
  2. Platon, Theaitetos 210d.
  3. Debra Nails: The People of Plato, Indianapolis 2002, S. 320.
  4. Platon, Theaitetos 144b–c.
  5. Platon, Theaitetos 147c–d.
  6. Gustav Adolf Seeck: Platons Theaitetos. Ein kritischer Kommentar, München 2010, S. 9 f., 28 f., 81 f.; Thomas Alexander Szlezák: Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen, Berlin 2004, S. 92, 98, 114 f., 126 f.; zum Protagoras-Bild Joachim Dalfen: Der Homo-mensura-Satz des Protagoras in seinem historischen Umfeld. In: Otto Neumaier (Hrsg.): Ist der Mensch das Maß aller Dinge?, Möhnesee 2004, S. 1–16, hier: 1–5, 16; Daniel Babut: Platon et Protagoras: l’„Apologie“ du sophiste dans le Théétète et son rôle dans le dialogue. In: Revue des Études Anciennes 84, 1982, S. 49–86; Edward N. Lee: „Hoist with His Own Petard“: Ironic and Comic Elements in Plato’s Critique of Protagoras (Tht. 161–171). In: Edward N. Lee u. a. (Hrsg.): Exegesis and Argument, Assen 1973, S. 225–261.
  7. Eudemos von Rhodos, Fragment DK 43 A 2.
  8. Siehe dazu Kurt von Fritz: Theodoros (31). In: Pauly-Wissowa RE, Bd. 5 A/2, Stuttgart 1934, Sp. 1811–1825, hier: 1811; Leonid Zhmud: Theodoros aus Kyrene. In: Hellmut Flashar u. a. (Hrsg.): Frühgriechische Philosophie, Basel 2013, S. 420 f., hier: 420; Leonid Zhmud: Pythagoras and the Early Pythagoreans, Oxford 2012, S. 128.
  9. Siehe dazu Anne Balansard: Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète, Sankt Augustin 2012, S. 24 f.
  10. Platon, Theaitetos 165a.
  11. Platon, Theaitetos 145a, 169a.
  12. Platon, Theaitetos 145c–d.
  13. Diogenes Laertios 2,103; 3,6.
  14. Diogenes Laertios 3,6.
  15. Kurt von Fritz: Theodoros (31). In: Pauly-Wissowa RE, Bd. 5 A/2, Stuttgart 1934, Sp. 1811–1825, hier: 1811; Leonid Zhmud: Theodoros aus Kyrene. In: Hellmut Flashar u. a. (Hrsg.): Frühgriechische Philosophie, Basel 2013, S. 420 f., hier: 420.
  16. Iamblichos, De vita Pythagorica 267.
  17. Kurt von Fritz: Theodoros (31). In: Pauly-Wissowa RE, Bd. 5 A/2, Stuttgart 1934, Sp. 1811–1825, hier: 1811 f.; Bartel Leendert van der Waerden: Erwachende Wissenschaft, 2., ergänzte Auflage, Basel 1966, S. 233–240, hier: 233. Zu einer anderen Einschätzung gelangt jedoch Leonid Zhmud: Theodoros aus Kyrene. In: Hellmut Flashar u. a. (Hrsg.): Frühgriechische Philosophie, Basel 2013, S. 420 f.
  18. Platon, Theaitetos 165a.
  19. Platon, Theaitetos 146b.
  20. Zur Dialogfigur Theodoros siehe Thomas Alexander Szlezák: Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen, Berlin 2004, S. 98–103; Anne Balansard: Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète, Sankt Augustin 2012, S. 22–31; Eugenio Benitez, Livia Guimaraes: Philosophy as Performed in Plato’s Theaetetus. In: The Review of Metaphysics 47, 1993/1994, S. 297–328, hier: 303–305, 314.
  21. Siehe zum historischen Theaitetos Debra Nails: The People of Plato, Indianapolis 2002, S. 274–278.
  22. Debra Nails: The People of Plato, Indianapolis 2002, S. 275; Thomas Alexander Szlezák: Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen, Berlin 2004, S. 103–109; Jill Gordon: Plato’s Erotic World, Cambridge 2012, S. 125–130; Anne Balansard: Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète, Sankt Augustin 2012, S. 32–38; Eugenio Benitez, Livia Guimaraes: Philosophy as Performed in Plato’s Theaetetus. In: The Review of Metaphysics 47, 1993/1994, S. 297–328, hier: 301–303.
  23. Siehe zu Eukleides Klaus Döring: Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Bd. 2/1, Basel 1998, S. 139–364, hier: 207–212; Debra Nails: The People of Plato, Indianapolis 2002, S. 144 f.; Robert Muller: Euclide de Mégare. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 3, Paris 2000, S. 272–277.
  24. Siehe zu Terpsion Michel Narcy: Théétète. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 689 f.; Debra Nails: The People of Plato, Indianapolis 2002, S. 274.
  25. Platon, Theaitetos 142a–143c. Vgl. Zina Giannopoulou: Plato’s Theaetetus as a Second Apology, Oxford 2013, S. 20–26.
  26. Platon, Theaitetos 143c–144d.
  27. Platon, Theaitetos 144d–146c.
  28. Platon, Theaitetos 146c–147c. Vgl. David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 19–27; Zina Giannopoulou: Plato’s Theaetetus as a Second Apology, Oxford 2013, S. 29–33.
  29. Platon, Theaitetos 147c–148d. Vgl. Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 28–39; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 27 f.; Zina Giannopoulou: Plato’s Theaetetus as a Second Apology, Oxford 2013, S. 33–37; Ivor Bulmer-Thomas: Theodorus of Cyrene. In: Dictionary of Scientific Biography, Bd. 13, New York 1976, S. 314–319.
  30. Platon, Theaitetos 148e–149a.
  31. Platon, Theaitetos 149b–150a.
  32. Platon, Theaitetos 150a–151b.
  33. Platon, Theaitetos 150a–151d.
  34. Siehe zu diesem Begriff Michael Hoffmann: Die Entstehung von Ordnung, Stuttgart 1996, S. 41 f., 47–55; Hans-Georg Gadamer: Gesammelte Werke, Bd. 7, Tübingen 1991, S. 297.
  35. Zum philosophiegeschichtlichen Hintergrund siehe Uvo Hölscher: Der Herakliteer in Platons Theätet. In: Reiner Wiehl (Hrsg.): Die antike Philosophie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart, Heidelberg 1981, S. 37–53.
  36. Platon, Theaitetos 151d–155c. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 53–71; Rosemary Desjardins: The Rational Enterprise, Albany 1990, S. 16–27; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 51–60; Mi-Kyoung Lee: The Secret Doctrine: Plato’s Defence of Protagoras in the Theaetetus. In: Oxford Studies in Ancient Philosophy 19, 2000, S. 47–86. Zum Text von 155b1–2 siehe Denis O’Brien: Platon, Théétète 155 B 1–2: Une correction du texte. In: Revue des Études grecques 124, 2011, S. 137–151.
  37. Platon, Theaitetos 155c–d.
  38. Platon, Theaitetos 156a–157d. Vgl. Rosemary Desjardins: The Rational Enterprise, Albany 1990, S. 34–54.
  39. Platon, Theaitetos 157e–158e.
  40. Platon, Theaitetos 158e–160e. Siehe dazu Marcel van Ackeren: Das Wissen vom Guten, Amsterdam 2003, S. 234 f.
  41. Platon, Theaitetos 160e–171d. Vgl. Alex Long: Refutation and Relativism in Theaetetus 161–171. In: Phronesis 49, 2004, S. 24–40; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 54–62; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 73–82.
  42. Platon, Theaitetos 163a–164d, 169d–172b. Vgl. Timothy D. J. Chappell: Reading the περιτροπή: Theaetetus 170c–171c. In: Phronesis 51, 2006, S. 109–137; Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 94–102, 108–120; Gail Fine: Plato on Knowledge and Forms, Oxford 2003, S. 184–212; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 83–96.
  43. Platon, Theaitetos 172b–c.
  44. Siehe dazu Zina Giannopoulou: The Digression in Plato’s Theaetetus: Observations on its Thematic Structure and Philosophical Significance. In: Elenchos 23, 2002, S. 75–88.
  45. Platon, Theaitetos 172c–175b.
  46. Platon, Theaitetos 172d–177a. Vgl. zur „Angleichung an Gott“ Dietrich Roloff: Gottähnlichkeit, Vergöttlichung und Erhöhung zu seligem Leben, Berlin 1970, S. 198–206; Florian Finck: Platons Begründung der Seele im absoluten Denken, Berlin 2007, S. 243–247, 262–264; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 74–81; Zina Giannopoulou: Socrates and Godlikeness in Plato’s Theaetetus. In: Journal of Philosophical Research 36, 2011, S. 135–148.
  47. Platon, Theaitetos 173c–177b.
  48. Platon, Theaitetos 177c–179b. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 129–132; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 86–88; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 104–116.
  49. Platon, Theaitetos 179c–183c. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 133–140; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 89–99; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 117–124.
  50. Platon, Theaitetos 183c–186e. Siehe dazu Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 141–149; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 125–158.
  51. Platon, Theaitetos 187a–d. Siehe dazu Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 150–157.
  52. Platon, Theaitetos 187e–188c. Vgl. Timothy Chappell: The puzzle about the puzzle of false belief: Theaetetus 188a–c. In: Bulletin of the Institute of Classical Studies 45, 2001, S. 97–111; Timothy Chappell: 188a–c: The Key to the Theaetetus. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2008, S. 203–216; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 120–125; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 162–171.
  53. Platon, Theaitetos 188c–189b. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 163–165; László Bene: False Judgement and the Puzzles about Not-Being: Theaetetus 188c–189b. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2008, S. 217–249; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 125–127; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 172 f.
  54. Platon, Theaitetos 189b–190e. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 166–171; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 127–134; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 173–175; Jan Szaif: Platons Begriff der Wahrheit, Freiburg 1996, S. 363–374.
  55. Platon, Theaitetos 190e–196d. Siehe dazu Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 172–183; Paolo Crivelli: Plato’s Waxen Box. In: Wolfgang Detel u. a. (Hrsg.): Ideal and Culture of Knowledge in Plato, Stuttgart 2003, S. 175–200; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 134–140; Ernst Heitsch: Überlegungen Platons im Theaetet, Stuttgart 1988, S. 114–122; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 176–189.
  56. Platon, Theaitetos 196d–199c. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 184–191; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 140–145; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 190–197.
  57. Platon, Theaitetos 199c–200d. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 184, 191 f.; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 145–149; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 199–205.
  58. Platon, Theaitetos 200d–201c. Vgl. Franco Trabattoni: Theaetetus, 200d–201c: Truth without Certainty. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2008, S. 250–273; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 149–151; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 206–215.
  59. Platon, Theaitetos 201c–d. Siehe dazu Ernst Heitsch: Theaetet 203c4–205e8. In: Hermes 119, 1991, S. 74–83, hier: 76–78.
  60. Siehe zu dieser Bezeichnung Myles F. Burnyeat: The Material and Sources of Plato’s Dream. In: Phronesis 15, 1970, S. 101–122, hier: 103–106. Vgl. auch zum Motiv des Traums und seiner Bedeutung Piotr Pasterczyk: Der sokratische Traum und das Problem der Dialektik im Theaitetos, Freiburg 2007, S. 15–30.
  61. Zum Verständnis des Begriffs „Wahrnehmen“ in diesem Zusammenhang siehe Gerold Prauss: Platon und der logische Eleatismus, Berlin 1966, S. 171–173.
  62. Platon, Theaitetos 201c–202c. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 202–212; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 153–163; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 217–237.
  63. Platon, Theaitetos 202c–206b. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 213–222; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 163–168.
  64. Platon, Theaitetos 206c–210a. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 223–235; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 168–178; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 267–288, 290 f.
  65. Platon, Theaitetos 210a–d.
  66. Myles Burnyeat: The Theaetetus of Plato, Indianapolis 1990, S. 8 f.
  67. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 48–52; Robin A. H. Waterfield (Übersetzer): Plato: Theaetetus, 2., ergänzte Auflage, London 2004, S. 159–163, 181–183; Michael Erler: Platon, Basel 2007, S. 235; Ernst Heitsch: Überlegungen Platons im Theaetet, Stuttgart 1988, S. 44–47; Marcel van Ackeren: Das Wissen vom Guten, Amsterdam 2003, S. 233 Anm. 109; Jane M. Day: The Theory of Perception in Plato’s Theaetetus 152–183. In: Oxford Studies in Ancient Philosophy 15, 1997, S. 51–80; Denis O’Brien: How Tall is Socrates? In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2008, S. 55–119, hier: 68–119.
  68. David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 4 f.; Rosemary Desjardins: The Rational Enterprise, Albany 1990, S. 7 f.; Mary Louise Gill: Why Does Theaetetus’ Final Definition of Knowledge Fail? In: Wolfgang Detel u. a. (Hrsg.): Ideal and Culture of Knowledge in Plato, Stuttgart 2003, S. 159–173.
  69. Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 15.
  70. Dorothea Frede: The soul’s silent dialogue. A non-aporetic reading of the Theaetetus. In: Proceedings of the Cambridge Philological Society New Series 35, 1989, S. 20–49.
  71. Eugenio Benitez, Livia Guimaraes: Philosophy as Performed in Plato’s Theaetetus. In: The Review of Metaphysics 47, 1993/1994, S. 297–328, hier: 299, 327 f.
  72. Siehe dazu die Forschungsübersicht bei Rosemary Desjardins: The Rational Enterprise, Albany 1990, S. 8–13. Vgl. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 22 f.; David Bostock: Plato’s Theaetetus, Oxford 1988, S. 273 f.; Franco Trabattoni: Fondazionalismo o coerentismo? In margine alla terza definizione di ἐπιστήμη del Teeteto. In: Giuseppe Mazzara, Valerio Napoli (Hrsg.): Platone. La teoria del sogno nel Teeteto, Sankt Augustin 2010, S. 295–317.
  73. Siehe dazu Ernst Heitsch: Überlegungen Platons im Theaetet, Stuttgart 1988, S. 9–17, 47–51; Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 31 f.; Catherine Osborne: Knowledge is Perception. A Defence of Theaetetus. In: Wolfgang Detel u. a. (Hrsg.): Ideal and Culture of Knowledge in Plato, Stuttgart 2003, S. 133–158, hier: 141–150; Robin A. H. Waterfield (Übersetzer): Plato: Theaetetus, 2., ergänzte Auflage, London 2004, S. 211–215, 235–237; Michael Erler: Platon, Basel 2007, S. 233 f.
  74. Übersichten über die Forschungsdebatten bieten Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 16–21 und Wolfgang Detel: Platons Beschreibung des falschen Satzes im Theätet und Sophistes, Göttingen 1972, S. 11–29. Siehe auch Denis O’Brien: How Tall is Socrates? In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2008, S. 55–119, hier: 70–78, 102 f., 118 f.; Franco Ferrari: Prädikate oder Ideen: Der ontologische Status der koina im Theaitetos. In: Aleš Havlíček, Filip Karfík (Hrsg.): Plato’s Theaetetus. Proceedings of the Sixth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2008, S. 160–179; Gokhan Adalier: The Case of Theaetetus. In: Phronesis 46, 2001, S. 1–37; Michael Erler: Platon, Basel 2007, S. 234–236; Dennys Garcia Xavier: Con Socrate oltre Socrate. Il Teeteto come esempio di teatro filosofico, Casoria 2011, S. 55–66, 136–150 (Darstellung aus unitarischer Sicht); Henry Teloh: The Development of Plato’s Metaphysics, University Park 1981, S. 204–209 (Darstellung aus revisionistischer Sicht); Allan Silverman: Flux and Language in the Theaetetus. In: Oxford Studies in Ancient Philosophy 18, 2000, S. 109–152; Robin A. H. Waterfield (Übersetzer): Plato: Theaetetus, 2., ergänzte Auflage, London 2004, S. 239–246; Samuel C. Wheeler III: The Conclusion of the Theaetetus. In: History of Philosophy Quarterly 1, 1984, S. 355–365.
  75. Siehe zu dieser Forschungsdebatte Lloyd P. Gerson: Knowing Persons, Oxford 2003, S. 194–238.
  76. Gilbert Ryle: Plato’s Progress, Cambridge 1966, S. 14–17.
  77. Anne Balansard: Enquête sur la doxographie platonicienne dans la première partie du Théétète, Sankt Augustin 2012, S. 9–15 (Forschungsübersicht).
  78. Gilbert Ryle: Logical Atomism in Plato’s Theaetetus. In: Phronesis 35, 1990, S. 21–46.
  79. Michael-Thomas Liske: Das veritative ‚ist‘ und der logische Atomismus in Platons Theaitetos. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 70, 1988, S. 147–166, hier: 162–166.
  80. Siehe zu dieser Unterscheidung Klaus Döring: Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathematik, Medizin (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Bd. 2/1), Basel 1998, S. 139–364, hier: 159f., 164. Vgl. David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 30–35; Zina Giannopoulou: Plato’s Theaetetus as a Second Apology, Oxford 2013, S. 40–47.
  81. Marcel van Ackeren: Das Wissen vom Guten, Amsterdam 2003, S. 243–253; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 100–103; Rachel Rue: The Philosopher in Flight: The Digression (172 C – 177 C) in Plato’s Theaetetus. In: Oxford Studies in Ancient Philosophy 11, 1993, S. 71–100.
  82. Zina Giannopoulou: Socrates and Godlikeness in Plato’s Theaetetus. In: Journal of Philosophical Research 36, 2011, S. 135–148, hier: 136 f.; Thomas Alexander Szlezák: Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen, Berlin 2004, S. 121–124. Vgl. Maria Schwartz: Der philosophische bios bei Platon, Freiburg 2013, S. 245–248.
  83. Anna Lännström: Socrates, the philosopher in the Theaetetus digression (172c–177c), and the ideal of homoiôsis theôi. In: Apeiron 44, 2011, S. 111–130.
  84. Platon, Theaitetos 171a–b.
  85. Platon, Theaitetos 171b.
  86. Alexander Becker (Hrsg.): Platon: Theätet, Frankfurt am Main 2007, S. 293–295; Luca Castagnoli: Protagoras Refuted. In: Topoi 23, 2004, S. 3–32; Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 111–117; Richard Bemelmans: Why Does Protagoras Rush Off? Self-Refutation and Haste in Plato, Theaetetus 169a–171d. In: Ancient Philosophy 22, 2002, S. 75–86; Margarita Kranz: Das Wissen des Philosophen, Tübingen 1986, S. 22–25; Jörg Hardy: Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“, Göttingen 2001, S. 83–96; Marcel van Ackeren: Das Wissen vom Guten, Amsterdam 2003, S. 239 f.; Zina Giannopoulou: Objectivizing Protagorean Relativism: The Socratic Underpinnings of Protagoras’ Apology in Plato’s Theaetetus. In: Ancient Philosophy 29, 2009, S. 67–88; Gail Fine: Relativism and Self-Refutation. In: Jyl Gentzler (Hrsg.): Method in Ancient Philosophy, Oxford 1998, S. 137–163.
  87. Zur Diskussion dieser Frage siehe Debra Nails: The People of Plato, Indianapolis 2002, S. 282; Ludger Hellweg: Mathematische Irrationalität bei Theodoros und Theaitetos. Ein Versuch der Wiedergewinnung ihrer Theorien, Frankfurt am Main 1994, S. 5–87; Bartel Leendert van der Waerden: Erwachende Wissenschaft, 2., ergänzte Auflage, Basel 1966, S. 233–240; Walter Burkert: Weisheit und Wissenschaft, Nürnberg 1962, S. 439 Anm. 105.
  88. Holger Thesleff: Theaitetos and Theodoros. In: Arctos 24, 1990, S. 147–159, hier: 151–153.
  89. Árpád Szabó: Anfänge der griechischen Mathematik, München/Wien 1969, S. 69–111.
  90. Myles F. Burnyeat: The Philosophical Sense of Theaetetus’ Mathematics. In: Isis 69, 1978, S. 489–513 (zur Forschungsgeschichte S. 490 f.). Vgl. Holger Thesleff: Theaitetos and Theodoros. In: Arctos 24, 1990, S. 147–159, hier: 154.
  91. Michel Narcy: Théétète. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 687; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 1–3.
  92. Michael Erler: Platon, Basel 2007, S. 232; Holger Thesleff: Platonic Patterns, Las Vegas 2009, S. 300.
  93. Michel Narcy: Théétète. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 5, Teil 1, Paris 2012, S. 686–700, hier: 687 f.; Michael Erler: Platon, Basel 2007, S. 232; Antonio Carlini: Il commento anonimo al ‚Teeteto‘ e il testo di Platone. In: Storia, poesia e pensiero nel mondo antico, Napoli 1994, S. 83–91, hier: 83–87; William K. C. Guthrie: A History of Greek Philosophy, Bd. 5, Cambridge 1978, S. 62; Holger Thesleff: Platonic Patterns, Las Vegas 2009, S. 328 f.
  94. Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini (CPF), Teil 1, Bd. 1***, Firenze 1999, S. 466–474.
  95. Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini (CPF), Teil 1, Bd. 1***, Firenze 1999, S. 521–523 und Teil 3, Firenze 1995, S. 244–246.
  96. Oxford, Bodleian Library, Clarke 39 (= „Codex B“ der Platon-Textüberlieferung).
  97. Alexander Becker (Hrsg.): Platon: Theätet, Frankfurt am Main 2007, S. 382.
  98. Anthony A. Long: Zeno’s epistemology and Plato’s Theaetetus. In: Theodore Scaltsas, Andrew S. Mason (Hrsg.): The Philosophy of Zeno, Larnaca 2002, S. 115–131.
  99. Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 22; Alexander Becker (Hrsg.): Platon: Theätet, Frankfurt am Main 2007, S. 382 f.; Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: Der Platonismus in der Antike, Bd. 3, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 200.
  100. Diogenes Laertios 3,56–58.
  101. František Novotný: The Posthumous Life of Plato, Den Haag 1977, S. 98 f.
  102. Siehe dazu Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini (CPF), Teil 3, Firenze 1995, S. 227–562 (mit kritischer Edition, Untersuchung sowie einer umfangreichen Bibliographie von Guido Bastianini und David N. Sedley).
  103. Plutarch, Platonicae quaestiones 1. Zu Plutarchs Theaitetos-Rezeption siehe Harold Tarrant: Plato’s First Interpreters, Ithaca 2000, S. 173–175.
  104. Alkinoos, Didaskalikos 2,2; 4,5; 28.
  105. Gyburg Radke-Uhlmann: Philosophieunterricht und Hermeneutik im Neuplatonismus. In: Ada Neschke-Hentschke (Hrsg.): Argumenta in dialogos Platonis, Teil 1, Basel 2010, S. 119–148, hier: 123–125.
  106. Alexander Becker (Hrsg.): Platon: Theätet, Frankfurt am Main 2007, S. 386; David Sedley: The Midwife of Platonism, Oxford 2004, S. 62 f. und Anm. 11.
  107. Hubert Merki: Ὁμοίωσις θεῷ. Von der platonischen Angleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa, Freiburg (Schweiz) 1952, S. 18–25. Zu Plotins Verhältnis zum Theaitetos siehe Sara Magrin: Plotin et la „doctrine secrète“. In: Dimitri El Murr (Hrsg.): La mesure du savoir, Paris 2013, S. 335–378, hier: 335–373.
  108. Prolegomena zur Philosophie Platons 26, hrsg. von Leendert G. Westerink: Prolégomènes à la philosophie de Platon, Paris 1990, S. 40.
  109. Heinrich Dörrie, Matthias Baltes: Der Platonismus in der Antike, Bd. 3, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, S. 201.
  110. František Novotný: The Posthumous Life of Plato, Den Haag 1977, S. 137.
  111. František Novotný: The Posthumous Life of Plato, Den Haag 1977, S. 196 f.
  112. Siehe zur Rezeption der Anekdote im christlichen Milieu Hans Blumenberg: Das Lachen der Thrakerin, Frankfurt am Main 1987, S. 42–56.
  113. Die Einleitung ist herausgegeben von Burkhard Mojsisch: Marsilius Ficinus: In Theaetetum Platonis vel De scientia ad Petrum Medicem, patriae patrem, Epitome. In: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 1, 1996, S. 179–194 (anschließend S. 195–215 Übersetzung).
  114. Benson Mates: Leibniz and the Phaedo. In: Akten des II. Internationalen Leibniz-Kongresses Hannover, 17.–22. Juli 1972, Wiesbaden 1973, S. 135–148, hier: 144.
  115. George Berkeley: Siris 253, 304 f., 311, 348, 367.
  116. Paul Shorey: What Plato said, Chicago 1933, S. 269.
  117. Francis M. Cornford: Plato’s Theory of Knowledge, London 1935.
  118. Myles Burnyeat: The Theaetetus of Plato, Indianapolis/Cambridge 1990.
  119. Olof Gigon: Einleitung. In: Platon: Spätdialoge I (= Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke, Bd. 5), Zürich 1974, S. V–LI, hier: XI, XIX.
  120. Michel Narcy: Platon, Victor Cousin et la philosophie française. In: Michael Erler, Ada Neschke-Hentschke (Hrsg.): Argumenta in dialogos Platonis, Teil 2, Basel 2012, S. 103–126, hier: 111–114, 118.
  121. Paul Natorp: Platos Ideenlehre, 3. Auflage, Darmstadt 1961 (Erstveröffentlichung 1903), S. 97, 101, 111–113, 115 f. Vgl. zu Natorps Theaitetos-Interpretation Alan Kim: Plato in Germany, Sankt Augustin 2010, S. 104–114.
  122. Ferdinand C. S. Schiller: Plato or Protagoras?, Oxford/London 1908.
  123. Martin Heidegger: Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet (= Martin Heidegger: Gesamtausgabe, Bd. 34), Frankfurt am Main 1988, S. 149–158.
  124. Martin Heidegger: Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet (= Martin Heidegger: Gesamtausgabe, Bd. 34), Frankfurt am Main 1988, S. 318–322.
  125. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen 46 f. Vgl. Ludwig Wittgenstein: Das Blaue Buch. Eine Philosophische Betrachtung (Das Braune Buch), Frankfurt am Main 1984, S. 121; Timothy Chappell: Reading Plato’s Theaetetus, Sankt Augustin 2004, S. 35 f.
  126. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen 47–50.
  127. Ludwig Wittgenstein: Das Blaue Buch. Eine Philosophische Betrachtung (Das Braune Buch), Frankfurt am Main 1984, S. 40 f.
  128. Bertrand Russell: A History of Western Philosophy, New York 1945, S. 149–159.
  129. Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. 1, 7. Auflage, Tübingen 1992, S. 417–419; vgl. S. 357.
  130. Paul Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen, veränderte Ausgabe, Frankfurt 1981, S. 69.
  131. Hans-Georg Gadamer: Mathematik und Dialektik bei Plato (1982). In: Hans-Georg Gadamer: Gesammelte Werke, Bd. 7, Tübingen 1991, S. 290–312.
  132. Hans Blumenberg: Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie, Frankfurt am Main 1987, S. 1.
  133. Terry Penner: The Wax Tablet, logic and Protagoreanism. In: George Boys-Stones u.a. (Hrsg.): The Platonic Art of Philosophy, Cambridge 2013, S. 186–220.
  134. Friedrich Schleiermacher: Theaitetos. Einleitung. In: Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: Über die Philosophie Platons, hrsg. von Peter M. Steiner, Hamburg 1996, S. 194–206, hier: 199.
  135. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Platon. Sein Leben und seine Werke, 5. Auflage, Berlin 1959 (1. Auflage Berlin 1919), S. 405 f., 414 und Platon. Beilagen und Textkritik, 4. Auflage, Dublin/Zürich 1969 (1. Auflage Berlin 1919), S. 230–232, 235–237.
  136. Olof Gigon: Einleitung. In: Platon: Spätdialoge I (= Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke, Bd. 5), Zürich 1974, S. V–LI, hier: X.
  137. Ernst Heitsch: Überlegungen Platons im Theaetet, Stuttgart 1988, S. 19, 30.
  138. Michael Erler: Platon, Basel 2007, S. 233.


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