Georges Rouault

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Rouaults Wohnsitz in Beaumont sur Sarthe

Georges Rouault (* 27. Mai 1871 in Paris; † 13. Februar 1958 ebenda) war ein französischer Maler und Grafiker der Klassischen Moderne. Er lässt sich nur schwer einer bestimmten Schule oder einem Stil zuordnen, wird jedoch allgemein zu den Künstlern der École de Paris gerechnet. Als Mitbegründer des Salon d'Automne (1903) gehörte er anfangs zum Kreis der Fauves, ging jedoch bald eigene Wege und wurde zu einem der wichtigsten Vertreter moderner religiöser Malerei.

Leben

Ausbildung

Nach einer Glasmalerlehre von 1885 bis 1890 bei einem Restaurator für Kirchenfenster besuchte Georges Rouault ab 1890 die École nationale supérieure des arts décoratifs und anschließend die École nationale supérieure des beaux-arts de Paris. Zunächst war er Schüler von Elie Delaunay und nach dessen Tod 1891 von seinem Nachfolger, dem Symbolisten Gustave Moreau, dessen Meisterschüler er ab 1892 war. Um 1901 hielt er sich für mehrere Monate mit Künstlern und Literaten um den Schriftsteller Joris-Karl Huysmans in der Nähe des Klosters Ligugé bei Poitiers auf. Der gemeinsame Plan, eine christliche Künstlergemeinschaft zu gründen, scheiterte jedoch an der laizistischen Haltung des französischen Staates.

Jahre der Rebellion

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde Rouault zu einem der führenden Köpfe des Expressionismus in Frankreich und gehörte 1903 zu den Mitbegründern des Pariser Salon d'Automne. Sein revolutionärer Malstil entzündete sich dabei vor allem an den wortgewaltigen Schriften des stark vom Christentum inspirierten Schriftstellers Léon Bloy, dem er auch persönlich begegnete. Um 1910 kam es unter dem Einfluss des Neuthomisten Jacques Maritain und anderer Vertreter des so genannten Renouveau catholique wieder zu einer merklichen Beruhigung seines Malstils, von der auch die jüngsten Werke auf der ersten Einzelausstellung in der Pariser Galerie Druet 1910 zeugten und die das gesamte weitere Schaffen Rouaults prägen sollte. 1913 kaufte der renommierte Kunsthändler Ambroise Vollard alle Bilder seines Ateliers auf, wobei er Rouault zugestand, die aus der Sicht des Malers größtenteils noch unvollendeten Arbeiten nach eigenem Rhythmus fertigzustellen.

Die Problematik des Unvollendeten / Non-finito

Der stets mit dem Vollbrachten hadernde Rouault benötigte jedoch Jahrzehnte zur Vollendung des von Vollard erworbenen, insgesamt 770 Werke umfassenden Fonds. Zudem kam es im Zuge der darüber hinausgehenden engen Kooperation zwischen Maler und Kunsthändler zu immer neuen, vor allem grafischen Projekten, die Rouault zusätzlich in Anspruch nahmen. Als Vollard 1939 auf der Rückkehr von einem Besuch im Atelier Pablo Picassos mit dem Auto tödlich verunglückte, entzogen die Erben des Kunsthändlers dem Maler die noch unvollendeten Arbeiten. Rouault berief sich in der Folge auf die mit Vollard vereinbarte Klausel über deren Vollendung und strengte schließlich einen Gerichtsprozess an, in dem ihm 1947 das uneingeschränkte Recht auf diese Werke als sein geistiges Eigentum angesichts ihres besonderen Status zuerkannt wurde. Der glückliche Ausgang des Prozesses, in dem der Maler vor dem Hintergrund seines inzwischen fortgeschrittenen Alters die Erben Vollards für die zurückerhaltenen Arbeiten entschädigte, markierte den Beginn des Spätwerks Rouaults, das auch von zunehmender öffentlicher Anerkennung geprägt war.

Späte Anerkennung

Größere Ausstellungen und Retrospektiven fanden seit den späten 1930er Jahren u. a. in New York, Zürich, Brüssel, Paris, Amsterdam, Mailand und Jerusalem statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Rouaults Produktivität einen nochmaligen Höhepunkt. Obwohl der Maler 1948 bei einer öffentlichen Verbrennung einen Großteil der nach dem Prozess gegen die Erben Vollards zurückerhaltenen unvollendeten Arbeiten vernichtet hatte, fanden sich bei seinem Tod 1958 erneut über tausend nicht signierte Bilder in unterschiedlichen Graden der Vollendung in seinem Atelier. Dieser Fonds wurde von den Hinterbliebenen des Künstlers 1963 fast vollständig dem französischen Staat geschenkt und befindet sich heute im Pariser Centre Georges Pompidou.

Zum Werk

Georges Rouault wirkte nicht nur als Maler und Grafiker, sondern schuf auch Bühnenbilder, Tapisserien, Glasmalereien, Keramiken und Emailarbeiten. Seine Gesinnung war zutiefst christlich, und so sind zahlreiche seiner Sujets von christlichen Themen und Fragestellungen bestimmt. Nach der Akademiezeit schuf er zunächst religiöse Motive nach der Art mittelalterlicher Kirchenfenster sowie nach dem Vorbild von Werken Leonardo da Vincis, Rembrandt van Rijns und Francisco de Goyas. Um die Jahrhundertwende wandte er sich, ähnlich wie zuvor Edgar Degas und Henri de Toulouse-Lautrec, dem Thema der Prostituierten zu. Es entstanden ausdrucksstarke Bilder, die dem Betrachter ungeschönt das physische und moralische Elend der Dargestellten vor Augen führen.

Um 1910 finden sich, im Anschluss an Werke Honoré Daumiers, verstärkt Gerichtsszenen in seinen Bildern. Gleichzeitig wurde sein Malstil im Zuge einer Rückkehr von der zuletzt verwendeten Gouache- zur Ölmalerei ruhiger, sein Farbauftrag pastoser. Besonders kennzeichnend ist seither die charakteristische, an die Glasmalerei erinnernde Verbindung von kraftvoll leuchtenden Farben und schwarzer umschließender Kontur.

Während der engen Zusammenarbeit mit Vollard bestimmte ab 1917 für etwa zwei Jahrzehnte die Grafik sein Schaffen. Das wohl bedeutendste Werk aus dieser Zeit ist der Grafikzyklus „Miserere“, dessen sich mit Kriegs- und Flüchtlingselend auseinandersetzende Motive kurz nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt wurden und bei der Veröffentlichung 1948 vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs erneut von großer Aktualität waren. Blätter wie „Homo homini lupus“ erschienen als eindrückliche Antikriegsbilder.[1]

Als Rouault sich in den späten 1930er Jahren wieder verstärkt der Malerei widmete, kam es unter dem Einfluss der vorausgegangenen Erfahrungen als Grafiker mit farbigen Aquatinten in Illustrationswerken wie „Cirque de l'Étoile filante“ (1938) und „Passion“ (1939) zu einer spürbaren, fast impressionistischen Aufhellung seiner Palette. Das eigentliche Spätwerk Rouaults (ab 1948) ist schließlich von einer beispiellosen materialen Leidenschaft bestimmt, die in der Literatur nicht selten mit dem abstrakten Expressionismus oder dessen französischer Spielart, dem Tachismus, in Zusammenhang gebracht wird. Dabei gründeten die oft Zentimeter dicken Farbschichten nicht zuletzt auch in mehrfachen, sich mitunter über Jahre und Jahrzehnte erstreckenden Überarbeitungen durch den Künstler.

Wichtige Arbeiten Rouaults befinden sich heute vor allem in Frankreich, in der Schweiz, in den USA sowie in Japan. Einige Werke wurden auch auf der documenta 1 (1955) und postum auf der documenta II im Jahr 1959 in Kassel gezeigt.

Werkauswahl

  • 1893 – Sanson tournant la meule (Privatsammlung Paris)
  • 1895 – Jésus parmi les Saintes femmes
  • 1895 – L'Enfant Jésus parmi les docteurs
  • 1896 – Le Christ mort, pleuré par les Saintes femmes (Musée de peinture et de sculpture de Grenoble)
  • 1903 – Baigneuses
  • 1905 – Nu (esquisse)
  • 1905 – Les Poulot (Collection Philippe Leclercq, Hem)
  • 1906 – La Fille au miroir (Musée d’art moderne de la Ville de Paris)
  • 1906 – Clown au bandonéon
  • 1906 – Filles Petit Palais, (ehemaliges Musée des Beaux Arts de la ville de Paris, Paris)
  • 1907 – Parade (Kunstmuseum Basel)
  • 1907 – Têtes à Massacre (Tate Gallery, London)
  • 1908 – Tête de clown (Harvard University, Washington, D.C.)
  • 1908 – Les Juges (Statens Museum for Kunst, Kopenhagen)
  • 1910 – Hiver Petit Palais, (ehemaliges Musée des Beaux Arts de la ville de Paris, Paris)
  • 1910 – Parc de Versailles escalier dit aussi La Terrasse (Centre Georges Pompidou, Paris)
  • um 1912 Christ aux outrages (Sammlung Idemitsu, Tokio)
  • 1913 – Trois juges (Museum of Modern Art, New York)
  • 1920–1924 – Christ dans la banlieue
  • 1920 – Nu aux bras levés
  • 1925 – L'Apprenti Ouvrier, Selbstbildnis (Centre Georges Pompidou, Paris)
  • 1929 – Portrait de Maria Lari
  • 1932 – Le Christ bafoué par les soldats (Museum of Modern Art, New York)
  • 1933 – La Sainte Face (Centre Georges Pompidou, Paris)
  • 1937 – Le Vieux Roi (Carnegie Museum of Art, Pittsburgh)
  • 1937 – Le Nain (The Art Institute of Chicago)
  • 1937–1938 – Crépuscule (Fondation Beyeler, Basel/Riehen)
  • 1938–1939 – Ecce Homo (Staatsgalerie Stuttgart)
  • 1939 – Paysage biblique (Privatsammlung, Mailand)
  • 1939 – Gilles (Collection Philippe Leclercq, Hem)
  • 1941 – Pierrot aristocrate (Collection Philippe Leclercq, Hem)
  • 1943 – Trio (Collection Philippe Leclercq, Hem)
  • 1946 – Fleurs décoratives (Centre Georges Pompidou, Paris)
  • 1946 – La Sainte Face (Vatikanische Museen, Vatikanstadt)
  • 1947 – La Sybille de Cumes (Privatbesitz, Chantilly)
  • 1948 – Tête de clown (Museum of Fine Arts, Boston)
  • 1949 – Maître X – (Clemens-Sels-Museum, Neuss)
  • 1950 – Fleurs décoratives (Privatsammlung, Paris)
  • 1952 – Nocturne chrétien (Centre Georges Pompidou, Paris)
  • 1953 – Nature morte aux oranges (Privatsammlung, Paris)
  • 1956 – Sara (Privatsammlung, Paris)

Siehe auch

Literatur

  • Fabrice Hergott (Herausgeber), Georges Rouault – forme, couleur, harmonie. Musées de Strasbourg 2006. ISBN 2-35125-040-0.
  • Stephen Schloesser: Jazz Age Catholicism. University of Toronto Press 2005. ISBN 0-8020-8718-3.
  • Albert Kostenevitch: Georges Rouault. Éditions de l'Hermitage, St. Petersburg 2004. ISBN 5-93572-141-4.
  • Oihana Robador: Georges Roault. EUNSA 2004. ISBN 84-313-2212-8.
  • Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (Herausgeber): Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 2000, ISBN 3-7757-0853-7.
  • Soo Yun Kang: Roault in Perspective. Rowman & Litlefield Pub Group 1999, ISBN 15-730-9403-X.
  • Geneviève Nouaille-Rouault: Georges Rouault, mon père. Le Léopard d'Or 1998, ISBN 28-637-7156-6.
  • Harry N. Abrams: Georges Rouault. New York 1997, ISBN 08-109-4697-1.
  • François Chapon: Le Livre des livres de Rouault. Trinckvel 1992, ISBN 28-513-2016-5.
  • Fabrice Hergott: Rouault. Albin Michel 1991, ISBN 2-226-05438-3.
  • Fabrice Hergott: Rouault. Ediciones Poligrafa S. A. 1991, ISBN 84-343-0693-X.
  • Curt Grützmacher: Georges Rouault 1871-1958. Peter Hopf (Herausgeber), Curt Grützmacher (Einleitung). Verlag: Kunstamt Wedding, Berlin 1988, ISBN 978-908017-019-3 (früher: 908-017-019-4)
  • Georges Salles et Lionello Venturi: Georges Rouault, Éditions de La Connaissance, Nomb, Ill, 1952.
  • Lionello Venturi: Georges Rouault à New York, Edition Skira 1940.
  • Gotthard Jedlicka: Georges Rouault In: Architektur und Kunst, Bd. 31, Heft 11, 1944, S. 331–335.

Weblinks

Commons: Georges Rouault - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Georges Rouault aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.