Anthroposophische Prophezeiungen, die eingetreten sind und Die Lehrlinge zu Sais: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Die Lehrlinge zu Sais''' ist der Titel eines [[Naturphilosophie|naturphilosophischen]] [[Wikipedia:Roman|Roman]]fragments von [[Novalis]] (Friedrich von Hardenberg). Es wurde im Zeitraum von 1798 bis 1799 verfasst und erschien posthum 1802 (herausgegeben von [[Wikipedia:Friedrich Schlegel|Friedrich Schlegel]] und [[Wikipedia:Ludwig Tieck|Ludwig Tieck]]).


"(Es) muss die Menschheit erst fertig werden mit der Begegnung des Tieres, das 1933 aufsteigt." (Rudolf Steiner, GA 346, S. 239f.) (= Verhüllte Prophezeiung der Machtergreifung Hitlers)
== Entstehung und Einflüsse ==


"Ich werde es nicht mehr erleben, 1938/1939 wird ein Krieg sein, wie ihn die Welt noch nie erlebt hat. Wer überlebt, wird bessere Zeiten haben." (Rudolf Steiner. In: Erika Beltle/Kurt Bierl: Erinnerungen an Rudolf Steiner, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2015, S. 503)
Das grundsätzliche Thema des Romans, der als ''„ächtsinnbildlicher Naturroman“'' geplant war, ist der Zusammenhang von Geist und Natur, bzw. von Selbsterkenntnis und Naturerkenntnis, sowie die Ausbildung des Sinnes des Menschen für die Natur. Der Begriff Natur bezeichnet die Natur nicht nur im physischen Sinne, sondern das gesamte „In-der-Welt-sein“ des Menschen. Ein Bezug zu [[Friedrich Schiller|Schillers]] 1795 veröffentlichtem [[Wikipedia:Gedicht|Gedicht]] „Das verschleierte Bild zu Sais“ ist offensichtlich. Im Gegensatz zu ''„Die Lehrlinge zu Sais“'' scheitert der Bildungsprozess in Schillers Gedicht jedoch, da die [[Hybris]] des Jünglings, seine Wissensgier, bestraft wird.
Novalis stellte die Fertigstellung der ''„Lehrlinge zu Sais“'' zugunsten der Arbeit an seinem bekanntesten Werk, ''[[Heinrich von Ofterdingen]]'', zurück. Ein weiterer Grund für die Unterbrechung der Arbeit an den ''„Lehrlingen zu Sais“'' waren die neuen, naturmystischen Gedankengänge Hardenbergs, die durch die Beschäftigung mit den Schriften [[Jakob Böhme|Jakob Böhmes]] angeregt worden waren. Sie hätten eine Umarbeitung des Romans notwendig gemacht. Aufgrund seines frühen Todes am 25. März 1801 konnte Novalis jedoch das Werk nicht mehr vollenden. Zur Entstehungszeit studierte Novalis an der [[Wikipedia:Technische Universität Bergakademie Freiberg|Bergakademie Freiberg]] und beschäftigte sich eingehend mit [[naturwissenschaft|naturwissenschaftlichen]] und [[naturphilosophie|naturphilosophischen]] Fragestellungen. Dies hatte einen großen Einfluss auf den Roman.


Rudolf Steiner kündigte für die Jahre 1930 - 1940 besondere neue Fähigkeiten eines hellsichtigen Schauens des ätherischen Christus an.  
== Struktur und Inhalt ==
"Die ersten Anzeichen von diesen neuen Seelenfähigkeiten, die werden sich in vereinzelten Seelen schon verhältnismäßig bald bemerkbar machen. Und sie werden sich deutlicher zeigen in der Mitte der dreißiger Jahre unseres Jahrhundert, ungefähr in der Zeit zwischen 1930 und 1940. Die Jahre [[1933]], 1935 und 1937 werden besonders wichtig sein. Da werden sich am Menschen ganz besondere Fähigkeiten als natürliche Anlagen zeigen" (Rudolf Steiner, GA 118, S. 25)
Dazu führte er unter anderem weiter aus:
Der Text besteht aus zwei Teilen: Einem ersten, kürzeren Teil „Der Lehrling“ und einem zweiten, längeren Teil mit dem Titel „Die Natur“.
"Entweder der Materialismus unseres Zeitalters geht weiter: Dann wird man, wenn solche Kräfte sich zeigen, nicht verstehen, daß sie hinaufführen in die geistigen Welten; man wird sie mißverstehen, und dadurch werden sie unterdrückt werden. Wenn das geschähe, würde das nicht dazu berechtigen, daß die Menschen aus dem materialistischen Sinne heraus am Ende des Jahres 1940 etwa sagten: Nun seht, was das für phantastische Propheten waren am Anfange des 20. Jahrhunderts! Nichts hat sich erfüllt! - Denn wenn die neuen Fähigkeiten nicht da sein werden wird das keine Widerlegung dessen sein, was jetzt gesagt werden kann und muß, sondern es wird nur ein Beweis dafür sein, daß die unverständige Menschheit diese Fähigkeiten im Keime erstickt und sich dadurch etwas genommen haben wird, was die Menschheit wird haben müssen wenn sie in ihrer Entwickelung nicht verdorren und veröden will. Das ist die große Verantwortung der Anthroposophie. Die Anthroposophie ist entsprungen aus der Erkenntnis der Notwendigkeit, daß vorgearbeitet werden muß für etwas, was kommen wird, und das auch übersehen und unterdrückt werden könnte. Vorzuarbeiten hat die Anthroposophie für das Verständnis geistig sich entwickelnder Kräfte der Menschheit. Werden diese Kräfte unterdrückt werden, dann wird die Menschheit weiter in den Sumpf des Materialismus hineingehen." (Rudolf Steiner, GA 116, S. 93f.)
 
Der Roman beinhaltet kaum äußere Handlung, sondern größtenteils Gespräche bzw. Aussagen zu einem gemeinsamen Thema. Schauplatz des Geschehens ist der [[Tempel]] zu [[Sais]]. Die beiden Teile des [[Wikipedia:Fragment (Literatur)|Fragments]] bestehen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Stimmen, die sich in verschiedener Art und Weise über die Natur und die Erkenntnis der Natur äußern. Die Grundidee des Romans ist, diese Vielzahl an naturphilosophischen Vorstellungen in ein Gespräch untereinander umzuformen. Eine Sonderstellung nimmt das im zweiten Teil erzählte [[Wikipedia:Romantik|romantische]] [[Wikipedia:Kunstmärchen|Kunstmärchen]] von „Hyacinth und Rosenblüthe“ ein.  
 
Sowohl „Der Lehrling“ als auch „Die Natur“ können in ein [[Triade (Philosophie)|triadisch]] strukturiertes [[Wikipedia:Schema|Schema]] gebracht werden:
 
'''I. „Der Lehrling“'''
 
#Sprachreflexion
#Lehrer, Kind und Ungeschickter
#Lehrling
 
'''II. „Die Natur“'''
 
#Triade:
#*Naturreflexion
#*Vier mögliche Ansichten der Natur
#*Verwirrung des Lehrlings
#Triade: Märchen von „Hyazinth und Rosenblüthe“
#Triade:  
#*Selbstaussprache der Natur
#*Zweimal vier Ansichten der Reisenden
#*Schlußgespräche
 
Die Einteilung der Triaden, die keine [[Synthese]]n bieten, wird jedoch in der Forschung unterschiedlich vorgenommen und sollte als offene Struktureinteilung gesehen werden.
Teil I.1 beinhaltet eine sprachtheoretische Reflexion über die [[Wikipedia:Chiffre|Chiffre]]nschrift der Natur. In Teil I.2 treten der Lehrer, das Kind und der Ungeschickte auf. Teil I.3 besteht aus dem Selbstgespräch des Lehrlings, der den zuvor geäußerten Ansichten eine Absage erteilt und die Notwendigkeit einsieht, den eigenen Weg zu finden. Die Figur des Lehrlings stellt möglicherweise ein Selbstporträt Novalis‘ zu seiner Freiberger Studienzeit dar; in der Figur des Lehrers kann sein Professor [[Wikipedia:Abraham Gottlob Werner|Abraham Gottlob Werner]] (1750–1817) gesehen werden.  
 
Die Triaden in Teil II sind in sich wieder aufgegliedert. Der erste Teil der 1. Triade kann nach romantischem Triadenmuster aufgegliedert werden: Ausgangspunkt ist ein alter, einfacher Naturzustand, in dem die Natur noch verständlich war. Darauf folgt ein Zeitalter der Entfremdung von Mensch und Natur. Der dritte Teil ist die mögliche Wiederkehr eines goldenen Zeitalters, die Wiederherstellung des Urzustandes auf einem höheren Niveau. Es wird somit eine Spiralbewegung vollzogen.  
Im zweiten Teil der ersten Triade werden vier verschiedene, teils miteinander konkurrierende, naturphilosophische Konzepte geäußert. Hier werden unter anderem Anspielungen auf den [[Rationalismus]] und auf [[Johann Gottlieb Fichte]]s Philosophie deutlich.
Der dritte Teil der ersten Triade zeigt die Verwirrung des Lehrlings, der allen geäußerten Ansichten etwas Wahres abgewinnen kann. Es tritt nun ein heiterer „Gespiele“ auf, der sagt, dass der [[Philosophie]] die Stimmung (Liebe und Sehnsucht) fehle. Diese Figur erzählt das Märchen von „Hyacinth und Rosenblüthe“.  
 
Die dritte Triade beginnt mit einer Selbstaussprache der Natur, die sich über das fehlende Gefühl der Menschen für die ursprüngliche Einheit beklagt. Anschließend folgen vier Ansichten von Reisenden zur Annäherung von Mensch und Natur, die jeweils einmal modifiziert werden. Mit der dritten Stufe der dritten Triade bricht der Roman ab. Hier treffen die Reisenden, der Lehrling und der Lehrer zusammen. Die Reisenden berichten von ihrer Suche nach der Ursprache, die sie nach Sais geführt hat. Der Lehrer erzählt von seinen Bemühungen, die Anlagen in seinen Lehrlingen zu erkennen und zu pflegen.


Ganz scheinen diese Neuen Fähigkeiten nicht an der Menschheit vorbei gegangen zu sein, wie einige Bücher berichten. In dem bemerkenswertesten dieser Bücher handelt es sich um eine Dokumentation aus einer Region (Schweden), die nicht besetzt wurde von der deutschen Wehrmacht und daher im zweiten Weltkrieg auch unberührt blieb vom Einfluß des [[Nationalsozialismus]] (Vgl. "Sie erlebten Christus". Berichte aus einer Untersuchung des Religionssoziologischen Instituts Stockholm durch G. Hillerdal und B. Gustafsson, Vlg. Die Pforte, 3. Auflage, Basel 1980).
== Das Märchen von Hyacinth und Rosenblüthe ==


Rudolf Steiner prophezeite auch, dass sich der Bolschewismus in Europa nicht länger als 70 - 80 Jahre werde halten können. (Vgl. Friedwart Husemann: Rudolf Steiners Entwicklung, S. 18)
Hyacinth und Rosenblüthe leben in ihrer Kindheit glücklich und in Liebe zueinander. Dieses Verhältnis wird gestört, als ein fremder, alter Mann auftaucht, der Hyacinth drei Tage lang von fremden Ländern und wunderbaren Sachen erzählt. Nach dem Besuch des Mannes erkrankt Hyacinth an der romantischen Krankheit der [[Melancholie]]. Er lebt still und einsam vor sich hin, bis eine alte Frau im Wald ihm eines Tages erzählt, wie er Heilung finden kann. Er zieht nun von zu Hause fort und wandert durch die Natur auf der Suche nach der verschleierten Jungfrau. Die zunächst entfremdete Natur wird ihm im Laufe seiner Wanderung immer vertrauter und schließlich erreicht er den Tempel der [[Isis (Ägyptische Mythologie)|Isis]] und schläft dort ein. Im Traum gelingt es ihm nun den Schleier der Göttin zu lüften und er erkennt das höhere Selbst seiner geliebten Rosenblüthe, was zugleich sein höheres Ich meint. Mit ihr lebt er von nun an glücklich bis an sein Lebensende.
 
Durch die Liebe vermag Hyacinth somit hinter den Schleier zu blicken. Er hat eine Entwicklung durchgemacht und am Ende steht die Erkenntnis. Die Göttin und seine Geliebte verschmelzen in einer Mischung aus Traum und Realität. Das „Romantisieren“ kann hier verdeutlicht werden: Das unbekannte Heilige, die Göttin, wird [[Wikipedia:Logarithmus|logarithmiert]] und wird zu Rosenblüthe. In der Umkehrung jedoch wird Rosenblüthe zur Göttin [[Wikipedia:Potenz (Mathematik)|potenziert]].
 
Dieses Märchen kann als die [[Quintessenz]] von „Die Lehrlinge zu Sais“ angesehen werden. Die Grenzen zwischen den Individuen und der Natur verschwimmen. Fremdes und Vertrautes sind aus dem gleichen Stoff gemacht und die Liebe wird als höchste Erkenntnis erfahren. Es folgt somit, dass vollkommene Naturerkenntnis höhere Selbsterkenntnis ist.
 
Dieses Märchen ist nach dem bereits beschriebenen romantischen Triadenmuster gegliedert. Der anfängliche Zustand der Einheit wird zerstört, es folgt eine Phase der Entfremdung. Am Ende steht das goldene Zeitalter und Hyacinth lebt auf höherer Ebene mit Rosenblüte zusammen. Es hat somit eine Spiralbewegung stattgefunden.
 
{{GZ|Der schöne Knabe Hyazinth liebt das Mädchen Rosenblüte. Es ist
eine heimliche, verborgene Liebe. Nur die Blumen und die Tiere des
Waldes wissen von dieser Liebe des schönen Knaben Hyazinth zu
dem Mädchen Rosenblüte. Da erscheint ein Mann mit einem langen
Bart, der einen wunderbaren Eindruck macht und Wundergeschichten
erzählt, in denen der schöne Knabe Hyazinth ganz aufgeht. Er
wird ergriffen von einer tiefen Sehnsucht nach der verschleierten
Jungfrau, nach dem verschleierten Bild der Wahrheit. Und diese Sehnsucht
durchbebt seine ganze Seele. Diese Sehnsucht weitet seine Seele,
so daß er fremd wird dem, was seine unmittelbare Umgebung ist, daß
er hinstrebt zu dem Bilde der verschleierten Jungfrau. Er verläßt
Rosenblütchen, die weinend zurückbleibt. Er kommt durch alle möglichen
unbekannten Länder, er lernt vieles kennen auf seinem Wege.
Er gelangt zuletzt zum Isis-Tempel. - Alle Dinge kommen ihm so bekannt
und doch wieder so anders vor, als er sie früher erlebt hat. Sie
kommen ihm viel, viel herrlicher vor. Und siehe da, er wagt es, den
Schleier zu heben, - und Rosenblütchen stürzt in seine Arme.
 
Man kann kaum stimmungsvoller zur Darstellung bringen das Hinaustreten
der Seele aus ihrer Subjektivität in die Weiten des Weltenalls.
Man kann kaum intimer zur Darstellung bringen des Menschen
Seelensehnsucht nach der Wahrheit, und man kann kaum enger knüpfen
dasjenige, was der Mensch erleben kann bei dem Aufschwung in
die höchsten WahrheitsSphären mit dem, was der Mensch wiederum
als seine unmittelbarsten intimsten Tageserlebnisse durchmacht, wenn
er nur eine genug intime Seele dazu hat. Solches, wie es in diesem
Prosamärchen zum Ausdrucke kommt, und wie es nur eine Seele wie
die des Novalis zutage fördert, jene Seele, die im Grunde genommen
das Alltägliche so fühlte, daß es ihr zu gleicher Zeit ein unmittelbarer
Ausdruck des unendlich Großen war, jene Seele des Novalis, die es
in innerlicher Seelenwahrheit zuwege brachte, als ihr die erste geliebte
Persönlichkeit hinweggestorben war, mit ihr so zu leben, daß ihm die
Jenseitige wie eine Diesseitige war, daß er sie in unmittelbarer Gegenwart
erlebte, - Novalis* Seele vermochte es, das Übersinnliche im
Sinnlichen wahrhaftig zu erleben und das Sinnliche hinaufzuheben in
dem Erleben zu dem Charakter des Übersinnlichen. Alles floß bei
Novalis zusammen: das Wahrheitsstreben, das künstlerische Streben,
die religiöse Inbrunst. Nur dann verstehen wir ihn, wenn wir dieses
Zusammenfassende verstehen. Daher konnte in dieser Seele auch jene
merkwürdige Empfindung entstehen, die uns heraustönt aus den
«Lehrlingen zu Sais», und die etwa so sich aus Novalis* Seele herausringt:
Die Menschen haben empfunden, daß die Wahrheit in dem
Isisbilde verschleiert ist. «Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart
und die Zukunft, meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gehoben.»
Das ist der Wahrspruch dieser verschleierten Isis, und Novalis empfindet
ihn. Novalis empfindet gegenüber dem «meinen Schleier hat
noch kein Sterblicher gehoben»: Nun, so müssen wir eben Unsterbliche
werden! - Nicht verzweifelt Novalis' Gemüt daran, daß die
Seele den Schleier der Wahrheit heben kann, aber diese Seele muß sich
zunächst ihrer Unsterblichkeit in unmittelbarem Erleben bewußt werden.
Der Mensch, der das Unsterbliche in sich erlebt, darf nach Novalis'
Empfindung den Schleier der Isis heben. Es ist ein gewaltiges
Wort: Nun, so müssen wir eben Unsterbliche werden!
 
Dasjenige, was in umfassender Art in dieser Empfindung lebt, tritt
uns intim stimmungsvoll entgegen, wenn der schöne Knabe Hyazinth
nach langer Traumwanderung durch unbekannte Gegenden, die ihm
doch bekannt, aber nun viel herrlicher als das Bekannte erscheinen,
zum Isistempel kommt, den Schleier hebt und dasjenige, was er kennt,
was er liebt, ihm entgegentritt: Rosenblüte. Nur ist sie, wie wir uns
vorstellen können und es stimmungsvoll in dem Prosamärchen empfinden,
jetzt durch das Unendlichkeitserlebnis viel herrlicher geworden,
als sie war.|291|91ff|92}}
 
== Deutung ==
   
   
Bereits 1916 - also noch vor dem Eintritt Amerikas in den ersten Weltkrieg - formulierte Rudolf Steiner folgende Prophetie: “Es wird nicht lange dauern, wenn man das Jahr 2000 geschrieben haben wird, da wird nicht ein direktes, aber eine Art von Verbot für alles Denken von Amerika ausgehen, ein Gesetz, welches den Zweck haben wird, alles individuelle Denken zu unterdrücken.” (Rudolf Steiner, GA 167, Vortrag vom 4. April 1916). Damit drückte Rudolf Steiner aus, dass das Gerede von den westlichen Werten und Freiheiten zur Phrase, Konvention und schließlich zur Lüge wird. Denn in Wahrheit wird das individuelle Denken routiniert unterdrückt werden durch ein überbordendes, allherrschend gewordenes Wirtschaftsleben. Die freiheitliche Demokratie der westlichen Welt steht nur zu oft nur noch auf dem Papier - und wird, wie die "Wikileaks"- und NSA-Abhör-Debatte zeigt, nicht selten durch den Herrschaftsanspruch des "militärisch-industriellen Komplexes" (Noam Chomsky) auf dem Altar des "Common sense" gemeinsamer Werte und Interessen gewissermaßen zu Tode gebracht, d.h. dem Gotte "Mammon" zur Opfergabe gebracht.
Jegliche Interpretation und Auslegung der „Lehrlinge zu Sais“ ist stets unter dem Vorbehalt zu sehen, dass es sich bei dem betrachteten Text um ein Fragment handelt, über dessen endgültige, geplante Form, trotz zahlreicher, überlieferter [[Wikipedia:Paralipomenon|Paralipomena]], keine letztendliche Gewissheit besteht.
 
Der gesamte Roman ist eine Komposition aus Bruchstücken. Verschiedene Äußerungen werden zusammengestellt, aber keine der Äußerungen bringt die letztendliche Wahrheit zu Tage. Die Einheit des Werkes liegt vielmehr in seiner Stimmenvielfalt. Die einzelnen Abschnitte weisen zahlreiche Beziehungen und Verknüpfungen untereinander auf. Dieses multiperspektivische Verfahren ermöglicht wechselseitige Ergänzungen und Relativierungen. Wie Fäden weben [[Wikipedia:Leitmotiv|Leitmotive]] und Leitgedanken zusammen ein großes Gewebe. Dieses Kompositionsprinzip gleicht der Zusammensetzung der Natur. Somit spiegelt der Roman die Einheit der Natur wider. Die Bedeutung des Romans muss daher besonders in seiner Form gesehen werden. Dieses Gewebe ist jedoch nicht abgeschlossen, sondern das ganze Universum wird als ein ewiges Gespräch der Stimmenvielfalt gesehen. Der Leser ist also eingeladen dieses im Roman begonnene Gespräch fortzuführen und somit ein erweiterter bzw. erweiternder Autor zu sein. Das Ziel hierbei ist die Integration des Menschen in den Organismus der Natur. Dies bedeutet das Einswerden mit der Natur.


Betreffend China, Indien und dem Nahen Osten:
== Literatur ==
„Denn bedenken Sie nur einmal etwas, was zusammenhängt mit unseren durch Monate hindurch gepflogenen sozialen Betrachtungen. Die zielen darauf hin, den Nachweis zu führen von der Notwendigkeit, das geistige Leben neben dem Rechts- oder Staatsleben von dem bloß wirtschaftlichen Leben abzusondern. Vor allen Dingen zielen sie darauf hin, Verhältnisse über die Welt hin zu schaffen, oder wenigstens - mehr können wir ja zunächst nicht tun - Verhältnisse über die Welt hin als die richtigen zu betrachten, welche ein selbständiges Geistesleben begründen, ein Geistesleben, das nicht abhängig ist von den anderen Strukturen des sozialen Lebens, wie unser gegenwärtiges Geistesleben, das ganz drinnensteckt im Wirtschaftsleben auf der einen Seite und im politischen Staatsleben auf der anderen Seite. Entweder wird die heutige zivilisierte Menschheit sich dazu bequemen müssen, ein solches selbständiges Geistesleben hinzunehmen, oder die gegenwärtige Zivilisation muß ihrem Untergang entgegengehen und aus den asiatischen Kulturen muß sich etwas Zukünftiges für die Menschheit ergeben.“ (Rudolf Steiner, GA 191, S. 211f.)


Es sind als Folgen der ausbleibenden geistigen Erneuerung an Universitäten und Bildungsstätten, in Kirchen und Volkshochschulen, und als Folge der kulturellen Ignoranz gegenüber der [[Eurythmie]] und der [[anthroposophisch]]en Medizin wohl die spirituellen und kulturellen Impulse des [[Yoga]], [[Tai-Chi]] und der [[Sufismus]], welche in Mitteleuropa allmählich heimisch werden. Auch die Traditionelle Chinesische Medizin ([[TCM]]), die [[Akupunktur]] und das [[Ayurveda]] spielen in Europa eine immer größere Rolle. Dagegen sind die Waldorfpädagogik (mittlerweile auch in China) und die biologisch-dynamische Landwirtschaft (mittlerweile auch in SEKEM, Ägypten) weltweite Exportschlager.
* Jürgen Daiber: ''Experimentalphysik des Geistes. Novalis und das romantische Experiment.'' Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-20811-1.
* Ulrich Gaier: ''Krumme Regel. Novalis' „Konstruktionslehre des schaffenden Geistes“ und ihre Tradition.'' Max Niemeyer, Tübingen 1970, ISBN 3-484-10131-8 (''Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte'' 4).
* [[Wikipedia:Elke Heidenreich|Elke Heidenreich]]: ''Die Lehrlinge zu Sais''. In: [[Wikipedia:Walter Jens|Walter Jens]] (Hrsg.): ''[[Wikipedia:Kindlers Literaturlexikon|Kindlers neues Literaturlexikon]].'' Kindler, München 1988–1992.
* [[Wikipedia:Hermann Kurzke|Hermann Kurzke]]: ''Novalis.'' Beck, München 1988, ISBN 3-406-32436-3 (''Beck'sche Reihe'' 606 ''Autorenbücher'').
* Reinhard Leusing: ''Die Stimme als Erkenntnisform. Zu Novalis' Roman „Die Lehrlinge zu Sais“.'' M und P, Verlag für Wissenschaft und Forschung, Stuttgart 1993, ISBN 3-476-45033-3.
* Lothar Pikulik: ''Frühromantik. Epoche – Werke – Wirkung.'' Beck, München 1992, ISBN 3-406-36787-9 (''Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte'').
* Herbert Uerlings: ''Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. Werk und Forschung.'' Metzler, Stuttgart 1991, ISBN 3-476-00779-0.
* Herbert Uerlings: ''Novalis (Friedrich von Hardenberg).'' Reclam, Stuttgart 1998, ISBN 3-15-017612-3 (''Reclams Universal-Bibliothek'' Nr. 17612 ''Literaturstudium'').


Eine von Rudolf Steiner abgeleitete Prophezeiung ist diese:
== Weblinks ==
"Die (zweite) Gegenkraft ist der fanatische Islam, der momentan eine Renaissance erlebt. Von Südosten her droht eine Eroberung Europas durch den <<heiligen Krieg>> fanatischer moslemischer Gruppen. Es handelt sich hier um eine rein ideologische Auseinandersetzung, die in den kommenden Jahrzehnten eskalieren kann. (...) (Wir) stehen auch da in einem Geisteskampf, der nur durch eine christliche Kultur des Herzens gewonnen werden kann, wie es bereits einige Male im Lauf der letzten dreizehnhundert Jahre der Fall war." (Lit.: Bernard Lievegoed, Eine Kultur des Herzens, S. 58)


Judith von Halle schreibt im Zusammenhang mit den Versuchungen Christi (hier durch Ahriman) folgendes: "Die Herausforderung Ahrimans war geradezu genial in ihrer Heimtücke. Ahriman fragte ihn nach dem Gewinn dieses Opfers. Er wies auf die Zukunft hin und entblätterte alles, was tatsächlich die Zukunft an Schlechtem bringen würde. Doch war es nicht die ganze Wahrheit, denn er zeigte Ihm die Zukunft nur von einer Seite, ließ die helle Seite der Entwicklung aus, so daß es im Grunde die Unwahrheit war. Und doch war all das, was er ihm zeigte, wahr. Ahriman zeigte Ihm den zukünftigen Undank der Menschheit, den Mißbrauch Seiner neuen Mysterien, die unchristlichen Taten der Menschen, die in seinem Namen Seine Lehre verkehren würden, Er musste die falschen Messiasse sehen. Er mußte die sich aus Resignation zurückziehenden Engelscharen schauen, Er nahm in seiner ganzen Tragik wahr, wie sich trotz Seines Opfers bei nur wenigen Menschen die notwendigen Geistorgane ausbildeten, wie der Christus-Impuls erst versank, dann willentlich ad absurdum geführt wurde. Er schaute die Irrlehren der Zukunft, wie sie sich wider den Geist kehrten und sah ganze Völker sich von ihm lossagen. Er schaute die Zerstörung seiner hingeopferten Glieder, die Zerstörung der Natur, der Erde, des Christus-Leibes selbst, und Er mußte schauen, wie sich alle abgefallenen Völker, die Völker geblieben waren, weil sie den Ich-Impuls nicht ergriffen und sich nicht in Einzel-Iche aufgegliedert hatten, wie all diese Völker sich gegenseitig vernichteten. Er schaute die verschwindend geringe Zahl derer, die am Ende der Erdenzeiten eine wahrhaft christliche Entwicklung durchlaufen hatten. (...) "[Judith von Halle: <<Und wäre er nicht auferstanden...>>>, Vlg. am Goetheanum, Dornach 2005, S. 131 - 132].
*{{Webarchiv|url=http://www.schloss-oberwiederstedt.de/inb/index.shtml|wayback=20070610122319|text=Internationale Novalis-Bibliographie}}


"Es könnte möglich sein, daß sich einmal die Anthroposophie von der Anthroposophischen Gesellschaft lösen müßte. Es dürfte nicht sein, aber die Möglichkeit dazu wird bestehen.
{{SORTIERUNG:Lehrlinge zu Sais #Die}}
Wenn ich einmal nicht mehr da bin, wird eine Verintellektualisierung der anthroposophischen
[[Kategorie:Literarisches Werk]]
Geisteswissenschaft kommen. Das ist eine große Gefahr. Denn das bedeutet die Stagnation der ganzen Bewegung." (Rudolf Steiner, zitiert nach Adelheid Petersen: Rudolf Steiner über Vortragstätigkeit und Zweigarbeit. In: Erika Beltle/Kurt Vierl (Hg.): Erinnerungen an Rudolf Steiner, Vlg. Freies Geistesleben,
[[Kategorie:Roman]]
Stuttgart 2001, Seite 237).


[[Kategorie:Anthroposophie]]
{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Rudolf Steiner]]

Version vom 5. März 2018, 09:43 Uhr

Novalis um 1799, Porträt von Franz Gareis

Die Lehrlinge zu Sais ist der Titel eines naturphilosophischen Romanfragments von Novalis (Friedrich von Hardenberg). Es wurde im Zeitraum von 1798 bis 1799 verfasst und erschien posthum 1802 (herausgegeben von Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck).

Entstehung und Einflüsse

Das grundsätzliche Thema des Romans, der als „ächtsinnbildlicher Naturroman“ geplant war, ist der Zusammenhang von Geist und Natur, bzw. von Selbsterkenntnis und Naturerkenntnis, sowie die Ausbildung des Sinnes des Menschen für die Natur. Der Begriff Natur bezeichnet die Natur nicht nur im physischen Sinne, sondern das gesamte „In-der-Welt-sein“ des Menschen. Ein Bezug zu Schillers 1795 veröffentlichtem Gedicht „Das verschleierte Bild zu Sais“ ist offensichtlich. Im Gegensatz zu „Die Lehrlinge zu Sais“ scheitert der Bildungsprozess in Schillers Gedicht jedoch, da die Hybris des Jünglings, seine Wissensgier, bestraft wird. Novalis stellte die Fertigstellung der „Lehrlinge zu Sais“ zugunsten der Arbeit an seinem bekanntesten Werk, Heinrich von Ofterdingen, zurück. Ein weiterer Grund für die Unterbrechung der Arbeit an den „Lehrlingen zu Sais“ waren die neuen, naturmystischen Gedankengänge Hardenbergs, die durch die Beschäftigung mit den Schriften Jakob Böhmes angeregt worden waren. Sie hätten eine Umarbeitung des Romans notwendig gemacht. Aufgrund seines frühen Todes am 25. März 1801 konnte Novalis jedoch das Werk nicht mehr vollenden. Zur Entstehungszeit studierte Novalis an der Bergakademie Freiberg und beschäftigte sich eingehend mit naturwissenschaftlichen und naturphilosophischen Fragestellungen. Dies hatte einen großen Einfluss auf den Roman.

Struktur und Inhalt

Der Text besteht aus zwei Teilen: Einem ersten, kürzeren Teil „Der Lehrling“ und einem zweiten, längeren Teil mit dem Titel „Die Natur“.

Der Roman beinhaltet kaum äußere Handlung, sondern größtenteils Gespräche bzw. Aussagen zu einem gemeinsamen Thema. Schauplatz des Geschehens ist der Tempel zu Sais. Die beiden Teile des Fragments bestehen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Stimmen, die sich in verschiedener Art und Weise über die Natur und die Erkenntnis der Natur äußern. Die Grundidee des Romans ist, diese Vielzahl an naturphilosophischen Vorstellungen in ein Gespräch untereinander umzuformen. Eine Sonderstellung nimmt das im zweiten Teil erzählte romantische Kunstmärchen von „Hyacinth und Rosenblüthe“ ein.

Sowohl „Der Lehrling“ als auch „Die Natur“ können in ein triadisch strukturiertes Schema gebracht werden:

I. „Der Lehrling“

  1. Sprachreflexion
  2. Lehrer, Kind und Ungeschickter
  3. Lehrling

II. „Die Natur“

  1. Triade:
    • Naturreflexion
    • Vier mögliche Ansichten der Natur
    • Verwirrung des Lehrlings
  2. Triade: Märchen von „Hyazinth und Rosenblüthe“
  3. Triade:
    • Selbstaussprache der Natur
    • Zweimal vier Ansichten der Reisenden
    • Schlußgespräche

Die Einteilung der Triaden, die keine Synthesen bieten, wird jedoch in der Forschung unterschiedlich vorgenommen und sollte als offene Struktureinteilung gesehen werden. Teil I.1 beinhaltet eine sprachtheoretische Reflexion über die Chiffrenschrift der Natur. In Teil I.2 treten der Lehrer, das Kind und der Ungeschickte auf. Teil I.3 besteht aus dem Selbstgespräch des Lehrlings, der den zuvor geäußerten Ansichten eine Absage erteilt und die Notwendigkeit einsieht, den eigenen Weg zu finden. Die Figur des Lehrlings stellt möglicherweise ein Selbstporträt Novalis‘ zu seiner Freiberger Studienzeit dar; in der Figur des Lehrers kann sein Professor Abraham Gottlob Werner (1750–1817) gesehen werden.

Die Triaden in Teil II sind in sich wieder aufgegliedert. Der erste Teil der 1. Triade kann nach romantischem Triadenmuster aufgegliedert werden: Ausgangspunkt ist ein alter, einfacher Naturzustand, in dem die Natur noch verständlich war. Darauf folgt ein Zeitalter der Entfremdung von Mensch und Natur. Der dritte Teil ist die mögliche Wiederkehr eines goldenen Zeitalters, die Wiederherstellung des Urzustandes auf einem höheren Niveau. Es wird somit eine Spiralbewegung vollzogen. Im zweiten Teil der ersten Triade werden vier verschiedene, teils miteinander konkurrierende, naturphilosophische Konzepte geäußert. Hier werden unter anderem Anspielungen auf den Rationalismus und auf Johann Gottlieb Fichtes Philosophie deutlich. Der dritte Teil der ersten Triade zeigt die Verwirrung des Lehrlings, der allen geäußerten Ansichten etwas Wahres abgewinnen kann. Es tritt nun ein heiterer „Gespiele“ auf, der sagt, dass der Philosophie die Stimmung (Liebe und Sehnsucht) fehle. Diese Figur erzählt das Märchen von „Hyacinth und Rosenblüthe“.

Die dritte Triade beginnt mit einer Selbstaussprache der Natur, die sich über das fehlende Gefühl der Menschen für die ursprüngliche Einheit beklagt. Anschließend folgen vier Ansichten von Reisenden zur Annäherung von Mensch und Natur, die jeweils einmal modifiziert werden. Mit der dritten Stufe der dritten Triade bricht der Roman ab. Hier treffen die Reisenden, der Lehrling und der Lehrer zusammen. Die Reisenden berichten von ihrer Suche nach der Ursprache, die sie nach Sais geführt hat. Der Lehrer erzählt von seinen Bemühungen, die Anlagen in seinen Lehrlingen zu erkennen und zu pflegen.

Das Märchen von Hyacinth und Rosenblüthe

Hyacinth und Rosenblüthe leben in ihrer Kindheit glücklich und in Liebe zueinander. Dieses Verhältnis wird gestört, als ein fremder, alter Mann auftaucht, der Hyacinth drei Tage lang von fremden Ländern und wunderbaren Sachen erzählt. Nach dem Besuch des Mannes erkrankt Hyacinth an der romantischen Krankheit der Melancholie. Er lebt still und einsam vor sich hin, bis eine alte Frau im Wald ihm eines Tages erzählt, wie er Heilung finden kann. Er zieht nun von zu Hause fort und wandert durch die Natur auf der Suche nach der verschleierten Jungfrau. Die zunächst entfremdete Natur wird ihm im Laufe seiner Wanderung immer vertrauter und schließlich erreicht er den Tempel der Isis und schläft dort ein. Im Traum gelingt es ihm nun den Schleier der Göttin zu lüften und er erkennt das höhere Selbst seiner geliebten Rosenblüthe, was zugleich sein höheres Ich meint. Mit ihr lebt er von nun an glücklich bis an sein Lebensende.

Durch die Liebe vermag Hyacinth somit hinter den Schleier zu blicken. Er hat eine Entwicklung durchgemacht und am Ende steht die Erkenntnis. Die Göttin und seine Geliebte verschmelzen in einer Mischung aus Traum und Realität. Das „Romantisieren“ kann hier verdeutlicht werden: Das unbekannte Heilige, die Göttin, wird logarithmiert und wird zu Rosenblüthe. In der Umkehrung jedoch wird Rosenblüthe zur Göttin potenziert.

Dieses Märchen kann als die Quintessenz von „Die Lehrlinge zu Sais“ angesehen werden. Die Grenzen zwischen den Individuen und der Natur verschwimmen. Fremdes und Vertrautes sind aus dem gleichen Stoff gemacht und die Liebe wird als höchste Erkenntnis erfahren. Es folgt somit, dass vollkommene Naturerkenntnis höhere Selbsterkenntnis ist.

Dieses Märchen ist nach dem bereits beschriebenen romantischen Triadenmuster gegliedert. Der anfängliche Zustand der Einheit wird zerstört, es folgt eine Phase der Entfremdung. Am Ende steht das goldene Zeitalter und Hyacinth lebt auf höherer Ebene mit Rosenblüte zusammen. Es hat somit eine Spiralbewegung stattgefunden.

„Der schöne Knabe Hyazinth liebt das Mädchen Rosenblüte. Es ist eine heimliche, verborgene Liebe. Nur die Blumen und die Tiere des Waldes wissen von dieser Liebe des schönen Knaben Hyazinth zu dem Mädchen Rosenblüte. Da erscheint ein Mann mit einem langen Bart, der einen wunderbaren Eindruck macht und Wundergeschichten erzählt, in denen der schöne Knabe Hyazinth ganz aufgeht. Er wird ergriffen von einer tiefen Sehnsucht nach der verschleierten Jungfrau, nach dem verschleierten Bild der Wahrheit. Und diese Sehnsucht durchbebt seine ganze Seele. Diese Sehnsucht weitet seine Seele, so daß er fremd wird dem, was seine unmittelbare Umgebung ist, daß er hinstrebt zu dem Bilde der verschleierten Jungfrau. Er verläßt Rosenblütchen, die weinend zurückbleibt. Er kommt durch alle möglichen unbekannten Länder, er lernt vieles kennen auf seinem Wege. Er gelangt zuletzt zum Isis-Tempel. - Alle Dinge kommen ihm so bekannt und doch wieder so anders vor, als er sie früher erlebt hat. Sie kommen ihm viel, viel herrlicher vor. Und siehe da, er wagt es, den Schleier zu heben, - und Rosenblütchen stürzt in seine Arme.

Man kann kaum stimmungsvoller zur Darstellung bringen das Hinaustreten der Seele aus ihrer Subjektivität in die Weiten des Weltenalls. Man kann kaum intimer zur Darstellung bringen des Menschen Seelensehnsucht nach der Wahrheit, und man kann kaum enger knüpfen dasjenige, was der Mensch erleben kann bei dem Aufschwung in die höchsten WahrheitsSphären mit dem, was der Mensch wiederum als seine unmittelbarsten intimsten Tageserlebnisse durchmacht, wenn er nur eine genug intime Seele dazu hat. Solches, wie es in diesem Prosamärchen zum Ausdrucke kommt, und wie es nur eine Seele wie die des Novalis zutage fördert, jene Seele, die im Grunde genommen das Alltägliche so fühlte, daß es ihr zu gleicher Zeit ein unmittelbarer Ausdruck des unendlich Großen war, jene Seele des Novalis, die es in innerlicher Seelenwahrheit zuwege brachte, als ihr die erste geliebte Persönlichkeit hinweggestorben war, mit ihr so zu leben, daß ihm die Jenseitige wie eine Diesseitige war, daß er sie in unmittelbarer Gegenwart erlebte, - Novalis* Seele vermochte es, das Übersinnliche im Sinnlichen wahrhaftig zu erleben und das Sinnliche hinaufzuheben in dem Erleben zu dem Charakter des Übersinnlichen. Alles floß bei Novalis zusammen: das Wahrheitsstreben, das künstlerische Streben, die religiöse Inbrunst. Nur dann verstehen wir ihn, wenn wir dieses Zusammenfassende verstehen. Daher konnte in dieser Seele auch jene merkwürdige Empfindung entstehen, die uns heraustönt aus den «Lehrlingen zu Sais», und die etwa so sich aus Novalis* Seele herausringt: Die Menschen haben empfunden, daß die Wahrheit in dem Isisbilde verschleiert ist. «Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gehoben.» Das ist der Wahrspruch dieser verschleierten Isis, und Novalis empfindet ihn. Novalis empfindet gegenüber dem «meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gehoben»: Nun, so müssen wir eben Unsterbliche werden! - Nicht verzweifelt Novalis' Gemüt daran, daß die Seele den Schleier der Wahrheit heben kann, aber diese Seele muß sich zunächst ihrer Unsterblichkeit in unmittelbarem Erleben bewußt werden. Der Mensch, der das Unsterbliche in sich erlebt, darf nach Novalis' Empfindung den Schleier der Isis heben. Es ist ein gewaltiges Wort: Nun, so müssen wir eben Unsterbliche werden!

Dasjenige, was in umfassender Art in dieser Empfindung lebt, tritt uns intim stimmungsvoll entgegen, wenn der schöne Knabe Hyazinth nach langer Traumwanderung durch unbekannte Gegenden, die ihm doch bekannt, aber nun viel herrlicher als das Bekannte erscheinen, zum Isistempel kommt, den Schleier hebt und dasjenige, was er kennt, was er liebt, ihm entgegentritt: Rosenblüte. Nur ist sie, wie wir uns vorstellen können und es stimmungsvoll in dem Prosamärchen empfinden, jetzt durch das Unendlichkeitserlebnis viel herrlicher geworden, als sie war.“ (Lit.:GA 291, S. 91ff)

Deutung

Jegliche Interpretation und Auslegung der „Lehrlinge zu Sais“ ist stets unter dem Vorbehalt zu sehen, dass es sich bei dem betrachteten Text um ein Fragment handelt, über dessen endgültige, geplante Form, trotz zahlreicher, überlieferter Paralipomena, keine letztendliche Gewissheit besteht.

Der gesamte Roman ist eine Komposition aus Bruchstücken. Verschiedene Äußerungen werden zusammengestellt, aber keine der Äußerungen bringt die letztendliche Wahrheit zu Tage. Die Einheit des Werkes liegt vielmehr in seiner Stimmenvielfalt. Die einzelnen Abschnitte weisen zahlreiche Beziehungen und Verknüpfungen untereinander auf. Dieses multiperspektivische Verfahren ermöglicht wechselseitige Ergänzungen und Relativierungen. Wie Fäden weben Leitmotive und Leitgedanken zusammen ein großes Gewebe. Dieses Kompositionsprinzip gleicht der Zusammensetzung der Natur. Somit spiegelt der Roman die Einheit der Natur wider. Die Bedeutung des Romans muss daher besonders in seiner Form gesehen werden. Dieses Gewebe ist jedoch nicht abgeschlossen, sondern das ganze Universum wird als ein ewiges Gespräch der Stimmenvielfalt gesehen. Der Leser ist also eingeladen dieses im Roman begonnene Gespräch fortzuführen und somit ein erweiterter bzw. erweiternder Autor zu sein. Das Ziel hierbei ist die Integration des Menschen in den Organismus der Natur. Dies bedeutet das Einswerden mit der Natur.

Literatur

  • Jürgen Daiber: Experimentalphysik des Geistes. Novalis und das romantische Experiment. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-20811-1.
  • Ulrich Gaier: Krumme Regel. Novalis' „Konstruktionslehre des schaffenden Geistes“ und ihre Tradition. Max Niemeyer, Tübingen 1970, ISBN 3-484-10131-8 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 4).
  • Elke Heidenreich: Die Lehrlinge zu Sais. In: Walter Jens (Hrsg.): Kindlers neues Literaturlexikon. Kindler, München 1988–1992.
  • Hermann Kurzke: Novalis. Beck, München 1988, ISBN 3-406-32436-3 (Beck'sche Reihe 606 Autorenbücher).
  • Reinhard Leusing: Die Stimme als Erkenntnisform. Zu Novalis' Roman „Die Lehrlinge zu Sais“. M und P, Verlag für Wissenschaft und Forschung, Stuttgart 1993, ISBN 3-476-45033-3.
  • Lothar Pikulik: Frühromantik. Epoche – Werke – Wirkung. Beck, München 1992, ISBN 3-406-36787-9 (Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte).
  • Herbert Uerlings: Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. Werk und Forschung. Metzler, Stuttgart 1991, ISBN 3-476-00779-0.
  • Herbert Uerlings: Novalis (Friedrich von Hardenberg). Reclam, Stuttgart 1998, ISBN 3-15-017612-3 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 17612 Literaturstudium).

Weblinks


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