Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen

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Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen wird exklusiv im Matthäusevangelium überliefert und erzählt von der rechten Vorbereitung auf das Reich Gottes.

„1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zu den Händlern und kauft für euch selbst. 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“

Matthäus: 25,1-13 LUT

Rudolf Steiner gibt dazu folgende Erläuterungen:

„Ein anderes Gleichnis, das ich noch kurz anführen will, ist das von den fünf törichten und den fünf klugen Jungfrauen. Das gibt auch manches zu denken. Wir wollen es uns einmal vorführen: «Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen nicht Öl mit sich. Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und sie schliefen ein. Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe der Bräutigam kommt, gehet aus, ihm entgegen l Da standen diese Jungfrauen alle auf und schmückten ihre Lampen. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebet uns von eurem Öl, denn unsere Lampen verlöschen. Da antworteten die klugen: Nicht also, auf daß nicht uns und euch gebreche; gehet aber hin zu den Krämern und kaufet für euch selbst. Als sie aber hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam, und welche bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen. Zuletzt kamen auch die anderen Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns aufl Er aber sprach: Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht. Darum wachet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.»

Hier wird hingedeutet, daß dieses Gleichnis etwas damit zu tun hat, daß der Christus in Zukunft wieder erscheinen wird. Machen wir es uns einmal klar. Das können wir, wenn wir uns die Teile des Menschen noch einmal vor Augen führen. Wenn ich am Astralleibe arbeite, so wird im christlichen Sinne der Heilige Geist. Wenn das Ich am Ätherleibe arbeitet, so wird das, was wir Budhi nennen oder Christus oder der Logos. In meiner «Theosophie» wird der Heilige Geist Geistselbst genannt, und Christus, der Logos, wird Budhi oder Lebensgeist genannt.

Wenn wir den Menschen heute betrachten, dann finden wir, daß bei den Menschen, so wie sie heute leben, entwickelt sind: physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich. Wird von dem Ich an dem Astralleib gearbeitet, so entwickelt sich aus dem Astralleib der Heilige Geist, das Geistselbst, Manas. Und weil das Ich schon etwas am Astralleib gearbeitet hat, so ist bei den Menschen auch etwas Manas, etwas Heiliger Geist vorhanden. Dieses Manas wirkt in den Menschen hinein durch die Ausgießung des Heiligen Geistes. Es wird eine Zeit kommen, in welcher die Menschheit in die sechste der Wurzelrassen eintreten wird. Dann wird Manas ausgebildet sein bei denjenigen Menschen, die wirklich etwas für ihre Entwicklung getan haben. Bei diesen wird Manas ausgebildet sein. Sie werden bereit sein, Budhi, den Christus, das sechste Grundteil aufzunehmen. In der sechsten Rasse wird der Mensch den Christus entwickeln, und zwar die Mehrzahl der Menschen. Diesem Zeitpunkt gehen wir entgegen. Es ist ein Zeitpunkt, in dem der Christus Jesus erscheinen wird. In diesem Zeitpunkt wird den Menschen die Kraft gegeben, damit sie sich dahin bewegen können, wo sie den Christus in neuer Gestalt als Frucht empfangen können, da, wo der Christus gleichsam den Samen gelegt hat, wie ein Senf körnlein, das aufgehen wird in der Seele. In Sichtbarkeit wird ihnen der Christus erscheinen und zwar denjenigen, die das Christus-Auge in sich entwickelt haben. Was der Mensch in sich entwickelt, bezeichnet man durch ein Gleichnis, durch ein Symbolum. So wie der physische Mensch durch das Zusammenwirken des Männlichen und Weiblichen entsteht, so stellt man sich es vor, daß auch die übrigen Teile des Menschen befruchtet werden, daß die verschiedenen Teile ebenfalls in gewisser Weise befruchtet werden. In uralten Zeiten war nur der physische Leib für den Menschen vorhanden. Das war in der Saturnzeit. Dann entwickelte sich der Ätherleib und dann der Astralleib. Dieses Heraufkommen der neuen Entwickelungsmomente wird wie eine Befruchtung vorgestellt. Da können Sie, gerade bei diesem Beispiel, auch sehen, wie tief die Worte der Bibel zu fassen sind. Nicht umsonst wird in der Bibel gesagt: «Und Adam erkannte sein Weib» für die Tatsache, daß es befruchtet ist, weil das Bewußtsein von einem geistigen Befruchten dem zugrunde gelegt wird. Erkennen heißt: mit irgend etwas befruchtet sein. Selbsterkenntnis heißt nichts anderes, als befruchtet werden mit dem göttlichen Selbst. Erkenne dich selbst, heißt: Lasse dich befruchten mit dem göttlichen Selbst, das die Welt durchzieht.

Etwas Ähnliches liegt dem Gleichnis von den fünf törichten und den fünf klugen Jungfrauen in der christlichen Esoterik zugrunde. Sie stellt sich diese Befruchtung unter dem Bilde der Lampe vor, die Öl bekommen hat. So ist jeder dieser Menschenteile vorgestellt als die Jungfrau, die noch unbefruchtet ist, und die befruchteten Wesensglieder des Menschen als die Jungfrauen, die Öl auf die Lampe gegossen haben. Der unentwickelte Teil der Menschheit bleibt stehen, hat kein Öl auf der Lampe, bringt nicht seine Wesensglieder bis zu Budhi herauf; der entwickelte hat auf seine Körper den Geist wirken lassen, sozusagen Öl auf die Lampe gegossen. Die anderen haben kein Öl auf die Lampe gegossen, sie haben ihre fünf Glieder nicht entwickelt. Die ersteren haben sie entwickelt, sie haben sich zu dem wichtigen Zeitpunkte, in dem der Christus kommt, vorbereitet. Nun ist die Zeit da, wo der Christus kommt. Die einen werden Öl auf ihre Lampen gegossen haben, ihre Seelen werden hell werden und bereit sein, den Christus zu empfangen. Die anderen, welche in sich dunkel geblieben sind, werden sehen, daß andere das entwickelt haben und sie werden hingehen, um die Weisheit von den anderen zu empfangen. Sie werden das Öl bei den Krämern zu holen haben. Aber sie kommen zu spät. Und was wird der Christus zu den klugen Jungfrauen sagen? Ich kenne euch. - Und was wird er zu den unklugen Jungfrauen sagen? Ich kenne euch nicht.

Das Gleichnis, angewendet auf die Befruchtung, bedeutet also: Er wird kommen, um das sechste Grundteil zu befruchten, und er wird in das sechste Grundteil einziehen. «Adam erkannte sein Weib, und sie ward schwanger.» Und jetzt spricht der Bräutigam zu den unklugen Jungfrauen: Ich kenne euch nicht. - Wenn wir ein solches Wort aus der Tiefe der Schrift übernehmen, dann wird es immer stimmen. Wenn wir so weiter vorgingen, würden wir finden, daß die Bibel Buchstabe für Buchstabe die geisteswissenschaftliche Lehre enthält und daß wir die geisteswissenschaftlichen Wahrheiten daraus lernen können. Wir brauchten kein anderes Buch. Wer sagt, die Bibel widerspricht der Geisteswissenschaft, der kennt die Bibel nicht, gleichviel ob es noch so hoch sich dünkende Theologen sind, die das sagen. Es muß aber das spirituelle Leben in dieser Urkunde wiedergefunden werden.“ (Lit.:GA 96, S. 310ff)

„Es ist außerordentlich geistvoll im Weltendasein eingerichtet, daß uns gewisse Dinge als Zufall entgegentreten; daher müssen wir sie selbst erst aufwinden auf Fäden einer Gesetzmäßigkeit, die wir in ihnen selbst erst entdecken müssen. Und damit wir uns dabei selbst ergreifen, uns selbst in die Waagschale werfen, um in unserer Entwickelung weiterzukommen, wurde es in unsern Willen gestellt, entweder weise zu sein oder töricht, entweder anzuerkennen eine Gesetzmäßigkeit auch in den Zufälligkeiten oder nur die starren Naturgesetze gelten zu lassen. So wird es sich nach und nach heranbilden, daß im Laufe der Zeit diejenigen Wissenszweige dasein werden, die sich nur der äußeren, abstrakten, verstandesmäßigen Naturgesetze bedienen wollen und alles andere als Zufall abweisen werden. Diese äußeren Wissenszweige werden wie Betätigungen des Seelenlebens erscheinen, die aber - wenn der Mensch mit seinem Seelenwesen aufgeblickt hätte im Sinne des Schlusses des Goetheschen «Faust» in eine höhere Welt und in die Nähe dessen gekommen wäre, was man in aller Mystik als «Ewig Weibliches » bezeichnet, wo die ewigen Naturgesetze und die wissenschaftlichen Zweige symbolisch-mystisch als Weibliches dargestellt werden - am Ende des Erdendaseins als «törichte Jungfrauen» sich erweisen würden. Dagegen wird sich in dem, was sich heute als Geisteswissenschaft geltend macht, etwas heranbilden, das dort, worin die törichten Jungfrauen, die äußeren Wissenschaften, keine Gesetzmäßigkeit hereinbringen können, Gesetzmäßigkeit und Weisheit hereinbringen wird. Das wird ausbilden eine Anzahl von Wissenszweigen, und diese werden am Ende der Erdenentwickelung die «weisen Jungfrauen » sein. Und es zeigt schon die schöne Parabel im Evangelium, wie es, wenn die Zeiten erfüllt sein werden, ergehen wird den törichten und den weisen Jungfrauen.“ (Lit.:GA 133, S. 46f)

Siehe auch

Literatur

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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.