Bibliothek:Mabel Collins und Bibliothek:Mabel Collins/Licht auf dem Weg: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Odyssee
(Die Seite wurde neu angelegt: „== Licht auf dem Weg. == Der vorliegende Text folgt der Ausgabe von 1904, ins Deutsche übertragen von Oskar von Hoffmann. === 1. === Geschrieben wurden diese L…“)
 
Zeile 1: Zeile 1:
== Mabel Collins, ausgewählte Schriften ==
== Licht auf dem Weg. ==
[[Datei:Mabel Collins.jpg|thumb|250px|[[Mabel Collins]] (1911)]]


* [[Bibliothek:Mabel Collins/Licht auf dem Weg|Licht auf dem Weg]]
Der vorliegende Text folgt der Ausgabe von 1904, ins Deutsche übertragen von Oskar von Hoffmann.
* [[Bibliothek:Mabel Collins/Light on the Path|Light on the Path]]
* [[Bibliothek:Mabel Collins/Light on the Path/Comments|Comments to «Light on the Path»]]


[[Kategorie:Bibliothek]]
=== 1. ===
Geschrieben wurden diese Lehren für jeden, der die Wahrheit sucht. Beachte sie!
Bevor das Auge sehen kann, muß es der Tränen sich entwöhnen. Bevor das Ohr vermag zu hören, muß die Empfindlichkeit ihm schwinden. Eh' vor den Meistern kann die Stimme sprechen, muß das Verwunden sie verlernen. Und eh' vor ihnen stehen kann die Seele, muß ihres Herzens Blut die Füße netzen.
 
1. Ertöte den Ehrgeiz.
 
2. Ertöte die Liebe zum Leben.
 
3. Ertöte den Wunsch nach Behagen.
 
4. Wirke gleich denen, die ehrgeizig sind. Achte das Leben gleich denen, die's lieben. Sei glücklich gleich dem, der dem Glücke nur lebt.
Such in dem Herzen die Wurzel des Bösen und reiße sie aus. Denn es treibt und es wuchert im Herzen des eifrigen Jüngers gleichwie in den Herzen der Kindern der Welt. Nur der Starke vermag es zu töten. Der Schwache jedoch muß sein Wachstum erwarten, sein Reifen, sein Sterben.
 
Durch Weltenalter wächst dies Kraut im Menschen. Es wuchert, doch in Blüte tritt es erst, wenn vieler Leben Unzahl er durchlaufen. Wer der Beherrschung Weg betreten will, muß dieses Kraut aus seinem Herzen reißen. Wohl wird alsdann das Herzblut reichlich fließen, das ganze Leben wird vernichtet scheinen. Die Prüfung aber muß bestanden werden. Vielleicht tritt sie an dich heran schon bei dem ersten Schritt des wagnisvollen Klimmens hinauf zum Lebensweg, vielleicht beim letzten. Bedenke wohl: Sie muß bestanden werden, - und setze alle Kräfte ans Vollbringen. Nicht in dem Augenblicke darfst du leben, nicht in der Zukunft, - nur im Ewigen. Dort kann dies Riesenunkraut nicht gedeihen: der Hauch schon eines Ewigkeitsgedankens tilgt diesen Flecken aus von deinem Dasein.
 
5. Ertöte den Sinn für das Sondersein.
 
6. Ertöte das Streben nach Sinnenwirkung.
 
7. Ertöte die Gier nach dem Wachstum.
 
8. Doch stehe einsam auf dich selbst beschränkt, weil nichts, was an dem Erdenkörper haftet, nichts, was vom Sinn des Sonderseins erfüllt, nichts, was der Ewigkeit entfremdet lebt, dir Hilfe bringt. Beachte die Empfindung. Nur wenn es dir gelingt, aus ihr zu erlernen, erschließt du dir der Selbsterkenntnis Pforte und klimmst empor der Leiter erste Stufe. Gleichwie die Blume unbewußt erwächst, doch sehnsuchtsvoll, dem Licht sich zu erschließen, so wachse du; so strebe sehnsuchtsvoll, dem Ewigen die Seele zu erschließen. Doch nur das Sehnen nach dem Ewigen darf Kraft und Schönheit dir entwickeln, der Wunsch nach Wachstum nicht; denn während jenes zu höchster Reinheit Schöne dich entfaltet, erstarrt des andren mächtige Leidenschaft dich zur persönlichen Gestaltung.
 
9. Trachte nach dem nur, was in dir wohnt.
 
10. Trachte nach dem nur, was jenseits des Selbst liegt.
 
11. Trachte nach dem nur, was stets unerreichbar.
 
12. Denn in dir wohnt das Licht der Welt, - das einzige, das deinen Weg bestrahlt.
Vermagst du nicht es in dir zu erkennen, du wirst es anderwärts vergebens suchen. Und dennoch liegt es jenseits deiner selbst. Dringst du zu ihm, hast du dich selbst verloren. Und unerreichbar ist's denn immer weicht's zurück. In seinen Lichtkreis magst du dringen, doch seine Flamme wirst du nie berühren.
 
13. Strebe mit Eifer nach Herrschaft.
 
14. Trachte mit Inbrunst nach Frieden.
 
15. Erstrebe vor allem Besitz.
 
16. Doch der Besitz, den du erstreben sollst, kann nur der reinen Seele angehören und muß deshalb den reinen Seelen all in gleicher Weise mit zu eigen sein – ein Sondergut nur des geeinten Ganzen. Drum giere nimmer du nach andrem Gut als jenem, das der reinen Seele frommt, auf daß für den geeinten Geist des Lebens - dein einzig wahres Selbst - du Gut gewinnst. Es ist der Friede, den du suchen sollt, der heilige Friede, den nichts stören kann; in dessen Schutz die Seele sich entfaltet, der heiligen Blume gleich auf stillem Weiher. Und andere Herrschaft sollst du nicht begehren als jene, welche in der Menschen Augen dich wie ein Nichts erscheinen läßt.
 
17. Suche den Weg.
 
18. Suche den Weg in der innern Versenkung.
 
19. Suche den Weg, indem kühn du heraus aus dir selbst trittst.
 
20. Doch such ihn nicht in einer Richtung nur. Es dünket einer jeden Sinnesart zwar eine Richtung die versprechende. Doch Hingebung allein bahnt nicht den Weg, nicht frommes Sinnen, eifrig Vorwärtsstreben, die Arbeit nicht, die jedes Opfer fähig, und nicht des Lebens emsiges Erforschen. Vereinzelt hebt dich jedes eine Stufe, doch alle Stufen bilden erst die Leiter. Die Laster auch, besieg eins nach dem andern, sie müssen dir zu Stufen werden. Und Stufen auch sind deine Tugenden, notwendig und um keinen Preis zu missen. Doch ob des Wetters und des Windes Gunst, ob eine frohe Zukunft sie dir schaffen, sind nutzlos sie, wenn sie vereinzelt stehn. Nur wer sein ganzes Wesen weise nützt, vermag den Weg der Wahrheit zu betreten. Ein jeder Mensch ist schlechterdings sich selbst der Weg, die Wahrheit und das Leben. Doch dann nur ist er's, wenn er stets erfaßt sein ganzes Wesen, wenn er mit der Kraft des geistigen, in ihm geweckten Willens dies Wesen schaut nicht als sein eignes Selbst, als das Geschöpf nur, das er unter Mühsal zum eigenen Gebrauch sich selber schuf, mit dem er, wenn die Einsicht ihm gewachsen, das Leben einst sich zu erringen hofft, das jenseits liegt von jedem Sondersein. Erkennt er dies als Zweck des wunderbar verwobenen Sonderlebens, nur dann hat er, doch dann fürwahr hat er den Weg gefunden. Such ihn, indem du tauchst in deines Innern geheimnisvolle, wunderbare Tiefen. Such ihn durch Prüfung jeglicher Erfahrung, durch Nützung deiner Sinne, um Bedeutung und Wachstum deines Wesens zu ergründen, um zu verstehen die Schönheit und das Dunkel der Bruderkeime göttlicher Natur, die neben dir empor sich ringen, als Glieder deines eigenen Geschlechts. Such ihn in der Erforschung der Gesetze des Seins und der Natur und des Gebiets des Überirdischen, das euch verschleiert. Such ihn, indem du tief die Seele neigst vor jenem Stern, der dämmernd in dir strahlt. Wie du ihn stetig hütest und verehrst, wird stetig auch sein Licht erstarken. Dann hast des Weges Anfang du gefunden. Und hast sein Ende du erreicht, dann plötzlich wird sein Licht zum ewigen Lichte.
 
21. Erwarte das Blühen der Blume inmitten der Stille nach Sturmesgetose: nicht früher. Wohl wird sie keimen, sprießen, wachsen, wird Blatt und Zweig und Knospe bilden, noch während Sturm und Kampf dich wild umtoben. Doch nicht bevor dein ganzes Menschenwesen geschmolzen und zerronnen, nicht bevor der Gottesteil in dir, der jenes schuf, in ihm das bloße Werkzeug nur erkennt, um der Erfahrung reichen Schatz zu sammeln, und nicht bevor dein ganzes inneres Sein sich deinem höheren Selbst hat unterworfen, kann jene Blüte ihren Kelch erschließen. Dann - wie im Tropenland nach Sturm die Stille, wo die Natur mit Doppeleifer schafft, und man ihr Wirken wahrzunehmen wähnt - wird eine Ruhe sich herniedersenken auf deinen müden und gequälten Geist. Und dann inmitten dieser tiefen Stille wird das Geheimnisvolle sich ereignen, dir kündend, daß der Weg gefunden ist. Du magst es nennen, wie es gut dir dünkt. Nenn's eine Stimme, welche zu dir spricht, wo niemand ist, der sprechen kann, - nenn's einen Boten, der zu dir gesandt, ein Bote, der nicht Stoff hat, noch Gestalt, - nenn's deiner Seele Blume, die sich öffnet. Kein sinnig Bild vermag es dir zu schildern. Doch selbst, wenn du vom Sturme noch umbraust, kannst danach tasten du und spähen und deines Herzens Sehnen darauf richten. Ob Augenblicke nur die Stille währe, ob Tausende von Jahren, - sie wird enden, du aber gehst gestärkt aus ihr hervor. - Und stets von neuem wiederum beginnend, mußt du zum Kampfe schreiten und mußt siegen. Denn Zwischenrasten nur kennt die Natur. Das dir Gegebene sind die ersten Lehren - in Stein gehauen in des Lernens Halle. Der, welcher bittet, wird empfangen. Der, welcher wünscht zu lesen, der wird lesen. Der, welcher wünscht zu lernen, der wird lernen.
 
Der Friede sei mit dir.
=== 2. ===
 
Und aus der Stille, die der Frieden ist, ertönet mächtig eine Stimme. Und diese Stimme spricht: Es ist nicht recht; du hast geerntet, säen mußt du nun. Und im Bewußtsein, daß die Stimme die Stille selber ist, wirst du gehorchen. Der du zum Jünger nun geworden bist, der du vermagst zu sprechen und zu stehen und fähig bist zu hören und sehen, der das Verlangen du hast überwunden, der du Erkenntnis deines Selbst errungen, der Seele Blühn erschauet und erkannt, der du der Stille Stimme hast vernommen, betritt nun freien Muts des Lernens Halle und lies, was dort für dich geschrieben steht.
 
1. Tritt zur Seite im kommenden Kampfe, und so du auch streitest, sei du nicht der Streiter.
 
2. Späh nach dem Streiter; in dir laß ihn kämpfen.
 
3. Seine Weisung erwarte zum Kampfe; ihr folge.
 
4. Gehorch ihm nicht, wie man gehorcht dem Feldherrn; gehorche ihm, als wäre er dein Selbst, und sein Befehl der Ausdruck deiner Wünsche. Fürwahr er ist dein Selbst, unendlich weiser und stärker als du. Schau aus nach ihm, daß in des Kampfes Hast und Hitze du nicht an ihm vorübereilst. Nicht kennen wird er dich, so du nicht ihn erkennst. Erreicht dein Ruf sein lauschend Ohr, dann wird in dir er kämpfen und erfüllen die dumpfe Leere deines Innern. So dies geschieht, dann kannst mit Gleichmut du, dann wirst du mühelos den Kampf bestehen: Du trittst zurück und läßt ihn für dich streiten; und keiner deiner Streiche fehlt sein Ziel. Doch spähst du nicht, eilst du an ihm vorüber, so bist du sonder Schutz; dein Herz verzagt, dein Hirn verwirrt sich dann, im Sturm und Staub des Kampfgewühls vergehen dir die Sinne, und von dem Feind kannst du den Freund nicht scheiden. Er ist dein Selbst, doch während endlich du, dem Irrtum untertan, - ist unfehlbar und ewig er. Er ist die ewige Wahrheit. Ist einmal erst er in dich eingezogen, und ist zu deinem Streiter er geworden, wird nimmer wieder ganz er von dir weichen. Und an dem Tag des großen Friedens wird er in Eins mit dir verschmelzen.
 
5. Lausche dem Liede des Lebens.
 
6. Bewahre in deinem Gedächtnis die Weise, die dann dir ertönt.
 
7. Die Lehre des Wohlklangs erlerne daraus.
 
8. Du stehst nun aufrecht, fest - gleichwie der Fels, von Brandung rings umwogt - gehorsam ihm, dem Streiter, deinem König, deinem Selbst. Bleib unbeteiligt an dem Kampfe, es sei den seine Weisung zu vollziehn. Sei ohne Sorge um des Kampfes Ausgang. Nur eins ist wichtig, - daß der Streiter siege, und, wie du weißt, unüberwindlich ist er. So warte kalten Bluts und wachen Sinnes und nütze dein Gehör, das du errungen durch Leiden und des Leides Überwindung. Dein Ohr erreichen nur verirrte Klänge des großen Lieds, solange du Mensch noch bist. Doch was du hörst, bewahre treu im Sinn, daß nichts von dem Erlauschten dir entschwinde, und strebe, d'raus den Inhalt zu erkennen von dem Geheimnis, das dich rings umschließt. Es kommt die Zeit da keines Lehrers du bedarfst. Denn stimmbegabt, gleich wie der Mensch es ist, ist auch die Welt, in der er sich bewegt. Das Leben selbst hat Sprache, kennt kein Schweigen. Sein Laut ist nicht, wie du - der Taube - wähnst, ein Schrei: es ist Gesang! Erkenn daraus, daß von der Töne wunderbarem Weben ein Teil du bist, und lerne sein Gesetz befolgen und verstehn.
 
9. Prüfe mit Eifer das Leben, das rings dich umgibt.
 
10. Lerne zu lesen die Herzen der Menschen.
 
11. Am eifrigsten prüfe das eigene Herz.
 
12. Denn durch das eigne Herz nur bricht das Licht, das hell das Leben dir beleuchten und deinem Blick es offenbaren kann. Der Menschen Herzen suche zu ergründen, daß du verstehst die Welt, in der du lebst, und deren Teil zu sein dein Wille ist. Erforsche ernst das Leben, das beständig in wechselnder Bewegung dich umwogt, - der Menschen Herzen sind es, die's gestalten. Wie du ihr Wesen, ihren Zweck erkennst, so wirst allmählich du auch lesen lernen des Lebens größeres Wort.
 
13. Die Sprache kommt nur mit dem Wissen. Erring das Wissen, und dir wird die Sprache.
 
14. Bist du der innern Sinne Herr geworden und hast der äußern Sinne Trieb besiegt, der eignen Seele Neigung überwunden und hast du Wissen dir errungen, dann, Jünger, halte dich bereit, den Weg in Wirklichkeit nun zu betreten. Gefunden ist der Pfad, bereite dich, ihn zu beschreiten.
 
15. Frage die Erde, die Luft und das Wasser nach jedem Geheimnis, das sie für dich bergen. Der inneren Sinne Entfaltung gewähret die Macht dir dazu.
 
16. Des Erdenrunds Heilige frage nach jedem Geheimnis, das sie dir bewahren. Der Sieg über äußerer Sinne Begierden gewährt das Recht dir dazu.
 
17. Das Innerste frage, das Eine, nach seiner Geheimnisse letztem, das dir es umschließt seit Jahrtausenden. Der große, schwere Kampf, die Überwindung der Wünsche deiner eignen Seele, ist eine Arbeit von Jahrtausenden. Erwarte deshalb nicht den Siegespreis, eh' du Erfahrung von Jahrtausenden gesammelt. Kommt dann die Zeit, wo diese letzte Lehre zur Wahrheit wird, betritt der Mensch die Schwelle, die über's Menschentum hinaus ihn hebt.
 
18. Das Wissen, das du nun dein eigen nennst, ist nur dein Eigentum, weil deine Seele in Eins verschmolzen ist mit allen Seelen und Eins geworden mit dem Innersten. Es ist ein Schatz vom höchsten dir vertraut. Doch täuschst du sein Vertrau'n, mißbrauchst dein Wissen du, läßt du es schlummern, wo du's nützen solltest, dann selbst von der erklommnen Höhe ist der Sturz noch möglich. An der Schwelle selbst da weichen noch Erhobne zurück, unfähig, die Verantwortung zu tragen und außer stand, sich höher aufzuschwingen. Darum gedenke stets mit heiliger Furcht, mit bangem Zittern dieses Augenblicks und rüste dich im voraus zu dem Kampf.
 
19. Es steht geschrieben, daß es nicht Gesetz, noch Führer gibt für jenen, dessen Fuß die Schwelle zu der Göttlichkeit betritt. Doch werde zu des Jüngers Klärung der Kampf bezeichnet durch dies Wort: An dem halt fest, was sonder Stoff und Dasein.
 
20. Lausche nicht anderer Stimme als der, welche lautlos ist.
 
21. Schaue nach dem nur, was unsichtbar inneren wie äußeren Sinnen.
 
Der Friede sei mit dir.
 
[[Kategorie:Mabel Collins (Text)]]

Version vom 5. Juni 2009, 08:08 Uhr

Licht auf dem Weg.

Der vorliegende Text folgt der Ausgabe von 1904, ins Deutsche übertragen von Oskar von Hoffmann.

1.

Geschrieben wurden diese Lehren für jeden, der die Wahrheit sucht. Beachte sie! Bevor das Auge sehen kann, muß es der Tränen sich entwöhnen. Bevor das Ohr vermag zu hören, muß die Empfindlichkeit ihm schwinden. Eh' vor den Meistern kann die Stimme sprechen, muß das Verwunden sie verlernen. Und eh' vor ihnen stehen kann die Seele, muß ihres Herzens Blut die Füße netzen.

1. Ertöte den Ehrgeiz.

2. Ertöte die Liebe zum Leben.

3. Ertöte den Wunsch nach Behagen.

4. Wirke gleich denen, die ehrgeizig sind. Achte das Leben gleich denen, die's lieben. Sei glücklich gleich dem, der dem Glücke nur lebt. Such in dem Herzen die Wurzel des Bösen und reiße sie aus. Denn es treibt und es wuchert im Herzen des eifrigen Jüngers gleichwie in den Herzen der Kindern der Welt. Nur der Starke vermag es zu töten. Der Schwache jedoch muß sein Wachstum erwarten, sein Reifen, sein Sterben.

Durch Weltenalter wächst dies Kraut im Menschen. Es wuchert, doch in Blüte tritt es erst, wenn vieler Leben Unzahl er durchlaufen. Wer der Beherrschung Weg betreten will, muß dieses Kraut aus seinem Herzen reißen. Wohl wird alsdann das Herzblut reichlich fließen, das ganze Leben wird vernichtet scheinen. Die Prüfung aber muß bestanden werden. Vielleicht tritt sie an dich heran schon bei dem ersten Schritt des wagnisvollen Klimmens hinauf zum Lebensweg, vielleicht beim letzten. Bedenke wohl: Sie muß bestanden werden, - und setze alle Kräfte ans Vollbringen. Nicht in dem Augenblicke darfst du leben, nicht in der Zukunft, - nur im Ewigen. Dort kann dies Riesenunkraut nicht gedeihen: der Hauch schon eines Ewigkeitsgedankens tilgt diesen Flecken aus von deinem Dasein.

5. Ertöte den Sinn für das Sondersein.

6. Ertöte das Streben nach Sinnenwirkung.

7. Ertöte die Gier nach dem Wachstum.

8. Doch stehe einsam auf dich selbst beschränkt, weil nichts, was an dem Erdenkörper haftet, nichts, was vom Sinn des Sonderseins erfüllt, nichts, was der Ewigkeit entfremdet lebt, dir Hilfe bringt. Beachte die Empfindung. Nur wenn es dir gelingt, aus ihr zu erlernen, erschließt du dir der Selbsterkenntnis Pforte und klimmst empor der Leiter erste Stufe. Gleichwie die Blume unbewußt erwächst, doch sehnsuchtsvoll, dem Licht sich zu erschließen, so wachse du; so strebe sehnsuchtsvoll, dem Ewigen die Seele zu erschließen. Doch nur das Sehnen nach dem Ewigen darf Kraft und Schönheit dir entwickeln, der Wunsch nach Wachstum nicht; denn während jenes zu höchster Reinheit Schöne dich entfaltet, erstarrt des andren mächtige Leidenschaft dich zur persönlichen Gestaltung.

9. Trachte nach dem nur, was in dir wohnt.

10. Trachte nach dem nur, was jenseits des Selbst liegt.

11. Trachte nach dem nur, was stets unerreichbar.

12. Denn in dir wohnt das Licht der Welt, - das einzige, das deinen Weg bestrahlt. Vermagst du nicht es in dir zu erkennen, du wirst es anderwärts vergebens suchen. Und dennoch liegt es jenseits deiner selbst. Dringst du zu ihm, hast du dich selbst verloren. Und unerreichbar ist's denn immer weicht's zurück. In seinen Lichtkreis magst du dringen, doch seine Flamme wirst du nie berühren.

13. Strebe mit Eifer nach Herrschaft.

14. Trachte mit Inbrunst nach Frieden.

15. Erstrebe vor allem Besitz.

16. Doch der Besitz, den du erstreben sollst, kann nur der reinen Seele angehören und muß deshalb den reinen Seelen all in gleicher Weise mit zu eigen sein – ein Sondergut nur des geeinten Ganzen. Drum giere nimmer du nach andrem Gut als jenem, das der reinen Seele frommt, auf daß für den geeinten Geist des Lebens - dein einzig wahres Selbst - du Gut gewinnst. Es ist der Friede, den du suchen sollt, der heilige Friede, den nichts stören kann; in dessen Schutz die Seele sich entfaltet, der heiligen Blume gleich auf stillem Weiher. Und andere Herrschaft sollst du nicht begehren als jene, welche in der Menschen Augen dich wie ein Nichts erscheinen läßt.

17. Suche den Weg.

18. Suche den Weg in der innern Versenkung.

19. Suche den Weg, indem kühn du heraus aus dir selbst trittst.

20. Doch such ihn nicht in einer Richtung nur. Es dünket einer jeden Sinnesart zwar eine Richtung die versprechende. Doch Hingebung allein bahnt nicht den Weg, nicht frommes Sinnen, eifrig Vorwärtsstreben, die Arbeit nicht, die jedes Opfer fähig, und nicht des Lebens emsiges Erforschen. Vereinzelt hebt dich jedes eine Stufe, doch alle Stufen bilden erst die Leiter. Die Laster auch, besieg eins nach dem andern, sie müssen dir zu Stufen werden. Und Stufen auch sind deine Tugenden, notwendig und um keinen Preis zu missen. Doch ob des Wetters und des Windes Gunst, ob eine frohe Zukunft sie dir schaffen, sind nutzlos sie, wenn sie vereinzelt stehn. Nur wer sein ganzes Wesen weise nützt, vermag den Weg der Wahrheit zu betreten. Ein jeder Mensch ist schlechterdings sich selbst der Weg, die Wahrheit und das Leben. Doch dann nur ist er's, wenn er stets erfaßt sein ganzes Wesen, wenn er mit der Kraft des geistigen, in ihm geweckten Willens dies Wesen schaut nicht als sein eignes Selbst, als das Geschöpf nur, das er unter Mühsal zum eigenen Gebrauch sich selber schuf, mit dem er, wenn die Einsicht ihm gewachsen, das Leben einst sich zu erringen hofft, das jenseits liegt von jedem Sondersein. Erkennt er dies als Zweck des wunderbar verwobenen Sonderlebens, nur dann hat er, doch dann fürwahr hat er den Weg gefunden. Such ihn, indem du tauchst in deines Innern geheimnisvolle, wunderbare Tiefen. Such ihn durch Prüfung jeglicher Erfahrung, durch Nützung deiner Sinne, um Bedeutung und Wachstum deines Wesens zu ergründen, um zu verstehen die Schönheit und das Dunkel der Bruderkeime göttlicher Natur, die neben dir empor sich ringen, als Glieder deines eigenen Geschlechts. Such ihn in der Erforschung der Gesetze des Seins und der Natur und des Gebiets des Überirdischen, das euch verschleiert. Such ihn, indem du tief die Seele neigst vor jenem Stern, der dämmernd in dir strahlt. Wie du ihn stetig hütest und verehrst, wird stetig auch sein Licht erstarken. Dann hast des Weges Anfang du gefunden. Und hast sein Ende du erreicht, dann plötzlich wird sein Licht zum ewigen Lichte.

21. Erwarte das Blühen der Blume inmitten der Stille nach Sturmesgetose: nicht früher. Wohl wird sie keimen, sprießen, wachsen, wird Blatt und Zweig und Knospe bilden, noch während Sturm und Kampf dich wild umtoben. Doch nicht bevor dein ganzes Menschenwesen geschmolzen und zerronnen, nicht bevor der Gottesteil in dir, der jenes schuf, in ihm das bloße Werkzeug nur erkennt, um der Erfahrung reichen Schatz zu sammeln, und nicht bevor dein ganzes inneres Sein sich deinem höheren Selbst hat unterworfen, kann jene Blüte ihren Kelch erschließen. Dann - wie im Tropenland nach Sturm die Stille, wo die Natur mit Doppeleifer schafft, und man ihr Wirken wahrzunehmen wähnt - wird eine Ruhe sich herniedersenken auf deinen müden und gequälten Geist. Und dann inmitten dieser tiefen Stille wird das Geheimnisvolle sich ereignen, dir kündend, daß der Weg gefunden ist. Du magst es nennen, wie es gut dir dünkt. Nenn's eine Stimme, welche zu dir spricht, wo niemand ist, der sprechen kann, - nenn's einen Boten, der zu dir gesandt, ein Bote, der nicht Stoff hat, noch Gestalt, - nenn's deiner Seele Blume, die sich öffnet. Kein sinnig Bild vermag es dir zu schildern. Doch selbst, wenn du vom Sturme noch umbraust, kannst danach tasten du und spähen und deines Herzens Sehnen darauf richten. Ob Augenblicke nur die Stille währe, ob Tausende von Jahren, - sie wird enden, du aber gehst gestärkt aus ihr hervor. - Und stets von neuem wiederum beginnend, mußt du zum Kampfe schreiten und mußt siegen. Denn Zwischenrasten nur kennt die Natur. Das dir Gegebene sind die ersten Lehren - in Stein gehauen in des Lernens Halle. Der, welcher bittet, wird empfangen. Der, welcher wünscht zu lesen, der wird lesen. Der, welcher wünscht zu lernen, der wird lernen.

Der Friede sei mit dir.

2.

Und aus der Stille, die der Frieden ist, ertönet mächtig eine Stimme. Und diese Stimme spricht: Es ist nicht recht; du hast geerntet, säen mußt du nun. Und im Bewußtsein, daß die Stimme die Stille selber ist, wirst du gehorchen. Der du zum Jünger nun geworden bist, der du vermagst zu sprechen und zu stehen und fähig bist zu hören und sehen, der das Verlangen du hast überwunden, der du Erkenntnis deines Selbst errungen, der Seele Blühn erschauet und erkannt, der du der Stille Stimme hast vernommen, betritt nun freien Muts des Lernens Halle und lies, was dort für dich geschrieben steht.

1. Tritt zur Seite im kommenden Kampfe, und so du auch streitest, sei du nicht der Streiter.

2. Späh nach dem Streiter; in dir laß ihn kämpfen.

3. Seine Weisung erwarte zum Kampfe; ihr folge.

4. Gehorch ihm nicht, wie man gehorcht dem Feldherrn; gehorche ihm, als wäre er dein Selbst, und sein Befehl der Ausdruck deiner Wünsche. Fürwahr er ist dein Selbst, unendlich weiser und stärker als du. Schau aus nach ihm, daß in des Kampfes Hast und Hitze du nicht an ihm vorübereilst. Nicht kennen wird er dich, so du nicht ihn erkennst. Erreicht dein Ruf sein lauschend Ohr, dann wird in dir er kämpfen und erfüllen die dumpfe Leere deines Innern. So dies geschieht, dann kannst mit Gleichmut du, dann wirst du mühelos den Kampf bestehen: Du trittst zurück und läßt ihn für dich streiten; und keiner deiner Streiche fehlt sein Ziel. Doch spähst du nicht, eilst du an ihm vorüber, so bist du sonder Schutz; dein Herz verzagt, dein Hirn verwirrt sich dann, im Sturm und Staub des Kampfgewühls vergehen dir die Sinne, und von dem Feind kannst du den Freund nicht scheiden. Er ist dein Selbst, doch während endlich du, dem Irrtum untertan, - ist unfehlbar und ewig er. Er ist die ewige Wahrheit. Ist einmal erst er in dich eingezogen, und ist zu deinem Streiter er geworden, wird nimmer wieder ganz er von dir weichen. Und an dem Tag des großen Friedens wird er in Eins mit dir verschmelzen.

5. Lausche dem Liede des Lebens.

6. Bewahre in deinem Gedächtnis die Weise, die dann dir ertönt.

7. Die Lehre des Wohlklangs erlerne daraus.

8. Du stehst nun aufrecht, fest - gleichwie der Fels, von Brandung rings umwogt - gehorsam ihm, dem Streiter, deinem König, deinem Selbst. Bleib unbeteiligt an dem Kampfe, es sei den seine Weisung zu vollziehn. Sei ohne Sorge um des Kampfes Ausgang. Nur eins ist wichtig, - daß der Streiter siege, und, wie du weißt, unüberwindlich ist er. So warte kalten Bluts und wachen Sinnes und nütze dein Gehör, das du errungen durch Leiden und des Leides Überwindung. Dein Ohr erreichen nur verirrte Klänge des großen Lieds, solange du Mensch noch bist. Doch was du hörst, bewahre treu im Sinn, daß nichts von dem Erlauschten dir entschwinde, und strebe, d'raus den Inhalt zu erkennen von dem Geheimnis, das dich rings umschließt. Es kommt die Zeit da keines Lehrers du bedarfst. Denn stimmbegabt, gleich wie der Mensch es ist, ist auch die Welt, in der er sich bewegt. Das Leben selbst hat Sprache, kennt kein Schweigen. Sein Laut ist nicht, wie du - der Taube - wähnst, ein Schrei: es ist Gesang! Erkenn daraus, daß von der Töne wunderbarem Weben ein Teil du bist, und lerne sein Gesetz befolgen und verstehn.

9. Prüfe mit Eifer das Leben, das rings dich umgibt.

10. Lerne zu lesen die Herzen der Menschen.

11. Am eifrigsten prüfe das eigene Herz.

12. Denn durch das eigne Herz nur bricht das Licht, das hell das Leben dir beleuchten und deinem Blick es offenbaren kann. Der Menschen Herzen suche zu ergründen, daß du verstehst die Welt, in der du lebst, und deren Teil zu sein dein Wille ist. Erforsche ernst das Leben, das beständig in wechselnder Bewegung dich umwogt, - der Menschen Herzen sind es, die's gestalten. Wie du ihr Wesen, ihren Zweck erkennst, so wirst allmählich du auch lesen lernen des Lebens größeres Wort.

13. Die Sprache kommt nur mit dem Wissen. Erring das Wissen, und dir wird die Sprache.

14. Bist du der innern Sinne Herr geworden und hast der äußern Sinne Trieb besiegt, der eignen Seele Neigung überwunden und hast du Wissen dir errungen, dann, Jünger, halte dich bereit, den Weg in Wirklichkeit nun zu betreten. Gefunden ist der Pfad, bereite dich, ihn zu beschreiten.

15. Frage die Erde, die Luft und das Wasser nach jedem Geheimnis, das sie für dich bergen. Der inneren Sinne Entfaltung gewähret die Macht dir dazu.

16. Des Erdenrunds Heilige frage nach jedem Geheimnis, das sie dir bewahren. Der Sieg über äußerer Sinne Begierden gewährt das Recht dir dazu.

17. Das Innerste frage, das Eine, nach seiner Geheimnisse letztem, das dir es umschließt seit Jahrtausenden. Der große, schwere Kampf, die Überwindung der Wünsche deiner eignen Seele, ist eine Arbeit von Jahrtausenden. Erwarte deshalb nicht den Siegespreis, eh' du Erfahrung von Jahrtausenden gesammelt. Kommt dann die Zeit, wo diese letzte Lehre zur Wahrheit wird, betritt der Mensch die Schwelle, die über's Menschentum hinaus ihn hebt.

18. Das Wissen, das du nun dein eigen nennst, ist nur dein Eigentum, weil deine Seele in Eins verschmolzen ist mit allen Seelen und Eins geworden mit dem Innersten. Es ist ein Schatz vom höchsten dir vertraut. Doch täuschst du sein Vertrau'n, mißbrauchst dein Wissen du, läßt du es schlummern, wo du's nützen solltest, dann selbst von der erklommnen Höhe ist der Sturz noch möglich. An der Schwelle selbst da weichen noch Erhobne zurück, unfähig, die Verantwortung zu tragen und außer stand, sich höher aufzuschwingen. Darum gedenke stets mit heiliger Furcht, mit bangem Zittern dieses Augenblicks und rüste dich im voraus zu dem Kampf.

19. Es steht geschrieben, daß es nicht Gesetz, noch Führer gibt für jenen, dessen Fuß die Schwelle zu der Göttlichkeit betritt. Doch werde zu des Jüngers Klärung der Kampf bezeichnet durch dies Wort: An dem halt fest, was sonder Stoff und Dasein.

20. Lausche nicht anderer Stimme als der, welche lautlos ist.

21. Schaue nach dem nur, was unsichtbar inneren wie äußeren Sinnen.

Der Friede sei mit dir.