Goldenes Kalb

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DAS GOLDNE KALB

Doppelflöten, Hörner, Geigen
Spielen auf zum Götzenreigen,
Und es tanzen Jakobs Töchter
Um das Goldne Kalb herum —
Brum — brum — brum —
Paukenschläge und Gelächter!

Hochgeschürzt bis zu den Lenden
Und sich fassend an den Händen,
Jungfraun edelster Geschlechter
Kreisen wie ein Wirbelwind
Um das Rind —
Paukenschläge und Gelächter!

Aaron selbst wird fortgezogen
Von des Tanzes Wahnsinnwogen,
Und er selbst, der Glaubenswächter,
Tanzt im Hohenpriesterrock,
Wie ein Bock —
Paukenschläge und Gelächter!

Heinrich Heine[1]
Das Goldene Kalb: Satirisches Gedicht von Heinrich Heine, illustriert von Ignatius Taschner (1871-1913), um 1900
Tanz ums goldene Kalb; Ölgemälde von Margret Hofheinz-Döring (1962)
Nicolas Poussin: Die Anbetung des Goldenen Kalbes (1633–1634)
Der Tanz um das Goldene Kalb – Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (um 1180)

Das Goldene Kalb (hebr. עֵגֶל הַזָּהָב ‘ēgel hazzāhāv) ist ein im 2. Buch Mose (Ex 32,1–29 LUT) erwähntes Götzenbild, das Aaron auf Drängen der Israeliten anfertigen lässt, während sein jüngerer Bruder Moses schon längere Zeit auf dem Berg Sinai weilte, wo ihm der HERR die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten übergeben wollte (Ex 24,12 LUT).

„1 Als aber das Volk sah, dass Mose ausblieb und nicht wieder von dem Berge herabkam, sammelte es sich gegen Aaron und sprach zu ihm: Auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat. 2 Aaron sprach zu ihnen: Reißt ab die goldenen Ohrringe an den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter und bringt sie zu mir. 3 Da riss alles Volk sich die goldenen Ohrringe von den Ohren und brachte sie zu Aaron. 4 Und er nahm sie von ihren Händen und formte das Gold und machte ein gegossenes Kalb. Und sie sprachen: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyptenland geführt haben! 5 Als das Aaron sah, baute er einen Altar vor ihm und ließ ausrufen und sprach: Morgen ist des HERRN Fest. 6 Und sie standen früh am Morgen auf und opferten Brandopfer und brachten dazu Dankopfer dar. Danach setzte sich das Volk, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um ihre Lust zu treiben.“

Exodus 32,1-6 LUT

Der HERR, der sich zuvor schon dem Moses bildlos im brennenden Dornbusch als der Ich-Bin zu erkennen gegeben hatte, ist erzürnt ob dieser Verletzung des von ihm verhängten Bilderverbots und will die Israeliten vernichten. Doch Moses bittet inständig um Gnade für sein Volk, die auch schließlich gewährt wird (Ex 32,7–14 LUT). Als Moses vom Berg Sinai zurückkehrt und das Volk ausgelassen schreiend um das goldene Kalb tanzen sieht, entflammt auch sein Zorn. Wütend zerschlägt er die Gesetzestafeln und verbrennt das Kalb im Feuer, zerreibt es zu Pulver und streut es ins Wasser, das er den Israeliten zu trinken gibt.

„15 Mose wandte sich und stieg vom Berge und hatte die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand; die waren beschrieben auf beiden Seiten, vorn und hinten waren sie beschrieben. 16 Und Gott hatte sie selbst gemacht, und die Schrift war Gottes Schrift, eingegraben in die Tafeln. 17 Als nun Josua das Geschrei des Volks hörte, sprach er zu Mose: Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager. 18 Er antwortete: Es ist kein Geschrei wie bei einem Sieg, und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage, ich höre Geschrei wie beim Tanz. 19 Als Mose aber nahe zum Lager kam und das Kalb und das Tanzen sah, entbrannte sein Zorn, und er warf die Tafeln aus der Hand und zerbrach sie unten am Berge 20 und nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und verbrannte es im Feuer und zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab’s den Israeliten zu trinken.“

Exodus 32,15-20 LUT

Okkulter Hintergrund

Rudolf Steiner weist darauf hin, dass diese biblische Erzählungen einen tieferen Hintergrund hat, der für jeden Menschen, der den geistigen Schulungsweg beschreitet, bedeutsam ist. Das Goldene Kalb steht dabei für all das, was wir in unserer Hüllennatur aus früheren Inkarnationen mitbringen und uns daran hindert, unser wirkliches Ich zu erkennen. Zur Überwindung dieses Hindernisses gibt Steiner folgende Übung, die im Prinzip eine Verdeutlichung des Rosenkreuzerspruchs ist:

„Der Schüler stelle sich vor, daß sein Lehrer oder Meister vor ihm stehe in der Gestalt des Moses - wenn er auch nur eine unbestimmte Vorstellung von dieser Individualität haben mag - und daß dieser ihn frägt: Du möchtest also wissen, warum du nicht weiterkommst auf deinem esoterischen Wege? - Ja. - Ich will es dir sagen: Es ist, weil du das goldene Kalb anbetest. - Nach diesem Worte sieht der Schüler neben dem Moses das goldene Kalb. Moses läßt jetzt Feuer aus der Erde heraufkommen, das das goldene Kalb verzehrt, bis es zu Pulverstaub geworden ist. Dieses Pulver wirft er in ein klares Wasser, das da ist, und gibt dem Schüler von diesem mit dem Pulver vermischten Wasser zu trinken.

Noch vor wenigen Jahrhunderten hätte jeder Esoteriker dieses Bild verstehen können. Jetzt muß es in der folgenden Weise erklärt werden.

Wenn wir zurückgehen in unserer Erinnerung, kommen wir bis zu dem Punkt, wo unsere Erinnerungen aufhören und das Ich-Bewußtsein seinen Anfang genommen hat. Das, was vorher liegt, das ist dasjenige, was wir in früheren Inkarnationen aus uns selbst gemacht und in diese mit hineingebracht haben. Das ist das goldene Kalb, das wir anbeten, ohne es zu wissen, unsere Hüllennatur.

Der Schüler stelle nun in dem Bilde an Stelle des goldenen Kalbes sich selbst als Kind vor, das noch kein Ich-Bewußtsein hat. Er durchdringt sich von dem Bewußtsein, daß dasjenige, was er als sein Ich empfindet, nichts anderes ist als eine luziferische Wirkung; denn das gewöhnliche Ich-Bewußtsein beruht auf der Erinnerung, und Erinnerung ist eine luziferische Kraft, da es eben Luzifers Aufgabe ist, das Vergangene in die Gegenwart hinüberzutragen. Zieht man das, was man durch das Ich-Bewußtsein hat, von sich selbst ab, dann bleibt dasjenige übrig, was wir aus anderen Erdenleben mitgebracht haben.

Es mag manchem hart scheinen, sich so vorstellen zu müssen, aber ohne solche strengen Begriffe werden wir nicht geeignet, dem Hüter der Schwelle zu begegnen.

Dann stelle der Schüler sich wirklich vor, wie das Feuer die Kindesgestalt verbrennt, die Kindesform, die er selber ist; er ist nur inzwischen etwas größer geworden, aber im Grunde genommen ist er noch immer diese Hüllennatur, die das Kind auch war, nur ist die Illusion des Ich dazu gekommen. Er sieht, wie die Form zu Pulverstaub wird, und das soll ein starkes Bewußtsein werden, daß alles, was an diesen Hüllen des physischen, Äther- und Astralleibes da ist, ihm gleichgültig sein soll, gleichsam ein Häufchen Aschenpulver, so gleichgültig wie der Ton für den Bildhauer ist, bevor er etwas aus ihm gemacht hat. Sein physischer Leib, die Form, die äußere Gestalt, sein Ätherleib mit dem Gedächtnis, sein Astralleib mit den Sympathien und Antipathien, das alles muß fortgedacht oder wie ein Häufchen Staub gedacht werden.

Man kann das vielleicht nicht gleich im Leben in Praxis umwandeln. Gemeint ist nicht, daß man einem Menschen, zu dem man eine Antipathie hatte, nun plötzlich um den Hals fallen soll; aber wenn wir diese Imagination als Übung ausführen, müssen wir alle Antipathie von uns weisen können.

Und der Staub wird in das reine Wasser der göttlichen Substanz geworfen, so wie sie war, bevor die luziferische Kraft darin gearbeitet hatte. So soll die Hüllennatur geopfert und der göttlichen Substanz zurückgegeben werden. Aber der Esoteriker kommt auch zu der Einsicht, daß all das, was jetzt für ihn nur ein Häufchen Staub ist, doch aus dem Geiste heraus gebildet worden ist. Die Gestalt seines Leibes wurde von dem Geiste skulptiert, der Geist hat ihn zu dem gemacht, was er jetzt als Form ist. Und das, was der Geist aus ihm gemacht hat, das sollen wir wieder zu uns nehmen. Wir sollen das Wasser, in dem der Staub aufgelöst war, wieder trinken. Dann haben wir es rein, nachdem das goldene Kalb verbrannt, zu Pulver geworden und aufgelöst worden ist. Wenn wir das ausführen, dann werden wir empfinden, daß zunächst eine ganze Stelle in uns wie leer wird; es ist die Stelle, wo sonst das Ich sitzt, die fühlen wir leer werden. Dann kann man entweder zum Buddhisten werden und in ein Gebiet eingehen, wofür sich der Mensch zu würdig fühlen sollte: in das Nirwana, in eine außerirdische Sphäre. Oder aber, man kann zu einem neuen Bewußtsein von dem Christus-Impuls kommen und diesen einströmen fühlen in die leergewordene Stelle unseres Ich.

Niemals hätte der Christus auf Erden kommen können unter dem hebräischen Volke, wenn nicht Moses das goldene Kalb zerstört und ins Wasser geworfen hätte und es den Kindern Israels zum Trinken gegeben hätte.

Es ist nicht so gemeint, als ob man diese Imagination täglich ausführen sollte, sondern immer wieder nach einem gewissen Zeitablauf - zum Beispiel drei oder vier oder sechs Wochen. Sie ist im Grunde nur wieder eine Verdeutlichung unseres Rosenkreuzerspruches.“ (Lit.:GA 266b, S. 349ff)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

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