Gnosis und Fische (Sternbild): Unterschied zwischen den Seiten

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[[File:Nucci, Avanzino - Petrus' Auseinandersetzung mit Simon Magus - 1620.jpg|thumb|300px|Avanzino Nucci: '' Petrus' Auseinandersetzung mit Simon Magus'' (1620)<br>Der bereits in der [[Apostelgeschichte]] erwähnte [[Simon Magus]] († 65 in [[Wikipedia:Rom|Rom]]) gilt als erster historisch fassbarer Gnostiker und als erster [[Häresie|Häretiker]] der Kirche.]]
{{Zeichen|♓}}
Die '''Gnosis''' (von {{ELSalt|γνῶσις}}, ''gn&#333;sis'', „[Er-]Kenntnis“), oft auch als '''Gnostizismus''' oder '''Gnostik''' bezeichnet, ist eine sehr heterogene [[Synkretismus|synkretistische]], weitgehend [[esoterisch]] gehaltene, weltabgewandte [[geist]]ige Strömung, die ihre Blütezeit in der [[Spätantike|spätantiken]] Welt des [[Wikipedia:2. Jahrhunder|2.]] und [[Wikipedia:3. Jahrhundert|3. Jahrhundert]]s n. Chr. hatte und das alte [[Mysterien]]wissen mit dem [[Philosophie|philosophischen]] [[Denken]] der [[Antike]] und vielfach auch mit [[christlich]]em Gedankengut zu verbinden suchte.  
[[Bild: Pisces constellation map.png|250px|thumb|Das Sternbild der Fische. Die rote gestrichelte Linie kennzeichnet die [[Wikipedia:Ekliptik|Ekliptik]].]]
Die '''Fische''' ({{HeS|דגים}}, Daghim; [[Latein|lat.]] ''Pisces'', astronomisches Zeichen: ♓) sind ein zu den [[Tierkreiszeichen]] zählendes [[Sternbild]] auf der [[Wikipedia:Ekliptik|Ekliptik]]. Die [[Sonne]] durchwandert die Fische derzeit zwischen dem [[Wikipedia:12. März|12. März]] und dem [[Wikipedia:18. April|18. April]] - der [[Wikipedia:Frühlingspunkt|Frühlingspunkt]] liegt daher gegenwärtig in diesem Sternbild. In der [[Wikipedia:Antike|Antike]] lag er aufgrund der [[Präzession]]sbewegung der [[Erde (Planet)|Erde]] noch im Sternbild des [[Widder (Sternbild)|Widders]].  


== Der geistige Hintergrund der Gnosis ==
Am menschlichen Körper entsprechen die Fische den [[Füße]]n. Von den 12 [[Sinne]]n ist den Fischen der [[Geschmackssinn]] zuzuordnen und von den [[Laute]]n der [[Konsonant]] [[N]]. Von den  [[Weltanschauung]]en entspricht den Fischen der [[Psychismus]].  
 
Großen Einfluss auf die Formulierung der gnostischen Lehren hatte der zur selben Zeit weit verbreitete [[Neuplatonismus]], aber auch Teile der [[Aristoteles|aristotelischen]] Lehre. Es gab [[christlich]]e, [[Judentum|jüdische]], [[Heidentum|heidnische]] und zugleich meist stark [[Wikipedia:Hellenismus|hellenistisch]] geprägte Gnostiker, die sich selbst als ''Wissende'' bezeichneten und sich oft auf eigene unmittelbare geistige Erfahrungen beriefen. Wie viele antike Lehrer verbreiteten sie den [[okkult]]en Kern ihrer Lehre nicht oder nur selten öffentlich. Vielfach wurde die gnostische [[Mystik]] auch als [[Mathesis]] aufgefasst, weil sie mit der selben [[Gedanke]]nklarheit wie die [[Mathematik]] nach geistiger [[Erkenntnis]] strebte.
 
Die Grundgedanken der Gnosis charakterisierte [[Wikipedia:Hans Jonas|Hans Jonas]] sehr treffend so:
 
{{Zitat|Aus dem Nebel der Anfänge unseres Zeitalters taucht ein
Schauspiel mythischer Gestalten auf, deren gewaltige, übermenschliche
Konturen die Wände und die Decke einer zweiten
Sixtinischen Kapelle bevölkern könnten. Ihr Antlitz und ihre
Gebärden, die Rollen, die sie besetzen, das Drama, das sie
aufführen, würden andere Bilder zum Vorschein bringen als
die biblischen, mit denen die Phantasie des Betrachters aufgewachsen
ist, und doch wären sie merkwürdig vertraut und auf
beunruhigende Weise bewegend. Die Bühne wäre dieselbe, das
Thema ebenso transzendent - die Erschaffung der Welt, das
Schicksal des Menschen, Fall und Erlösung, die ersten und die
letzten Dinge. Doch um wieviel zahlreicher wäre die Besetzung,
um wieviel bizarrer die Symbolik und um wieviel extravaganter
wären die Empfindungen! Nahezu die gesamte Handlung
würde sich in der Höhe abspielen, im göttlichen Bereich oder
in jenem der Engel oder Dämonen - ein Drama präkosmischer
Personen in der Welt des übernatürlichen, auf welches
das Drama des Menschen in der natürlichen Welt lediglich ein
fernes Echo darstellt. Und dennoch wäre jenes transzendente
Drama vor aller Zeit, das seine Darstellung in den Handlungen
und Leidenschaften menschenähnlicher Gestalten findet, voller
menschlicher Anziehungskraft: verführte Göttlichkeit, Unruhe,
welche die gesegneten Äonen aufwühlt, Gottes irrende Weisheit,
die Sophia, die zum Opfer ihrer eigenen Torheit wird, in die
Leere und Dunkelheit ihres eigenen Schaffens hineinirrt, endlos
suchend, klagend, leidend, bereuend, ihre Leidenschaft in die
Materie, ihre Sehnsucht in die Seele hineingebärend; ein blinder,
hochmütiger Schöpfer, der sich selbst für den Allerhöchsten
hält und sein Zepter über die Schöpfung schwingt, die - wie
er selbst - ein Erzeugnis des Mangels und der Unwissenheit
ist; die im Labyrinth der Welt gefangene und verlorene Seele,
die zu fliehen versucht, aber vor den Wächtern des kosmischen
Gefängnisses, den furchtbaren Archonten, zurückschreckt; ein
Retter aus dem jenseitigen Licht, der sich in die niedere Welt
hineinwagt, die Finsternis erleuchtet, einen Weg eröffnet und
die göttliche Verletzung heilt: eine Geschichte von Licht und
Finsternis, Erkenntnis und Unwissenheit, Gelassenheit und
Leidenschaft, Einbildung und Erbarmen - nicht in menschlichem
Maßstab, sondern in jenem von ewigen Wesen, die nicht
vor Leiden und Irrtum gefeit sind.|Hans Jonas|''Gnosis. Die Botschaft des fremden Gottes'', S. 11f}}
 
=== Gnosis und die Offenbarung des Göttlichen durch die Empfindungsseele ===
 
Gnosis beruht auf der [[Hellsehen|hellsichtigen]] Erforschung des [[Übersinnlich]]en, das der äußeren Welt zugrunde liegt. Der Gnosis-Forscher [[Wikipedia:Hans Leisegang|Hans Leisegang]] bemerkt dazu:
 
{{Zitat|Gnosis ist Erkenntnis des Übersinnlichen, das in und hinter der durch die Sinne des Körpers wahrnehmbaren Welt „in ewigem Geheimnis unsichtbar sichtbar“ als treibende Kraft alles Geschehens angenommen wird... Das Übersinnliche selbst aber wird als ein System von Ideen
gedacht, die zugleich kosmische Kräfte sind und als persönliche göttliche Wesen, als Dämonen, Geister, Engel oder als Gestalten der heidnischnen und christlichen Mythen vorgestellt wurden, die das Schicksal der Welt und des Menschen in ihren Händen tragen.|Hans Leisegang|''Die Gnosis'', S 1}}
 
[[Eugen Heinrich Schmitt]] charakterisiert das Wesen der Gnosis wie folgt:
 
{{Zitat|Gnosis ist vor Allem Anschauung der Thatsachen des eigenen Innern und durch diese und in diesen die Einsicht in den Zusammenhang der Stufenleiter aller Erscheinungen.|E. H. Schmitt|''Die Gnosis'', Bd. 1, S. 9}}
 
Die Gnosis schöpfte, wie [[Rudolf Steiner]] aufgezeigt hat, aus den Kräften der [[Empfindungsseele]], die ihre Blütezeit in der [[Ägyptisch-Chaldäische Kultur|ägyptisch-chaldäischen Zeit]] hatte. Diese alte, tief [[esoterisch]]e Mysteriengnosis, die etwa vom 4. bis zum 1. Jahrtausend v. Chr. gepflegt wurde, blieb als gut gehütetes Geheimnis in den [[Mysterien]] beschlossen und ist äußerlich in ihrem wesentlichen Gehalt nicht überliefert. Sie beruhte auf intimen Seelenerlebnissen, die zwar erfahren, aber nicht in äußere Worte gefasst werden konnte - zumindest nicht in Worte, die heute noch verständlich wären. Zur Zeitenwende war bereits die [[Verstandesseele]] erwacht, mit der der tiefere Gehalt dieser alten Mysteriengnosis nur mehr schattenhaft erfasst werden konnte. Die Seelenerlebnisse, die ihren tieferen Inhalt bildeten, waren bereits verblasst. Ein Bild davon gibt die [[exoterisch]] überlieferte Gnosis, die sich letztlich nicht nachhaltig durchsetzen konnte, weil sie an ihre eigenen geistigen Wurzeln nicht mehr heranreichte und zugleich den neuen Anforderungen des [[Intellekt]]s nicht mehr entsprach.
 
<div style="margin-left:20px">
"Ein bedeutsamer Umschwung tritt ein, wenn sich die
Empfindungsseele entfaltet. Die Offenbarung des Göttlichen
durch die Sinne dämmert ab. An die Stelle tritt das
Wahrnehmen der gewissermaßen entgöttlichten Sinneseindrücke,
der Farben, Wärmezustände und so weiter. Im Innern
offenbart sich das Göttliche in geistiger Form, in Bild-Ideen. Und der Mensch nimmt die Welt von zwei Seiten her
wahr: von außen durch die Sinnes-Eindrücke, von innen
durch die ideenhaften Geist-Eindrücke.
 
Der Mensch muß nun dazu kommen, die Geist-Eindrücke
so bestimmt, so gestaltet wahrzunehmen, wie er vorher
die durchgöttlichten Sinnes-Eindrücke wahrgenommen
hat. - Solange das Zeitalter der Empfindungsseele waltet,
kann er das. Denn aus seinem inneren Wesen steigen ihm
die Ideenbilder in vollgestalteter Art auf. Er ist von innen
erfüllt mit einem sinnlichkeitsfreien Geist-Inhalt, der ein
Abbild des Welt-Inhaltes ist. Haben sich ihm früher die
Götter im sinnlichen Kleide geoffenbart; sie offenbaren
sich ihm jetzt im Geist-Kleide.
 
Das ist das Zeitalter der eigentlichen Entstehung und des
Lebens der Gnosis." {{Lit|{{G|26|208}}}}
</div>
 
Ein letzter Nachklang dieser Bild-Ideen lebte noch im [[Platonismus]] und im [[Neuplatonismus]] fort. Diese lebendig bildhaften Ideen konnten die Gnostiker zur Zeitenwende gut aufgreifen. Auch was [[Aristoteles]] über die [[Seele]] und über das [[Himmel]]sgebäude gesagt hatte, konnten sie aufgreifen, um ihre Lehren auszubauen, viel weniger jedoch den trockenen [[Logik|logischen]] [[Verstand]].
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Gnosis besteht eigentlich darin, daß sich die Menschen, die
Gnostiker werden, bewußt sind: Man kann zu demjenigen, in dem
die Seele urständet, zu dem Geistigen nur kommen durch Erkenntnis,
durch klare, helle, lichtvolle Erkenntnis. - Aber es war schon
die Zeit, in welcher sich doch im Dunkeln vorbereitete der Intellektualismus,
die Zeit, in der man den Intellektualismus als den Feind
des menschlichen Seelenbezuges zum Geistigen betrachtete. Man
sah gewissermaßen prophetisch in die Zukunft, wie der Intellektualismus
heranrückt, man sah gewissermaßen schon dieses Kommen
des Intellektualismus, der die Welt vollständig entgeistigen, vollständig
entgöttlichen wollte, wie ich das gestern charakterisiert habe.
Man sah das, und man fühlte sich dem Intellektualismus als
einer Gefahr gegenüber. Man wollte mit allen Fasern festhalten an
einem Geistigen, das nicht erfaßt wird von dem Intellektualismus." {{Lit|{{G|343a|269}}}}
</div>
 
Dennoch haben viele Gegner die Gnosis als Ausfluss mehr oder weniger phantastischer [[Theologie|theologischer]] [[Spekulation]]en missverstanden, weil sie ihren vornehmlich [[symbol]]isch-[[Imagination|imaginativen]] Charakter nicht erfassen konnten.
 
=== Gnosis als letzter Rest alter Mondenweisheit ===
 
In der Gnosis lebten Reste jener alten Mondenweisheit, die noch von den [[Urlehrer der Menschheit|Urlehrern der Menschheit]] stammte. Es handelt sich dabei um [[luziferisch]]e [[Engel]]wesenheiten, die einen Teil ihrer [[Menschheitsentwicklung]] bereits auf dem [[Alter Mond|alten Mond]] absolviert hatten, aber - anders als die regulär fortgeschrittenen [[Engel]] - während der [[Erdentwicklung]] noch einiges vollenden mussten. {{Lit|{{G|232|131}}}}
 
<div style="margin-left:20px">
"Als das Mysterium von Golgatha da war, war auf der Erde verbreitet
noch so viele Mondenweisheit, daß die alte Mondenweisheit
als Gnosis, als Pistis Sophia - es ist ja alte Mondenweisheit - verstehen
konnte, was der Christus bedeutet. Die alte Mondenweisheit
war noch da, trat als Gnosis auf. Und die Gnosis war ja wesentlich
ein Bestreben, den Christus in seiner ganzen Geistigkeit zu
begreifen. Nun, die Gnosis ist ausgerottet worden. Der erste Akt
zu jener Evolution, die hinging auf das temporäre Nichtverstehen
des Mysteriums von Golgatha, ist die Ausrottung der Gnosis,
fast - bis auf die [Darstellungen in den] Schriften der Gegner.
 
Nun stellen Sie sich vor, wenn von der heutigen Anthroposophie
nur dasjenige bleiben würde, was die Gegner darüber geschrieben
haben, dann werden Sie eine Vorstellung davon bekommen,
was die Menschen durch äußere Erkenntnisse von der Gnosis
eigentlich wissen. Sie wissen ja nichts als dasjenige, was die Gegner
gesagt haben, und noch einiges in der Pistis Sophia-Schrift und so
weiter, was sie nicht verstehen. Das wissen die Menschen über die
Gnosis. Die Gnosis war eben noch, man möchte sagen, aus der
alten Zeit eine Mondengabe an die ersten Jahrhunderte, vor allen
Dingen an die vier ersten Jahrhunderte der christlichen Entwickelung;
denn vom vierten Jahrhunderte ab wurde die Gnosis schon
gar nicht mehr verstanden. Es war also dasjenige, was, wie man
sagen könnte, aus der alten Mondenweisheit, aus dem Mondenlogos
zu dem Sonnenlogos, der auf Erden angekommen war, zu
dem Christus gesagt werden konnte. Wer diesen Zusammenhang
kennt, kann eigentlich die Gnosis, die so viel verkannt wird, über
die so sonderbare Dinge eigentlich gesagt werden in der Gegenwart,
wirklich verstehen.
 
Aber dabei kann es nicht bleiben, denn die Erdenentwickelung
muß weitergehen. Wir müssen wirklich vorrücken von der alten
Mondenweisheit in eine neue Sonnenweisheit." {{Lit|{{G|227|255}}}}
</div>
 
=== Gnosis und Christentum ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Man würde zum Beispiel, wenn man
verständig die Entwickelung der christlichen Dogmatik betrachtete,
darauf kommen, daß diese christliche Dogmatik doch noch in etwas
anderem wurzeln müsse als in irgendeiner bloßen Willkür oder dergleichen.
Im Grunde wurzeln diese Dogmen alle in der Gnosis. Nur
ist das Lebendige der Gnosis abgestreift worden und die abstrakten
Gedanken und Begriffshülsen sind geblieben, so daß man in den Dogmen
diesen lebendigen Ursprung nicht mehr erkennt. Dieser lebendige
Ursprung liegt aber eigentlich in der Gnosis. Wenn Sie die Gnosis,
soweit sie geisteswissenschaftlich studiert werden kann, wirklich verfolgen,
dann wirft das einem auch ein gewisses licht auf die wenigen
Dinge, die historisch übriggelassen worden sind von den Gegnern der
Gnosis. Und dann sagen Sie sich wahrscheinlich: Diese Gnosis weist
hin auf die ganz ausgebreitete, sehr konkrete atavistische Hellseherweltanschauung
der alten Zeiten, die in ihren Resten noch ziemlich
vorhanden war in der Zeit des ersten nachatlantischen Kulturzeitraumes,
im zweiten schon weniger; dann, als im dritten die letzten
Reste des alten Hellsehertums über die Welt verloren worden sind,
sind sie eben in der Gnosis in einem wunderbaren Begriffssystem, das
aber ganz außerordentlich bildlich ist, zutage getreten. Wer von
diesem Punkte aus die Gnosis ansieht, wer in der Lage ist, auch nur
historisch zurückzugehen zu den spärlichen Resten, die dann in der
heidnischen Gnosis reichlicher als in der christlichen Literatur zutage
gefördert werden können, der findet, daß in dieser Gnosis tatsächlich
wunderbare Weisheits schätze schon da waren, eine Weisheit, die sich
auf eine Welt bezog, von der die Menschen gegenwärtig überhaupt
nichts wissen wollen. So daß es gar nicht zu verwundern ist, daß selbst
gutmeinende Menschen mit der alten Gnosis nicht viel anzufangen
wissen, etwa solche Menschen wie der Professor ''Jeremias'' in Leipzig,
der ja willig wäre, auf die Dinge einzugehen; aber er kann keine
Vorstellung erwerben, auf was sich eigentlich diese alten Begriffe beziehen,
auf was es sich bezieht, wenn da gesprochen wird von einem
geistigen Wesen Jaldabaoth, das in einem gewissen Hochmut sich
aufgeworfen hätte zum Herrn der Welt, dann von seiner Mutter
zurechtgewiesen worden wäre und so weiter. Solche mächtigen Bilder
strahlen herein selbst aus dem historisch Aufbewahrten, solche mächtige
Bilder wie dieses, wo wirklich [[Jaldabaoth]] sagt: Ich bin Vatergott,
über mir ist niemand. - Und die Mutter erwidert: Lüge nicht, über
dir ist der Vater von allem, der erste Mensch und des Menschen Sohn.
- Da rief - so wird weiter erzählt - Jaldabaoth seine sechs Mitarbeiter,
und sie sprachen: Laßt uns den Menschen machen nach unserem
Bilde.
 
Da haben Sie einen merkwürdigen Dialog zwischen Jaldabaoth
und seiner Mutter, und dann das Heranrufen der sechs andern Mitarbeiter,
die zu dem Entschluß kommen: Laßt uns den Menschen
machen nach unserem Bilde. - Aber solche Bilder, solche Imaginationen,
die eigentlich ganz anschaulich sind, sie waren zahlreich und
umfangreich vorhanden in dem, was als Gnosis herrschte. Man hat
im Alten Testament eigentlich nur Reste: diejenigen Reste, die die
jüdische Überlieferung behalten hat, von einer umfangreichen Bilderweisheit,
die in der alten Gnosis enthalten war, vorzugsweise im
Oriente lebte, deren Strahlen aber herüberwirkten ins Abendland,
und die eigentlich erst im 3., 4. Jahrhundert für das Abendland mehr
oder weniger verglommen sind, dann noch nachgewirkt haben bei
den Waldensern und Katharern, aber doch verglommen sind." {{Lit|{{G|187|54f}}}}
</div>
 
=== Der Unterschied zwischen Gnosis und esoterischem Christentum ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Das, was in der Sonne an innerer Kraft liegt, die Kraft der Logosliebe,
nahm physische Menschengestalt an in dem Leibe des Jesus von
Nazareth. Denn so wie ein anderer äußerer Gegenstand, wie ein
anderes Wesen, so mußte dem Menschen auf der Erde für sein Sinnesbewußtsein
der Gott in leibhaftiger Gestalt entgegentreten. Was ist
daher diese Wesenheit, die uns im Beginne unserer Zeitrechnung als
der Christus Jesus entgegentrat? Sie ist nichts anderes als die Verkörperung
des Logos, der sechs anderen Elohim, denen vorbereitend
der eine, der Jahve-Gott vorangegangen ist. Und diese eine Gestalt
des Jesus von Nazareth, in welcher der Christus oder der Logos inkarniert
war, bringt daher das, was früher immer nur von der Sonne
auf die Erde herniederströmte, was nur im Sonnenlichte enthalten ist,
sie bringt es in das Menschenleben, in die Menschheitsgeschichte
selbst hinein: «Der Logos ward Fleisch». Das ist das, worauf das
Johannes-Evangelium den größten Wert legt.
 
Und es mußte der Schreiber des Johannes-Evangeliums gerade auf
diese Tatsache den größten Wert legen. Denn wahr ist es: Nachdem
einige der eingeweihten Christus-Schüler verstanden hatten, um was
es sich handelt, da traten auch andere auf, die das nicht im vollen
Maße verstehen konnten, - die zwar voll verstanden, daß allem
Materiellen, allem, was uns stofflich entgegentritt, ein Seelisch-
Geistiges zugrunde liegt; was sie aber nicht begreifen konnten, war,
daß sich in einem einzelnen Menschen für die physisch-sinnliche Welt
physisch sichtbar der Logos selbst einmal verfleischlichte. Das konnten
sie nicht verstehen. Dadurch unterscheidet sich das, was uns in
den ersten christlichen Jahrhunderten als die « Gnosis » entgegentritt,
von dem wahren esoterischen Christentum. Der Schreiber des Johannes-
Evangeliums hat mit kräftigen Worten darauf hingewiesen:
Nein, nicht sollt ihr ansehen den Christus als übersinnliches, unsichtbar
bleibendes Wesen, das allem Stofflichen zugrunde liegt, sondern
ihr sollt Wert darauf legen, daß das Wort Fleisch geworden ist, daß
es unter uns gewohnet hat! Das ist der feine Unterschied zwischen
dem esoterischen Christentum und der ursprünglichen Gnosis. Die
Gnosis kennt den Christus ebenso wie das esoterische Christentum,
aber nur als eine geistige Wesenheit, und sieht höchstens in dem Jesus
von Nazareth einen mehr oder weniger an diese geistige Wesenheit
gebundenen menschlichen Verkünder. Sie will festhalten an dem unsichtbar
bleibenden Christus. Dagegen ist das esoterische Christentum
immer im Sinne des Johannes-Evangeliums gewesen, das auf dem
festen Boden des Wortes stand:
 
<center>«Und der Logos ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnet.»</center>
 
Und derjenige, der da in der sichtbaren Welt war, ist eine wirkliche
Verkörperung der sechs anderen Elohim, des Logos!" {{Lit|{{G|103|56f}}}}
</div>
 
=== Wissen und Glauben ===
 
Gnosis - als religiöse Erkenntnis - wird schon im [[Wikipedia:Neues Testament|Neuen Testament]] angesprochen. Zum Volk spricht der [[Christus]] in [[Gleichnis]]sen, doch seinen Jüngern offenbart er deren tieferen Sinn. So heißt es z.B. im [[Matthäus-Evangelium]]:
 
{{Zitat|10 Und die Jünger traten zu ihm und sprachen: Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen?
11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Euch ist's gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen<ref>{{polytonisch| γνωναι τα μυστηρια της βασιλειας των ουρανων}} ''gnonai ta mysteria tes basileias ton ouranon'' „zu wissen (erkennen) die Mysterien der Königreiche des Himmels“</ref>, diesen aber ist's nicht gegeben.
12 Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.
13 Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht; und sie verstehen es nicht.
14 Und an ihnen wird die Weissagung Jesajas erfüllt, die da sagt {{Bibel|Jes|6|9-10}}: »Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet es nicht erkennen.
15 Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt: Ihre Ohren hören schwer und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.«
16 Aber selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören.
17 Wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt, zu sehen, was ihr seht, und haben's nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben's nicht gehört.|Matthäusevangelium|{{B|Mt|13|10-17}}}}
 
Das [[Johannes-Evangelium]], die [[Apokalypse des Johannes]] und besonders auch die [[Paulus von Tarsus|Briefe des Paulus]] haben deutlich gnostische Züge. Und [[Clemens von Alexandria]] († vor 215/16) betonte ausdrücklich:
 
{{Zitat|Mehr aber als das Glauben ist das Erkennen, ebenso wie natürlich auch mehr als das Gerettetwerden ist, wenn man nach dem Gerettetwerden der höchsten Ehre gewürdigt wird.|Clemens von Alexandrien|''Teppiche (Stromateis)'' VI 14,109 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel270-1.htm]}}
 
Weiter sagte er über die Gnosis:
 
{{Zitat|1. Sodann versetzt sie den Menschen auch leicht in den göttlichen und heiligen Zustand, der der Seele verwandt<ref>Vgl. Platon, Phaidon</ref> ist, und mit einem nur ihr eigenen Licht führt sie ihn durch die mystischen Entwicklungsstufen, bis sie ihn zu dem alles überragenden Ort der Ruhe gebracht und den, der "reinen Herzens"<ref> Vgl. {{B|Mt|5|8}}</ref> ist, Gott "von Angesicht zu Angesicht"<ref>Vgl. {{B|1 Kor|13|12}}</ref> mit klarem Wissen und mit vollem Verständnis zu schauen gelehrt hat.<br>
 
2. Denn darin besteht wohl die Vollendung der gnostischen Seele, daß sie über alle Formen der Reinigung und des Gottesdienstes hinauskommt und sich mit dem Herrn vereinigt<ref>Vgl. {{B|1 Thess|4|17}}</ref>, wo sie in unmittelbarer Nähe unter ihm steht.<br>
 
3. Der Glaube ist also sozusagen eine kurz zusammengefaßte Erkenntnis der wichtigsten Dinge, die Erkenntnis ein fester und sicherer Beweis der durch den Glauben angenommenen Lehren<ref>Vgl. [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel186.htm Strom. II 48,1]</ref>, da sie durch den Unterricht des Herrn auf dem Glauben aufgebaut wird<ref>Vgl. [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel277-7.htm Strom. VII 20,2]</ref> und uns zu unerschütterlicher Überzeugung und zu wissenschaftlicher Gewißheit führt.<br>
 
4. Und, wie ich früher sagte<ref>Vgl. [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel281-11.htm Strom. VII 46,3]</ref>, scheint mir eine erste heilbringende Veränderung die aus dem Heidentum zum Glauben, eine zweite aber die aus dem Glauben zur Erkenntnis zu sein; die letztere aber geht in Liebe über<ref>§ 57, 3 f. (bis hierher) ist Sacra Par. 268 Holl.</ref> und bringt dann das Erkennende und das Erkannte in ein nahes freundschaftliches Verhältnis<ref>Vgl. [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel223-11.htm Strom. IV 53,1]</ref>.<br>
 
5. Und vielleicht hat derjenige, der so weit gekommen ist, bereits hier unten den Zustand des "Engelgleichseins"<ref>Vgl. {{B|Lk|20|36}}</ref> vorausgenommen und zu eigen. Jedenfalls wird er, wenn er die letzte und höchste im Fleisch erreichbare Stufe erstiegen hat, sich immer noch, wie es sich geziemt, nach dem Besseren hin verändern und darnach streben, durch die heilige Siebenzahl hindurch<ref>Vgl. [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel256-17.htm Strom. V 106,2-4]; Exc. ex Theod. 63,1</ref> in das Haus des Vaters<ref>Vgl. {{B|Joh|14|2}}</ref> zu der wirklichen Wohnung des Herrn zu gelangen, wo er sozusagen ein feststehendes und ewig bleibendes, in jeder Hinsicht vollkommen unveränderliches Licht sein wird<ref>Vgl. [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel170-5.htm Strom. I 163,6]</ref>.|Clemens von Alexandrien|''Teppiche (Stromateis)'' VII 10,57 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel284-2.htm]}}
 
Darauf bezieht sich auch [[Rudolf Steiner]]:
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn man heute davon spricht, daß Geisteswissenschaft etwas sein
will, was sich durchaus in der Strömung des Christentums bewegt, was
durchaus aus dem Christentum hervorblühen muß für unsere Zeit, da
kommen zahlreiche Menschen - wir haben es ja erlebt, wir erleben ja
diese Dinge - und sagen: Aufleben der alten Gnosis! - und vor der
Gnosis, nun, da fängt eine große Zahl derjenigen, die heute das
Christentum vertreten, an, sich zu bekreuzigen wie vor dem lebendigen
Teufel. Aber Gnosis für die heutige Zeit ist Geisteswissenschaft, nur
daß die fortgeschrittene, die heutige Gnosis etwas anderes ist als die
Gnosis, die Klemens der Alexandriner gekannt hat. Dennoch aber, wie
spricht sich Klemens der Alexandriner aus, als in der zweiten Hälfte des
zweiten christlichen Jahrhunderts lebend? Er sagt: Glaube, gut, das ist
das, wovon man ausgeht. - Der heutige kirchliche Bekenner will dabei
stehen bleiben. Der Glaube ist schon Gnosis, sagt er, aber gedrängte
Erkenntnis des Nottuenden, die Gnosis aber der bestätigende und festigende
Nachweis des im Glauben Aufgenommenen, durch die Unterweisung
des Herrn auf den Glauben gebaut, ihn fortführend zur wissenschaftlichen
Unwiderleglichkeit und Erfaßbarkeit. - Da haben Sie
das ausgesprochen für seine Zeit bei Klemens dem Alexandriner, was
für die heutige Zeit verwirklicht werden muß. Da haben Sie es als eine
Forderung des Christentums ausgesprochen, daß Gnosis, die heutige
Geisteswissenschaft, sich lebendig hineinstellen muß gerade in die
christliche Entwickelung. Der Stumpfling von heute sagt: Wissenschaft
auf der einen Seite - die will er beschränken auf die äußeren Tatsachen -,
Glaube auf der anderen Seite; der Glaube soll sich nicht in die Wissenschaft
hineinmischen. Klemens von Alexandrien sagt: Dem Glauben
wird die Gnosis gegeben, der Gnosis die Liebe, der Liebe das Erbe<ref>Steiner zitiert nach Otto Willmann: ''Geschichte des Idealismus'', Band 2, Seite 142 [https://ia600300.us.archive.org/8/items/geschichtedesid02willgoog/geschichtedesid02willgoog.pdf#page=156]</ref>. -
Es ist dieses einer derjenigen Aussprüche, die zu dem Tiefsten überhaupt
der Entwickelung des Menschengeistes gehören, weil er Zeugnis
ablegt von einem tiefen Verbündnis mit dem geistigen Leben. Vom
Glauben geht man aus; aber dem Glauben wird die Gnosis gegeben, das
heißt das Wissen, die Erkenntnis. Und aus der lebendigen Erkenntnis,
das heißt aus dem Untertauchen in die Dinge, fließt erst die rechte Liebe,
und aus der rechten Liebe die Handhabung des Erbes des Göttlichen.
Göttliches kann durch die Menschheit nur fließen, fortfließen,
wie es im Urbeginn geflossen ist, wenn dem Glauben die Gnosis, der
Gnosis die Liebe, der Liebe das Erbe gegeben werden. - Man muß solche
Aussprüche auch so ansehen, daß man in ihnen sieht Zeugnisse für
die Tiefe eines solchen Geistes." {{Lit|{{G|175|381f}}}}
</div>
 
Im [[Wikipedia:1. Brief des Paulus an Timotheus|1. Brief des Paulus an Timotheus]]<ref>Nach heute weit verbreiteter Meinung stammt der Brief nicht von [[Paulus von Tarsus|Paulus]] selbst, sondern vermutlich von einem seiner Schüler; vgl dazu:<br>[[Wikipedia:Jürgen Roloff|Jürgen Roloff]], ''Der erste Brief an Timotheus'' ([[Wikipedia:Evangelisch-Katholischer Kommentar|EKK]] Bd. XV, hrsg. v. Hans-Josef Klauck, François Bovon et al.), Benziger: Zürich 1988, S. 23-28.</ref> wird vor den Irrlehren der Gnosis («Erkenntnis») gewarnt:
 
{{Zitat|20 Timotheus, bewahre, was dir anvertraut ist. Halte dich fern von dem gottlosen Geschwätz und den falschen Lehren der sogenannten «Erkenntnis»! 21 Nicht wenige, die sich darauf eingelassen haben, sind vom Weg des Glaubens abgekommen. Die Gnade sei mit euch!|1. Timotheus|{{B|1 Tim|6|20-21}}}}
 
Die frühen [[Wikipedia:Kirchenvater|Kirchenväter]] rechneten vor allem mit den Menschen des [[Verstandesseelenzeitalter]]s, denen der unmittelbare Einblick in die [[geistige Welt]] verwehrt ist. Das Streben nach höherer Erkenntnis gilt ihnen als eitel, ganz im Sinne der Worte, die der [[Christus]] dem zweifelnden [[Thomas (Apostel)|Thomas]] entgegen hält: ''„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“'' {{Bibel|Joh|20|29}} Das [[Wissen]] wird ersetzt durch den [[Glaube]]n an die überlieferte und durch die Kirche bewahrte [[Offenbarung]]. So schreibt etwa [[Irenäus von Lyon|Irenäus]]:
 
{{Zitat|Besser ist es also und nützlicher, in schlichter Einfalt wenig zu wissen und durch die Liebe Gott nahe zu kommen, als sich für gelehrt zu halten und bei vieler Erfahrung als ein Gotteslästerer erfunden zu werden, der sich einen andern Gott Vater gemacht hat. Darum ruft der hl. Paulus: „Wissenschaft bläst auf, Liebe erbaut“<ref>{{B|1 Kor|8|1}}</ref>, nicht als ob er die wahre Gottesgelehrtheit tadelte, sonst würde er sich ja selbst anklagen, sondern weil er weiß, daß manche, mit falscher Wissenschaft sich spreizend, von der Liebe Gottes abgefallen sind, darob sich für vollkommen hielten und einen unvollkommenen Weltenmeister aufbrachten.|Irenäus von Lyon|''Contra Haereses'' II 26,1 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel638.htm]}}
 
Die [[Erkenntnis]] hat sich auf die [[sinnliche Welt]] zu beschränken:
 
{{Zitat|Wer aber gesunden Verstandes und geraden, frommen und wahrheitsliebenden Herzens ist, der wird eifrig erforschen, was Gott in die Gewalt der Menschen gegeben und unserer Kenntnis unterworfen hat, und wird darin fortschreiten und durch tägliche Übung leicht zu einer Wissenschaft von diesen Dingen gelangen. Hierzu gehören die, welche uns vor Augen liegen und was offen und mit unzweideutigen Ausdrücken in den Schriften niedergelegt ist.|Irenäus von Lyon|''Contra Haereses'' II 27,1 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel639.htm]}}
 
In der [[Wikipedia:Enzyklika|Enzyklika]] «[[Wikipedia:Fides et Ratio|Fides et Ratio]]» von [[Wikipedia:Johannes Paul II.|Johannes Paul II.]] heißt es:
 
{{Zitat|37. Wenn man auf diese Annäherungsbewegung der Christen an die Philosophie hinweist, muß man freilich auch die vorsichtige Haltung erwähnen, die andere Elemente der heidnischen Kulturwelt, wie zum Beispiel die Gnosis, bei ihnen hervorriefen. Als praktische Weisheit und Lebensschule konnte die Philosophie leicht mit einer Erkenntnis höherer, esoterischer Art, die nur wenigen Vollkommenen vorbehalten war, verwechselt werden. Zweifellos denkt der hl. Paulus an diese Weise esoterischer Spekulationen, wenn er die Kolosser warnt: »Gebt acht, daß euch niemand mit seiner Philosophie und falschen Lehre verführt, die sich nur auf menschliche Überlieferung stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt, nicht auf Christus berufen« {{B|Kol|2|8}}. Die Worte des Apostels erscheinen äußerst aktuell, wenn wir sie auf die verschiedenen Formen der Esoterik beziehen, die heutzutage auch bei manchen Gläubigen, denen es am erforderlichen kritischen Sinn mangelt, um sich greifen. Dem Beispiel des hl. Paulus folgend erhoben andere Schriftsteller der ersten Jahrhunderte, im besonderen der hl. Irenäus und Tertullian, ihrerseits Vorbehalte gegen eine kulturelle Konzeption, die forderte, die Wahrheit der Offenbarung der Interpretation der Philosophen unterzuordnen.|Johannes Paul II.|''Fides et Ratio'' § 37 [http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_14091998_fides-et-ratio_ge.html]}}
 
=== Mysterien-Gnosis und exoterische Gnosis ===
 
Mit den letzten verbliebenen Resten der Mysteriengnosis konnte noch der [[Kosmos|kosmische]] [[Christus]] erfasst werden, der sich mit der [[Jordan-Taufe]] in [[Jesus von Nazareth]] [[Inkarnation|inkarniert]] hatte und dessen Herabkunft auch schon in den alten Mysterien erwartet worden war.
 
<div style="margin-left:20px">
"Aber hinter alle dem stand die Mysterienwelt. In ihr wurde
treu aufbewahrt, was von Gnosis aus dem Zeitalter der
Empfindungsseele vorhanden war. Die Seelen wurden für
dieses treuliche Aufbewahren geschult. Auf dem Wege der
gewöhnlichen Entwickelung erstand die Verstandes- oder
Gemütsseele. Durch besondere Schulung wurde die Empfindungsseele
belebt. So gab es hinter dem gewöhnlichen
Kulturleben gerade im Zeitalter der Verstandes- oder Gemütsseele
ein reich entwickeltes Mysterienwesen.
 
In diesem lebten die Welt-Götter-Bilder auch insofern,
als sie zum Inhalte eines Kultus gemacht wurden. Man
schaut in das Innere dieser Mysterien und erblickt die Welt
im Abbilde der wunderbarsten Kultusverrichtungen.
 
Die Menschen, die das erlebten, sie waren diejenigen, die
auch das Mysterium von Golgatha, als es sich vollzog, in
seinem tiefen kosmischen Zusammenhange durchschauten." {{Lit|{{G|26|209}}}}
</div>
 
Die exoterische Gnosis hat ihren Ursprung vermutlich in den Randgebieten des [[Judentum]]s, vermischt mit damals noch allgegenwärtigen [[Wikipedia:Hellenismus|späthellenistischen]] Elementen. Das [[Wikipedia:Alte Testament|Alte Testament]] bildet, in gnostischer Umdeutung, die wesentliche Grundlage der meisten gnostischen Systeme. Die [[Hebräische Sprache]] hat noch einen starken, aber unterschwelligen [[Imagination|imaginativen]] Charakter, der den Gnostikern entgegenkam. Das gilt ganz besonders für die [[Wikipedia:Tora|Tora]], d.h. für die [[Wikipedia:fünf Bücher Mose|fünf Bücher Mose]].
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn diese Sprache, in
der die ersten Partien der Bibel uns zunächst vorliegen, heute auch
nicht mehr so wirkt, einstmals hat sie so gewirkt, daß, wenn ein
Buchstabe durch die Seele lautete, ein Bild in ihr wachgerufen
wurde. Vor der Seele dessen, der mit lebendigem Anteil die Worte
auf sich wirken ließ, tauchten in einer gewissen Harmonie, ja in
einer organischen Form Bilder auf, die sich vergleichen lassen mit
dem, was der Seher heute noch sehen kann, wenn er von dem Sinnlichen zum Übersinnlichen vorschreitet. Man möchte sagen, die
hebräische Sprache, oder besser gesagt die Sprache der ersten Partien der Bibel, war eine Art von Mittel, aus der Seele herauszurufen
bildhafte Vorstellungen, welche nahe heranrückten an die Gesichte,
die der Seher erhält, wenn er fähig wird, leibfrei zu schauen in die
übersinnlichen Partien des Daseins." {{Lit|{{G|122|32}}}}
</div>
 
Der jüdische Schöpfergott, der die äußere Schöpfung, die nach Ansicht der Gnostiker das Reich des [[Das Böse|Bösen]] war, wurde allerdings entschieden abgelehnt.
 
<div style="margin-left:20px">
"Schon
die Kirchenväter haben immer wieder festgehalten, daß die
ersten Gnostiker aus dem Orient, näherhin aus dem samaritanisch-palästinischen Raum stammten und ihre Lehren der biblisch-jüdischen Überlieferung verpflichtet waren. Ein Großteil
der älteren und neuen Originalschriften hat diese Angaben bestätigen
können. Vor allem durch die koptischen Nag-Hammadi-Texte ist die These, daß die Mehrzahl der gnostischen
Bildungen am Rande des Judentums entstanden sind, weitgehend
erhärtet worden. Viele der Schriften lassen sich, wie wir
gesehen haben, als Auslegungen oder Umschreibungen alttestamentlicher
Texte verstehen, und auch sonst ist die Verwendung
biblischen Materials auffällig, trotz der dabei oft zutage tretenden
Polemik gegen die herkömmliche Sinngebung. Gerade
daß man sich auch in der Abgrenzung gegen die offizielle Deutung
der alttestamentlichen Überlieferung auf ebendiese Überlieferung
beruft, zeigt, daß auch die Gnosis auf die Autorisierung
durch die «Heilige Schrift» angewiesen ist." {{Lit|Rudolph, S 296}}
</div>
 
Durch die Berührung mit dem [[Christentum]] entstand die christliche Gnosis, für die auch die [[Wikipedia:Alte Kirche|frühchristlichen]] Schriften bedeutsam waren, die allmählich als [[Wikipedia:Neues Testament|Neues Testament]] kanonisiert wurden, aber auch viele Schriften, die heute zu den [[Apokryphen]] zählen. Im Gärungsprozess des frühen [[Christentum]]s waren die Grenzen zwischen anerkannten und als [[Häresie|häretisch]] empfundenen Lehrmeinungen noch sehr fließend. Schon die Lehren des [[Paulus von Tarsus|Paulus]], aber auch das [[Johannes-Evangelium]] und die [[Apokalypse des Johannes]] sind deutlich von gnostischen Elementen durchsetzt.
 
In der verborgenen Mysteriengnosis konnte man sich immer weniger zu Seelenerlebnissen erheben, in denen sich die tieferen geistigen Inhalte offenbaren sollten. Dieser ''Welt-Bild-Inhalt'' wurde darum von [[Geistige Wesen|höheren Geistwesen]] als ''[[Gefühl]]sgehalt'' bewahrt, etwa in der [[Heiliger Gral|Gralslegende]], damit er im gegenwärtigen Zeitalter der [[Bewusstseinsseele]] für die [[Menschheit]] fruchtbar werden kann.
 
<div style="margin-left:20px">
"In der esoterischen Mysteriengnosis wurden die Menschen
immer unfähiger, sich zur Entfaltung der Empfindungsseele
zu erheben. Es ging diese esoterische Weisheit
immer mehr an die bloße Pflege der «Götter» über. Und
das ist ein Geheimnis der geschichtlichen Entwickelung der
Menschheit, daß in ihr gewissermaßen «göttliche Mysterien» von den ersten christlichen Jahrhunderten an bis ins
Mittelalter wirkten.
 
In diesen «göttlichen Mysterien» bewahrten Engelwesen
im irdischen Dasein, was Menschen nicht mehr bewahren
konnten. So waltete die Mysterien-Gnosis, während
man an der Ausrottung der exoterischen Gnosis arbeitete.
Der ''Welt-Bild-Inhalt'', der in der Mysterien-Gnosis auf
geistige Art von geistigen Wesen bewahrt wurde, solange
er im Werdegang der Menschheit wirken sollte: er konnte
dem bewußten Begreifen der Menschenseele nicht erhalten
werden. Aber der Gefühlsgehalt sollte bewahrt werden.
 
Und dieser sollte im rechten kosmischen Augenblicke der
dazu vorbereiteten Menschheit gegeben werden, damit unter
seiner Seelenwärme die Bewußtseins seele später auf
neue Art in das Geistesreich eindringen könne. Geisteswesen
haben so die Brücke gebaut zwischen dem alten Welt-Inhalt und dem neuen." {{Lit|{{G|26|210f}}}}
</div>
 
=== Gnosis als luziferische Weisheit ===
 
Da die Gnosis auf die Kräfte der [[Empfindungsseele]] zurückgreifen, deren Blütezeit zur Zeitenwende längst vorrüber war, hat ihre [[Weisheit]] einen deutlich [[Luzifer|luziferischen]] Charakter, aus dem sich auch die weltflüchtige Lebenshaltung der Gnostiker erklärt. [[Luzifer]] erstrebt ja eine frühzeitig Vergeistigung des [[Mensch]]en, wodurch aber viele essentielle Früchte des Erdenlebens nicht geerntet werden könnten.
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn die alteren
christlichen Lehrer noch Nachklänge der alten hellseherischen Begriffe
anwandten, um das Mysterium von Golgatha zu erfassen, so blieben
natürlich diese hellseherischen Begriffe ihrem eigentlichen Nerv nach
den späteren Jahrhunderten unverständlich, und im Grunde genommen
ist das, was man Gnosis nennt, gewöhnlich nichts anderes als das Nachklingen
alter hellseherischer Begriffe. Man versuchte, mit alten hellseherischen
Begriffen das Mysterium von Golgatha zu begreifen, und
hellseherische Begriffe verstand man später nicht mehr, nur abstrakte
Begriffe. Daher verkannte man dasjenige, was die Gnosis eigentlich
wollte. Nun würde man aber die Sache sehr einseitig ansehen, wenn
man einfach sagen würde: Da gab es also eine Gnosis, die hatte noch
alte hellseherische Begriffe, die noch bis ins 1., 2., 3. Jahrhundert nach
dem Mysterium von Golgatha hereingingen, und dann kamen die unverständigen
Leute, die nicht fähig waren, die Gnostiker zu verstehen. -
Das wäre sehr einseitig, so zu denken. In einem gewissen vollkommenen
Sinne mit hellseherischen Begriffen zu arbeiten, gehört einer viel älteren
Zeit an als der Zeit, in die das Mysterium von Golgatha hineinfiel,
einer viel alteren Zeit. Und diese hellseherisch erfaßten Begriffe waren
schon ganz luziferisch infiziert, das heißt: das alte hellseherisch-begriffliche
Erfassen war schon luziferisch durchdrungen, und diese luziferische
Durchdringung des alten hellseherischen Begriffssystems, das ist
die Gnosis. Es mußte deshalb eine Art Reaktion gegen die Gnosis entstehen,
weil die Gnosis eben die aussterbende alte hellseherische Begriffswelt
war, die schon von Luzifer infizierte alte hellseherische Begriffswelt." {{Lit|{{G|165|201f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Allerdings ist es wahr, daß mit Sokrates auf
der einen Seite ein großes Zeitalter der Menschheit angebrochen ist,
das seine Kulmination gefunden hat im Übergang des 14. und 15.
Jahrhunderts, daß aber dieses Zeitalter des Sokrates heute abgelaufen
ist, richtig abgelaufen ist: denn das sokratische Zeitalter ist dasjenige,
welches aus der früheren impulsiven Weisheit herausgenommen
hat die bloße Logik, die bloße Dialektik. Dieses Herausnehmen
der bloßen Logik, der bloßen Dialektik aus der alten hellseherischen
Weisheit, das ist das Charakteristikum unserer abendländischen
Kultur. Das hat auch dem Christentum sein Gepräge aufgedrückt;
denn auch die Theologie des Abendlandes ist eine dialektische. Aber
was als Dialektik, als bis zur Abstraktion filtrierte Geistigkeit in
Griechenland aufgeht, geht eben zurück bis zu den Mysterien des
Orients, und bei diesen Mysterien waren auch diejenigen, die eine
Kultur begründet haben, welche dann zur chinesischen Kultur geworden
ist, innerhalb derer sich inkarniert hat die Gestalt des Luzifer.
Das darf man sich nicht verhehlen, daß Luzifer selber einmal in
einem Leibe war, wie der Christus während der Zeit des Mysteriums
von Golgatha in einem Leibe auf der Erde herumgewandelt ist. Aber
man verkennt in philiströser Weise diese luziferische Inkarnation,
wenn man wie eine Art Rührmichnichtan alles betrachten will, was
von Luzifer ausgegangen ist. Von Luzifer ist ausgegangen zum Beispiel
auch die Höhe der griechischen Kultur selber, die eigentliche
alte Kunst, der Kunstimpuls der Menschheit, so wie wir selber ihn
noch immer eigentlich betrachten. Nur ist das alles in Europa bis
zur Phrase, bis zur Inhaltslosigkeit erstarrt. Und luziferische Weisheit
war es, durch die zuerst das Christentum in Europa begriffen
worden ist. Das ist das Bedeutsame, daß in der griechischen Weisheit,
die sich herausgebildet hat als Gnosis, um das Mysterium von
Golgatha zu begreifen, die alte luziferische Weisheit mitgewirkt hat,
der alten Gnosis die Gestaltung gegeben hat. Es ist für die damalige
Zeit der größte Sieg des Christentums gewesen, daß die Tatsache des
Mysteriums von Golgatha sich gekleidet hat in das, was Luzifer der
Erdenentwickelung gegeben hat. Aber während die Luzifer-Kultur,
die also durch die reale Inkarnation des Luzifer der Menschheit
übergeben worden ist, abflutet, flutet auf nach und nach, was die
künftige Inkarnation des Ahriman auf der westlichen Erde vorbereitet." {{Lit|{{G|195|52f}}}}
</div>
 
=== Gnosis und Anthroposophie ===
 
Die [[Anthroposophie]] wird von Außenstehenden oft als neognostische Strömung angesehen. Dieser Eindruck ist jedoch falsch. Zwar wird in beiden Fällen [[geist]]ige [[Erkenntnis]] erstrebt, doch mit ganz unterschiedlichen Mitteln. Während die Gnostiker noch im heraufkommenden [[Verstandesseelenzeitalter]] nach der Zeitenwende aus den Kräften der [[Empfindungsseele]] zu schöpfen versuchten (siehe oben), was schon damals nicht mehr zeitgemäß war, arbeitet die Anthroposophie voll und ganz mit den Kräften der [[Bewusstseinsseele]], die gegenwärtig entwickelt werden soll, doch versucht sie das [[Bewusstsein]] nicht nur auf die [[sinnlich]]e Außenwelt, sondern auch auf die [[geist]]ige Innenwelt zu richten, in der sich der Geistgehalt der Welt offenbaren kann.
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Anthroposophie kann nicht eine Erneuerung der
Gnosis sein, denn diese hing an der Entfaltung der Empfindungsseele.
Anthroposophie muß im Lichte der Michael-Tätigkeit aus der Bewußtseinsseele heraus ein Welt- und
Christus-Verständnis auf neue Art entwickeln. Die Gnosis
war die aus alter Zeit bewahrte Erkenntnisart, die das Mysterium
von Golgatha bei seinem Eintritte am besten zum
Menschenverständnisse bringen konnte." {{Lit|{{G|26|212}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Derjenige, der
nun wirklich eingeht bloß auf das, was in diesen Vorträgen
geboten worden ist, der wird gar nicht in die Versuchung
kommen, wenn er andererseits die Gnosis auch
kennt, diese Anthroposophie, die durchaus mit neuen
Erkenntnismitteln und Erkenntnismethoden auftritt und
mit dem Bewußtsein der Menschheit der Gegenwart
rechnet, irgendwie zusammenzuwerfen mit der Gnosis.
Diese Anthroposophie arbeitet ja so, daß sie voraussetzt
die naturwissenschaftliche Entwickelung der letzten
Jahrhunderte. Die Gnosis rechnete natürlich nicht damit,
denn ihr Dasein ging der naturwissenschaftlichen Entwickelung
voraus." {{Lit|{{G|82|202f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Es hat zum Beispiel einmal eine Gnosis gegeben, von der eigentlich,
außer der schwer verständlichen und wenig enthaltenden Pistis-Sophia-Schrift kaum etwas existiert. Alle die, welche heute über die Gnosis
schreiben oder, da zur Zeit dieses Gebiet eine bedeutsame Rolle spielt,
über sie urteilen, kennen die Gnosis wenig; sie glauben, daß sie etwas
über die Gnosis erklären, wenn sie sagen, daß sie aus dem Griechentum
hervorgegangen ist. Ich muß oft denken, wie es wäre, wenn das in
bezug auf die Anthroposophie ebenso ginge, wenn sie nur durch die
Gegner bekannt würde, und wenn es ginge, was manchmal viele wünschen,
daß alle anthroposophischen Schriften verbrannt würden; dann
würde man Anthroposophie so kennen, wie man heute die Gnosis kennt.
Aber interessant ist es, daß heute von der Anthroposophie sehr viele
Leute sagen, sie sei eine aufgewärmte Gnosis. Sie kennen die Anthroposophie
nicht, weil sie sie nicht erkennen wollen, und sie kennen die
Gnosis nicht, weil sie sie nicht erkennen können, denn es ist kein äußeres
Dokument über sie da. Aber die Leute reden so. Es ist eine negative
Instanz, die auch nach einer bestimmten Richtung deuten kann. Sie
kann allerdings nur dahin deuten, daß der Mut und die Kraft da sein
müssen, damit es der Anthroposophie einmal nicht so gehe, wie es der
Gnosis geht, sondern daß es ihr so gehen möge, daß sie ihre Wirksamkeit
entfalten kann." {{Lit|{{G|310|170f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Sie sehen es überall
bei den Gegnern: das wird der Anthroposophie zur größten Sünde
gerechnet, daß sie den Christus kosmologisch auffaßt. Da wird gesagt:
Das ist ein Aufwärmen dessen, was einmal als gnostisches Christentum
da war. - Nun wissen die Leute ja nicht, was gnostisches Christentum
überhaupt ist. Denn außer einigem Wenigen, aus dem wenig zu entnehmen
ist, wie die Pistis Sophia, ist ja die Gnosis der Nachwelt nur
durch die Gegnerschriften bekanntgeworden. Gnosis kennt man eigentlich
nicht. Man weiß nur durch die Gegnerschriften davon. Denken
Sie einmal über die Frage nach: Wenn von der Anthroposophie nichts
bekannt bleiben würde als die Schriften meiner heutigen Gegner, wenn
alles vernichtet würde außer den Schriften meiner Gegner, wie man
da Anthroposophie in der Nachwelt schildern würde!" {{Lit|{{G|239|234}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Anthroposophie will durchaus keine Erneuerung dessen, was man
als Gnosis bezeichnet, sein. Die Gnosis ist die letzte Phase der alten
atavistischen Wissenschaft, während die Anthroposophie die erste
Phase einer vollbewußten Wissenschaft darstellt. Es ist eine Verleumdung,
wenn man beide zusammenwirft. Da ich das vorausgeschickt
habe, darf ich doch sagen, daß jene Gnosis es zuerst war, welche
versucht hat, das Mysterium von Golgatha zu verstehen. Und es war
eine tiefe geistige Wissenschaft - wenn auch instinktiver, atavistischer
Art —, welche dazumal versuchte, das Mysterium von Golgatha zu
verstehen. Diese Gnosis, die dazumal ausgebreitet war, ist ja dann
vollständig ausgerottet worden. Sie ist so vollständig ausgerottet
worden, daß nur weniges in positiver Weise übrig geblieben ist, nur
wenige Schriften, die noch dazu wenig besagen. Die allmählich ganz
römisch gewordene Form des Christentums, die das Christentum
durchsetzt hat mit den römischen Staatsbegriffen, hat dafür gesorgt,
daß alles, was von der ersten Auffassung des durchgeistigten Christentums
in der Gnosis vorhanden war, mit Stumpf und Stiel ausgerottet
worden ist. Und wenn heute die Theologen von der Gnosis
sprechen, kennen sie sie nur von den Gegnern." {{Lit|{{G|342|191f}}}}
</div>
 
== Quellen ==
 
Die [[Pistis Sophia]] ({{ELSalt|Πίστις Σοφία}}; von {{polytonisch|πίστις}}: ''Glaube'' und {{polytonisch|σοφία}}: ''Weisheit'') ist einer der wichtigsten [[Wikipedia:koptisch|koptisch]]-[[Gnostizismus|gnostischen]] Texte. Er gibt Lehrgespräche wieder, die der [[Christus]] nach seiner [[Auferstehung]] mit den Jüngern gehalten haben soll. Die Schrift ist besonders bedeutsam, weil sie, neben den «[[Bücher des Jeû|Zwei Büchern des Jeû]]» und den erst viel später aufgefundenen [[Nag-Hammadi-Schriften]], eines der wenigen direkten Zeugnisse der antiken Gnosis ist, das nicht aus den teilweise sehr polemischen und entstellenden [[Wikipedia:Patristik|patristischen]] apologetischen Schriften gegen die als [[Häresie|Häretiker]] verdammten Gnostiker stammt. Die Schriften der [[Wikipedia:Kirchenväter|Kirchenväter]] bildeten lange Zeit die Hauptquelle für die Lehren der verschiedenen gnostischen Schulen.
 
Die Situation änderte sich durch die [[Nag-Hammadi-Schriften]], die im Dezember [[Wikipedia:1945|1945]] in der Nähe des kleinen ägyptischen Ortes [[Nag Hammadi]] von ansässigen Bauern gefunden wurde. Sie sind eine reiche Sammlung von 47 unterschiedlichen [[Wikipedia:Frühchristentum|frühchristlichen]] Texten hauptsächlich gnostischer Orientierung. Die meisten dieser Schriften waren bis dahin gar nicht oder nur in Fragmenten bekannt. Dazu gehört insbesondere das [[Thomasevangelium]].
 
== Hauptmerkmale ==
 
[[Datei:Hildegard von Bingen Liber Divinorum Operum.jpg|miniatur|350px|[[Hildegard von Bingen]] (1098 - 1179) beschreibt in ihrem ''Liber divinorum operum'' eine Schau von Mensch und Welt, die deutlich gnostische Züge trägt. Charakteristisch ist die Abriegelung der oberen von der unteren, irdisch-materiellen Welt durch einen dunklen Feuerkreis, der das Reich des gefallenen [[Luzifer]] ist. Außen umgeben wird er von einem doppelt so starken rötlichen Lichtkreis. [[Christus]] trägt das ganze Weltenrad in seinen Händen, über ihm ist das Antlitz des Vaters sichtbar. In der Mitte steht der Mensch, der den ganzen Makrokosmos umspannt.<ref>Leisegang, S 20-24</ref>]]
 
Auf dem Kongreß über die «Ursprünge des Gnostizismus» 1966 in [[Wikipedia:Messina|Messina]] wurden folgende, allen gnostischen Systemen des [[Wikipedia:2. Jahrhundert|2. Jahrhundert]]s gemeinsame «zusammenhängende Charakteristika» genannt:
 
{{Zitat|... die Vorstellung von der Gegenwart eines göttlichen ‹Funkens› im Menschen ..., welcher aus der göttlichen Welt
hervorgegangen und in diese Welt des Schicksals, der Geburt
und des Todes gefallen ist und der durch das göttliche Gegenstück
seiner selbst wiedererweckt werden muß, um endgültig
wiederhergestellt zu sein. Diese Vorstellung ... gründet sich
ontologisch auf die Anschauung von einer Abwärtsentwicklung
des Göttlichen, dessen äußerster Rand (oftmals ''[[Sophia (Gnosis)|sophia]]'' oder
''[[ennoia]]'' genannt) schicksalhaft einer Krise anheimfallen und —
wenn auch nur indirekt — diese Welt hervorbringen mußte, an
welcher es dann insofern nicht desinteressiert sein kann, als es
den göttlichen ‹Funken› (oft als ''pneuma'', ‹Geist›, bezeichnet)
wieder herausholen muß.|Ursprünge des Gnostizismus|Messina 1966<ref>zit. nach: Rudolph, S 65f</ref>}}
 
Gemeinsam ist den Gnostikern eine weitgehend weltabgewandte [[luziferisch]]e Geisteshaltung, die das [[Heil]] des [[Mensch]]en darin sieht, sich von der Befleckung durch [[sinnlich]]-[[materiell]]e Welt zu reinigen. Im Zentrum steht der „unbekannte Gott“, der sich aller Vorstellungskraft entzieht, umgeben von einer Fülle (''[[Pleroma]]'') von [[Geistige Wesen|geistigen Wesen]] ([[Äon]]en), die er aus seinem unergründlichen Urgrund [[emaniert]]. Als unterster Äon erscheint die [[Sophia (Gnosis)|Sophia]], durch deren Fall das [[Chaos]] als materielle Grundlage der äußeren Welt gebildet wird. Die äußere [[sinnlich]]-[[materiell]]e Welt, der [[Kosmos]], ist ''nicht'' die [[Schöpfung]] des unbekannten Gottes, sondern die einer untergeordneten Wesenheit, des [[Demiurg]]en, der negativ und sogar als gefallener [[Engel]], als böser [[Widersacher]] empfunden wird (vgl. → [[Jaldabaoth]]) und seine Kräfte der Sophia geraubt hat. Der Mensch, weil er den «[[Göttlicher Funke|göttlichen Funken]]» des höchsten Göttlichen in sich trägt, steht höher als der Demiurg, der nur ein untergeordneter Schöpfergott ist, und der Mensch steht auch höher als die [[Engel]]wesen, die diesem dienen. Die [[Paradiesesschlange]], die dem Menschen seine Göttlichkeit bewusst macht, indem sie ihn vom [[Baum der Erkenntnis]] essen lässt, wird in den verschiedenen gnostischen Lehren unterschiedlich, oft aber weitgehend positiv bewertet.
 
Der [[Ethik|ethisch]]-[[Religion|religiöse]] Dualismus, wie ihn auch die [[Manichäer]] vertreten, der das Weltgeschehen als den Kampf von [[Gut]] und [[Böse]], zwischen [[Licht]] und [[Finsternis]], ansieht, ist auch für die Gnosis von zentraler Bedeutung. Die Materie ist Ausdruck des Bösen; sie ist das Reich der Finsternis, das dem göttlichen Licht entgegensteht. Die Wurzel des Bösen liegt in der durch die Finsternis bewirkten Unwissenheit, dem mangelnden Wissen von dem «unbekannten Gott». [[Erlösung]] kann nur durch [[Erkenntnis]] („Gnosis“) geschehen, die durch den [[Erlöser]] erweckt wird, der aus höchsten Höhen in die Finsternis herab- und anschließend wieder - beispielgebend für die wissend gewordenen Menschen - in die reine Geistwelt aufsteigt. Die ganze äußere Schöpfung - bis in die höchsten Sphären des sichtbaren Himmels - ist schlecht, weil sie der Finsternis verfallen ist. Mithin wird auch das [[körper]]liche [[Dasein]] als solches negativ beurteilt. Die [[christlich]]en Gnostiker wussten daher viel über das [[geist]]ige [[Wesen]] des [[Christus]] zu sagen, konnten jedoch für die eigentliche [[Menschwerdung Gottes]] und für die [[Auferstehung]], die aber der entscheidende Mittelpunkt des Christuswirkens ist, kein rechtes Verständnis entwickeln.
 
{{Zitat|Man geht
nicht fehl, wenn man darunter eine aus mehreren Schulen und
Richtungen bestehende dualistische Religion sieht, die zu Welt
und damaliger Gesellschaft in einer betont ablehnenden Haltung
stand und eine Befreiung («Erlösung») des Menschen eben aus
den Zwängen des irdischen Seins durch die «Einsicht» in seine —
zeitweise verschüttete — wesenhafte Bindung, sei es als «Seele»
oder «Geist», an ein überirdisches Reich der Freiheit und der
Ruhe verkündet hat.|Kurt Rudolph|''Die Gnosis'', S 7}}
 
Mit der Verwerfung der ganzen äußeren Schöpfung und überhaupt aller äußeren Verhältnise übten die Gnostiker eine radikale Gesellschaftskritik, die in der gesamten [[Wikipedia:antike|antike]]n Welt beispiellos ist. Im Grunde wurden alle irdischen und überirdischen Herrschaftsstrukturen, die sich auf den Schöpfergott berufen, vollkommen verneint. Allerdings resultierte daraus kein «Reformmodell», denn es ging nicht darum, die äußere Welt zu verändern, sondern sie - letztlich - endgültig zu vernichten<ref>vgl. Rudolph, S 284f</ref>.
 
[[Wikipedia:Christoph Markschies|Christoph Markschies]] schlägt folgende Typologie zur Charakterisierung der «Gnosis» vor:
 
<div style="margin-left:20px">
# Die Erfahrung eines vollkommen jenseitigen, fernen obersten Gottes;
# die unter anderem dadurch bedingte Einführung weiterer göttlicher Figuren oder Aufspaltung der vorhandenen Figuren in solche, die dem Menschen näher sind als der ferne oberste Gott;
# die Einschätzung von Welt und Materie als böser Schöpfung und eine dadurch bedingte Erfahrung der Fremdheit des Gnostikers in der Welt;
# die Einführung eines eigenen Schöpfergottes oder Assistenten; er wird mit der platonischen Tradition „Handwerker" - griechisch: „Demiurgós" - genannt und zum Teil nur als unwissend, zum Teil aber auch als böse geschildert;
# die Erklärung dieses Zustandes durch ein mythologisches Drama, in dem ein göttliches Element, das aus seiner Sphäre in eine böse Welt fällt, als göttlicher Funke in Menschen einer Klasse schlummert und daraus befreit werden kann;
# eine Erkenntnis („Gnosis") über diesen Zustand, die aber nur durch eine jenseitige Erlösergestalt zu gewinnen ist, die aus einer oberen Sphäre hinab- und wieder hinaufsteigt;
# die Erlösung durch die Erkenntnis des Menschen, „daß Gott (bzw. der Funke) in ihm ist" ([[Evangelium der Wahrheit|TestVer NHC IX,3]] p. 56,15-20), sowie schließlich
# eine unterschiedlich ausgeprägte Tendenz zum Dualismus, die sich im Gottesbegriff, in der Entgegensetzung von Geist und Materie und in der Anthropologie äußern kann.
{{Lit|Markschies, S 25f}}
</div>
 
=== Frauengestalten in der Gnosis ===
[[Datei:Mary MagdaleneEgorov.jpg|thumb|[[Maria Magdalena]] mit dem auferstandenen [[Christus]].]]
Frauengestalten kommt in den Lehren der Gnosis eine bedeutsame, teils positive, teils negative Rolle zu, etwa in Form der [[Ennoia]] oder der [[Barbelo]] und besonders auch in der zwiespältigen Stellung der [[Sophia (Gnosis)|Sophia]] oder [[Achamoth]], durch deren Fall die materielle Welt der Finsternis entsteht. Für [[Simon Magus]] war [[Helena (Mythologie)|Helena]] besonders bedeutsam und für [[Ptolemaios (Gnostiker)|Ptolemaios]] eine gewisse ''Flora''. Eine Vermittlerin wichtiger Offenbarungen ist [[Maria Magdalena]], die als Erste dem [[Auferstehung|Auferstandenen]] begegnet war.
 
Im Gemeindeleben der Gnostiker sollen alle wichtigen Positionen auch von Frauen eingenommen worden sein, wogegen die [[Wikipedia:Kirchenväter|Kirchenväter]] häufig abfällig polemisiert haben. So schreibt etwa [[Tertullian]] († um 220):
 
{{Zitat|Und selbst die häretischen Weiber, wie frech und anmaßend sind sie! Sie unterstehen sich, zu lehren, zu disputieren, Exorzismen vorzunehmen, Heilungen zu versprechen, vielleicht auch noch zu taufen.|Tertullian|''De praescriptione haereticorum'' 41 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel96-40.htm]}}
 
Frauen waren Lehrerinnen oder sogar Schulhäupter, wie z.B. [[Marcellina]], waren als [[Prophet]]innen und [[Wikipedia:Missionar|Missionar]]innen tätig und führten [[kult]]ische und [[Magie|magische]] Handlungen aus. Wie weit es eine tatsächliche Gleichstellung der Frau in einzelnen gnostischen [[Sekte]]n gab, ist allerdings umstritten<ref>vgl. Rudolph, S 229f und Brankaer, S 108ff</ref>.
 
=== Kosmologie ===
[[Datei:Ophitendiagramm_(Leisegang).jpg|mini|350px|Das kosmologische Weltbild der [[Ophiten]], rekonstruiert von [[Wikipedia:Hans Leisegang|Hans Leisegang]] {{Lit|Leisegang, S 20f}}]]
Die [[Kosmologie]] der Gnostiker orientiert sich am [[Geozentrisches Weltbild|geozentrischen Weltbild]] der [[Antike]]. Im Mittelpunkt steht die [[Erde (Planet)|Erde]] mit ihrem [[Luft]]kreis, umgeben von den [[sieben]] [[Planetensphären]]. Die [[Archonten]], die [[dämon]]ischen Beherrscher dieser [[Hebdomas]] ({{ELSalt|εβδομάς}}, „Siebenheit“), bewirken die [[Schicksal]]snotwendigkeit ([[Heimarmene]]) und gehören dem finsteren Reich der äußeren [[Schöpfung]] an. Auf die 7 Planetensphären folgt als «Achtheit» die [[Fixstern]]region mit dem [[Tierkreis]] ({{polytonisch|δώδεκα}}, ''dodeka''), die entweder noch zum finsteren Reich gezählt wird oder schon den Übergang zur geistigen Lichtsphäre mit den reinen [[Engel]]wesenheiten des [[Pleroma]]s bildet. Der (böse) «[[Oberarchon]]», der von den meisten Gnostikern dem [[Demiurg]]en gleichgesetzt wird, thront entsprechend entweder in der siebenten Sphäre oder in der Achtheit. Bei den [[Ophiten]] umwindet [[Leviathan]] als [[Ouroboros]]schlange (von {{ELSalt|οὐροβóρος}} „Schwanzfresser“) die Planetensphären und trennt sie von der Tierkreisregion; Leviathan ist hier zugleich der Herr und König der ''geschaffenen'' Welt und die [[Weltseele]], die alle Dinge durchdringt.<ref>vgl. Rudolph, S 76ff</ref>
 
=== Der «unbekannte Gott» ===
 
Der unbekannte, unermessliche, unergründliche und unbegrenzte Gott oder Vater überragt alle Sphären und ist für die Gnostiker der geheime Mittelpunkt der Welt und die Quelle alles [[Sein]]s, vergleichbar dem [[Ain Soph]] ({{HeS|אין סוף|nicht endlich}}) der [[Kabbala|Kabbalisten]]. Im [[Apokryphon des Johannes]] wird [[Johannes (Apostel)|Johannes]] von dem [[Christus]] ausführlich über das [[Wesen]] des «unbekannten Vaters» belehrt:
 
{{Zitat|Die Einheit ist eine Einherrschaft, über der nichts ist. Er ist der, der existiert als Gott und Vater des Alls, der Unsichtbare, der über dem All ist, der existiert als Unvergänglichkeit und als reines Licht, in das kein Auge blicken kann. Er ist der unsichtbare Geist, in bezug auf den es nicht passend ist, sich ihn als Gott oder etwas ähnliches vorzustellen. Denn er ist mehr als Gott, da es keinen über ihm gibt, denn niemand ist Herr über ihn. Denn er existiert nicht in irgendeiner Untergeordnetheit, denn alles existiert in ihm.<br>
 
Denn er ist der, der sich selbst befestigt. Er ist ewig, denn er braucht nichts. Denn er ist die ganze Vollendung. Er brauchte nichts, daß er vollkommen werde durch es; vielmehr ist er immer gänzlich vollkommen im Licht. Er ist unbegrenzbar, da es keinen, der vor ihm ist, gibt, der ihn begrenzt. Er ist unergründbar, da es dort keinen, der vor ihm ist, gibt, um ihn zu ergründen. Er ist unmeßbar, da es keinen, der vor ihm ist, gab, um ihn zu messen. Er ist unsichtbar, da keiner ihn gesehen hat. Er ist ewig, da er ewiglich existiert. Er ist unaussprechbar, da keiner in der Lage war, ihn zu begreifen, um dann über ihn zu reden. Er ist unbenennbar, da dort keiner ist, der vor ihm ist, um ihn zu benennen.  Er ist das unmeßbare Licht, das rein, heilig und gereinigt ist. Er ist unaussprechbar, indem er vollkommen ist in der Unvergänglichkeit. Er ist nicht in Vollkommenheit noch in Seligkeit noch in Göttlichkeit, sondern er ist weitaus vorzüglicher. Er ist weder körperlich noch ist er unkörperlich. Er ist weder groß noch ist er klein. Es gibt keine Art und Weise zu sagen: Wie groß ist er? Oder: Was ist seine Art? denn keiner ist in der Lage, ihn zu erkennen. Er gehört nicht zu den Existierenden, sondern er ist weitaus vorzüglicher, nicht als ob er an sich vorzüglicher wäre, sondern dieses, was das Seine ist, ist vorzüglicher.  Er hat keinen Anteil, weder an den Äonen noch an Zeit. Denn wer nämlich Anteil hat an einem Äon, diesen haben andere bereitet. Man hat ihn nicht in eine Zeit eingeschlossen, denn er empfängt nicht von jemand anderem, denn es würde empfangen werden als Anleihe.<br>
 
Denn der, der über allen steht,  hat keinen Mangel, damit er empfange von ihm. Denn er ist der, der erwartungsvoll auf sich selbst blickt in seinem Licht.<br>
 
Denn er ist groß. Zu ihm gehört eine unermeßliche Reinheit. Er ist Ewigkeit, die Ewigkeit gibt. Er ist Leben, das Leben gibt.<br>
 
Er ist ein Seliger, der Seligkeit gibt. Er ist Erkenntnis, die Wissen gibt. Er ist Güte, die Güte gibt. Er ist Erbarmen, das Erbarmen und Rettung gibt. Er ist Gnade, die Gnade gibt.<br>
 
Nicht weil er es besitzt, sondern weil er das unmeßbare unbegreifbare Licht gibt.<br>
 
Wie soll ich sprechen mit dir über ihn? Denn sein Äon ist unvergänglich, er schweigt und existiert im Schweigen, indem er ruht und
vor allen Dingen ist. Denn er ist das Haupt aller Äonen, und er ist der, der ihnen Stärke gibt in seiner Güte. Denn wir wissen nicht die unaussprechbaren Dinge, und wir wissen nicht, was unmeßbar ist außer ihm, der aus ihm offenbar geworden ist, nämlich aus dem Vater. Er nämlich ist es, der es uns allein gesagt hat. Denn er ist der, der sich anblickt in seinem Licht, welches ihn umgibt, das ist die Quelle des lebendigen Wassers. Und er ist es, der allen Äonen gibt. Und in jeder Gestalt nimmt er sein Bild wahr, indem er es in der Quelle des Geistes sieht.|Apokryphon des Johannes|''Der unbekannte Vater'' [http://www.gerd-albrecht.de/Die%20Gnostischen%20Schriften/Das%20Apokryphon%20des%20Johannes.htm]}}
 
=== Das [[Pleroma]] ===
 
Der Begriff «[[Pleroma]]» umfasst für die Gnostiker die Gesamtheit aller [[Geistige Wesen|geistigen Wesen]] und [[Äonen]], die der «unbekannte Gott» [[Emanation|emaniert]] hat. Im nachfolgenden Text identifiziert Steiner den [[Demiurg]] mit diesem «unbekannten Gott», der die Quelle alles [[Sein]]s ist. In den meisten gnostischen Texten wird als Demiurg allerdings nur der untergeordnete, negativ bewertete Schöpfergott bezeichnet, der die äußere Welt der Finsternis bzw. der Materie hervorgebracht hat, also [[Jahve]] oder [[Jaldabaoth]].
 
<div style="margin-left:20px">
"Alles das, was sich da gewissermaßen nun erhebt - für die ältere
Menschheit durchaus verständlich, für die spätere Menschheit nicht
mehr verständlich -, was sich da erhebt auf der Grundlage desjenigen,
was uns im Erdenleben sinnlich umgibt, das alles faßte man zusammen
unter dem Ausdrucke Pleroma (siehe Schema). Das Pleroma ist
also eine Welt, von individualisierten Wesen bevölkert, die sich erhebt
über der Welt des Physischen. Gewissermaßen auf der untersten
Stufe dieser Welt, dieser Pleroma-Welt, erscheint der durch Jahve
oder Jehova ins Dasein gerufene Mensch. Auf der untersten Stufe
dieses Pleromas ersteht eine Wesenheit, die eigentlich nicht in dem
einzelnen Menschen, auch nicht etwa in einer Völkergruppe, sondern
in der ganzen Menschheit lebt, die aber eine Erinnerung hat an die
Abstammung vom Pleroma, vom Demiurgen, und wiederum zurückstrebt
nach der Geistigkeit. Es ist das die Wesenheit Achamoth, mit
der man in Griechenland eben das Hinaufstreben der Menschheit
nach dem Geistigen andeutete. So daß also durch Achamoth ein wiederum
Zurückstreben zu dem Geistigen vorhanden ist (roter Pfeil).
Nun gliederte sich an diese Vorstellungswelt die andere an, daß
der Demiurg dem Streben der Achamoth entgegengekommen ist und
 
[[Datei:GA225 119.gif|center|500px|Tafel 7]]
 
einen sehr frühen Äon herabgeschickt hat, der sich mit dem Menschen
Jesus vereinigte, damit das Streben der Achamoth in Erfüllung gehen
könne. So daß in dem Menschen Jesus ein Wesen aus der Äon-
Entwickelung steckt, das von viel höherer geistiger Wesenheit, von
höherer geistiger Art als Jahve oder Jehova gedacht wurde (grüner
Pfeil)." {{Lit|{{G|225|119f}}}}
</div>
 
== Gnosis und Neuplatonismus ==
 
Es gibt manche Gemeinsamkeiten zwischen der Gnosis und dem [[Neuplatonismus]], vor allem wenn es um die Bedeutung der rein geistigen Weltbereiche geht. Auch die Neuplatoniker hatten eine ausgefeilte [[Emanation|Emanation]]slehre. Womit sie aber nicht mitgehen konnten, war die Verteufelung der ganzen äußeren Welt. Für die Platoniker war der äußere [[Kosmos]] trotz seiner Trübung durch die [[Materie]] ein Ort der Schönheit und Ordnung, in der sich die Gesetze des ewigen Geistes widerspiegeln. [[Plotin]], der führende Denker der Neuplatoniker, wandte sich daher entschieden gegen die weltverneinenden Lehren der Gnostiker.
 
{{Zitat|Das Vorhaben der Gnostiker ist, anders als die
Philosophie, nicht rational. Plotin stellt die Lehre
der Gnostiker als absurd, lächerlich und
unvernünftig dar. Philosophie an sich ist eine
rationale Beschäftigung. Daher sind die Gnostiker
keine Philosophen, sondern sogar das Gegenteil.|Johanna Brankaer|''Die Gnosis'', S 104}}
 
In seinen [[Enneaden]] schreibt Plotin «Gegen die Gnostiker oder gegen die welche sagen, der Weltbildner sei schlecht und die Welt sei schlecht»:
 
{{Zitat|Wer also die Natur der Welt tadelt, weiss nicht
was er thut noch wieweit er sich in seiner Frechheit
versteigt. Dies kommt aber daher, weil sie das Gesetz
der Stufenfolge vom Ersten, Zweiten, Dritten u.s.f. bis
zum Letzten nicht kennen, weil sie nicht wissen, dass
man es den Dingen nicht vorwerfen darf, weil sie
schlechter sind als das Erste, sondern geduldig sich in
das Naturgesetz des Alls zu fügen hat, rüstig zum Ersten
emporeilend und ablassend von der theatralischen
Ausschmückung der eingebildeten Schrecken,
welche das Sphärensystem der Welt verursachen soll,
das im Gegentheil doch alles zu ihrem Heile fördert.
Was liegt denn Furchtbares in diesen Sphären, wie sie
es doch den Leuten einzureden suchen, die in philosophischen
Untersuchungen nicht geübt sind und einer
auf Bildung begründeten richtigen Erkenntniss entbehren?
Wenn ihre Körper feurig sind, so braucht
man sich deshalb nicht vor ihnen zu fürchten, da sie
trotzdem das richtige Verhältniss zum All und zur
Erde bewahren; auf ihre Seelen muss man blicken,
durch die ja auch sie jedenfalls geehrt sein wollen.
Und doch sind auch ihre Körper ausgezeichnet durch
Grösse und Schönheit, sie tragen thätig und hülfreich
mit bei zu dem, was gemäss der Natur entsteht, was
niemals aufhören kann zu entstehen so lange es das
Erste giebt, sie helfen das All ergänzen und sind grosse
Theile des Alls. Wenn aber den Menschen gegenüber
den andern lebendenWesen ein besonderer
Werth zukommt, so in noch viel höherem Grade
ihnen, die nicht zur Tyrannei im All vorhanden sind,
sondern ihm seinen Schmuck und seine Ordnung verleihen.|Plotin|''Enneaden'' II 9,13}}
 
== Rudolf Steiner über die Gnosis ==
 
[[Rudolf Steiner]] sagt über die Gnosis:
 
<div style="margin-left:20px">
"In Griechenland gab es bis ins 4. Jahrhundert
hinein Philosophen, welche daran arbeiteten, die alte
ätherische Astronomie mit dem Christentum in Einklang zu bringen,
und daraus entstand jene wahre Gnosis, welche durch das
spätere Christentum gründlich ausgerottet worden ist, so daß nur
einige Fragmente von den literarischen Proben dieser Gnosis übriggeblieben
sind. Was wissen denn die heutigen Menschen, das sagte
ich schon neulich, eigentlich über die Gnosis, von der sie in ihrer
Torheit sagen, daß unsere Anthroposophie eine Aufwärmung dieser
Gnosis sei. Selbst wenn sie es wäre, so könnten es diese Menschen gar
nicht wissen, denn sie kennen von der Gnosis eben nur das, was in
den abendländischen christlichen kritischen Schriften über die
Gnosis steht. Die Zitate kennen sie, welche die Bekämpfer der
Gnosis von ihr hinterlassen haben. Von der Gnosis ist ja kaum mehr
vorhanden als nur dasjenige, was sich etwa durch folgenden Vergleich
ausdrücken läßt: Denken Sie einmal, es gelänge dem Herrn
von Gleich, alles auszurotten, was von der anthroposophischen Literatur
da ist, und es bliebe nichts anderes als seine Zitate, und dann
würde man später einmal konstruieren wollen diese Anthroposophie
nach diesen Zitaten, dann würde man im Abendlande ungefähr das
Verfahren haben, das man hat mit der Gnosis. Wenn also die Leute
sagen, die neuere Anthroposophie ahme die Gnosis nach, so können
sie, selbst wenn sie es täte, es ja nicht wissen, denn sie kennen die
Gnosis nicht, sie kennen sie ja nur von den Gegnern!
 
Also in Athen namentlich war bis ins 4. Jahrhundert herein, ja
noch länger, eine Weisheitsschule, welche sich bemühte, die alte
ätherische Astronomie mit dem Christentum in Einklang zu bringen.
Die letzten Reste dieser Anschauung von dem Hereinkommen des
Menschen aus höheren Welten durch die Planetensphäre in die
Erdensphäre, sie durchglänzen noch die Schriften des Origenes,
glänzen noch durch selbst durch die Schriften der griechischen Kirchenväter.
Man kann überall sehen, wie das da durchglänzt; und es
glänzte namentlich durch die Schriften des wahren Dionysius des
Areopagiten. Dieser Dionysius der Areopagite hinterließ ja eine
Lehre, die eine reine Synthesis war zwischen der ätherischen Astronomie
und demjenigen, was im Christentum lebte: daß sich die
gewissermaßen in der Sonne astronomisch oder kosmisch lokalisierten
Kräfte in dem Christus durch den Menschen Jesus von Nazareth
in die Erdensphäre hineinbegeben haben, und daß damit eine
gewisse Beziehung, die vorher nicht vorhanden war, zur Erde entstanden
ist in bezug auf alle höheren Hierarchien, die Hierarchien
der Engel, die Hierarchien der Weistümer, die Hierarchien der
Throne, die Hierarchien der Seraphime und so weiter. Eine Durchdringung
dieser Hierarchienlehre mit ätherischer Astronomie, das
war es, was beim ursprünglichen Dionysius dem Areopagiten vorhanden
war." {{Lit|{{G|204|71f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Wie konnte man diese Gnosis eigentlich charakterisieren? So etwa,
wie man im 4. nachchristlichen Jahrhundert von der Gnosis hat sprechen
können, so hätte man natürlich, sagen wir, ein halbes Jahrtausend
vorher nicht sprechen können. Denn ein halbes Jahrtausend vorher
waren noch instinktive alte Schauungen da, Erkenntnisse der übersinnlichen
Welt, und man mußte von diesen Erkenntnissen der übersinnlichen
Welt so sprechen, daß man sie beschrieb. Man hatte gewissermaßen
immer im Hintergrunde einer solchen Beschreibung die reale
geistige Welt, die bewußtseinspräsent war. Das hörte auf.
 
[[Aristoteles]] zum Beispiel ist gerade dadurch charakterisiert, daß für
ihn diese Welt völlig nur noch eine Tradition war. Vielleicht hat er,
wie ich schon sagte, einiges davon gewußt, aber im wesentlichen war
sie für ihn Tradition. Aber das, was aus diesen geistigen Welten heraus
an Timbre die Begriffe gehabt haben, das war noch vorhanden, und
das ging eigentlich erst zugrunde im 3., 4. nachchristlichen Jahrhundert.
 
''[[Augustinus]]'' hatte nichts mehr von der Gnosis. Da war sie bereits
verschwunden. Die Gnosis ist also wesentlich, sagen wir, der abstrakte
Bodensatz einer früher spirituellen Erkenntnis, der abstrakte Bodensatz,
die bloßen Begriffe. Es waren Abstraktionen, die da lebten. Man
kann sie schon bei ''[[Philo]]'' als Abstraktionen erkennen. Man kann sie
auch bei den eigentlichen Gnostikern als Abstraktionen erkennen. Aber
es waren Abstraktionen von einer einmal geschauten geistigen Welt.
Für die Leute des 4. nachchristlichen Jahrhunderts lag die Sache schon
so, daß sie überhaupt nichts mehr anzufangen wußten mit den Begriffen,
die der Inhalt der Gnosis waren. Daher jener im Grunde genommen
ganz und gar nicht auf eine Formel zu bringende Streit zwischen dem
Arianismus und Athanasianismus. Nicht wahr, wie da gestritten, diskutiert
worden ist, ob der Sohn gleicher Natur und Wesenheit mit dem
Vater oder verschiedener Natur und Wesenheit mit dem Vater ist, das
bewegt sich auf einem Gebiete, wo man schon den eigentlichen Inhalt
der alten Begriffe verloren hatte. Man diskutierte gewissermaßen nur
mehr mit Worten, nicht mehr mit den Vorstellungen." {{Lit|{{G|206|30f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Ich habe auseinandergesetzt, daß die Christus-Weisheit im Süden
ausgerottet worden ist durch die Dogmatik, jene Christus-Weisheit, die
vorhanden war durch die Gnosis, die ja selbst ausgerottet worden ist;
denn was von der Gnosis geblieben ist, ist eigentlich nur eine ganz unbeträchtliche
Summe von Fragmenten. Die Gnosis war ein Überrest
von Urweisheit, der gewonnen war durch atavistisches Wissen über die
geistigen Welten in alten Menschheitstagen. Und diese noch zur Zeit
des Mysteriums von Golgatha vorhandene und bei den Gnostikern
lebende Urweisheit, welche einen Überblick gab - wenn auch mit andern
Namen - über dasjenige, was als Hierarchien der Weltenschöpfung
zugrunde liegt, diese Urweisheit war imstande, sich einen Begriff, eine
Idee zu machen von der Bedeutung des Christus. Mit der Gnosis ist
auch die Möglichkeit verschwunden, die Christus-Wesenheit als kosmisches
Wesen zu verstehen. An ihre Stelle ist die Dogmatik getreten,
welche einige unverständliche Begriffe - Credo und dergleichen - über
die Christus-Wesenheit fortgepflanzt hat.
 
Dasjenige, worauf es in den verflossenen Jahrhunderten ankam, ist
nicht das Wissen über den Christus gewesen, sondern die Tatsache, daß
der Christus sich nach der Erde gewendet und das Mysterium von Golgatha
vollbracht hat. Ein wirkliches Verständnis der Christus-Wesenheit
muß erst wiederum erobert werden durch die neuere Gnosis, die
aber etwas ganz anderes ist als die alte Gnosis, durch die anthroposophisch
geordnete, orientierte Geisteswissenschaft." {{Lit|{{G|173|243}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Nun bildete sich dann aus dem Christentum dasjenige heraus, was Sie
ja kennen als das Credo, als das Apostolikum, das dann so im 3., 4. Jahrhundert
sich festsetzte und dann auch durch die Konzilien festgesetzt
worden ist. Wenn man dies studiert, so wie es in der damaligen Zeit
war, dann findet man schon heraus: Es ist im Grunde ein Sich-Wehren
gegen die Gnosis, ein Ablehnen der Gnosis, weil man den luziferischen
Faktor in der Gnosis verspürte. Die Gnosis neigt zu Luzifer hin, das
heißt, zu einem einseitigen spirituellen Auffassen. Sie kann daher zu
dem Vaterprinzip durchaus nicht kommen, kann es nicht ordentlich
würdigen. Das Materielle wird ihr ein zu Verschmähendes, etwas, was
sie nicht brauchen kann. Ihr gegenüber muß festgelegt werden: Ich
glaube an Gott den Vater, den allmächtigen Vater - der erste Teil des
Credos. Gegen die Verachtung des Materiellen ist dieser erste Teil des
Credos gefaßt, so gefaßt, daß auch das Äußerliche, das mit Augen gesehen
wird, als ein Göttliches, und gerade ein Göttliches, das aus dem
Vaterprinzip hervorgeht, gefaßt wird.
 
Das zweite war: gegen die Gnosis festzulegen, daß es nicht bloß
einen ätherischen Christus gab in der Zeit des Mysteriums von Golgatha,
sondern daß dieser Christus wirklich verbunden war mit dem
Menschen Jesus von Nazareth, nicht vermischt, aber verbunden. Es
mußte also auf der einen Seite festgelegt werden, daß der Christus zusammenhing
mit dem Geistigen, und auf der andern Seite, daß der
Christus zusammenhing mit dem Jesus von Nazareth, der natürlichen
Entwickelung auf der Erde, und daß, wenn sich das Leiden, das Sterben,
das Auferstehen und alles das vollzogen hat, was noch geschehen
wird in Anlehnung an das Mysterium von Golgatha, daß das nicht
etwas ist, woran der Christus nicht teilnimmt, sondern daß er wirklich
im Leibe leidet. Die Gnostiker mußten leugnen, daß der Christus im
Leibe gelitten hat, weil er ja nicht mit dem Leibe verbunden war; es
war nur ein Scheinleiden für die Gnostiker, wenigstens für gewisse
Gnostiker. - Demgegenüber sollte festgestellt werden, daß der Christus
mit dem Leib wirklich so verbunden war, daß er im Leibe litt. Also all
die Ereignisse, die sich auf dem äußeren physischen Plan vollzogen
hatten, sollten verbunden werden mit dem Christus. Daher: Ich
glaube an Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, geboren aus
dem Heiligen Geist und Maria der Jungfrau, der gelitten hat unter
Pontius Pilatus, gestorben ist, am dritten Tage auferstanden ist, der
in den Himmel aufgefahren - das heißt: wieder geistig geworden - ist,
der da sitzet zur Rechten des Vaters, zu richten die Lebendigen und
die Toten.
 
Man kann nun sagen: Am nächsten kamen die Gnostiker noch dem
Geiste, der zunächst als ein bloß Spirituelles anzusehen ist. Aber er ist
ein Spirituelles insofern, als er zwar jetzt ein Spirituelles darstellt, aber
sich allmählich verwirklichen muß im menschlichen Zusammenleben in
dem sozialen Gebilde, das während der Jupiter-, Venus-, Vulkanzeit
entsteht, wo der Heilige Geist sich verkörpert, jetzt nicht in einem einzelnen
Menschen, sondern in der ganzen Menschheit, in der Konfiguration
der Gesellschaft. Aber er ist jetzt erst im Anfang. Doch die
Gnostiker konnten am ehesten verstehen, daß etwas nur spirituelles
Dasein hat, nicht in das Materielle eingreift. Daher lag im Grunde genommen
dem Gott der Gnostiker der Heilige Geist am allernächsten.
Dies Christentum aber, das sich auf die Erde versetzen wollte, das nicht
wollte, daß man den Geist verluziferisiert, in ihm nur etwas Spirituelles
sieht, dies Christentum mußte jetzt auch den Glauben an den
Geist festlegen als etwas, was mit dem Materiellen zusammenhängt:
Ich glaube an den Heiligen Geist, an die heilige Kirche. - Das ist jetzt
im Apostolikum darin, das heißt: die Kirche als ein großer physischer
Leib des Heiligen Geistes. Dieses Christentum durfte auch nicht das
Leben im Geiste als etwas bloß Innerliches betrachten, sondern mußte
den Geist äußerlich realisiert haben durch die Sündenvergebung, indem
die Kirche selber das Amt der Sündenvergebung und außerdem die
Lehre von der fleischlichen Auferstehung übernahm: Ich glaube an den
Heiligen Geist, an die heilige Kirche, an die Sündenvergebung, an des
Fleisches Auferstehung.
 
So ist ja das Credo etwa im 4. Jahrhundert." {{Lit|{{G|165|215ff}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Gnosis stellte sich vor, daß ein besonders entwickeltes
Menschheitsindividuum, das von der geschichtlichen Forschung
als Jesus von Nazareth bezeichnet wird, eine solche
Reife hatte, daß in ihm in einem gewissen Zeitpunkte Bedingungen
vorhanden waren, daß seine Seele aus der geistigen
Welt unmittelbar aufnehmen konnte, was vorher aus
der geistigen Welt Menschen nicht unmittelbar haben aufnehmen
können. Von diesem Zeitpunkte also spricht die
Gnosis, in dem sich die Seele eines auserlesenen Menschen
reif fühlen konnte, eine bisher nicht mit der Menschheitsentwickelung
verbundene Wesenheit in sich selber hereinzunehmen,
nämlich den Christus. In der Bibel suchte die
Gnosis die Darstellung dieses Hereinbrechens der Christus-
Wesenheit in die Menschheitsentwickelung in jenem Ereignisse
— wir mögen es heute ein symbolisches Ereignis oder
wie immer nennen -, das als die Johannes-Taufe im Jordan
auftrat. Durch diese Johannes-Taufe sei mit dem Jesus von
Nazareth etwas ganz Besonderes geschehen [...]
 
Und
was da aufgeht in der Seele des Jesus von Nazareth, was als
ein völlig Neues auftritt und als ein Inneres in dem Jesus
von Nazareth lebt, ein Leben lebt, welches dazu geführt
hat, alle Kultur, die davon den Ausgangspunkt genommen
hat, in ein neues Licht zu rücken, das, was ein solches Leben
in das Innere des Jesus von Nazareth bringt, nannte die
Gnosis den Christus. Damit war sich die Gnosis aber auch
klar, daß mit diesem Christus, der nicht so ohne weiteres in
einem äußeren einzelnen Menschen gesucht werden kann,
sondern in dem, was da in einem äußeren Menschen als ein
besonderes Innenwesen noch vorhanden war, etwas in die
Menschheit als ein neuer Impuls hereingebrochen war, ein
Impuls für etwas, was vorher nie da war, weil eben das, was
der Jesus von Nazareth durch die drei Jahre von der Johannes-
Taufe ab in sich trug, vorher mit der menschlichen
Entwickelung nicht verbunden war." {{Lit|{{G|61|289ff}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Deshalb ist es für die Menschen so schwierig, sich in die Gedanken
der Gnosis hineinzuversetzen. Denn die Gnosis setzt wahrhaftig
alles, was gar nicht irgendwie an das Materielle erinnert, zunächst
an den Ausgangspunkt ihrer Weltbetrachtung. Vielleicht
wird sich sogar ein Geist, der so recht in der Gegenwartsbildung
drinnensteckt, eines leisen Lächelns nicht enthalten können, wenn
ihm im Sinne der Gnosis zugemutet wird, zu denken, daß die Welt,
in der er sich befindet, die er mit seinem Darwinismus so herrlich
schön erklärt, daß diese Welt gar nichts zu tun haben soll mit dem,
was in Wirklichkeit die Urgründe unserer Welt darstellt. Eines
leisen Lächelns wird sich der heutige Mensch, der in der Gegenwartsbildung
drinnensteckt, wirklich nicht enthalten können, wenn
ihm zugemutet wird, zu denken, die Urgründe der Welt seien bei
jenen Weltenwesen, zu denen überhaupt Begriffe zunächst nicht
reichen, zu denen nichts reicht von all dem, was man heute aufwendet
zum Weitenverständnis: In dem göttlichen Urvater liegt
das, was der Weltengrund genannt werden kann. Und gleichsam
von ihm ausgehend, ihm zur Seite, ist erst dasjenige, wozu die Seele
sich hindurchringen kann, wenn sie abseits aller materialistischen
Vorstellungen ein wenig nur ihr Tiefstes sucht: Schweigen, das
unendliche Schweigen, in dem noch nicht Zeit und Raum ist, sondern
nur Schweigsamkeit ist. Zu dem Paar des Urvaters der Welt
und des Schweigens, das noch vor Raum und Zeit ist, schaute der
Gnostiker auf, und dann ließ er hervorgehen gleichsam aus der
Vermählung des Urvaters mit dem Schweigen andere — man kann
sie ebensogut Welten wie Wesen nennen. Und aus diesen wieder
andere und wieder andere und wieder andere, und so durch dreißig
Stufen hindurch. Und auf der dreißigsten Stufe steht erst das, was
unserem Gegenwartssinn vorliegt, und was mit dem Darwinismus
so herrlich nach diesem Gegenwartssinn erklärt wird. Auf der
dreißigsten Stufe steht es erst, eigentlich auf der einunddreißigsten;
denn dreißig solche Wesenheiten, die man ebensogut Welten wie
Wesenheiten nennen kann, gehen voran dieser Welt. Äon ist der
Ausdruck, den man gewöhnlich annimmt für diese dreißig unserer
Welt vorangehenden Wesenheiten oder Welten.
 
Man bekommt nur dann eine Vorstellung von dem, was mit dieser
Äonenwelt gemeint ist, wenn man sich klar und deutlich sagt:
Nicht nur das, was die Sinne wahrnehmen, was du deine Welt um
dich herum nennst, gehört sozusagen der einunddreißigsten Welt an,
sondern auch das, was du aufbringst als physischer Mensch mit deinen
Gedanken als Erklärungen dieser Welt, gehört dieser einunddreißigsten
Stufe an. Es ist ja noch leicht, sich abzufinden mit einer
spirituellen Weltanschauung, wenn man sagt: Nun ja, die äußere
Welt ist ja allerdings Maja, aber durch unser Denken dringen wir
in die geistige Welt ein —, und wenn man dann die Hoffnung hat,
daß dieses Denken wirklich hinaufkommen kann in die geistigen
Welten. Das war aber nach der Ansicht der Gnostiker nicht der
Fall. Dieses Denken gehört zum einunddreißigsten Äon, zur physischen
Welt, nach der Ansicht der Gnostiker. So daß zunächst nicht
nur der sinnlich wahrnehmende, sondern auch der denkende Mensch
herausversetzt war aus den dreißig Äonen, die stufenweise aufwärts
angeschaut werden können durch die geistige Entwicklung und
die in immer größerer und größerer Vollkommenheit sich darstellen.
Man braucht wirklich nur sich einmal hineinzuversetzen in das
Lächeln, das einem heutigen, auf der Höhe seiner Zeit stehenden
Monisten sich abringt, wenn man ihm zumutet, zu glauben: Dreißig
Welten gehen voran, in denen etwas ganz anderes ist, als du
selbst zu denken vermagst. — Das aber war die Anschauung der
Gnostiker.
 
Und dann fragten sie sich: Wie ist es denn eigentlich in dieser
Welt?
 
Wir wollen eine Weile davon absehen, was wir selbst über diese
Welt gesagt haben im Sinne des Beginnes des zwanzigsten Jahrhunderts.
Das, was ich jetzt sage, soll nicht für uns als irgendeine uns
etwa überzeugende Ideenwelt dargestellt werden - in der Anthroposophie
des zwanzigsten Jahrhunderts wird selbstverständlich die
Gnosis zu überwinden sein —, aber wir wollen uns in diese Gnosis
versetzen. Die umliegende Welt, auch mit dem, was der Mensch
über sie denken kann, warum ist sie denn abgeschlossen von den
dreißig Äonen? — Da muß man hinblicken, sagte sich der Gnostiker,
auf den untersten, aber noch rein geistigen Äon. Was ist da
vorhanden? Da ist vorhanden die göttliche Sophia, die göttliche
Weisheit. In geistiger Art abstammend durch die 29 Stufen hindurch,
zu dem höchsten Äon schaute sie hinauf innerhalb der geistigen
Welt, zu dieser Reihe der geistigen Wesenheiten oder Welten.
Aber es wurde ihr eines Tages, eines Weltentages, klar, daß sie etwas
von sich auszusondern habe, wenn sie den freien Ausblick erhalten
wollte in die geistige Welt der Äonen. Und sie sonderte von sich
aus dasjenige, was in ihr vorhanden war als Begierde. Und das, was
fortan nicht mehr in ihr vorhanden ist, in dieser göttlichen Sophia,
in dieser göttlichen Weisheit, das irrt nunmehr herum in der Raumeswelt,
das durchdringt alles Werden der Raumeswelt. Es lebt
nicht nur in der Sinneswahrnehmung, es lebt auch im Menschendenken,
lebt da mit der Sehnsucht nach der geistigen Welt, lebt
aber doch wie ausgeworfen in die menschlichen Seelen. Gleichsam
als die andere Seite, das Ebenbild, aber als das in die Außenseite
geworfene Ebenbild der göttlichen Sophia lebt die Begierde, die in
alles hineingeworfen ist, die Welt durchdringend: Achamod. Schaust
du in deine Welt, ohne dich aufzuschwingen in die geistigen Welten,
so schaust du in die begierdenerfüllte Welt von Achamod. Weil
sie die von Begierden erfüllte Welt ist, deshalb kann sich in ihr zunächst
nicht darstellen, was sich als Ausblick ergibt in die Welt der
Äonen.
 
Weit, weit zurückliegend in der Welt der Äonen, erzeugt aus der
reinen Geistigkeit der Äonen heraus, dachte sich die Gnosis, was sie
nannte den Sohn des Vatergottes, und auch das, was sie nannte den
reinen, Heiligen Geist. So daß wir in ihnen gleichsam eine andere
Generationsreihe, eine andere Reihe der Entwickelung haben als
diejenige, die dann zu der göttlichen Sophia geführt hat. Wie sich
im physischen Leben in der Fortpflanzungsströmung die Geschlechter
sondern, so sonderte sich einmal im Fortgang der Äonen, durchaus
auf einer Hochstufe der geistigen Welt, eine andere Strömung
heraus, die Strömung des vom Vater stammenden Sohngeistes und des
Heiligen Geistes. So daß man fließend hat in der Welt der Äonen das,
was auf der einen Seite zur göttlichen Sophia führte und auf der anderen
Seite zum Sohngeist und Heiligen Geist. Wenn man hinaufgeht
durch die Äonen, so begegnet man einmal einem Äon, von dem abstammt
auf der einen Seite die Äonenfolge, die dann zur göttlichen
Sophia hinführte, wie auf der anderen Seite die Äonenfolge, von der
abstammen der Gottessohn und der Heilige Geist. Dann kommen
wir hinauf zum Vatergott und dem göttlichen Schweigen.
 
Dadurch nun, daß die menschliche Seele mit Achamod versetzt
ist in die materielle Welt, dadurch lebt in ihr im Sinne der Gnosis
die Sehnsucht nach der geistigen Welt, lebt in ihr vor allen Dingen
die Sehnsucht nach der göttlichen Sophia, nach der göttlichen Weisheit,
von der sie aber durch ihr Erfülltsein mit Achamod getrennt
ist. Dieses Gefühl der Trennung von der göttlichen Äonenwelt,
dieses Gefühl, nicht in dem Göttlich-Geistigen zu sein, das wird
nach der Anschauung der Gnostiker als die materielle Welt empfunden.
Und abstammend von der göttlich-geistigen Welt, doch
verbunden mit Achamod, erscheint der Gnosis das, was man nennen
könnte, an die griechische Sprache sich anlehnend, den Weltenbaumeister,
den Demiurgos. Dieser Demiurgos, dieser Weltenbaumeister,
ist der eigentliche Durchschöpfer und Durcherhalter dessen,
was von Achamod und dem Materiellen durchzogen ist. In
seine Welt sind einverflochten die Menschenseelen. Die Menschenseelen
sind einverflochten mit ihrer Sehnsucht zunächst nach der
göttlichen Sophia, und in der Welt der Äonen erscheint rein göttlich-
geistig, wie in der Ferne, der Gottessohn und der Heilige Geist,
aber nur für den, der — im Sinne der Gnosis — sich erhebt über all
das, in das hinein Achamod, die im Raume schweifende Begierde,
einverleibt ist.
 
Warum ist in den Seelen, die in die Welt der Achamod versetzt
sind, doch die Sehnsucht? Warum fühlen sie nach der Trennung
von der göttlich-geistigen Welt die Sehnsucht nach der göttlichgeistigen
Welt? Auch diese Frage legte sich die Gnosis vor, und sie
sagte: Achamod ist herausgeworfen aus der göttlichen Weisheit, der
göttlichen Sophia; aber bevor sie diese völlig materielle Welt wurde,
in der der Mensch jetzt lebt, kam ihr wie eine kurze Überstrahlung
ein Licht von dem Gottessohn, das gleich wieder verschwand. Das
ist ein wichtiger Begriff der Gnostiker, daß Achamod, wie sie in den
Menschenseelen lebt, ansichtig wurde in urferner Vergangenheit
des Gotteslichtes, das ihr nur gleich wiederum entschwunden war.
Aber die Erinnerung lebt jetzt in der Menschenseele, wie sehr sie
auch verstrickt sein kann in die materielle Welt. In der Welt der
Achamod lebe ich — so hätte eine solche Seele sagen können — in
der materiellen Welt. Mit einer Hülle bin ich umgeben, die dieser
materiellen Welt entnommen ist. Aber indem ich mich in mich versenke,
lebt in mir eine Erinnerung auf. Das, was mich gefesselt hält
an die materielle Welt, sehnt sich nach der göttlichen Sophia, nach
der göttlichen Weisheit, weil das Wesen Achamod, das in mir lebt,
einstmals überleuchtet worden ist von dem Gottessohn, der in der
Welt der Äonen lebt. — Man mache sich diese Verfassung einer
Seele, die sozusagen eine Schülerseele der Gnostiker war, einmal
klar. Solche Seelen lebten; sie sind nicht eine hypothetische Konstruktion,
sie lebten. Und die verständig schauenden Geschichtsforscher
werden durch äußere Dokumente darauf kommen, daß zahlreiche
solche Seelen gelebt haben in jener Zeit, von der wir eben
sprechen." {{Lit|{{G|149|18ff}}}}
</div>
 
== Gnosis als Weltanschauungsstimmung ==
 
Die Gnosis ist auch eine der [[sieben]] grundlegenden [[Weltanschauungsstimmungen]], die [[Rudolf Steiner]] unterschieden und den sieben [[Planetensphären]] zugeordnet hat; die Gnosis entspricht der [[Saturnsphäre]].
 
<div style="margin-left:20px">
"Man ist ein Gnostiker, wenn man daraufhin gestimmt ist,
durch gewisse in der Seele selbst liegende Erkenntniskräfte, nicht
durch die Sinne oder dergleichen, die Dinge der Welt kennenzulernen.
Man kann ein Gnostiker sein und zum Beispiel eine gewisse
Neigung haben, sich bescheinen zu lassen von dem Geistes-Tierkreisbilde,
das wir hier als Spiritualismus bezeichnet haben. Dann
wird man in seiner Gnostik tief hineinleuchten können in die Zusammenhänge
der geistigen Welten.
 
Man kann aber auch zum Beispiel ein Gnostiker des Idealismus
sein; dann wird man eine besondere Veranlagung haben, die Ideale
der Menschheit und die Ideen der Welt klar zu sehen. Der Unterschied
ist ja vorhanden zwischen dem einen und dem anderen Mensehen
auch in bezug auf den Idealismus, den die beiden Menschen
haben können. So ist der eine ein idealistischer Schwärmer, der immer
davon redet, daß er Idealist ist, der nur immer das Wort Ideal,
Ideal, Ideal im Munde führt, aber nicht viele Ideale kennt, der nicht
die Fähigkeit hat, in scharfen Konturen und mit innerlichem Schauen
wirklich die Ideale vor seine Seele zu rufen. Ein solcher unterscheidet
sich dann von dem anderen, der nicht nur von Idealen redet, sondern
die Ideale in seiner Seele so zu zeichnen weiß wie ein scharf hingemaltes
Bild. Der letztere, der den Idealismus ganz konkret innerlich
ergreift, so intensiv ergreift, wie man mit der Hand äußere Dinge ergreift,
der ist auf dem Gebiete des Idealismus ein Gnostiker. Man
könnte auch so sagen: Er ist überhaupt ein Gnostiker, aber er läßt
sich insbesondere von dem Geistes-Tierkreisbilde des Idealismus
bescheinen.
 
Es gibt Menschen, welche sich besonders stark bescheinen lassen
von dem Weltanschauungsbilde des Realismus, die aber so durch die
Welt gehen, daß sie durch die ganze Art, wie sie die Welt empfinden,
wie sie der Welt gegenübertreten, den andern Menschen viel,
viel sagen können von dieser Welt. Sie sind weder Idealisten noch
Spirituaüsten; sie sind ganz gewöhnliche Realisten. Sie sind imstande,
wirklich fein zu empfinden, was in der äußeren Realität um
sie herum ist, sie sind fein empfänglich für die Eigentümlichkeiten
der Dinge. Sie sind Gnostiker, richtige Gnostiker; nur sind sie Gnostiker
des Realismus. Solche Gnostiker des Realismus gibt es, und
manchmal sind Spirituaüsten oder Idealisten gar nicht Gnostiker des
Realismus. Wir können sogar finden, daß Leute, die sich gute Theosophen
nennen, durch eine Bildergalerie durchgehen und gar nichts
zu sagen haben über die Bilder, während andere, die gar nicht Theosophen
sind, die aber Gnostiker des Realismus sind, unendlich Bedeutungsvolles
dadurch zu sagen wissen, daß sie mit ihrer ganzen
Persönlichkeit in Berührung sind mit der ganzen Realität der Dinge.
Oder wie viele Theosophen gehen hinaus in die Natur und wissen gar
nicht das ganz Erhabene und Große der Natur mit der ganzen Seele
aufzufassen: sie sind nicht Gnostiker des Realismus. Es gibt Gnostiker
des Realismus.
 
Es gibt auch Gnostiker des Materialismus. Das sind allerdings
sonderbare Gnostiker. Aber ganz in dem Sinne, wie man Gnostiker
des Realismus ist, kann man Gnostiker des Materialismus sein; aber
es sind das Menschen, die nur Sinn und Gefühl und Empfinden
haben für alles Stoffliche, die das Stoffliche durch die unmittelbare
Berührung kennenzulernen suchen, wie der Hund, der die
Stoffe beriecht und dadurch intim kennenlernt und der eigentlich
in bezug auf die materiellen Dinge ein ausgezeichneter Gnostiker
ist.
 
[[Datei:GA151 051.gif|center|600px]]
 
Man kann Gnostiker sein für alle zwölf Weltanschauungsbilder.
Das heißt, wenn wir die Gnosis richtig hineinstellen wollen, müssen
wir es so machen, daß wir einen Kreis zeichnen und daß uns der
ganze Kreis bedeutet: Die Gnosis kann herumwandeln durch alle
zwölf Weltanschauungsbilder. Wie ein Planet die zwölf Tierkreisbilder
durchwandelt, so kann die Gnosis alle zwölf Weltanschauungsbilder
durchwandeln.
 
Allerdings wird die Gnosis die größten Dienste für das Heil der
Seelen dann leisten, wenn die gnostische Stimmung angewendet
wird für den Spiritualismus. Man könnte sagen: Die Gnosis ist im
Spiritualismus so recht zu Hause. Sie ist da in «ihrem» Hause. Sie ist
außer ihrem Hause in den anderen Weltanschauungsbildern. Logisch
hat man nicht die Berechtigung zu sagen, es könnte keine materialistische
Gnostik geben. Die Pedanten der Begriffe und Ideen werden
mit solchen Dingen leichter fertig als die gesunden Logiker, die
es etwas komplizierter haben. Man könnte zum Beispiel sagen: Ich
will nichts anderes Gnosis nennen, als was in den Geist eindringt.
Das ist eine willkürliche Begriffsbestimmung, ist ebenso willkürlich,
wie wenn jemand sagen würde: Veilchen habe ich bis jetzt nur in
Österreich gesehen, also nenne ich Veilchen nur das, was in Österreich
wächst und die Veilchenfarbe hat, anderes nicht. Logisch ist es
ebenso unmöglich zu sagen, Gnosis gebe es nur im Weltanschauungsbilde
des Spiritualismus; denn Gnosis ist ein «Planet», der die
Geistes-Sternbilder durchläuft." {{Lit|{{G|151|49ff}}}}
</div>
 
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Gnosis|}}
* {{Eisler|Gnosis}}
* {{Kirchner|Gnosis}}
 
== Anmerkungen ==
 
<references/>
 
== Literatur ==
 
#[[Eugen Heinrich Schmitt]]: ''Die Gnosis. Grundlagen der Weltanschauung einer edleren Kultur.'', Band 1: ''Die Gnosis des Altertums'', Band 2: ''Die Gnosis des Mittelalters und der Neuzeit'', Diederichs, Leipzig 1903 [http://www.odysseetheater.org/jump.php?url=http://www.odysseetheater.org/ftp/bibliothek/Gnosis/Schmitt-Eugen-Die-Gnosis-Grundlagen-Der-Weltanschauung-Einer-Edleren-Kultur-Bd-1.pdf Band 1] [http://www.odysseetheater.org/jump.php?url=http://www.odysseetheater.org/ftp/bibliothek/Gnosis/Schmitt-Eugen-Die-Gnosis-Grundlagen-Der-Weltanschauung-Einer-Edleren-Kultur-Bd-2.pdf Band 2]
#[[Wikipedia:Hans Jonas|Hans Jonas]]: ''Gnosis uns spätantiker Geist I. Die mythologische Gnosis'', Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1934, 1964, 1988 ISBN 978-3525531235
#Hans Jonas, Kurt Rudolph (Hrsg.): ''Gnosis und spätantiker Geist II. Von der Mythologie zur mystischen Philosophie'', Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 978-3-525-53841-8
#Hans Jonas: ''Gnosis: Die Botschaft des fremden Gottes'', Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag 2008, ISBN 978-3458720089
#[[Wikipedia:Hans Leisegang|Hans Leisegang]]: ''Die Gnosis''. A. Kröner, Leipzig 1924. 2. Auflage 1936. 5. Auflage, Kröner, Stuttgart 1985. ISBN 3-520-03205-8
#[[Wikipedia:Kurt Rudolph|Kurt Rudolph]]: ''Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-525-52110-3
#Johanna Brankaer: ''Die Gnosis. Texte und Kommentar'', Marix Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3865399540
#[[Wikipedia:Christoph Markschies|Christoph Markschies]]: ''Gnosis und Christentum'', Berlin University Press ein Imprint von Verlagshaus Römerweg 2009, ISBN 978-3940432612
#Christoph Markschies: ''Die Gnosis'', Verlag C.H.Beck 2010, ISBN 978-3406447730
#Christoph Markschies: ''Das antike Christentum: Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen'', Verlag C.H.Beck 2006, ISBN 978-3406541087
#Konrad Dietzfelbringer: ''Erlösung durch Erkenntnis - Die Gnosis'', Königsdorfer-Verlag, Königsdorf 2008, ISBN 978-3938156124
# [[Wikipedia:Karl Reinhold von Köstlin|Karl Reinhold Köstlin]]: {{Digitalisat|GB=sNsZAAAAYAAJ&hl|SZ=PA1|LT= Das gnostische System des Buches Pistis Sophia}}. Tübingen 1854. In: Theologische Jahrbücher Hrg. von Ferdinand Christian Baur, E. Zeller. Bd 13, Jg. 1854, S. 1–105; 137–196.
# [[Wikipedia:Carl Schmidt (Koptologe)|Carl Schmidt]] (Hrsg.): {{Digitalisat|IA=koptischgnostisc00schmuoft|SZ=n3|LT= Koptisch-gnostische Schriften. Bd. I. Die Pistis Sophia}}. Die beiden Bücher des Jeû. Unbekanntes altgnostisches Werk, Leipzig 1905. 4., um d. Vorw. erw. Auflage, Berlin 1981 (Koptisch-gnostische Schriften; Bd. 1: Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte). Erste deutsche Übersetzung.
# Carl Schmidt: {{Digitalisat|IA=CarlSchmidtPistisSophia1925Teil1|LT = ''Pistis Sophia neu herausgegeben''}} mit Einleitung nebst griechischem und koptischem Wort- und Namenregister. Gyldendalsk Boghandel-Nordisk Forlag, Hauniae 1925. (deutsches Vorwort, koptischer Text)
# [[George Robert Stow Mead|G.R.S. Mead]]: {{Digitalisat|IA=pistissophiagnos00mead|SZ=n4|LT= Pistis Sophia, a Gnostic gospel}} (with extracts from the books of the Saviour appended) originally tr. from Greek into Coptic and now for the first time Englished from Schwartze's Latin version of the only known Coptic ms. and checked by Amélineau's French version with an introduction by G.R.S. Mead ...  Published 1896 by The Theosophical publishing society [etc., etc.] in London, New York. Englische Erstausgabe.
# G. R. S. Mead: {{Digitalisat|IA=pistissophiagnos1921mead|SZ=n6|LT=Pistis Sophia : a Gnostic miscellany}} : being for the most part extracts from the books of the Saviour, to which are added excerpts from a cognate literature ; englished (with an introduction and annotated bibliography), Watkins, London 1921.
# G. R. S. Mead: {{Digitalisat|IA=fragmentsoffaith00meaduoft|LT=Fragments of a faith forgotten, Theosophical Publishing Society, London und Benares 1906}}
# [http://perlen.novalisverlag.de/?p=180 Klaus J. Bracker, Jahve – Gott der Genesis in Gnosis und Esoterik] - Aufsatz in: Novalis 7/8.1998
;Rudolf Steiner
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Leitsätze'', [[GA 26]] (1998), ISBN 3-7274-0260-1 {{Schriften|026}}
#Rudolf Steiner: ''Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung'', [[GA 61]] (1983), ISBN 3-7274-0610-0 {{Vorträge|061}}
#Rudolf Steiner: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
#Rudolf Steiner: ''Das Johannes-Evangelium'', [[GA 103]] (1995), ISBN 3-7274-1030-2 {{Vorträge|103}}
#Rudolf Steiner: ''Christus und die geistige Welt. Von der Suche nach dem heiligen Gral'', [[GA 149]] (2004), ISBN 3-7274-1490-1 {{Vorträge|149}}
#Rudolf Steiner: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}
#Rudolf Steiner: ''Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte'', [[GA 122]] (1984), ISBN 3-7274-1220-8 {{Vorträge|122}}
#Rudolf Steiner: ''Die geistige Vereinigung der Menschheit durch den Christus-Impuls'', [[GA 165]] (1981), ISBN 3-7274-1650-5 {{Vorträge|165}}
#Rudolf Steiner: ''Zeitgeschichtliche Betrachtungen. Das Karma der Unwahrhaftigkeit – Erster Teil'', [[GA 173]] (1978), ISBN 3-7274-1730-7 {{Vorträge|173}}
#Rudolf Steiner: ''Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha'', [[GA 175]] (1996), ISBN 3-7274-1750-1 {{Vorträge|175}}
#Rudolf Steiner: ''Wie kann die Menschheit den Christus wiederfinden?'', [[GA 187]] (1995), ISBN 3-7274-1870-2 {{Vorträge|187}}
#Rudolf Steiner: ''Weltsilvester und Neujahrsgedanken'', [[GA 195]] (1986), ISBN 3-7274-1950-4 {{Vorträge|195}}
#Rudolf Steiner: ''Perspektiven der Menschheitsentwickelung'', [[GA 204]] (1979), ISBN 3-7274-2040-5 {{Vorträge|204}}
#Rudolf Steiner: ''Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Zweiter Teil'', [[GA 206]] (1991), ISBN 3-7274-2060-X {{Vorträge|206}}
#Rudolf Steiner: ''Drei Perspektiven der Anthroposophie. Kulturphänomene, geisteswissenschaftlich betrachtet.'', [[GA 225]] (1990), ISBN 3-7274-2252-1 {{Vorträge|225}}
#Rudolf Steiner: ''Initiations-Erkenntnis'', [[GA 227]] (2000), ISBN 3-7274-2271-8 {{Vorträge|227}}
#Rudolf Steiner: ''Mysteriengestaltungen'', [[GA 232]] (1998), ISBN 3-7274-2321-8 {{Vorträge|232}}
#Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Fünfter Band'', [[GA 239]] (1985), ISBN 3-7274-2390-0 {{Vorträge|239}}
#Rudolf Steiner: ''Der pädagogische Wert der Menschenerkenntnis und der Kulturwert der Pädagogik'', [[GA 310]] (1989), ISBN 3-7274-3100-8 {{Vorträge|310}}
#Rudolf Steiner: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, I'', [[GA 342]] (1993), ISBN 3-7274-3420-1 {{Vorträge|342}}
#Rudolf Steiner: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II'', [[GA 343a]] (1993), ISBN 3-7274-3430-9 {{Vorträge|343a}}
#Rudolf Steiner: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II. Dokumentarische Ergänzungen'' [[GA 343b]]{{Vorträge|343b}}
 
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{Wikipedia3|Wassermann (Sternbild)}}


#[http://web.archive.org/web/20070907084312/wwwuser.gwdg.de/~rzellwe/nhs/nhs.html Die Bibel der Häretiker. Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi] - Erste deutsche Gesamtübersetzung ([[Wikipedia:Gerd Lüdemann|Gerd Lüdemann]], Martina Janßen).
#[http://www.gerd-albrecht.de/schriften.htm Die gnostischen Schriften] (Gerd Albrecht)
#[http://www.unifr.ch/bkv/index.htm Bibliothek der Kirchenväter] - eine Auswahl patristischer Werke in deutscher Übersetzung
#[http://gnosis.org The Gnosis Archive] - Archiv mit vielen gnostischen Texten in englischer Übersetzung


[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Gnosis]]
[[Kategorie:Astronomie]] [[Kategorie:Sternbild]] [[Kategorie:Tierkreiszeichen]]

Version vom 18. April 2010, 08:07 Uhr

Das Sternbild der Fische. Die rote gestrichelte Linie kennzeichnet die Ekliptik.

Die Fische (hebr. דגים, Daghim; lat. Pisces, astronomisches Zeichen: ♓) sind ein zu den Tierkreiszeichen zählendes Sternbild auf der Ekliptik. Die Sonne durchwandert die Fische derzeit zwischen dem 12. März und dem 18. April - der Frühlingspunkt liegt daher gegenwärtig in diesem Sternbild. In der Antike lag er aufgrund der Präzessionsbewegung der Erde noch im Sternbild des Widders.

Am menschlichen Körper entsprechen die Fische den Füßen. Von den 12 Sinnen ist den Fischen der Geschmackssinn zuzuordnen und von den Lauten der Konsonant N. Von den Weltanschauungen entspricht den Fischen der Psychismus.

Weblinks