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(Wikipedia:Gustave Doré: ''Die Vernichtung des Leviathan'', 1865)
 
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'''Tadelsucht''', '''Kritiksucht''', '''Krittelei''' oder '''Kritikasterei''', das beständige '''kritisieren''', ist eine [[ahrimanisch]]e Eigenschaft, die ihren Sitz im [[Ätherleib]] hat und als [[Karma|karmische]] Wirkung bekämpften [[Neid]]s entstehen kann. Tadelsucht ist umgewandelter, maskierter Neid.
[[Wikipedia:Gustave Doré|Gustave Doré]]: ''Die Vernichtung des Leviathan'', 1865
 
{{GZ|Wenn wir versuchen, eine aus früheren Inkarnationen
herrührende Neigung zum Neid zu bekämpfen, so nimmt der
Neid eine Maske an. Luzifer sagt: Der Mensch kämpft gegen mich, er
ist auf sein Neidgefühl aufmerksam geworden. Ich übergebe diesen
Menschen meinem Bruder Ahriman. - Und es tritt eine andere Wirkung
ein, die eine Folge der Bekämpfung des Neides ist. Bekämpfte
Eigenschaften treten in Masken auf. Und der Neid, den wir bekämpfen, tritt dann häufig im
Leben so auf, daß wir die Begierde bekommen, die Fehler anderer Menschen aufzusuchen
und recht viel zu tadeln. Wir begegnen im Leben manchem Menschen, der
wie mit einer gewissen hellsichtigen Kraft immer die Fehler und Schattenseiten anderer
Menschen herausfindet, und wenn wir dieser Erscheinung auf den Grund gehen,
so liegt er darin, daß der Neid sich in Tadelsucht umgewandelt hat, und diese
scheint dem betreffenden Menschen eine recht gute Eigenschaft zu sein. Es ist gut,
so sagen sie, daß man auf das Vorhandensein dieser schlechten Eigenschaften aufmerksam
macht. Hinter solcher Tadelsucht steckt aber nichts anderes als umgewandelter,
maskierter Neid...
 
Ein Mensch ist zum Beispiel in seiner Jugend neidisch. Der Neid tritt nachher
nicht mehr hervor, und es zeigt sich die Umwandlung desselben im Alter wieder
dadurch, daß der Betreffende sich mit der Eigenschaft der Unselbständigkeit zeigt,
des Abhängig-sein-Wollens von anderen Menschen, immer andere Menschen haben
zu müssen, die raten und helfen. Eine gewisse moralische Schwäche tritt als
die Folge des umgewandelten Neides auf, und wir werden immer sehen, wenn jemand
diese moralische Schwäche hat, daß da die karmische Folge des umgewandelten
Neides vorliegt.|125|194ff}}
 
{{GZ|Neid ist eine luziferische Eigenschaft. Wenn der
Mensch merkt, er hat Anlagen zum Neid und daran arbeitet, sich ihn
abzugewöhnen, so sagt sich Luzifer: Da ist Gefahr vorhanden, daß
dieser Mensch mir entgeht. Luzifer und Ahriman sind dem Menschen
gleich feindlich, aber untereinander sind sie gute Freunde. Da ruft
Luzifer den Ahriman zu Hilfe, und der wandelt den Neid um in eine
andere Eigenschaft. Der Neid erlebt eine Metamorphose, die so hervortritt
in der menschlichen Seele, daß der Mensch, während er früher
bei einem anderen Menschen das nicht wollte, jetzt zum Kritikaster
wird, der alles mögliche aufsucht bei seinen Mitmenschen, um tadeln
zu können. Diese Sucht, zu tadeln, ist nichts anderes als der umgewandelte
Neid. Ist dies der Fall, dann hat einen Ahriman in den
Klauen. Dieser verwandelte Neid ist sehr weit verbreitet. Wäre er nicht
vorhanden in der Form der Kritikasterei und der Sucht, allerlei Übles
über die Menschen zu sagen, so hätten manche Morgen- und Abendschoppen,
manche Kaffeegesellschaften gar keinen Stoff.|127|34f}}
 
Daher liegt es im Interesse der gesunden Seelenverfassung des Menschen, wenn er [[Gleichmut]] entwickeln kann: „Nicht herauskommen können die [[Chakras]], wenn der Mensch bei jeder Gelegenheit zornig wird. [[Gleichmut]] muss er sich bewahren, [[Geduld]] muss er haben. [[Ärger]] und [[Zorn]] lassen das Seelenorgan nicht herauskommen; auch Hastigkeit
und [[Nervosität]] lassen sie nicht zur Entwickelung kommen.“ {{GZ||53|200}}
 
Im folgenden Erdenleben wirkt sich fortgesetztes Kritikastertum [[Karma|karmisch]] so aus, dass der Mensch früh altert und überhaupt wenig Jugendlichkeit zeigt:
 
{{GZ|Wenn jemand
viele abfällige Urteile über seine Mitmenschen fällt, so recht ein Kritikaster
ist, so drückt sich diese Neigung des einen Lebens im nächsten
Leben in einer gewissen Verfassung des physischen Leibes aus,
und zwar darin, daß der Betreffende früh altert und überhaupt
wenig Jugendlichkeit zeigen wird.|94|157}}
 
Dass die Kritiksucht nicht überhandnimmt, ist schon in der [[Pädagogik]] zu berücksichtigen:
 
{{GZ|Sie werden begreifen, daß eine solche Schule wie die Waldorfschule,
wenn sie auch im allgemeinen den Grundsatz verfolgen muß, Lehrplan,
Lehrziele von dem abzulesen, was als Menschenerkenntnis vorhanden
ist, dennoch heute nicht im Sinne eines Ideals eingerichtet werden
kann. Man muß die mannigfaltigsten Kompromisse schließen, denn
es ist ja unmöglich, daß man heute etwa ein Kind ganz so erzieht und
unterrichtet, wie man es nach einem abstrakten Ideal, etwa als Waldorfschulgedanke
unterrichten könnte. Es würde so in das Leben hineingestellt
werden, daß es sich einfach in das Leben nicht hineinfinden
würde. Es ist verhältnismäßig leicht, über das Leben in der heutigen
Gegenwart die mannigfaltigste Kritik zu sagen. Vieles kann einem da
nicht gefallen, und man kann sich ergehen in sehr scharfsinnigen, geistreichen
Kritiken, wie alles anders sein soll. Aber man kann nicht Menschen
erziehen, die dann, wenn sie aus der Schule ins Leben hinaustreten,
bloß Sinn für eine Kritik haben für den sinnlosen Sinn des Lebens.
Mag das Leben noch so unvollkommen sein vor einer abstrakten
Verstandeskritik, man muß im Leben drinnenstehen. Die Waldorfkinder
müssen allerdings ins Leben hinaus entlassen werden - sonst
würde die Waldorfschule keinen Sinn haben - , indem auf ihre Menschlichkeit
mehr Rücksicht genommen ist, als das sonst in unserem heutigen
Zeitalter der Fall ist; aber sie dürfen nicht in dem Sinne zu lebensfremden
Menschen ihres Zeitalters gemacht werden, daß sie sich nur
als lebensfremde Kritikaster hineinstellen.|303|148}}
 
== Soll man sich aller Kritik enthalten? ==
 
[[Rudolf Steiner]] hat nachdrücklich darauf hingewiesen, dass jede Art von Tadel, selbst wenn er berechtigt und aus der individuellen [[Verantwortung]] heraus auch notwendig ist, die [[geistige Entwicklung]] hemmt. Dies ist ein ehernes geistiges Gesetz. Dennoch darf man sich dieser [[Verpflichtung]] nicht entziehen, wenn es die Situation erfordert. Auch Rudolf Steiner selbst hat mit [[Kritik]] nicht gezögert, wo sie geboten erschien.
 
{{GZ|Es liegt folgende Frage vor: «Oft wird behauptet, daß sich
derjenige aller Kritik enthalten solle, der eine Schulung im
geheimwissenschaftlichen Sinne durchmacht. Ist damit auch
jede gerechte Kritik wirklicher schlechter Taten von Menschen
gemeint? Ist es nicht vielmehr unsere Pflicht, Schäden
in unserer Umgebung und wo wir sonst Einfluß gewinnen
können, auszumerzen, damit das Bessere an die Stelle des
Schlechteren trete? Und sinkt ein Mensch nicht zur völligen
Tatenlosigkeit herab, der alles mit absoluter Gleichgültigkeit
betrachtet?»
 
Zunächst ist darauf zu sagen, daß die Verhaltungsmaßregeln
für den Geheimschüler Forderungen sind, die strengen
Gesetzen entsprechen. Und sie besagen als solche nur etwas
über den Zusammenhang zwischen der Erfüllung einer entsprechenden
Forderung, und dem Aufwärtssteigen des Schülers
in die höheren Welten. Du sollst dich der Kritik enthalten,
heißt: soviel du im Leben in Fällen, in welchen dich die Verhältnisse
zu einem Tadel, einer Verurteilung reizen, diesem
Reiz nicht folgst, sondern ohne alle Kritik an der Verbesserung
des Schädlichen, Schlechten usw. arbeitest, in demselben
Maße steigst du nach aufwärts. Es schließt die Enthaltung
von der Kritik durchaus nicht ein, daß du gleichgültig an
dem Schlechten, Bösen usw. vorbeigehest, und daß du alles
läßt, wie es ist. Man soll nur suchen, das Schlechte in demselben
Maße aus seinen Ursachen zu verstehen, wie man das
Gute versteht. Durch das Begreifen der Ursachen wird man
sich sogar am besten zur Arbeit für die Verbesserung rüsten.
Nicht das Blindmachen gegen das Übel nützt, sondern die
verständnisvolle Toleranz. Am klarsten drückt aus, was darüber
zu sagen ist, der dritte von den vier ersten Sprüchen in
«Licht auf den Weg»: «Ehe vor den Meistern kann die
Stimme sprechen, muß das Verwunden sie verlernen.» Das
heißt, Wesen einer höheren Welt sprechen zu dem Menschen
nur, wenn sich seine Worte das lieblose Verletzen, den Tadel,
der zu schmerzen oder zu betrüben geeignet ist, ganz abgewöhnt
haben, und nur noch im Dienste liebevollen Umfassens
der ganzen Welt gesprochen werden. Und mit den
«Worten» sind hier auch die ungesprochenen Worte, die
bloßen Gedanken gemeint. In dem Bereiten von Schmerz
liegt das, worauf es ankommt. Der Meister und höhere Wesen
sprechen zu uns nicht von außen, sie benutzen als das
Mittel, sich mit uns zu verständigen, unsere eigenen Worte
und Gedanken. Der Ton ihrer Stimme dringt durch uns, und
geht von da durch diese Worte und Gedanken nach außen in
die Welt. Und nur, wenn er diesen Weg offen und ohne Hemmung
findet, wird er für uns hörbar. Worte und Gedanken,
die Schmerz bereiten, sind wie spitzige Pfeile, die von uns
ausgehen. Und an der Spitze findet der Ton des Meisters ein
Hemmnis; er prallt zurück und bleibt unwahrnehmbar.
Worte und Gedanken aber, die von Liebe gestaltet sind, öffnen
sich wie Blumenkronen nach außen, die sanft die anderen
Wesen umschließen; und bei ihnen findet des Meisters Stimme
den Weg offen, um in die Welt zu dringen. Nur dadurch wird
sie für uns hörbar.
 
Zweitens: ist man aber genötigt, Schmerz zu bereiten, hat
man etwa gar die Verpflichtung als Richter oder Kritiker,
dann gilt das Gesetz nicht minder. Auch der Schmerz, zu dem
man verpflichtet ist, hemmt die Entwickelung. Man muß die
Sache dann als sein Karma ansehen. Denn wollte man sich
der Verpflichtung entziehen, um die eigene Entwickelung zu
fördern, so würde man aus Selbstsucht handeln, und dadurch
hielte man die Entwickelung in den meisten Fällen mehr auf,
als man sie durch das Entziehen von der Schmerzbereitung
fördert. Unter Umständen bringt man sich am besten vorwärts,
wenn man in notwendigen Fällen auf die direkte
Beobachtung einer Regel, deren Befolgung Förderung bewirkt,
verzichtet. Ist man Erzieher, und dadurch genötigt,
vielleicht fortwährend durch Strafen Schmerz zu bereiten, so
kann man während dieser Zeit in bezug auf obige Regel gar
nichts tun. Hat man dann aber den Zögling gebessert, so
kommt diese gute Wirkung unserem Karma und dadurch
doch unserer Höherentwickelung mittelbar zustatten. Die
Gesetze des geistigen Lebens sind unerbittlich, wenn man sie
aus welchen Gründen immer nicht einhält. Und sie müssen in
aller Strenge einfach als Geistesgesetze aufgestellt werden, ob
eine Möglichkeit, sie einzuhalten, vorliegt oder nicht.|34|388ff}}
 
{{GZ|Ferner gehört zu denjenigen Dingen, die im eminentesten Sinne die
Herrschaft unseres Ichs über unseren astralischen Leib stärken, wenn
wir alles dasjenige von unserer Seele wegweisen, was einen Gegensatz
zwischen uns und der übrigen Welt aufrichtet, zwischen uns und
unserer Umgebung, das sollte zu den Selbstverpflichtungen gehören,
die sich der Anthroposoph auferlegt. Nicht etwa soll man berechtigte
Kritik vermeiden; wenn die Kritik eine sachliche ist, so wäre es
natürlich eine Schwäche, das Schlechte für gut auszugeben. Das soll
man gar nicht tun. Aber man muß unterscheiden lernen zwischen dem,
was man um seiner selbst willen tadelt, und dem, was man wegen
seines Einflusses auf die eigene Persönlichkeit unbequem findet und
benörgelt. Je mehr man sich angewöhnen kann, unabhängig zu machen
die Beurteilung namentlich unserer Mitmenschen von der Art und
Weise, wie sie sich zu uns stellen, je mehr man das kann, desto besser
ist es für die Stärkung unseres Ichs in bezug auf seine Herrschaft über
den astralischen Leib. Nicht um sich die Finger abzulecken und zu
sagen: Du bist ein guter Mensch, wenn du deinen Mitmenschen nicht
kritisierst - sondern um sein Ich zu stärken, ist es gut, sich die
Entsagung aufzuerlegen, die Dinge, die man nur deshalb übel findet,
weil sie einem selber unangenehm sind, nicht übel zu finden und,
gerade auf dem Gebiet, wo es sich um Menschenbeurteilung handelt,
das Urteil lieber nur dort auszusprechen, wo man selber gar nicht in
Frage kommt. Man wird finden, daß das als theoretischer Grundsatz
sich leicht ausnimmt, daß es aber im Leben außerordentlich schwierig
auszuführen ist. Es ist gut, wenn man zum Beispiel bei einem Menschen,
der einen angelogen hat, mit seiner Antipathie gegen ihn zurückhält.
Es handelt sich nicht darum, zu andern zu gehen und weiterzuerzählen,
daß er uns angelogen hat, sondern es muß sich darum handeln, das
Gefühl der Antipathie zurückzuhalten. Das, was wir an dem Menschen
bemerken können an dem einen oder anderen Tag, wie seine eigenen
Handlungen zusammenstimmen, das können wir sehr wohl zur Bildung
eines Urteils über den Betreffenden gebrauchen. Wenn einer einmal
so, das andere Mal anders redet, dann brauchen wir nur das, was er
selber sagt, zu vergleichen, dann haben wir eine ganz andere Unterlage
zu seiner Beurteilung, als wenn wir nur sein Verhalten uns selbst
gegenüber betonen. Es ist wichtig, daß man die Dinge für sich selbst
sprechen läßt und die Menschen nicht nach einzelnen Handlungen
beurteilt, sondern nach dem, wie ihre Handlungen zusammenstimmen.
Man wird schon finden, daß selbst bei demjenigen, den man für einen
ausgepichten Schurken hält, der niemals etwas anderes als Böses tut,
daß man selbst bei einem solchen sehr viel findet, was dem widerspricht,
was er selbst sonst tut. Wir brauchen gar nicht sein Verhalten zu uns
selbst ins Auge zu fassen, man kann von sich selbst absehen und sich
den Menschen in seinem eigenen Verhalten vor die Seele stellen, wenn
es überhaupt nötig ist, ein Urteil über ihn zu fällen. Gut ist es zur
Stärkung des Ichs, darüber nachzudenken, daß wir einen großen Teil,
neun Zehntel der Urteile, die wir fällen, in allen Fällen unterlassen
können. Wenn man nur ein Zehntel von den Urteilen, die man über die
Welt fällt, in seiner Seele erlebt, so genügt das reichlich für das Leben.
Es wird das Seelenleben in keiner Weise beeinträchtigt dadurch, daß
wir uns versagen, die übrigen neun Zehntel der Urteile zu fällen.|143|26f}}
 
== Literatur ==
 
*Rudolf Steiner: ''Lucifer – Gnosis'', [[GA 34]] (1987), ISBN 3-7274-0340-3 {{Vorträge1|33}}
*Rudolf Steiner: ''Ursprung und Ziel des Menschen'', [[GA 53]] (1981), ISBN 3-7274-0532-5 {{Vorträge|53}}
*Rudolf Steiner: ''Kosmogonie'', [[GA 94]] (2001), ISBN 3-7274-0940-1 {{Vorträge|094}}
*Rudolf Steiner: ''Die Beantwortung von Welt- und Lebensfragen durch Anthroposophie'', [[GA 125]] (1992), ISBN 3-7274-1250-X {{Vorträge|125}}
*Rudolf Steiner: ''Die Mission der neuen Geistesoffenbarung'', [[GA 127]] (1989), ISBN 3-7274-1270-4 {{Vorträge|127}}
*Rudolf Steiner: ''Erfahrungen des Übersinnlichen. Die drei Wege der Seele zu Christus'', [[GA 143]] (1994), ISBN 3-7274-1430-8 {{Vorträge|143}}
*Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik.'', [[GA 303]] (1978), ISBN 3-7274-3031-1 {{Vorträge|303}}
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Ethik]][[Kategorie:Seelenleben]]

Version vom 24. April 2011, 22:05 Uhr

Gustave Doré: Die Vernichtung des Leviathan, 1865