Licht

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Das Licht (mhd. lieht, ahd. lioht; eng. light; lat. lux; vgl. auch griech. λευκός, leukós = "licht, weiß, glänzend"; abgeleitet von der idg. Wurzel *leuk- = "leuchten, strahlen, funkeln", von der auch das Wort Lohe mit der Bedeutung "lodern, flammen" abstammt; hebr. אוֹר, 'or', verwandt mit Aura) ist die notwendige reale Bedingung dafür, dass wir mittels unseres Sehsinns äußere Gegenstände zu sehen vermögen. Das reine Licht an sich ist ebensowenig sichtbar wie die absolute Finsternis, die dem Licht polar entgegengesetzt ist. Wir nehmen nur die Wirkungen des Lichtes an den Gegenständen wahr - und diese Wirkungen sind die Farben, in denen uns die äußere sinnliche Welt erglänzt.

„Denn eigentlich unternehmen wir umsonst, das Wesen eines Dinges auszudrücken. Wirkungen werden wir gewahr, und eine vollständige Geschichte dieser Wirkungen umfasste wohl allenfalls das Wesen jenes Dinges. Vergebens bemühen wir uns, den Charakter eines Menschen zu schildern; man stelle dagegen seine Handlungen, seine Taten zusammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegentreten.
Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden. In diesem Sinne können wir von denselben Aufschlüsse über das Licht erwarten. Farben und Licht stehen zwar untereinander in dem genausten Verhältnis, aber wir müssen uns beide als der ganzen Natur angehörig denken: denn sie ist es ganz, die sich dadurch dem Sinne des Auges besonders offenbaren will.“

Goethe: Zur Farbenlehre, Vorwort

Der Ursprung des Lichts auf der alten Sonne

Das Licht entstand auf der alten Sonne als ein Ergebnis dessen, was Rudolf Steiner die "schenkende Tugend" der Geister der Weisheit genannt hat. Damals gab es den Raum noch nicht, wohl aber die Zeit, die bereits auf der vorangegangenen planetarischen Entwicklungsstufe, dem alten Saturn, gemeinsam mit der Wärme entstanden war. Aus der schenkenden Tugend der Geister der Weisheit entstand zunächst das Luftelement durch Verdichtung eines Teils dieser Wärme. Die Luft trat so als ein Äußeres zu der fortwirkenden Saturnwärme hinzu. Nun ist Schenken immer ein Zweifaches, ein Geben und ein Nehmen. So traten die Erzengel hinzu als die Nehmenden - aber sie sind es auf ganz besondere Weise. Sie behalten das Angenommene nicht einfach für sich, sondern sie strahlen es den Geistern der Weisheit als Bild zurück, aber nicht sofort, sondern zeitversetzt zu einem späteren Zeitpunkt. Sie sind Boten dessen, was früher war, Boten des Anfangs sind sie - Archangeloi. Und darum schauen wir, indem wir die Wirkungen des Lichts erblicken, stets in die Vergangenheit.

"Dadurch wird etwas ganz Besonderes hervorgerufen, was Sie sich nur richtig vorstellen können, wenn Sie sich denken das Bild einer innerlich geschlossenen Kugel, wo vom Mittelpunkte etwas ausgestrahlt wird, was geschenkt wird; das strahlt bis zur Peripherie hin und strahlt von dort zurück zum Mittelpunkte. An der Oberfläche, innen an der Kugel lagern die Erzengel, die strahlen es zurück. Außen brauchen Sie sich nichts vorzustellen. - Wir haben uns also von einem Zentrum ausgehend zu denken das, was von den Geistern der Weisheit kommt: das wird ausgestrahlt nach allen Seiten, wird aufgefangen von den Erzengeln und zurückgestrahlt. Was ist das, was da zurückstrahlt in den Raum hinein, dieses zurückgestrahlte Geschenk der Geister der Weisheit? Was ist die ausgestrahlte Weisheit in sich selbst zurückgeleitet? - Das ist das Licht. Und damit sind die Erzengel zugleich die Schöpfer des Lichtes." (Lit.: GA 132, S. 34)

In dem so den Geistern der Weisheit ihr inneres Wesen im Licht zeitversetzt als ein Äußeres zurückgestrahlt wird, entsteht der Raum, allerdings zunächst noch nicht in den uns gewohnten drei Dimensionen, sondern zweidimensional als «Inneres» und «Äußeres». So wird aus der Zeit der Raum geboren; Raum und Zeit sind nicht unabhängig voneinander.

"Inneres und Äußeres sind die zwei Gegensätze, die uns jetzt entgegentreten. Das Frühere und Spätere verwandelt sich und wird so, daß es sich verwandelt in Inneres und Äußeres. Der «Raum» ist geboren! Durch die schenkende Tugend der Geister der Weisheit entsteht der Raum auf der alten Sonne. Vorher kann «Raum» nur eine bildliche Bedeutung haben. Jetzt haben wir den Raum, aber zunächst nur in zwei Dimensionen: noch nicht oben und unten, noch nicht rechts und links, sondern nur Äußeres und Inneres. - In Wirklichkeit treten diese beiden Gegensätze schon gegen Ende des alten Saturn auf, aber sie wiederholen sich in ihrer eigentlichen Bedeutung, als raumschaffend auf der alten Sonne." (Lit.: GA 132, S. 35)

Licht und Denken

Wenn wir denken, leben wir im Licht. Was wir innerlich als Gedanke erleben, schauen wir äußerlich als Licht. Der imaginativen Anschauung zeigt sich, dass Licht und Gedanke dasselbe sind, nur von verschiedenen Seiten gesehen.

"Und gehen wir gar an das Licht heran, dann weben und leben wir auch im Lichte. Nur bemerken wir das nicht, weil wir im gewöhnlichen Bewußtsein keine Ahnung davon haben, daß das innere Weben des Lichtes in unserem eigenen Denken enthalten ist, daß jeder Gedanke aufgefangenes Licht ist: aufgefangenes Licht beim physisch Sehenden, aufgefangenes Licht beim physisch Blinden. Das Licht ist ein Objektives. Das Licht nimmt nicht nur der physisch Sehende auf, das Licht nimmt auch der physisch Blinde auf, wenn er denkt. Denn der Gedanke, den wir innerlich in uns festhalten, der Gedanke, den wir innerlich in uns einfangen, er ist in uns vorhandenes Licht." (Lit.: GA 270a, S. 88)

"Der Mensch hat am äußeren Lichte ein gewisses Erlebnis. Dasselbe Erlebnis, das der Mensch durch die sinnliche Anschauung des Lichtes in der äußeren Welt hat, hat er gegenüber dem Gedankenelemente des Hauptes für die Imagination. So daß man sagen kann: Das Gedankenelement, objektiv geschaut, wird als Licht geschaut, besser gesagt, als Licht erlebt. - Wir leben, indem wir denkende Menschen sind, im Lichte. Das äußere Licht sieht man mit physischen Sinnen; das Licht, das zum Gedanken wird, sieht man nicht, weil man darinnen lebt, weil man es selber ist als Gedankenmensch. Man kann dasjenige nicht sehen, was man zunächst selber ist. Wenn man heraustritt aus diesen Gedanken, wenn man in die Imagination, Inspiration eintritt, dann stellt man sich ihm gegenüber, und dann sieht man das Gedankenelement als Licht. So daß wir, wenn wir von der vollständigen Welt reden, sagen können: Wir haben das Licht in uns; nur erscheint es uns da nicht als Licht, weil wir darinnen leben, und weil, indem wir uns des Lichtes bedienen, indem wir das Licht haben, es in uns zum Gedanken wird. - Sie bemächtigen sich gewissermaßen des Lichtes; das Licht, das Ihnen sonst draußen erscheint, das nehmen Sie in sich auf. Sie differenzieren es in sich. Sie arbeiten in ihm. Das ist eben Ihr Denken, das ist ein Handeln im Lichte. Sie sind ein Lichtwesen. Sie wissen nicht, daß Sie ein Lichtwesen sind, weil Sie im Lichte drinnen leben. Aber Ihr Denken, das Sie entfalten, das ist das Leben im Lichte. Und wenn Sie das Denken von außen anschauen, dann sehen Sie durchaus Licht.

Denken Sie sich nun das Weltenall (linke Zeichnung). Sie sehen es - bei Tag natürlich - vom Lichte durchströmt, aber stellen Sie sich vor, Sie sähen dieses Weltenall von außen an. Und jetzt machen wir das Umgekehrte. Wir haben soeben das Menschenhaupt gehabt (rechte Zeichnung), das im Inneren den Gedanken in seiner Entwickelung hat, und äußerlich Licht schaut. Im Weltenall haben wir Licht, das sinnlich angeschaut wird. Kommen wir aus dem Weltenall heraus, betrachten wir das Weltenall von außen (Pfeile), als was erscheint es da? Als ein Gefüge von Gedanken! Das Weltenall - innerlich Licht, von außen angesehen Gedanken. Das Menschenhaupt - innerlich Gedanke, von außen gesehen Licht." (Lit.: GA 202, S. 74f)

Licht und Gedanke
Licht und Gedanke

Doch lebt im Gedanken nicht die Gegenwart, sondern er kommt uns aus der Vergangenheit zu. Und im gedankendurchdrungenen Licht blicken wir in eine ersterbende Welt. Darin aber erglänzt die Ordnung des Kosmos (griech. κόσμος, kósmos = Welt[-ordnung], auch Schmuck, Anstand, Zier) und dadurch erstrahlt die Welt in Schönheit.

"Nun ist aber der Gedanke, der in uns lebt, eigentlich dasjenige, was aus der Vorzeit herüberkommt, was das Reifste in uns ist, das Ergebnis früherer Erdenleben. Was früher Wille war, ist Gedanke geworden, und es erscheint der Gedanke als Licht. Daraus werden Sie empfinden können: Wo Licht ist, ist Gedanke -, aber wie? Gedanke, in dem eine Welt fortwährend erstirbt. Eine Vorwelt, eine vorzeitige Welt erstirbt im Gedanken, oder anders ausgesprochen, im Lichte. Das ist eines der Weltengeheimnisse. Wir schauen hinaus in das Weltenall. Es ist durchströmt vom Lichte. Im Lichte lebt der Gedanke. Aber in diesem gedankendurchdrungenen Lichte lebt eine ersterbende Welt. Im Lichte erstirbt fortwährend die Welt.

Indem so ein Mensch wie Hegel die Welt betrachtet, betrachtet er eigentlich das fortwährende Ersterben der Welt. Diejenigen Menschen werden ganz besonders Gedankenmenschen, welche zum Sinkenden, Ersterbenden, Sich-Ablähmenden der Welt eine besondere Neigung haben. Und im Ersterben wird die Welt schön. Die Griechen, die innerlich eigentlich durch und durch von lebendiger Menschenwesenheit waren, nach außen hatten sie ihre Freude, wenn in dem Ersterben der Welt die Schönheit erglänzte. Denn in dem Lichte, in dem die Welt erstirbt, erglänzt die Schönheit der Welt. Die Welt wird nicht schön, wenn sie nicht sterben kann, und indem sie stirbt, leuchtet sie, die Welt. So daß es eigentlich die Schönheit ist, welche aus dem Lichtesglanze der fortwährend ersterbenden Welt erscheint. So betrachtet man das Weltenall qualitativ." (Lit.: GA 202, S. 76)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen, GA 132 (1999), ISBN 3-7274-1320-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physische des Menschen, GA 202 (1993), ISBN 3-7274-2020-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Esoterische Unterweisungen für die erste Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum 1924, GA 270/1 (1999), ISBN 3-7274-2700-0 html
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.