Friedmann-Gleichung

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Die Friedmann-Gleichung beschreibt die Entwicklung des Universums. Sie wird manchmal auch als Friedmann-Lemaître-Gleichung bezeichnet, weil sie unabhängig von Alexander Friedmann und auch von Georges Lemaître entdeckt wurde. Sie ist eine Vereinfachung der einsteinschen Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie unter der Annahme eines homogenen und isotropen Weltalls. Aus der Gleichung lassen sich je nach dem Energiegehalt des Universums Voraussagen über seine zeitliche Entwicklung, d. h. die spezielle Form der Expansion oder Kontraktion, herleiten.

Die Materieverteilung im Universum ist auf geringen Entfernungen sehr unregelmäßig, erscheint allerdings ab mehreren hundert Megaparsec zunehmend isotrop, das heißt in alle Richtungen gleich aussehend. Unter der Annahme, dass ein Beobachter im Universum in keiner Weise privilegiert ist (kopernikanisches Prinzip), leitet sich daraus unmittelbar ab, dass das Universum von jedem Standpunkt aus isotrop und homogen aussieht. Dies ist auch als Kosmologisches Prinzip bekannt. Berücksichtigt man diese Isotropie der Materieverteilung, so folgt, dass der räumliche Anteil des Energie-Impuls-Tensors eine relativ einfache Form bekommt und ein Vielfaches des Einheitstensors sein muss. Der Energie-Impuls-Tensor erhält damit die folgende Form:[1]

steht dabei für die räumlich homogene Massendichte und für den Druck. Beide Funktionen hängen nur von dem zeitartigen Parameter ab.

Das kosmologische Prinzip macht nun die weitere Annahme erforderlich, dass die räumliche Krümmung des Raumes unabhängig von der Position im Raum sein soll. Diese Annahme führt zu einer relativ speziellen Form des metrischen Tensors. Wird dieser Tensor und die eben gezeigte Form des Energie-Impuls-Tensors in die einsteinschen Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) mit kosmologischer Konstante eingesetzt, so kann man daraus die Robertson-Walker-Metrik ableiten, die weiter unten noch näher beschrieben wird. Bei dieser Herleitung erhält man zusätzlich auch die Friedmann-Gleichung in ihrer modernen Fassung mit kosmologischer Konstante:

sowie die Beschleunigungsgleichung

Hierbei bezeichnet den Skalenfaktor, die Gravitationskonstante und den Krümmungsparameter (0, +1, −1) aus der Robertson-Walker-Metrik. bezeichnet den Hubble-Parameter.

Grundlegendes

Albert Einstein ging zunächst von einem statischen Universum aus, das sich weder ausdehnt noch zusammenzieht. Dazu musste er in seinen Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie eine entsprechende Konstante einführen, die er kosmologische Konstante (Λ) nannte.

Der russische Mathematiker und Physiker Alexander Friedmann verwarf diese Annahme eines statischen Universums und setzte die kosmologische Konstante gleich Null. Stattdessen stellte er mit den nach ihm benannten Friedmann-Gleichungen drei Modelle eines expandierenden Universums auf. Diese beeinflussten in der Folge erheblich die physikalischen Auffassungen und Modelle Einsteins.

Die Gleichungen sagen in Abhängigkeit von der totalen Energiedichte verschiedene Werte für die Krümmung der Raumzeit voraus (entsprechend den Werten −1, 0 oder +1 für in obigen Gleichungen):

  1. Modell: Die Energiedichte des Universums ist größer als die kritische Energiedichte (siehe unten). Dann ist die Krümmung der Raumzeit positiv , das Universum „sphärisch“ (ein zweidimensionales Analogon wäre die Oberfläche einer Kugel). Ein solches sphärisches Universum ist übrigens auch geschlossen: Obwohl unbegrenzt wäre es nur endlich groß. Wer lange genug in eine Richtung läuft, kommt irgendwann zu seinem Ausgangspunkt zurück.
  2. Modell: Die Energiedichte ist genau so groß wie die kritische Energiedichte. Die Raumzeit hat verschwindende Krümmung , das Universum ist „flach“ (entspräche in zwei Dimensionen einer Ebene).
  3. Modell: Die Energiedichte ist kleiner als der kritische Wert. Die Krümmung der Raumzeit ist negativ , das Universum „hyperbolisch“.

Je nach Zustandsgleichung der im Universum enthaltenen Materie ergeben sich auch drei verschiedene Möglichkeiten für die weitere Entwicklung des Universums:

  1. Möglichkeit: Die Gravitation ist in der Lage, die Expansion soweit abzubremsen, dass sie zum Stillstand kommt und sich umkehrt. Das Universum zieht sich auf einen einzigen Punkt zusammen (Big Crunch). Über die weitere Entwicklung „nach“ diesem Ereignis kann nur spekuliert werden. Einige Szenarien sehen die Möglichkeit eines „pulsierenden“ Universums vor.
  2. Möglichkeit: Die Gravitation verlangsamt die Expansion immer weiter, bringt sie jedoch nicht zum Stillstand.
  3. Möglichkeit: Die Expansion beschleunigt sich und die gewöhnliche Materie im Universum wird immer weiter ausgedünnt.

Die verschiedenen Möglichkeiten für die Krümmung und das Expansionsverhalten des Universums sind zunächst unabhängig voneinander. Erst durch verschiedene einschränkende Annahmen über die vorkommenden Materieformen ergeben sich Abhängigkeiten.

Die durch die Friedmann-Gleichung beschriebene Expansion des Universums liefert eine Erklärung für den 1929 von Edwin Hubble entdeckten linearen Zusammenhang von Rotverschiebung und Entfernung. Hubble selbst interpretierte seine Beobachtungen damals zunächst als optischen Dopplereffekt. Modelle statischer Universen, die zuvor populär waren, können die beobachtete Rotverschiebung nicht erklären und verloren somit weiter an Bedeutung.

Die Expansionsrate wird mit der Hubble-Konstante H0 angegeben. Aus H0 lässt sich das Alter des Universums bestimmen, wobei jedes der drei Modelle einen anderen Wert liefert.

Aus neuesten Messungen der Expansionsrate über die Hintergrundstrahlung des Weltalls ergibt sich derzeit (August 2012) folgendes Bild:

  • Die Hubble-Konstante beträgt 74,3 km/(s · Megaparsec), wobei gilt: 1 Parsec = 3,26 Lichtjahre. Daraus ergibt sich ein Alter des Universums von 13,82 Milliarden Jahren.
  • Das Universum ist im Rahmen der Messgenauigkeit flach.
  • Die Expansion beschleunigt sich.

Die gesamte Energiedichte des Universums setzt sich nach neuesten Erkenntnissen zusammen aus:

Herleitung

Die Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie

Obwohl die Gravitation die schwächste der vier bekannten Wechselwirkungen ist, stellt sie auf größeren Maßstäben die dominierende Kraft im Universum dar und bestimmt dessen Entwicklung und Dynamik. Die gegenwärtig beste Beschreibung der Gravitation ist die allgemeine Relativitätstheorie (ART). Diese verknüpft die Verteilung und Dynamik der Materie mit der Geometrie der Raumzeit gemäß:

Hierin beschreibt der Einstein-Tensor G die Geometrie der Raumzeit, während der Energie-Impuls-Tensor T alle Materie- und Energiefelder umfasst. Der (0,2)-Tensor heißt Einsteinmetrik und stellt die allgemein-relativistische Verallgemeinerung des metrischen Tensors

für die statische und flache Minkowski-Raumzeit auf gekrümmte Raumzeiten dar. steht für die kosmologische Konstante. Letztere wird unter anderem als Vakuumenergie interpretiert, die mit Hilfe virtueller Teilchen zwar berechnet werden kann, aber unbefriedigende Werte ergibt. Ihre eigentliche Natur ist also noch nicht ausreichend verstanden.

Exakte Lösungen für die Feldgleichungen wurden bisher nur für hochsymmetrische Materieverteilungen gefunden. Das Problem besteht darin, für die oben beschriebene, idealisierte Materie- und Energieverteilung T einen passenden metrischen Tensor g zu finden, aus der sich der Einsteintensor G zusammensetzt.

Der metrische Tensor kann über das sogenannte Linienelement dargestellt werden,

wobei über identische, hoch- und tiefgestellte Indizes über alle möglichen Werte des Index zu summieren ist. Diese abkürzende Schreibweise wird auch einsteinsche Summenkonvention genannt.

Metrischer Tensor für ein symmetrisches Universum

Howard P. Robertson (1935) und Arthur Geoffrey Walker (1936) fanden, wie oben bereits angedeutet, unabhängig voneinander eine Lösung für die Feldgleichungen für den Fall eines idealisierten Kosmos mit konstanter Krümmung. Das Linienelement dieser Geometrie, welches bereits 1922 von Friedmann benutzt wurde, lautet

Hierbei stellt die „mitbewegte“ Radialkoordinate dar, die Eigenzeit eines „mitbewegten Beobachters“, den Expansionsfaktor des Universums. und kennzeichnen die beiden Winkelkoordinaten, analog zu einem sphärischen Koordinatensystem. Ein mitbewegter Beobachter folgt der Expansion des Universums. Seine mitbewegte Radialkoordinate behält hierbei ihren numerischen Wert.

Die Funktion unterscheidet zwischen dreidimensionalen raumartigen Hyperflächen konstanter Zeit mit positiver, verschwindender, oder negativer Krümmung . Unter einer solchen Hyperfläche versteht man alle Ereignisse, die zur gleichen kosmologischen Zeit stattfinden. Zum Beispiel formen unsere Milchstraße und alle anderen Galaxien heute eine raumartige Hyperfläche. Nur sehen wir diese Galaxien aufgrund der Lichtlaufzeit nicht in diesem heutigen Zustand, sondern in einem individuellen und bereits vergangenen Zustand. Die raumartige Hyperfläche, welche sie aufspannen, ist daher keiner Beobachtung zugänglich.

ist gegeben durch

Durch Umskalieren der Radialkoordinate und Neudefinition des Skalenfaktors lässt sich der Krümmungsparameter auf einen der Werte −1, 0 oder 1 festlegen. Mit der Robertson-Walker-Metrik und der oben gezeigten Form des Energie-Impuls-Tensors können aus den einsteinschen Feldgleichungen die Friedmann-Gleichungen abgeleitet werden. Details dazu finden sich unter anderem in Gravitation (Misner, Thorne und Wheeler, 1973).

Energieerhaltung

Die Friedmann-Gleichung und die Beschleunigungsgleichung lassen sich zu einer weiteren Gleichung kombinieren[1], die in anschaulicher Weise die Massen- und Energieerhaltung beschreibt

Die Friedmann-Gleichung genügt daher, um zusammen mit dem Energieerhaltungssatz die globale Entwicklung des Universums zu beschreiben.

Spezielle Lösungen

Die Friedmann-Gleichung und die Beschleunigungsgleichung enthalten die drei unbekannten Funktionen , und . Um eine eindeutige Lösung zu erhalten, ist daher eine weitere Gleichung, die Zustandsgleichung der Materie, nötig. Gewöhnliche (baryonische) Materie, Strahlung und die Kosmologische Konstante bilden die Hauptquellen der Gravitation auf der rechten Seite der Feldgleichungen der ART. Die Materie kann hierbei als druckloser „Staub“ angesehen werden, d. h. die Teilchen bewegen sich kollisionsfrei mit nicht-relativistischen Geschwindigkeiten. Für die drei unbekannten Funktionen gelten damit die folgenden drei Zustandsgleichungen:

.

Aus der Energieerhaltung ergibt sich daraus der Zusammenhang zwischen Dichte und Skalenfaktor

Als Anfangswert für die Friedmann-Gleichung wird verwendet, wobei die kosmologische Zeit im Jetzt darstellt. Mit den Konstanten

welche die Materiedichte und Vakuumenergiedichte parametrisieren, können die Friedmann-Lemaître-Gleichung dann auch als

geschrieben werden. Die Hubble-Funktion wird dabei, wie oben, gemäß

definiert. Diese beschreibt die Expansionsrate des Universums, mit zum heutigen Zeitpunkt. Die Strahlungsdichte wurde vernachlässigt, da sie mit abfällt und daher gegenüber der Materiedichte rasch unbedeutend wird.

Löst man die Friedmann-Gleichung für den speziellen Zeitpunkt , sieht man, dass die Konstanten nicht unabhängig sind, sondern dass gilt

Setzt man dies in die Friedmann-Gleichung ein, erhält man die bekannteste Darstellung:

Für ein flaches Universum mit , wie dem Unseren, kann man eine explizite Lösung dieser Gleichung für den Skalenfaktor angeben. Mit dem Verfahren der Variablentrennung lässt sich diese Differentialgleichung in ein Integral verwandeln. Wählt man die Integrationskonstante so, dass neben auch gilt, so folgt:

Wählt man dann noch , so dass das Universum einen singulären Anfang besitzt, so berechnet sich das Weltalter in diesem vereinfachten Modell, d. h. unter Vernachlässigung der Strahlungsära gemäß:

Die Formel für lässt sich damit auf

vereinfachen. Daraus erhält man durch eine einfache Umformung die folgende Formel für die Zeitabhängigkeit des Skalenfaktors:

Dieser Ausdruck beschreibt das Expansionsverhalten für ein flaches Universum mit kosmologischer Konstante. Peacock (2001) und Carroll (1992) haben einen identischen Ausdruck in anderer analytischer Form hergeleitet. Es folgt weiter:

Die über das Planck-Weltraumteleskop gemessenen Schwankungen in der Hintergrundstrahlung erlauben Rückschlüsse auf die Geometrie unseres Universums. Demnach ist dieses flach, mit einem Materiedichteparameter , einem Vakuumdichteparameter und einer Hubblekonstante von .

Kosmologische Rotverschiebung und Entfernungsmaße

In dynamischen und gekrümmten Raumzeiten gibt es, im Gegensatz zu euklidischen Räumen, kein eindeutiges Entfernungsmaß mehr. Es existieren vielmehr verschiedene, gleichberechtigte Entfernungsdefinitionen, die unter anderem mit Hilfe des Linienelementes eines Photons und der kosmologischen Rotverschiebung begründet, bzw. abgeleitet werden können.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Torsten Fließbach: Allgemeine Relativitätstheorie. 4. Auflage, Elsevier – Spektrum Akademischer Verlag, 2003, ISBN 3-8274-1356-7

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Literatur

  • S. M. Caroll, W. H. Press, E. L. Turner: The Cosmolocial Constant, Ann. Rev. Astr. Astrophys., Band 30, 1992, S. 499–542
  • A. Friedmann: Über die Krümmung des Raumes. In: Zeitschrift für Physik, Band 10, Nr. 1, 1922, S. 377–386
  • C. Misner, K. Thorne, J. A. Wheeler: Gravitation, W. H. Freeman, San Francisco, 1973. ISBN 0-7167-0344-0.
  • J. A. Peacock: Cosmological Physics, Cambridge University Press, 2001, ISBN 0-521-42270-1.
  • H. P. Robertson: Kinematics and world structure, Astrophysical Journal, Band 82, 1935, S. 284–301, Band 83, 1936, S. 187–201, S. 257–271
  • A. G. Walker: On Milne’s theory of world-structure, Proc. Lond. Math. Soc. (2), Band 42, 1936, S. 90–127


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