Wilhelm Anton Neumann und Exerzitien: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Neumann O.Cist..jpg|miniatur|P. Wilhelm Neumann O.Cist.]]
'''Exerzitien''' sind [[Spiritualität|geistliche]] Übungen, die abseits des alltäglichen Lebens zu einer intensiven Besinnung und Begegnung mit [[Gott]] führen sollen. Sie werden einzeln oder in Gruppen durchgeführt und können von einigen Stunden bis mehrere Wochen oder Monate dauern. Grundlegende Elemente sind [[Gebet]] (insbesondere das [[Jesusgebet]]), [[Meditation]], [[Lectio divina]], [[Fasten]], [[Schweigen]], Gespräche mit einem Exerzitienbegleiter und körperliche oder künstlerische Betätigung ([[Ora et labora]], [[Ikonographie]]).
'''Wilhelm Neumann [[Wikipedia:Zisterzienser|O.Cist.]]''' (* [[Wikipedia:4. Juli|4. Juli]] [[Wikipedia:1837|1837]] in [[Wikipedia:Wien|Wien]] als ''Anton Neumann''; † [[Wikipedia:5. Oktober|5. Oktober]] [[Wikipedia:1919|1919]] in [[Wikipedia:Mödling|Mödling]], [[Wikipedia:Niederösterreich|Niederösterreich]]) war ein [[Wikipedia:Katholische Kirche|katholischer]] [[Wikipedia:Ordensgemeinschaft|Ordensgeistlicher]] und [[Wikipedia:Theologie|Theologe]] sowie [[Wikipedia:Archäologe|Archäologe]], [[Wikipedia:Bibelwissenschaftler|Bibelwissenschaftler]] und [[Wikipedia:Mediävist|Mediävist]].  


== Leben ==
== Geschichtliche Entwicklung ==
Anton Neumann besuchte von 1847 bis 1855 das [[Wikipedia:Schottengymnasium|Schottengymnasium]] und später das [[Wikipedia:Öffentliches Gymnasium der Stiftung Theresianische Akademie|Theresianum]] in Wien. Am Hochfest [[Wikipedia:Kreuzerhöhung|Kreuzerhöhung]] ist er 1855 dem [[Wikipedia:Stift Lilienfeld|Stift Lilienfeld]] beigetreten, nahm den [[Wikipedia:Ordensname|Ordensname]]n ''Wilhelm'' an, studierte von 1856 bis 1860 am [[Wikipedia:Päpstliche Philosophisch-Theologische Hochschule Benedikt XVI.|Institutum Theologicum in Heiligenkreuz]] und übertrug 1858 seine [[Wikipedia:Ordensgelübde|Ordensprofess]] auf Heiligenkreuz, um wissenschaftlichen Studien eher nachgehen zu können. 1860 empfing er die [[Wikipedia:Priester (Christentum)|Priesterweihe]]. Von 1861 bis 1874 war Neumann [[Wikipedia:Professor|Professor]] für [[Wikipedia:Altes Testament|Altes Testament]] und [[Wikipedia:Bibliothekar|Bibliothekar]] in Heiligenkreuz. 1874 promovierte er an der [[Wikipedia:Universität Wien|Universität Wien]] und wurde im selben Jahr ebendort Professor für Altes Testament und Orientalische Sprachen. In den Jahren von 1890 und 1891 war er [[Wikipedia:Dekan (Hochschule)|Dekan]] der [[Wikipedia:Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien|Katholisch-Theologischen Fakultät]], von 1899 bis 1901 Rector Magnificus der Universität Wien. Am 28. Dezember 1910 leistete er demonstrativ den [[Wikipedia:Antimodernisteneid|Antimodernisteneid]], obwohl er bereits emeritiert war und kein Druck dazu bestand. Seine Palästinaforschungen und kunsthistorischen Untersuchungen zum [[Wikipedia:Stift Heiligenkreuz|Stift Heiligenkreuz]] waren ausschlaggebend für die Regotisierung des Stiftes. Er war von außergewöhnlicher Gelehrsamkeit und Belesenheit, sehr vertraut mit den Werken von [[Thomas von Aquin]] und veröffentlichte zahlreiche Publikationen auf dem Gebiet der [[Wikipedia:Orientalistik|Orientalistik]], der [[Wikipedia:Archäologie|Archäologie]] und der [[Wikipedia:Christliche Kunst|christlichen Kunst]].
Als älteste Form christliche Exerzitien lässt sich das eremitische Leben der [[Wüstenväter]] betrachten.
{{Hauptartikel|Ignatianische Exerzitien}}
Prägend für den Wortgebrauch wie für die Praxis sind die [[Ignatianische Exerzitien|Ignatianischen Exerzitien]], die geistlichen Übungen des [[Ignatius von Loyola]]. Der Gründer der [[Jesuiten|Gesellschaft Jesu]] versuchte, darin seine eigenen geistlichen Erfahrungen anderen zugänglich zu machen. Dazu lud er Freunde und andere an einer radikaleren [[Nachfolge Jesu]] Interessierte ein, sich für eine Zeit zurückzuziehen und unter seiner Anleitung dem [[Gebet]], der [[Meditation]] und [[Unterscheidung der Geister]] zu widmen.


== Begegnung mit Rudolf Steiner ==
Mit der [[Apostolische Konstitution|Apostolischen Konstitution]] ''[[Summorum Pontificum (1922)|Summorum Pontificum]]'' vom 25. Juli 1922 erklärte Papst [[Pius XI.]] den Heiligen Ignatius von Loyola zum [[Schutzpatron]] aller geistigen Exerzitien.


[[Rudolf Steiner]] lernte Neumann um [[Wikipedia:1886|1886]] im Haus der Dichterin [[Marie Eugenie delle Grazie]] kennen, deren Lehrer und „spätere vorsorgliche edle Freund“<ref>{{G|028|124f|138}}</ref> der katholische Priester und Theologieprofessor [[Laurenz Müllner]] war.
== Benediktinische und weitere klassische Exerzitienformen ==
Es gibt heute viele Formen von geistlichen Übungen, „Exerzitien“. Ein Beispiel sind benediktinische Exerzitien, in denen die [[lectio divina]], die [[geistliche Schriftlesung]], das „wiederkäuende Betrachten“ biblischer oder anderer geistlicher Texte geübt wird, das gemeinsame [[Stundengebet]] und die Pflege des Schweigens eingeübt werden. Andere Formen sind Exerzitien nach [[Teresa von Avila]] und [[Johannes vom Kreuz]], bei denen das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit im Mittelpunkt steht, franziskanische Exerzitien, die Inspirationen des Heiligen [[Franz von Assisi]] aufnehmen, oder verschiedene Formen von kontemplativen Exerzitien, die Elemente der christlichen [[Mystik]] und fernöstlicher [[Spiritualität]] ([[Zen]], [[Yoga]]) verbinden.


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== Exerzitien in Protestantismus und Orthodoxie ==
"Um die beiden sammelten sich Professoren der theologischen
Eine neue Entwicklung ist es, dass auch im Rahmen evangelischer und orthodoxer Kirchen Exerzitien angeboten werden; bisweilen führen sie in der [[Protestantismus|evangelischen Kirche]] die Bezeichnung „[[Rüstzeit (Kirche)|Rüstzeit]]“. In der Vergangenheit wurden in evangelischen Kirchen Exerzitien eher abgelehnt, da der Übungscharakter mit der Gefahr der [[Werkgerechtigkeit]] verbunden und im Gegensatz zum reinen Gnadencharakter der Erlösung ([[sola gratia]]) gesehen wurde.<ref>Udo Hofmann: [http://www.exerzitien-herzensgebet.de/was_sind_exerzitien.pdf ''Was sind Exerzitien?''] (PDF; 64&nbsp;kB) S. 1</ref> Auf orthodoxer Seite ist es die Skepsis gegenüber einer zu großen Unabhängigkeit des Individuums von kirchlicher Autorität, die gegenüber ignatianischen Exerzitien, die die Unmittelbarkeit des Individuums in seiner Beziehung zu Gott fördern wollen, zurückhaltend bis ablehnend sein lässt.
Fakultät, katholische Priester von der alierfeinsten
Gelehrsamkeit. Da war vor allem immer intensiv
anregend der Heiligenkreuzer Zisterzienser Ordenspriester Wilhelm Neumann. Müllner verehrte ihn mit
Recht wegen seiner umfassenden Gelehrsamkeit. Er sagte
mir, als ich einmal in Abwesenheit Neumanns von dessen
weitausschauendem Wissen mit enthusiastischer Bewunderung
sprach: ja, der Professor Neumann kennt die
ganze Welt und noch drei Dörfer. Ich schloß mich gerne
dem gelehrten Manne an, wenn wir von dem Besuche
bei delle Grazie weggingen. Ich hatte so viele Gespräche
mit diesem «Ideal» eines wissenschaftlichen Mannes,
aber zugleich «treuen Sohnes seiner Kirche». Ich möchte
nur zweier hier Erwähnung tun. Das eine war über die
Wesenheit Christi. Ich sprach meine Anschauung darüber
aus, wie Jesus von Nazareth durch außerirdischen
Einfluß den Christus in sich aufgenommen habe und wie
Christus als eine geistige Wesenheit seit dem Mysterium
von Golgatha mit der Menschheitsentwickelung lebt.
Dies Gespräch blieb tief in meiner Seele eingeprägt; es
tauchte immer wieder aus ihr auf. Denn es war für mich
tief bedeutsam. Es unterredeten sich damals eigentlich
drei. Professor Neumann und ich und ein dritter Unsichtbarer,
die Personifikation der katholischen [[Dogmatik]], die
sich wie drohend, dem geistigen Auge sichtbar, hinter
Professor Neumann, diesen begleitend, zeigte, und die
stets ihm verweisend auf die Schulter klopfte, wenn die
feinsinnige Logik des Gelehrten mir zu weit zustimmte.
Es war bei diesem merkwürdig, wie der Vordersatz
gar oft im Nachsatze in sein Gegenteil umschlug. Ich
stand damals der katholischen Lebensart in einem ihrer
besten Vertreter gegenüber; ich habe sie achtend, aber
auch wirklich gründlich gerade durch ihn kennen
gelernt.


Ein andres Mal sprachen wir über die wiederholten
== Neuere Exerzitienformen ==
Erdenleben. Da hörte mich der Professor an, sprach von
* [[Exerzitien im Alltag]], regelmäßige Treffen mit Impulsen und Gesprächen, während das alltägliche Leben mit Arbeit und Familie ganz normal weitergeht. Die Teilnehmer sind eingeladen, Zeiten des Gebetes in ihren Alltag zu gestalten.
allerlei Literatur, in der man darüber etwas finden könne;
* Die [[Benediktiner]] Georg Eisenstein und Sebastian Debour bieten in der [[Abtei Gerleve]] seit Anfang der 1990er Jahre „Gestalt-Exerzitien“ als [[Pastoralpsychologie|pastoralpsychologisch]] orientierte Kleingruppen-Exerzitien auf der Basis der [[Gestalttherapie]] an.
er schüttelte oft leise den Kopf, hatte aber wohl gar nicht
* Der [[Jesuiten|Jesuit]] Christian Herwartz aus Berlin bot zunächst in Berlin „Exerzitien auf der Straße“ an.<ref>[http://www.con-spiration.de/exerzitien/index.htm#einladung ''Exerzitien auf der Straße - Respektvollen Sehen und Hören üben'']</ref>  Inzwischen gibt es diese Form der Exerzitien auch in anderen Städten.<ref>[http://www.con-spiration.de/ Termine für Straßen-Exerzitien in Berlin und Anderswo]</ref> Die Teilnehmenden lassen sich ungeplant von Orten der jeweiligen (Groß-)Stadt herausfordern, wie Mose, der mit seiner Herde über die Steppe hinaus in die Wüste zog und auf einen brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch traf. Auf dem Weg spürte er, dass er sich auf heiligem Boden befand. Dort wollte Gott mit ihm sprechen. {{Bibel|Ex|3|}} Im respektvollen Sehen und Hören wollen die Übenden diese besonderen Orte in der Stadt wahrnehmen, wo sie „ihre Schuhe ausziehen können“, um ganz vor der Barmherzigkeit Gottes zu stehen, dem sie im Hungrigen, Gefangenen, Fremden, abseits Stehenden begegnen und dabei Heilung von  Ängsten und Sorgen finden.
die Absicht, auf das Inhaltliche des ihm absonderlich
* Bei „Online-Exerzitien“ leben die Teilnehmenden wie bei ''Exerzitien im Alltag'' zu Hause und gehen ihrer gewöhnlichen Betätigung nach. Vier Wochen lang bekommen sie täglich per E-Mail einen kurzen Impuls  zugeschickt, der kurz genug ist, um sich tagsüber im Kopf damit beschäftigen zu können. Abends sollte Zeit für einen kurzen Tagesrückblick sein, und einmal pro Woche korrespondiert der Teilnehmer mit seinem Begleiter der Exerzitien. Die Begleiter sind Jesuiten und andere Theologinnen und Theologen.<ref>[http://www.heribert-graab.de/online-exerzitien/index.html Jesuiten: Online-Exerzitien]</ref>
scheinenden Themas einzugehen. Und dennoch ist mir
* Die katholischen Theologen Alexandra Pook und Thomas Harling halten seit 2009 u.&nbsp;a. in den Benediktinerabteien [[Abtei Münsterschwarzach|Münsterschwarzach]] und [[Gerleve]] „Exerzitien für Atheisten, Andersgläubige und Suchende“. Ihre Idee ist, die klassischen Formen und Rituale der Exerzitien Menschen als Erfahrungs- und Übungsweg anzubieten, ohne einen christlichen Glauben vorauszusetzen.
auch dieses Gespräch wichtig geworden. Die Unbehaglichkeit
* Wanderexerzitien
Neumanns, mit der er seine nicht ausgesprochenen
* Wüstenexerzitien
Urteile gegenüber meinen Aussagen empfunden
hat, ist mir tief in das Gedächtnis eingeschrieben geblieben." {{Lit|{{G|028|125ff|139}}}}
</div>


Am [[Wikipedia:9. November|9. November]] [[Wikipedia:1888|1888]] hielt Rudolf Steiner in dem von [[Karl Julius Schröer]] begründeten Wiener Goethe-Verein einen Vortrag über «[[Goethe als Vater einer neuen Ästhetik]]», bei dem auch Neumann anwesend war.
== Literatur ==
'''Wanderexerzitien'''
* Knut Waldau/Helmut Betz: ''Berge sind stille Meister. Spirituelle Begleitung beim Weg durchs Gebirge''. München 2003


<div style="margin-left:20px">
'''Karmelitanische Exerzitien'''
"Als ich am Ende der achtziger Jahre in Wien
* Sr. Veronika Elisabeth Schmitt OCD: ''Kontemplative Exerzitien mit Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz''. Pneuma, München 2009, ISBN 978-3-942013-02-4.
im «Wiener Goethe-Verein» sprach über das Thema «Goethe
als Vater einer neuen Ästhetik», da war unter den Zuhörern
ein sehr gelehrter Zisterzienser. Ich setzte auseinander, wie
man sich die Vorstellung Goethes über die Kunst zu denken
hat, und da tat dazumal der Pater Wilhelm Neumann, ein
Zisterzienser, der zugleich Professor an der theologischen
Fakultät der Wiener Universität war, den merkwürdigen
Ausspruch: Die Keime zu diesem Vortrage, den Sie heute
uns gehalten haben, die liegen schon bei Thomas von
Aquino! - Es war mir doch ein außerordentlich interessantes
Erlebnis, von dem Pater Wilhelm Neumann zu hören, daß
er, der natürlich voll eingeschult war - denn es war ja
schon nach dem Erscheinen des Neuthomismus innerhalb
des katholischen Klerus —, der also ganz eingeschult war im
Thomismus, daß er empfand, daß im Thomismus etwas
liegt wie die Keime zu dem, was da als die Konsequenz der
Goetheschen Weltanschauung in bezug auf die Ästhetik
gesagt wurde." {{Lit|{{G|074|93f}}}}
</div>


== Literatur ==
'''Exerzitien im Alltag'''
* Alkuin Volker Schachenmayr: ''Prägende Professoren in der Entwicklung des theologischen Lehrbetriebes im Cistercienserstift Heiligenkreuz 1802–2002''. Bernardus, Langwaden 2004, ISBN 3-937634-08-8
* Anselm Grün: ''Exerzitien für den Alltag.'' Münsterschwarzach 2009, ISBN 978-3-89680-424-2.
* Norbert Stigler: ''Wilhelm Anton Neumann 1837–1919'' (Wiener Beiträge zur Theologie 46, Wien 1975).
* Michael Hettich: ''Den Glauben im Alltag einüben. Genese und Kriterien der ignatianischen Exerzitien im Alltag.'' Würzburg 2007, ISBN 978-3-429-03109-1.
* {{ÖBL|7|95|96|Neumann P. Wilhelm Anton|H. Watzl}}
* Rudolf Steiner: ''Mein Lebensgang'', [[GA 28]] (2000), ISBN 3-7274-0280-6; '''Tb 636''', ISBN 978-3-7274-6361-7 {{Schriften|028}}
* Rudolf Steiner: ''Die Philosophie des Thomas von Aquino'', [[GA 74]] (1993), ISBN 3-7274-0741-7 {{Vorträge|074}}
* Michael Heinen-Anders: ''Aus anthroposophischen Zusammenhängen Band II'', BOD, Norderstedt 2012, S. 51 - 57


{{GA}}
'''Exerzitien auf der Straße'''
* Christian Herwartz: ''Auf nackten Sohlen – Exerzitien auf der Straße.'' Würzburg 2006, ISBN 3-429-02839-6.
* Christian Herwartz: ''Brennende Gegenwart – Exerzitien auf der Straße.'' Würzburg 2011, ISBN 978-3-429-03428-3.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|118587382|TYP=Literatur von und über}}
{{Wikisource|Catholic Encyclopedia (1913)/Retreats|lang=en}}
* {{BioCist|Neumann,_Wilhelm}}
* Katholisch.de: [http://www.katholisch.de/2627.html ''Exerzitien- Geistliche Übungen'']; eingestellt am 25. September 2012
* Udo Hofmann: [http://www.exerzitien-herzensgebet.de/was_sind_exerzitien.pdf ''Was sind Exerzitien?''] (evangelisch, PDF, 63&nbsp;KiB)
* Überdiözesane Konferenz der deutschen Diözesanbeauftragten für Exerzitienarbeit, Arbeitsgemeinschaft österreichischer diözesaner Referate für Exerzitien und Spiritualität: [http://www.exerzitien.info/ ''Exerzitien in Deutschland und Österreich'']


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4125303-6}}


{{SORTIERUNG:Neumann, Wilhelm Anton}}
[[Kategorie:Christentum]]
[[Kategorie:Katholischer Theologe]]
[[Kategorie:Exerzitien|!]]
[[Kategorie:Katholischer Mönch]]
[[Kategorie:Bibelforscher]]
[[Kategorie:Archäologe]]
[[Kategorie:Österreicher]]
[[Kategorie:Geboren 1837]]
[[Kategorie:Gestorben 1919]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 15. April 2020, 23:23 Uhr

Exerzitien sind geistliche Übungen, die abseits des alltäglichen Lebens zu einer intensiven Besinnung und Begegnung mit Gott führen sollen. Sie werden einzeln oder in Gruppen durchgeführt und können von einigen Stunden bis mehrere Wochen oder Monate dauern. Grundlegende Elemente sind Gebet (insbesondere das Jesusgebet), Meditation, Lectio divina, Fasten, Schweigen, Gespräche mit einem Exerzitienbegleiter und körperliche oder künstlerische Betätigung (Ora et labora, Ikonographie).

Geschichtliche Entwicklung

Als älteste Form christliche Exerzitien lässt sich das eremitische Leben der Wüstenväter betrachten.

Prägend für den Wortgebrauch wie für die Praxis sind die Ignatianischen Exerzitien, die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola. Der Gründer der Gesellschaft Jesu versuchte, darin seine eigenen geistlichen Erfahrungen anderen zugänglich zu machen. Dazu lud er Freunde und andere an einer radikaleren Nachfolge Jesu Interessierte ein, sich für eine Zeit zurückzuziehen und unter seiner Anleitung dem Gebet, der Meditation und Unterscheidung der Geister zu widmen.

Mit der Apostolischen Konstitution Summorum Pontificum vom 25. Juli 1922 erklärte Papst Pius XI. den Heiligen Ignatius von Loyola zum Schutzpatron aller geistigen Exerzitien.

Benediktinische und weitere klassische Exerzitienformen

Es gibt heute viele Formen von geistlichen Übungen, „Exerzitien“. Ein Beispiel sind benediktinische Exerzitien, in denen die lectio divina, die geistliche Schriftlesung, das „wiederkäuende Betrachten“ biblischer oder anderer geistlicher Texte geübt wird, das gemeinsame Stundengebet und die Pflege des Schweigens eingeübt werden. Andere Formen sind Exerzitien nach Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz, bei denen das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit im Mittelpunkt steht, franziskanische Exerzitien, die Inspirationen des Heiligen Franz von Assisi aufnehmen, oder verschiedene Formen von kontemplativen Exerzitien, die Elemente der christlichen Mystik und fernöstlicher Spiritualität (Zen, Yoga) verbinden.

Exerzitien in Protestantismus und Orthodoxie

Eine neue Entwicklung ist es, dass auch im Rahmen evangelischer und orthodoxer Kirchen Exerzitien angeboten werden; bisweilen führen sie in der evangelischen Kirche die Bezeichnung „Rüstzeit“. In der Vergangenheit wurden in evangelischen Kirchen Exerzitien eher abgelehnt, da der Übungscharakter mit der Gefahr der Werkgerechtigkeit verbunden und im Gegensatz zum reinen Gnadencharakter der Erlösung (sola gratia) gesehen wurde.[1] Auf orthodoxer Seite ist es die Skepsis gegenüber einer zu großen Unabhängigkeit des Individuums von kirchlicher Autorität, die gegenüber ignatianischen Exerzitien, die die Unmittelbarkeit des Individuums in seiner Beziehung zu Gott fördern wollen, zurückhaltend bis ablehnend sein lässt.

Neuere Exerzitienformen

  • Exerzitien im Alltag, regelmäßige Treffen mit Impulsen und Gesprächen, während das alltägliche Leben mit Arbeit und Familie ganz normal weitergeht. Die Teilnehmer sind eingeladen, Zeiten des Gebetes in ihren Alltag zu gestalten.
  • Die Benediktiner Georg Eisenstein und Sebastian Debour bieten in der Abtei Gerleve seit Anfang der 1990er Jahre „Gestalt-Exerzitien“ als pastoralpsychologisch orientierte Kleingruppen-Exerzitien auf der Basis der Gestalttherapie an.
  • Der Jesuit Christian Herwartz aus Berlin bot zunächst in Berlin „Exerzitien auf der Straße“ an.[2] Inzwischen gibt es diese Form der Exerzitien auch in anderen Städten.[3] Die Teilnehmenden lassen sich ungeplant von Orten der jeweiligen (Groß-)Stadt herausfordern, wie Mose, der mit seiner Herde über die Steppe hinaus in die Wüste zog und auf einen brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch traf. Auf dem Weg spürte er, dass er sich auf heiligem Boden befand. Dort wollte Gott mit ihm sprechen. (ExEU) Im respektvollen Sehen und Hören wollen die Übenden diese besonderen Orte in der Stadt wahrnehmen, wo sie „ihre Schuhe ausziehen können“, um ganz vor der Barmherzigkeit Gottes zu stehen, dem sie im Hungrigen, Gefangenen, Fremden, abseits Stehenden begegnen und dabei Heilung von Ängsten und Sorgen finden.
  • Bei „Online-Exerzitien“ leben die Teilnehmenden wie bei Exerzitien im Alltag zu Hause und gehen ihrer gewöhnlichen Betätigung nach. Vier Wochen lang bekommen sie täglich per E-Mail einen kurzen Impuls zugeschickt, der kurz genug ist, um sich tagsüber im Kopf damit beschäftigen zu können. Abends sollte Zeit für einen kurzen Tagesrückblick sein, und einmal pro Woche korrespondiert der Teilnehmer mit seinem Begleiter der Exerzitien. Die Begleiter sind Jesuiten und andere Theologinnen und Theologen.[4]
  • Die katholischen Theologen Alexandra Pook und Thomas Harling halten seit 2009 u. a. in den Benediktinerabteien Münsterschwarzach und Gerleve „Exerzitien für Atheisten, Andersgläubige und Suchende“. Ihre Idee ist, die klassischen Formen und Rituale der Exerzitien Menschen als Erfahrungs- und Übungsweg anzubieten, ohne einen christlichen Glauben vorauszusetzen.
  • Wanderexerzitien
  • Wüstenexerzitien

Literatur

Wanderexerzitien

  • Knut Waldau/Helmut Betz: Berge sind stille Meister. Spirituelle Begleitung beim Weg durchs Gebirge. München 2003

Karmelitanische Exerzitien

  • Sr. Veronika Elisabeth Schmitt OCD: Kontemplative Exerzitien mit Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz. Pneuma, München 2009, ISBN 978-3-942013-02-4.

Exerzitien im Alltag

  • Anselm Grün: Exerzitien für den Alltag. Münsterschwarzach 2009, ISBN 978-3-89680-424-2.
  • Michael Hettich: Den Glauben im Alltag einüben. Genese und Kriterien der ignatianischen Exerzitien im Alltag. Würzburg 2007, ISBN 978-3-429-03109-1.

Exerzitien auf der Straße

  • Christian Herwartz: Auf nackten Sohlen – Exerzitien auf der Straße. Würzburg 2006, ISBN 3-429-02839-6.
  • Christian Herwartz: Brennende Gegenwart – Exerzitien auf der Straße. Würzburg 2011, ISBN 978-3-429-03428-3.

Weblinks

 Wikisource: Catholic Encyclopedia (1913)/Retreats – Quellen und Volltexte (english)

Einzelnachweise


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