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'''Vollkommenheit''' bezeichnet einen Zustand, der sich nicht noch weiter verbessern lässt. Vollkommen nimmt dabei eine Mehrfachbedeutung an: einerseits im Sinne von '''Makellosigkeit''' (lat. ''integritas''), also ein von [[Schaden|Beschädigungen]] freier Zustand, andererseits im Sinne von ''zum Vollen kommen'' bzw. '''Vollendung''' (lat. ''perfectio''), also als finales Ergebnis einer abschließbaren Serie von Verbesserungen als absolute innere [[Zweckmäßigkeit]]. Gemein ist diesen beiden Bedeutungen der Kontext von '''Unübertrefflichkeit''' - der makellose bzw. vollendete Zustand ist jeweils ein Maximum des jeweils real Erreichbaren - hierin erinnert er an das Begriffsfeld [[Ideal (Philosophie)|Ideal]].
Zeichnung aus [[GA 320]], S. 147
 
== Geschichte ==
 
Das [[Wikipedia:Antike|antike]] bzw. [[Wikipedia:Mittelalter|mittelalterliche]] Konzept der Vollkommenheit kreist um den Begriff der [[Entelechie]]: die vollkommene [[Entität]] ist eine [[Ganzheit]], die darin gründet, dass alle ihre Teile einem gemeinsamen, 'ergänzenden' Zweck unterworfen sind.
[[Platon]]s ''[[Timaios]] ''beschreibt einen vollkommenen Körper als ein in sich geschlossenes und geordnetes, und daher [[Schönheit|schönes]] [[Ganzheit|Ganzes]], das sich nicht weiter verändern kann (und muss) und nichts Seiendes außer sich hat.
 
Diese letzte Eigenschaft wird bei [[Aristoteles]] als die zentrale genommen; vollkommen ist ''„das, außerhalb dessen sich auch nicht ein einziger Teil finden lässt“'' ([[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaph]]. 4,16,1021bsq.). Vollkommen wird ein Objekt i.a., indem es eine verbessernde Veränderung durchläuft, bei der ein zunächst auf ein außer sich gerichtetes [[Telos (Philosophie)|Telos]] schließlich vollständig auf sich gerichtet ist und damit [[Selbstzweck]] wird. In der [[Ethik]] steht bei Aristoteles die [[Arete]] für sittliche Vollkommenheit. Von [[Thomas von Aquin]] stammt die Differenzierung des Vollkommenheitsbegriffs in Makellosigkeit und Vollendung (''„integritas sive perfectio“''). Spätestens seit Thomas ist Vollkommenheit auch ein klassisches Attribut [[Gott]]es. Dessen absolute Vollkommenheit ist ewig d.h. ungeworden und unverlierbar. Da es in Gott keine Akzidenzien gibt, hat Gott nicht die Vollkommenheit als Eigenschaft, sondern ist (wesensmäßig) vollkommen, ja die Vollkommenheit bzw. das Sein selbst (siehe [[Wikipedia:Natürliche Theologie|Natürliche Theologie]]).
 
Das moderne Konzept der Vollkommenheit entstammt den [[Idealismus (Philosophie)|idealistischen]] Strömungen des [[18. Jahrhundert|18. Jahrhunderts]] und ist eng an den Begriff des [[Fortschritt]]s geknüpft. Bei Kant und seinen Vorgängern [[Wikipedia:Christian Wolff (Universalgelehrter)|Christian Wolff]] und [[Wikipedia:Alexander Gottlieb Baumgarten|Alexander Gottlieb Baumgarten]] ist Vollkommenheit ein Begriff der [[Ontologie]]: sie bezeichnet die Vollständigkeit eines Seienden als Zusammentreffen aller möglichen Bestimmungen eines Gegenstands zu einer harmonischen Einheit oder Ordnung. Das Vollkommene ist ein 'Volles', eine Fülle mögliche Anteile, zu der kein weiterer Anteil mehr fehlt. Charakteristisch ist für das Vollkommene daher, dass es keiner weiteren Sache bedarf und daher a.) vollständig autonom und b.) keiner weiteren Entwicklung mehr fähig und somit zeitenthoben ist. Da sich zu jedem real Seienden, sofern es endlich ist, prinzipiell eine mögliche Ergänzung finden lässt, können demnach vollkommene Sachverhalte nur im Reich der [[Abstrakt]]ion oder bei Gott gefunden werden. Im Bereich des Endlichen hingegen wird Vollkommenheit eine regulative Idee; ein Zustand, der zwar nicht erreicht werden kann, aber unbedingt angestrebt werden muss - dies ist die ethische [[Perfektibilität]] des Menschen.
 
Die Idee des [[Nichts]] wurde im Laufe der Geschichte immer wieder mit der [[Idee]] der Vollkommenheit in Verbindung gebracht. "Drum besser wär's, dass nichts entstünde." ([[Arthur Schopenhauer]]: ''Die Welt als Wille und Vorstellung'', Kap. Von der Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens)
 
== Siehe auch ==
{{Wikiquote|Vollkommenheit}}
* [[Anmut]], [[Entelechie]], [[Ganzheit]]
* [[Arete]]
* [[Kalokagathia]], [[Perfektibilität]]
* [[Schönheit]], [[Vollständigkeit]], [[Transzendentalien]]
 
== Literatur ==
* Roland Galle: Art. ''Vollkommen/Vollkommenheit'', in: Karlheinz Barck et al. (Hrsg.): Ästhetische Grundbegriffe. Band 6. Stuttgart und Weimar 2005.
* Geoffrey Wainwright: Art. ''Vollkommenheit''. In: [[Wikipedia:Theologische Realenzyklopädie|Theologische Realenzyklopädie]] 35 (2003), S. 273-285 (mit weiterer Lit.)
* Władysław Tatarkiewicz:  O doskonałości (Ueber Vollkommenheit), Warschau, Państwowe Wydawnictwo Naukowe, 1976.
 
[[Kategorie:Metaphysik]]
[[Kategorie:Ästhetik]]
[[Kategorie:Grundbegriffe]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 11. August 2022, 11:02 Uhr

Zeichnung aus GA 320, S. 147