Josef Gikatilla

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Abb. in „Portae Lucis“ (Die Pforten des Lichts) von Gikatilla: Mann, der einen Baum mit den zehn Sephiroth hält.

Josef ben Abraham Gikatilla (hebr. יוסף בן אברהם ג'יקטיליה; * 1248 in Medinaceli; † um 1325 in Peñafiel) war ein spanischer Kabbalist, Philosoph und Mystiker, der zwischen ekstatischer und theosophischer Kabbala eine Zwischenstellung einnimmt.

Leben

Gikatilla wurde 1248 in Medinaceli (Altkastilien) geboren, verbrachte aber die meiste Zeit seines Lebens in Segovia. In den Jahren von 1272 bis 1274 studiert er bei Abraham Abulafia, dem Begründer der ekstatischen Kabbala, der von entscheidendem Einfluss für sein späteres Werk sein wird und der umgekehrt von seinem Schüler nur in den höchsten Tönen spricht. Hier findet eine intensive Auseinandersetzung mit den profanen Wissenschaften und den Schriften des Ibn Ezra, des Ibn Gabirol, des Baruch Togarmi und des Maimonides statt, wobei letzterer überwältigend häufig zitiert wird. 1280 begegnet er Moses de Leon, unter dessen Einfluss er sich von der linguistischen Kabbala Abulafias abwendet und zur theosophischen Kabbala kommt. Gleichzeitig ist ein Einfluss Gikatillas auf de Leon augenscheinlich, der als Verfasser des größten Teils des Sohar gilt. 1293 entsteht Gikatillas Hauptwerk, die Scha'are Orah (Tore des Lichts), eine der ersten Systematiken des Sohar. Alle seine Schriften behandeln die Rekombination von Buchstaben und Zahlen (Gematria), zugleich aber ist es sein Hauptanliegen, die Kabbala als Grundlage rationaler Philosophie zu begründen.

Der Sage nach war Gikatillas Kenntnis der Kabbala so groß, dass er Wunder wirken konnte; er wird daher auch Jospeh „Ba'al ha-Nissim“ (Wunderherr) genannt. Isaak ben Samuel kritisierte ihn in seinem Me'irat 'Enayyim für die übertrieben häufige Verwendung des Gottesnamens.

Werk

Scha'are Orah - Die Tore des Lichts (1293)

Gikatillas Hauptwerk, das Scha'are Orah (hebr. שערי אורה Tore des Lichts; lat. Portae Lucis) oder Sefer ha-Orah (Buch vom Licht), diskutiert in zehn Kapiteln die zehn Sefirot, von Keter bis Malkuth, und die entsprechenden Gottesnamen. Zu den zitierten Quellen gehört neben dem Sohar auch das Sefer Jezirah und das Pirka Hekalot.

Zugleich ist das Buch eine leicht fassliche Einleitung in die Symbolik des Sohar. Der Sohar wird hier nach den Regeln der Wort- und Namensrekombination systematisiert. Dieses Interesse für Wort- und Buchstabensymbolik kann nicht allein auf den Sohar zurückgeführt werden, sondern geht zurück auf den Einfluss seines Lehrers Abulafia und dessen Sefer ha-ot (Buch der Zeichen). Diese linguistische Traditionslinie begegnet hier durch die Konzentration auf die nichtlinguistische Wirklichkeit (in Gikatillas Fall: auf das Licht) der theosophischen Linie, mit der er durch de Leon in Berührung kam.

Von anderen Jetzira-Kommentaren unterscheidet sich das Buch durch die veränderte Reihenfolge der Sefirot und der Betonung der Bedeutung der Gottesnamen. Die meisten Sefirotkommentare beginnen mit den Symbolen der höchsten Sphäre Kether oder sogar dem En Sof und diskutieren die übrigen dann in absteigender Reihenfolge. Im Gegensatz dazu favorisiert Gikatilla eine aufsteigende Reihenfolge. Dies wird als theoretische Schuld an die linguistisch-ekstatische Schule Abulafias betrachtet: während der Theosoph die absteigenden Emanationen der Schöpfung nachvollziehen will, versucht der Ekstatiker gerade die Rückkehr zum Beginn der Schöpfung.

Entgegen der Legendenbildung um seine eigene Person macht Gikatilla klar, dass die Kenntnis der Kabbalah für magische oder mantische Zwecke nicht geeignet ist, und revidiert hier eigene Fehleinschätzungen aus dem Nußgarten.

Historisch legt das Buch Zeugnis ab für die entscheidende Verschiebung innerhalb der kastilischen Mystik, die mit dem Weggang Abulafias aus Spanien entstanden war.

Gikatilla hatte eine immense Wirkung insbesondere auf die christliche Kabbala der Renaissance, der es als wichtigstes Nachschlagewerk über die Traditionen der jüdischen Mystik diente. Auch Johannes Reuchlin wird die Autorität Gikatillas zitieren, um sich gegen seine Kritiker zu verteidigen.

Ausgaben der Tore des Lichts

  • Riva di Trento 1559
  • Mantua 1561
  • Krakau 1600
  • Offenbach 1715
  • Warschau 1876
  • Jerusalem 1970

Weitere Werke von Gikatilla

  • Sefer Ginnat Egoz („Der Nußgarten“, 1274) - Eine Schrift über die mystische Bedeutung der Namen, der Vokale und des Alphabet (Gematria, Notarikon, Temura), die Einflüsse Jakobs ha-Kohen aus Soria zeigt und den enigmatischen Yetzirah-Kommentar Togarmis in vielen Bereichen richtigstellt.
  • Kommentar(e?) zu den Zeitfolgen im Hohelied Salomos (Schemitott).
  • Kelalei ha-Mitzwot - zur Halacha
  • Sefer ha-Meschalim - Sprichwörter
  • Scha'ar ha-Niqud - über die Vokale
  • Perusch Haggada schel Pesach - kabbalistischer Kommentar zum Pessach
  • ein Kommentar zur Merkaba
  • Scha'are Zedek (auch: Scha'ar ha-Shamayin): eine Wiederholung der Ergebnisse aus den Scha'are Orah; wieder sind die Sefirot in aufsteigender Reihenfolge geordnet
  • Or ha-Sekhel (Licht des Intellekts)

Übersetzungen

  • Paulus Riccius: Portae Lucis. - Lateinische Übersetzung, Hauptquelle der christlichen Kabbala der Renaissance.
  • J. Winter / A. Wünsche: Die jüdische Literatur seit Abschluss des Kanons. Bd. III. Trier 1896, p. 267 (nur Auszüge).
  • Avi Weinstein: Gates of Light. Walnut Creek, London, New Delhi 1992.

Literatur

  • Gerschom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt am Main 1957.
  • Mosche Idel: Kabbalah. New Perspectives. New Haven und London 1988.
  • S. Blickstein: Between Philosophy and Mysticism. A Study of the Philosophical-Qabbalistic Writings of Joseph Giqatila. New York 1983.
  • Johann Maier: Die Kabbalah: Einführung, Klassische Texte, Erläuterungen, Verlag C. H. Beck, München 2005, ISBN 978-3406396595
  • Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie - Philosophie - Mystik: Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2006, ISBN 978-3593375137


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