Benutzer:Hans Dunkelberg

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Begegnungen mit Rudolf Steiner - vom Sandkasten bis zum Bundesgerichtshof

Sicherlich wird sich mancher fragen, wie ein 31-jähriger Student dazu kommt, in aller Ruhe die Anthro-Wiki mit einem Aufsatz über Rudolf Steiner zu füttern, wo er doch auch anderes tun könnte. Darf man sich solchen Idealismus heute noch leisten? Heißt es nicht immer: Buy low, sell high?! Ist das nicht rausgeschmissenes Geistesgut, GEISTESERBE... Nun ja - das hat so angefangen.

Ich bin ja von meiner Herkunft her sehr bevorzugt, habe meine ersten zehn Jahre in einem Haus verlebt, das mein Urgroßvater in dem Jahr erbaute, in dem Steiner starb - 1925. Das war aber nicht mein Geburtshaus - mein Geburtshaus (Gott hab es selig und reiße es ab, bevor sie es meiner wegen unter Denkmalschutz stellen, denn es ist das Krankenhaus einer Großstadt und sehr hässlich!) war ein großer grauer Klotz, zu vergleichen vielleicht am ehesten noch mit dem Goetheanum, die Handschrift meines Urgroßvaters, der hier im Bauhausstil den Vorgängerbau errichtet hatte, nur noch in den abgerundeten Ecken zu erkennen. Dafür habe ich das echte Goetheanum schon mit drei Jahren besucht, und eines Tages sitze ich - vielleicht vier-, fünfjährig - in der Sandgrube, und was ist denn das? Die kindlichen Nachahmungskräfte! Meine Hände flogen nur so über den Sand, fügten Konkav an Konvex, schufen Übergänge, der Schaffende staunte über sein eigenes Geschick und darüber, wie sich die ganze Fläche, eh er sich`s versah, mit Formen bedeckte, die so recht eigentlich wie das Werk eines Erwachsenen aussahen. Bester Goetheanumstil! Und jetzt weiß ich auch, warum Steiners Architektur von den Waldorfleuten so leicht nachgemacht werden kann. Hat man das Bauen nur erst einmal im Blut, wie ich, dessen Väter in drei Generationen Architektur studiert haben, kann man sich da sogar den Waldorfkindergarten - glatt - sparen. (Meine Eltern haben das Ganze damals fotografiert, aber der Student hat die Aufnahmen wieder aus dem Album herausgenommen und ist sich über ihren Verbleib im Unklaren - künftige Hagiographen müssen also suchen!)

Das war aber noch nicht alles. Nein. Zwar weinte ich am ersten Tag meiner Zeit in der Waldorfschule - ich kam in eine Känguruklasse an der Essener, in meiner Heimatstadt Mülheim war dieser etwas andere Zoo gerade noch rechtzeitig für meine Versorgung mit Astral- und Ätherleib gegründet worden -, aber sonst entwickelte sich das Ganze schon recht apart, aufgrund meiner Zeichnergabe sollte ich sogar schon als I-Dötzchen Schafe auf die Einladung zum Weihnachtsbazar drucken, aber das wurde wieder storniert. Ich kam nach Wangen im Allgäu, da traktierte mich in der Oberstufe der beste Germanist der Zeit, und ein Schüler Adolf Portmanns - er glich eigenartigerweise Steiners Biologielehrer Hugo von Gilm - brachte uns bei, dass es nicht nur eine Schwere, sondern auch eine Leichte gebe - obwohl ja Anthroposophie an der Waldorfschule eigentlich nicht unterrichtet werden soll.

Ich war ganz zufrieden. Während erfreuliche charakterliche Auswirkungen der Waldorferziehung zwar allseits vermutet, aber dafür nur umso weniger auch gutgeheißen wurden, fand ich mit 17 die Lösung der mich drängenden Frage, ob man das Gute nicht nur aus Ehrgeiz tue, darin, dass es einfach Spaß macht, es zu tun. Dass sich meine Gesichtszüge durch Weihnachtsspiele, Sprachgestaltung und Körndelbeißen in der Schulküche allmählich denen des Begründers der Anthroposophie anzugleichen begannen, irritierte mich zwar, veranlasste mich allerdings nicht zu weiterführenden Trugschlüssen. Genauso wenig wie jenes zweijährige Mädchen, das während der ersten Jahre des Studiums immer in mein Zimmer spaziert kam, wenn ich noch im Bett lag, und so aussah wie Steiners Frau in dem Alter - habe ich das doch damals noch gar nicht gewusst. Aber eines habe ich mir gemerkt: Wenn der Bub sagt, dass der Kirchturm schiefsteht, soll man lieber erstmal schauen, ob er nicht doch recht hat, als dass man ihn gleich für verrückt erklärt. 2004 sah ich aus dem Zug rechts oben am Himmel, wie einen Briefkopf, das Wort TITUS geschrieben. Ich fuhr gerade nach Hamburg. Und was hat sich herausgestellt? Der Kaiser Titus hat den Grundsatz "Nicht zweimal wegen des Gleichen" eingeführt, den der Generalbundesanwalt Nehm in Hamburg beim Prozess gegen einen Terrorverdächtigen gebrochen hat. Derselbe Nehm, der ein Jahr später vorm Bundesgerichtshof nicht gegen meine im Internet gestreute Formulierung ankam, dass Motassadeq und Mzoudi bewusst von der Planung der Terroranschläge ausgeschlossen worden sein könnten. Vielleicht ist die Waldorfschule also doch nicht gar so schlecht.--Hans Dunkelberg 12:11, 27. Sep 2006 (CDT)