Hans-Peter Dürr

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Hans-Peter Dürr (2007)

Hans-Peter Emil Dürr (* 7. Oktober 1929 in Stuttgart; † 18. Mai 2014 in München[1]) war ein deutscher Physiker und Essayist. Dreimal war er im Direktorium des Max-Planck-Instituts für Physik, nämlich 1970–71, 1977–80 und zuletzt nochmals 1987–1992.[2]

Leben

Dürr studierte Physik an der Universität Stuttgart (Diplom 1953). Anschließend ging er an die University of California, wo er 1956 bei Edward Teller promoviert wurde. Dürr wohnte im International House.[3]

Von 1958 bis 1976 war Dürr Mitarbeiter von Werner Heisenberg, der einen großen Einfluss auf ihn ausübte. Er war sein engster Mitarbeiter bei Heisenbergs Projekt eines Versuchs der Aufstellung einer vereinheitlichten Feldtheorie der Elementarteilchen. 1962 lehrte er als Gastprofessor in Berkeley und Madras. Im selben Jahr habilitierte er sich an der Universität München in Kernphysik, Elementarteilchenphysik und Schwerkraft.[4] Danach wurde er zunächst außerplanmäßiger Professor an der Universität München, 1978 dann Nachfolger von Werner Heisenberg als geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik am selben Ort. Diese Funktion übte er bis 1980 sowie nochmals von 1987 bis 1992 aus. Später wandte er sich zunehmend von der theoretischen Physik ab und befasste sich mit erkenntnistheoretischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen.

Dürr gründete am 27. Januar 1987 in Starnberg den eingetragenen Verein Global Challenges Network e. V.[5] (kurz ‚GCN e. V.‘, englisch frei übersetzt für „Netzwerk für weltweite Herausforderungen“). Der Verein soll ein Netz aus Unternehmen und Gruppen knüpfen, die konstruktiv und gemeinsam „an der Bewältigung der Probleme arbeiten, die uns und damit unsere natürliche Umwelt bedrohen“. Im selben Jahr wurde er „in Anerkennung seiner fundierten Kritik der Strategischen Verteidigungsinitiative und seiner Arbeit, hochentwickelte Technologien für friedliche Zwecke nutzbar zu machen,“ mit dem Right Livelihood Award („Alternativer Nobelpreis“) ausgezeichnet.[6] Außerdem erhielt die wissenschafts- und forschungskritische internationale Gruppe Pugwash, der er angehörte, im Jahr 1987 den Antonio-Feltrinelli-Preis[7] und 1995 den Friedensnobelpreis[8]. 1992 initiierte ein gemeinsamer Vortrag mit Christiane Busch-Lüty beim Verein für Socialpolitik die Gründung der Vereinigung für Ökologische Ökonomie 1996, deren Gründungsmitglied er war.[9][10] Er war Mitglied des Club of Rome und Mitglied des Ehren-Kurats der Internationalen Münchner Friedenskonferenz,[11] sowie 2011 Referent auf Pastor Jürgen Flieges drittem „Wörishofener Herbst“.

Im Jahr 1975 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt, 2002 zum Ehrendoktor der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ernannt,[12] und im Jahr 2004 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.

2005 verfasste Dürr zusammen mit Daniel Dahm und Rudolf zur Lippe die Potsdamer Denkschrift und das Potsdamer Manifest,[13] das von vielen Wissenschaftlern aus der ganzen Welt unterzeichnet wurde, u. a. von über 20 Trägern des Right Livelihood Award.

2007 beschloss der Münchner Stadtrat, Hans-Peter Dürr – in Anerkennung seiner hohen Verdienste um die Stadt München – das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Im Frühjahr 2007 trat Dürr auf Anfrage von Jakob von Uexküll als Ratsmitglied dem World Future Council bei.

Dürr war mit der Amerikanerin Carol Sue Durham verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.[14]

Werke (Auswahl)

  • 1971: Quanten und Felder. Physikalische und phil. Betrachtungen zum 70. Geburtstag von Werner Heisenberg. Vieweg, Braunschweig 1971, ISBN 3-528083174.
  • 1985: (Hrsg.): Werner Heisenberg. Gesammelte Werke. Insgesamt 9 Bände bis 1993, Piper und Springer.
  • 1988: Das Netz des Physikers. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Verantwortung. Hanser, 1985. NA mit 496 S., DTV 2000, ISBN 3-423330562.
  • 1989: Geist und Natur. Über den Widerspruch zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und philosophischer Welterfahrung. Hrsg., 415 S., Scherz, ISBN 3-502131708.
  • 1994: Respekt vor der Natur, Verantwortung für die Natur. Gespräche mit Michael Haller. 158 S., Einf. von Christoph Bals, Piper, ISBN 3-492118194.
  • 1995: Die Zukunft ist ein unbetretener Pfad. Bedeutung und Gestaltung eines ökologischen Lebensstils. Verlag Herder 1995, ISBN 3-451043408. [15]
  • 1995: Umweltverträgliches Wirtschaften. Denkanstösse und Strategien für eine ökologisch nachhaltige Zukunftsgestaltung. Agenda, Münster 1995, ISBN 3-92944044X.
  • 1997: (Mitautor): Gott, der Mensch und die Wissenschaft. Pattloch.
  • 1997: Rupert Sheldrake in der Diskussion. Das Wagnis einer neuen Wissenschaft des Lebens. Hrsg., Scherz, München 1997, ISBN 3-502151652.
  • 2000: Für eine zivile Gesellschaft. Beiträge zu unserer Zukunftsfähigkeit. 232 S., DTV, München 2000, ISBN 3-423361778.
  • 2000: (Mit-Hrsg.): Elemente des Lebens. Naturwissenschaftliche Zugänge, philosophische Positionen. Graue Edition, Zug (Schweiz), ISBN 3-90633628X.
  • 2001: (Mitautor): Wir erleben mehr, als wir begreifen. Herder spektrum.
  • 2003: (Mitautor, Mit-Hrsg.): Wirklichkeit, Wahrheit, Werte und die Wissenschaft. BWV.
  • 2004: Auch die Wissenschaft spricht nur in Gleichnissen. Herder spektrum.
  • 2008: mit Raimon Panikkar: Liebe: Urquelle des Kosmos. Ein Gespräch über Naturwissenschaft und Religion. Verlag Herder, Freiburg, ISBN 3-451059657.
  • 2009: Warum es ums Ganze geht. Neues Denken für eine Welt im Umbruch. 189 S., Oekom-Verlag, München 2009, ISBN 978-3865811738.
  • 2010: Geist, Kosmos und Physik. Gedanken über die Einheit des Lebens. 140 S., Crotona-Verlag, Amerang 2010, ISBN 978-3861910039.
  • 2010: (Hrsg.): Physik und Transzendenz. Die großen Physiker unserer Zeit über ihre Begegnung mit dem Wunderbaren. Driediger, Bad Essen 2010, ISBN 978-3932130243.
  • 2011: Das Lebende lebendiger werden lassen. Wie uns neues Denken aus der Krise führt. Oekom-Verlag, München 2011, ISBN 3-865812694.
  • 2012: Es gibt keine Materie! Revolutionäre Gedanken über Physik und Mystik. Crotona-Verlag, Amerang 2012, ISBN 3-861910284.

Siehe auch

Literatur

  • Anne Devillard: Ein Leben voller Staunen. Im Gespräche mit Hans-Peter Dürr und Sue Dürr. Driediger Verlag, 2013, ISBN 978-3-932130-29-8.

Weblinks

Commons: Hans-Peter Dürr - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Münchner Physiker Hans-Peter Dürr ist tot. Bei: tz.de. 19. Mai 2014, abgerufen am 1. Juni 2014.
  2. Homepage der Max-Planck-Instituts für Physik, Rubrik Geschichte.
  3. ALUMNI PROFILE. Hans-Peter Dürr. Auf: ihouse.berkeley.edu.
  4. Hans-Peter Dürr. Auf: whoswho.de.
  5. Hans-Peter Dürr: Kooperation statt Konfrontation. Plädoyer für ein ›Global Challenges Network‹. In: Blaetter.de. 8/1987, S. 1029–1042.
  6. Hans-Peter Dürr (1987, Germany). Bei: rightlivelihood.org. Abgerufen am 3. Februar 2015.
  7. Annuario della Accademia Nazionale dei Lincei 2011. Jahresbericht der Accademia Nazionale dei Lincei 2011 (PDF; 2,05 MB), S. 199.
  8. Pugwash Conferences on Science and World Affairs – Facts. Bei: nobelprize.org. Abgerufen am 3. Februar 2015.
  9.  Christiane Busch-Lüty, Hans-Peter Dürr: Ökonomie und Natur: Versuch einer Annäherung im interdisziplinären Dialog. In: Heinz König (Hrsg.): Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik (= Schriften des Vereins für Socialpolitik). Duncker & Humblot, Berlin 1993, ISBN 3-428-07771-7, S. 13–44 (Online auf voeoe.de, abgerufen am 3. Februar 2015). Vgl. auch die Vorbemerkung im Online-Dokument.
  10. Hans-Peter Dürr, 7.10.1929 – 18.05.2014. Webseite der Vereinigung für Ökologische Ökonomie, 23. Mai 2014, abgerufen am 3. Februar 2015.
  11. Ehrenkurat der Internationalen Münchner Friedenskonferenz. Auf: friedenskonferenz.info. Abgerufen am 27. Dezember 2012.
  12. Ehrendoktorwürde für alternativen Nobelpreisträger. Pressemitteilung der Universität Oldenburg, 19. Dezember 2001.
  13. Potsdamer Manifest: We have to learn to think in a new way. Auf: vdw-ev.de. Abgerufen am 1. Juni 2014. Veröffentlichung bei der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler im Jahr 2005 (PDF; 965 kB).
  14. Peter Brügge: Vom Gefühl her trotzdem. Auf: spiegel.de. 30. November 1987, abgerufen am 1. Juni 2014.
  15. Dürr 1995 – Vorwort in pdf bei detopia.de – 172 Seiten, Originalveröff., Herausgegeben und Vorwort von Matthias Braeunig.


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