Quantenlogik und Hans Reichenbach (Physiker): Unterschied zwischen den Seiten

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Als '''Quantenlogik''' ({{enS|''quantum logic''}}) werden Versuche bezeichnet, ein [[Kalkül#Kalküle in der Logik|logisches System]] zu formulieren, das den Prinzipien der [[Quantenmechanik]] gerecht wird.
[[Datei:H Reichenbach.jpg|mini|Hans Reichenbach]]
'''Hans Reichenbach''' (* [[Wikipedia:26. September|26. September]] [[Wikipedia:1891|1891]] in [[Wikipedia:Hamburg|Hamburg]]; † [[Wikipedia:9. April|9. April]] [[Wikipedia:1953|1953]] in [[Wikipedia:Los Angeles|Los Angeles]], [[Wikipedia:Kalifornien|Kalifornien]]) war ein deutscher [[Physiker]], [[Philosoph]] und [[Logik]]er.


Die Strukturen der Quantenphysik wirken paradox und sind teilweise schwer nachzuvollziehen. Fragestellungen wie die, ob [[Schrödingers Katze]] lebt, fordern das Verständnis heraus. Im Kontext der mathematischen Strukturen der ''Schrödingergleichung'' und der ''Heisenbergschen Unschärferelation'' wurde deshalb eine Logik gesucht, die Deutungen der Quantenmechanik wie dem [[Komplementaritätsprinzip]] oder dem [[Korrespondenzprinzip#Das Korrespondenzprinzip in der modernen Quantenmechanik|Korrespondenzprinzip]] nachempfunden ist. Dazu musste die herkömmliche Logik modifiziert werden.
== Leben ==
Reichenbach war der Sohn des Kaufmanns Bruno Reichenbach und dessen Ehefrau, der Erzieherin Selma Menzel. Seine Brüder waren der Journalist und [[Wikipedia:Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands|KAPD]]-Aktivist [[Wikipedia:Bernhard Reichenbach|Bernhard Reichenbach]] (1888–1975) und der Musikwissenschaftler [[Wikipedia:Hermann Reichenbach|Hermann Reichenbach]] (1898–1958).


Es gibt im Wesentlichen drei verschiedene Ansätze zur Quantenlogik:
1910/11 studierte Reichenbach an der [[Wikipedia:Hochschule für Technik Stuttgart|Technischen Hochschule Stuttgart]] Bauingenieurwesen, das er aber bald abbrach und nach [[Wikipedia:Humboldt-Universität zu Berlin|Berlin]] wechselte, um Mathematik, Physik und Philosophie zu studieren. Später wechselte er mit denselben Fächern an die Universitäten von [[Wikipedia:Georg-August-Universität Göttingen|Göttingen]] und [[Wikipedia:Ludwig-Maximilians-Universität München|München]]; seine Professoren waren dort [[Max Planck]], [[Max Born]], [[Ernst Cassirer]], [[David Hilbert]] und [[Arnold Sommerfeld]].
* [[John von Neumann]] und [[Garrett Birkhoff]] entdeckten als erste in den mathematischen Strukturen der Quantenphysik ([[Hilbertraum]], [[Hamiltonoperator]]) eine von der bis dahin üblichen [[Boolesche Algebra|Booleschen Algebra]] abweichende so genannte orthomodulare Logik.
* [[Hans Reichenbach (Physiker)|Hans Reichenbach]] und andere entwickelten aus einer Wahrscheinlichkeitslogik eine [[Dreiwertige Logik|dreiwertige]] Quantenlogik mit den Wahrheitswerten wahr, falsch und unbestimmt.
* [[Peter Mittelstaedt]], Ernst-Walther Stachow und [[Carl Friedrich von Weizsäcker]] entwickelten die [[dialogische Logik]] zu einer [[Temporale Logik|zeitlichen Logik]] der Quantenprozesse um.


[[Hilary Putnam]] nahm 1968 die Quantenlogik zum Anlass, die a-priori-Geltung logischer Gesetze insgesamt in Frage zu stellen, was eine Debatte um den Status logischer und algebraischer Gesetzmäßigkeiten auslöste.
1915 wurde Reichenbach an der [[Wikipedia:Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg|Universität Erlangen]] mit seiner Arbeit „Der Begriff der Wahrscheinlichkeit für die mathematische Darstellung der Wirklichkeit“ von dem Mathematiker [[Wikipedia:Max Noether|Max Noether]] und dem Philosophen [[Wikipedia:Paul Hensel (Philosoph)|Paul Hensel]] [[Wikipedia:Promotion (Doktor)|promoviert]]. Im folgenden Jahr absolvierte Reichenbach sein Staatsexamen für Mathematik und Physik und diente anschließend als Soldat im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]].


== Überblick ==
Im Winter 1917/18 konnte er sein Studium in Berlin fortsetzen. Während dieser Zeit lernte er [[Albert Einstein]] kennen. Mit dessen Förderung konnte sich Reichenbach 1920 an der Technischen Hochschule Stuttgart [[Wikipedia:Habilitation|habilitieren]] und bekam als [[Wikipedia:Privatdozent|Privatdozent]] dort auch einen Lehrauftrag. Seine Seminare reichten von der [[Geschichte der Philosophie]] bis hin zur [[Wikipedia:Radiotechnik|Radiotechnik]], [[Relativitätstheorie]] und [[Wissenschaftstheorie]].
=== Ausgangsproblem ===
Zusammen mit der Relativitätstheorie wirkte die etwa 1900 entstandene Quantenphysik wie eine Revolution der Physik. Das [[Doppelspaltexperiment]] warf etliche Fragen auf, insbesondere, ob [[Elektron]]en oder [[Lichtquant]]en [[Welle-Teilchen-Dualismus|Teilchen oder Wellen]] sind. Im Jahre 1926 erschienen sechs Arbeiten von [[Erwin Schrödinger]], die schließlich zu einer komplexen [[Differentialgleichung]] führten, die man [[Schrödingergleichung]] nennt. 1927 wurde die [[Heisenbergsche Unschärferelation]] formuliert.<ref>Friedrich Hund: ''Geschichte der Quantentheorie''. 3. Auflage 1984.</ref> Sie besagt, dass zwei [[Komplementäre Observablen|komplementäre]] Eigenschaften eines [[Teilchen (Physik)|Teilchens]] nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind. Die Welt der [[Elementarteilchen]] schien ganz anders zu sein, als man es von der bisherigen Physik kannte.


Wenn man aus der Quantenmechanik eine Logik entwickeln will, wird das [[Distributivgesetz]] der Verknüpfung von [[Konjunktion (Logik)|und]] (<math>\wedge </math>) und [[Disjunktion|oder]] (<math>\vee </math>) verletzt.<ref>[[Klaus Mainzer]]: ''Quantentheorie''. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Zweite Auflage. Band 6, Metzler 2016, S. 538.</ref> Das geht aus der Unschärferelation hervor:
Schon vor dem Krieg in der Jugendbewegung, war er ab 1918, teilweise zusammen mit [[Wikipedia:Karl August Wittfogel|Karl August Wittfogel]], sehr aktiv in der sozialistischen Studentenpolitik. Reichenbach schrieb das Programm der ''sozialistischen Studentenpartei Berlin''. Auf Einsteins Vorschlag wurde 1926 Reichenbach zum ''a.o. Prof. für Philosophie der Physik'' an der [[Wikipedia:Humboldt-Universität zu Berlin|Universität Berlin]] ernannt. Reichenbach begründete 1930 u.&nbsp;a. zusammen mit [[Rudolf Carnap]] die Zeitschrift ''[[Wikipedia:Erkenntnis (Zeitschrift)|Erkenntnis]]'', das Organ des logischen Positivismus.
* Es sei p die Aussage: „Das Elektron ist schnell“ (Die Messung des [[Impuls#Impuls in der Quantenmechanik|Impulses]] ergibt eine Zahl in einem bestimmten Intervall.)
* q sei die Aussage: „Das Elektron ist in einem linken Intervall“ und
* r sei die Aussage: „Das Elektron ist in einem rechten Intervall“.
q und r seien Aussagen über zwei benachbarte Ortsintervalle, die gemeinsam auch bei Unschärfe den Aufenthaltsort des Elektrons gewährleisten. Dann gilt zwar <math>p\wedge(q\vee r)</math>, aber gemäß der Unschärferelation nicht mehr unbedingt <math>(p\wedge q)\vee (p\wedge r)</math>.<ref>Peter Forrest: ''Quantum logic''. In: Edward Craig (Hrsg.): ''Routledge Encyclopedia of Philosophy''. Vol. 7, 1998, S. 882ff.</ref> Das Distributivgesetz besagt dagegen, dass beide Ausdrücke identisch sind. Dies führt also zum Ablehnen der [[Klassische Logik|klassischen distributiven Logik]], denn Impuls und Ort des Elektrons lassen sich nicht beide gleichzeitig genau bestimmen.


=== Fortgang ===
Reichenbach war unter den ersten Dozenten, welche quasi mit der Machtergreifung der [[Wikipedia:Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]] 1933 von der Universität entlassen wurden. Er ging in die [[Wikipedia:Türkei|Türkei]] ([[Wikipedia:Exil in der Türkei 1933–1945|Haymatloz]]) und erhielt dort eine Professur an der [[Wikipedia:Universität Istanbul|Universität Istanbul]]. Dort wurde er mit der Umstrukturierung und Erneuerung des [[Philosophieunterricht]]s betraut. 1938 ging er in die [[Wikipedia:Vereinigte Staaten|USA]] und lehrte bis zu seinem Tod an der [[Wikipedia:University of California, Los Angeles|University of California]] (UCLA). 1948 wurde er in die [[American Academy of Arts and Sciences]] gewählt.
John von Neumann schlug zunächst vor,<ref>{{Literatur |Autor=John von Neumann |Titel=Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik |Datum=1932}}</ref> Aussagen über beobachtbare physikalische Größen als Projektionen in einem [[Hilbertraum|Hilbert-Raum]] zu interpretieren. Einen geeigneten Kalkül entwickelten er und Birkhoff in ihrer Veröffentlichung aus dem Jahr 1936. Eine Axiomatisierung dieses Systems wurde von [[George Mackey]] unternommen.<ref>{{Literatur |Autor=George Mackey |Titel=Mathematical Foundations of Quantum Mechanics |Datum=1963}}</ref> Die quantenlogischen Forschungen wurden 1963–1968 vornehmlich in der Schweiz durch [[Josef-Maria Jauch]] und [[Constantin Piron]] fortgesetzt. [[Saul Kripke]]s Übertragung in einen modallogischen Kalkül bildete die Grundlage für die Arbeiten von [[Bas van Fraassen]] und später [[Maria L. Dalla Chiara]].


Parallel hatte Reichenbach begonnen, dreiwertige Logiken zur Beschreibung der Quantenmechanik einzusetzen. V. Weizsäckers Vorschlag zur Entwicklung eines dialogischen Kalküls wurde seit 1970 vor allem in [[Köln]] (Peter Mittelstaedt, Ernst-Walther Stachow) umgesetzt. Weitere Zentren der Forschung waren seit den 1970ern [[Genua]] (Enrico Beltrametti) und [[University of Massachusetts Amherst|Amherst]] (Charles H. Randall, David J. Foulis). 1976 fand ein erstes internationales Treffen von Quantenlogikern in [[Bad Homburg]] statt; es folgten [[Kolloquium|Kolloquien]] in [[Erice]]/Sizilien 1979 und in Köln 1984, bei denen die große Bandbreite der philosophischen, logischen, [[Linguistik|linguistischen]], [[Algebra|algebraischen]], geometrischen und wahrscheinlichkeitstheoretischen Forschungen zum Thema Quantenlogik sichtbar wurden, die heute in verschiedenen Sektionen der [[International Quantum Structures Association|IQSA]] vertreten sind.
Beispielhaft für die Probleme Reichenbachs im [[Wikipedia:Drittes Reich|Nazideutschland]] ist ein Brief [[Wikipedia:Felix Meiner|Felix Meiner]]s an Rudolf Carnap, den Mitherausgeber der Zeitschrift ''Erkenntnis'', vom 14. Juli 1937, der u.&nbsp;a. berichtet, es sei ihm „das weitere Verbleiben von Professor Reichenbach in der Herausgeberschaft der 'Erkenntnis’ als untragbar bezeichnet worden, nicht nur weil er Nichtarier ist, sondern hauptsächlich weil er in der Nachkriegszeit politische Äußerungen in Reden und Broschüren getan hat, die ihn für den heutigen Staat unmöglich machen.“<ref>Rainer Hegselmann, Geo Siegwart: [http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_I/Philosophie/theo_neu/ErkenntnisV/Hegselmann-Erkenntnis.pdf Zur Geschichte der 'Erkenntnis'] (PDF) in: Erkenntnis 35 (1991), 461–471</ref>


Mittelstaedt führte Erweiterungen der Quantenlogik zu einer Relativistischen Quantenlogik durch<ref>Peter Mittelstaedt: ''Relativistic Quantum Logic''. In: ''Int. Journal of Theor. Physics'' 22, 1983, S. 293–314.</ref> und erarbeitete eine [[Quantenontologie]]. Von Weizsäcker suchte nach einer [[Quantentheorie der Ur-Alternativen]], in der iteriert die Quantenlogik auf Ur-Alternativen angewandt wird.<ref>Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Aufbau der Physik.'' Carl Hanser Verlag, 1985, Achtes Kapitel ''Rekonstruktion der abstrakten Quantentheorie.''</ref>
== Werk ==
Reichenbach beschäftigte sich zunächst hauptsächlich mit Einsteins [[Relativitätstheorie]] und wurde dabei zu einem ihrer wichtigsten Verteidiger gegen Einwände von unterschiedlichen Seiten sowie zu einem der bekanntesten Kritiker populärer, oft uninformierter Darstellungen beider Relativitätstheorien.


=== Debatte um die Empirizität der Logik ===
Folgte er dabei anfangs noch einem leicht modifizierten Kantianismus, so entwickelte er Mitte der 1920er Jahre in fortschreitender Dezidiertheit das Programm eines logischen Empirismus (auch [[logischer Positivismus]] genannt) und wurde zu einem der Hauptvertreter desselben in Deutschland.
Die Forschungen zur Quantenlogik brachten Fragen zum Status der Logik überhaupt auf. Ihre Abweichungen von der klassischen Logik stellen infrage, ob diese den physikalischen Zusammenhängen entspricht.<ref>Peter Schroeder-Heister: ''Logik, mehrwertige''. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Zweite Auflage. Band 5, Metzler 2013, S. 62.</ref> Damit ist die Geltung der klassischen Logik infrage gestellt. Es lässt sich sogar bezweifeln, ob überhaupt ein einzelnes logisches System den Anspruch erheben kann, ein korrektes und adäquates Gerüst für eine wahrheitserhaltende Beschreibung naturwissenschaftlicher Prozesse und Zustände zu liefern. Von [[Hilary Putnam]]<ref>{{Literatur |Autor=Hilary Putnam |Titel=Is Logic empirical? |Sammelwerk=Boston Studies in the Philosophy of Science |Band=5 |Verlag=D. Reidel |Ort=Dodrecht |Datum=1968 |Seiten=216-241}}</ref> wurde prominent vorgeschlagen, dass nur eine Quantenlogik korrekt sein kann, deren Gültigkeit sich aber nicht analytisch uns erschließt, so dass es eine [[Empirismus|empirische]] Frage wird, welche Logik korrekt ist. Eine Erwiderung erfolgt vor allem durch [[Michael Dummett]],<ref>{{Literatur |Autor=Michael Dummet |Titel=Is Logic Empirical? |Sammelwerk=Contemporary British Philosophy |Band=4 |Datum=1976}}</ref> der das Problem an die [[Realismus (Philosophie)|moderne Realismusdebatte]] anschloss. Putnams Forderung nach der Infragestellung der Logik setzt ihm zufolge eine Realistische Position voraus, die jedoch ihrerseits sowohl die Distributivität als auch das Bivalenzprinzip der klassischen Logik voraussetzt. Die Frage nach einer Geltung der Logik für die Welt setzt voraus, dass die Aussagen, in der die Welt grundlegend beschrieben werden kann, wahr oder falsch sind.


== Herangehensweisen im Einzelnen ==
Nach seiner zusammen mit [[Rudolf Carnap]] erfolgten Übernahme der Schriftleitung der Zeitschrift ''Annalen der Philosophie'' unter dem neuen Titel ''Erkenntnis'' fasst Reichenbach 1930 das dort vollzogene und maßgeblich von ihm ausgearbeitete wissenschaftsanalytische Programm in die Formel, „Philosophie nicht als isolierte Wissenschaft, sondern im engsten Zusammenhang mit den einzelnen Fachwissenschaften zu treiben“.<ref>[http://www.gleichsatz.de/b-u-t/spdk/reich2.html Zur Einführung], in: Rudolf Carnap / Hans Reichenbach (Hrsg.): Erkenntnis 1, Leipzig 1930–31, zugleich „Annalen der Philosophie“, Bd. 9</ref> Dies unterscheidet Reichenbachs Ansatz von der im [[Wiener Kreis]] gepflegten Herangehensweise: Während der Wiener Kreis Wissenschaft formal-logisch rekonstruieren wollte, führte für Reichenbach der philosophische Zugang zur Wissenschaft ausschließlich über die Berücksichtigung wissenschaftlicher Disziplinen wie etwa Psychologie und Soziologie, welche Wissenschaft selbst thematisieren konnten. Die entsprechende interdisziplinäre Zusammenarbeit pflegte Reichenbach im Rahmen der Berliner Gruppe, die freilich auch in enger Verbindung zum Wiener Kreis stand.
=== Aussagenlogischer Kalkül nach Birkhoff und von Neumann ===
In einem Arbeitspapier<ref>John von Neumann, Garrett Birkhoff: ''The logic of quantum mechanics''. In: ''Annals of Mathematics'' 37, 1936, S. 823–843.</ref> schlugen John von Neumann und Garrett Birkhoff 1936 vor, die Operatoren der Schrödingergleichung als [[Aussage]]n über das Quantensystem zu interpretieren:
* Den [[Observable#Von-Neumann'sche Theorie|Projektionsoperatoren]] entsprechen die [[Aussagenlogik|elementaren Aussagen]] der Logik.
* Den [[Eigenwertproblem|Eigenwerten]] 1 und 0 entsprechen die [[Wahrheitswert]]e dieser Logik.<ref>Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Die Einheit der Natur''. Studien, Hanser, München 1971, 2. Auflage 1981, S. 242.</ref>
Damit war die Quantenlogik geboren. Sie wich allerdings in einigen Punkten von der herkömmlichen Logik ab. Das algebraisch formulierte Logiksystem der Booleschen Algebra musste überarbeitet werden.


Den algebraischen Beziehungen entsprechend gibt es Beziehungen zwischen den Aussagen, die einen [[Kalkül]] bilden, in dem – entgegen der klassischen [[Aussagenlogik]] – das [[Distributivgesetz]] durch die so genannte Orthomodularität ersetzt wird und das [[Tertium non datur]] nur noch eingeschränkt gilt.<ref>Peter Mittelstaedt: ''Quantum Logic''. S. 6–26. Zum [[Tertium non datur]] in der Quantenlogik ausführlich Peter Mittelstaedt und Ernst-Walther Stachow: ''The principle of excluded middle''. In: ''Journal of Philosophical Logic'' 7, 1978, S. 181–208.</ref>
In den 1930er und nachfolgenden Jahren arbeitete Reichenbach an Problemen der [[Wahrscheinlichkeitslogik]]. Zur logischen Beschreibung der Quantenmechanik konstruierte Reichenbach eine dreiwertige Logik ([[Quantenlogik]]) mit den Wahrheitswerten wahr, falsch und unbestimmt, die drei Arten der Negation (ausschließende, diametrale und vollständige Negation) und drei Arten der Implikation (Standardimplikation, Alternativimplikation, Quasiimplikation) besitzt.


Die Quantenlogik lässt sich in der mathematischen Sprache analog zum [[Modularer Verband|modularen Verband]] formalisieren. Hier werden zunächst neun Grundregeln<ref name="AFuhrmann">André Fuhrmann: ''Quantenlogik.'' In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Zweite Auflage. Band 6, Metzler 2016, ISBN 978-3-476-02105-2, S. 532.</ref> wiedergegeben, man nennt das Regelpaket die Orthologik '''OL'''.<ref>Maria Luisa Dalla Chiara, Roberto Giuntini: ''[http://arxiv.org/pdf/quant-ph/0101028v2.pdf Quantum Logics.]'' Florenz 2008, S. 36.</ref> Der Querstrich ist ein ''Folgerungsstrich'', also die Regel besagt jeweils, dass man von den oben stehenden Aussagen zu den unten stehenden übergehen darf:
In seinem Buch ''Experience and Prediction'' nützt Reichenbach wahrscheinlichkeitstheoretische Überlegungen auf eine innovative, nach wie vor diskutierte Weise zur Klärung des erkenntnistheoretischen Problems, warum wir die Annahme der Existenz einer von unserem Bewusstsein unabhängigen Außenwelt dem [[Solipsismus]] vorziehen sollten. Dazu veranstaltet Reichenbach das [[Gedankenexperiment]] seiner „Würfel-Welt“ (in der angelsächsischen Diskussion auch „Reichenbach’s Cube“ genannt): Demnach lebt die gesamte Menschheit in einem riesigen undurchsichtigen und undurchdringlichen Würfel, auf dessen innerer Oberfläche sich ausschließlich Schatten außen vorbeifliegender Vögel silhouettenhaft abzeichnen. Diese Schatten werden noch dazu systematisch so verzerrt, dass sie jeweils doppelt an verschiedenen Stellen der Oberfläche zu sehen sind. Die Einwohner des Würfels nehmen zunächst an, dass hinter diesen Schatten keine äußere Wirklichkeit steht, bis ein Genie unter ihnen, das Reichenbach „Kopernikus“ nennt, die Parallelität zwischen den jeweiligen Schattenpaaren beobachtet. „Kopernikus“ kann nachweisen, dass eine zufällige Ähnlichkeit zwischen je zwei Schatten viel unwahrscheinlicher ist als die Existenz einer gemeinsamen äußeren Ursache und dass die Existenz einer Welt außerhalb des Würfels daher sehr wahrscheinlich ist. Abschließend überträgt Reichenbach das Ergebnis dieses Gedankenexperiments auf die Situation des Menschen: Selbst wenn die Würfel-Insassen die Wände des Würfels durchstoßen könnten, befänden sie sich immer noch in einer vergleichbaren Lage, da sich ihnen die Frage stellte, ob ihre Erfahrungen nur in ihrem Bewusstsein existierten oder von einer unabhängigen Außenwelt verursacht seien. Auch hier spräche dann die genannte wahrscheinlichkeitstheoretische Überlegung für letzteres.<ref>Elliott Sober: ''Reichenbach’s cubical universe and the problem of the external world.'' In: ''Synthese.'' 181, 2011, S.&nbsp;3–21, [[doi:10.1007/s11229-009-9593-x]].</ref>
{| class="wikitable"
| Nr.
| Regel
| Bezeichnung
|-
| 1
| <math>\frac{A}{A}</math>
| Aus A folgt A: [[Reflexive Relation|reflexiver]] Schluss
|-
| 2
| <math>\frac{A \wedge B}{A}</math>
| <math>\wedge </math>-[[Systeme natürlichen Schließens#Aussagenlogik|Beseitigung]] 1
|-
| 3
| <math>\frac{A \wedge B}{B}</math>
| <math>\wedge </math>-Beseitigung 2
|-
| 4
| <math>\frac{\lnot \lnot A}{A}</math>
| [[Duplex negatio affirmat]]
|-
| 5
| <math>\frac{A}{\lnot \lnot A}</math>
| [[Gesetz der doppelten Negation|Doppelte-Negations-Einführung]]
|-
| 6
| <math>\frac{A \wedge \lnot A} {B}</math>
| [[Ex falso quodlibet|Ex contradictione sequitur quodlibet]]
|-
| 7
| <math>\frac{A \rightarrow B , B \rightarrow C}{A \rightarrow C}</math>
| [[Transitive Relation|transitiver]] [[Kettenschluss]]
|-
| 8
| <math>\frac{A \rightarrow B , A \rightarrow C}{A \rightarrow B \wedge C}</math>
| [[Systeme_natürlichen_Schließens#Aussagenlogik|<math>\wedge </math> Einführung]] mit Prämissen A
|-
| 9
| <math>\frac{A \rightarrow B} {\lnot B \rightarrow \lnot A}</math>
| [[Kontraposition]]
|-
| 10
| <math>\frac{A \wedge (\lnot A \vee (A \wedge B))}{B}</math>
| ''Orthomodularität''
|}


Die 10. axiomatische Regel, die Orthomodularität, ist hier nach [[André Fuhrmann]] wie die anderen neun Regeln von '''OL''' in junktorenlogischer Schreibweise notiert.<ref name="AFuhrmann" /> Sie setzt sich zusammen aus dem [[Modularer Verband|Modularitätsgesetz]] (<math>x \leq b</math> impliziert <math>x \vee(a \wedge b) = (x \vee a) \wedge b</math>) einerseits und Spiegelungen andererseits. Dies sind so genannte [[Komplement (Verbandstheorie)#Orthokomplemente|Orthokomplemente]], die die Funktion der Negation übernehmen.
=== Das Tempussystem von Reichenbach ===
[[Datei:H. Reichenbach (1947) Zeitachse Vergangenheit.png|mini|350px|Zeitachse Vergangenheit, E,R-S, dabei steht E für die zeitliche Zuordnung wenn das Ereignis stattfindet]]
[[Datei:Zeitachse Gegenwärtigkeit.PNG|mini|350px|Zeitachse Gegenwärtigkeit, E,R,S, dabei steht R für die Zeit auf die man sich bezieht, z.&nbsp;B. gestern, morgen, übermorgen]]
[[Datei:H. Reichenbach (1947) Zeitachse Zukünftigkeit.png|mini|350px|Zeitachse Zukünftigkeit, S-E,R]]


Logiker untersuchen Logiken unter anderem daraufhin, ob sie [[entscheidbar]] sind; so wurde auch dieses Logiksystem ausgiebig untersucht. Die Regel der Orthomodularität entspricht keiner in der [[Prädikatenlogik erster Stufe|ersten Stufe der Logik]] formulierbaren Rahmen-Bedingung, weshalb ihre Entscheidbarkeit bislang noch nicht bewiesen ist.<ref name="AFuhrmann" />
Hans Reichenbach schuf (1947)<ref>Hans Reichenbach: ''Elements of Symbolic Logic.'' Macmillan Co., New York 1947.</ref> eine Terminologie zum Verständnis der versprachlichten Zeitenfolge, den [[Deixis|deiktischen]] und [[Erzählung|narrativen]] Tempusfunktionen. Sein Tempussystem ist ein für alle Einzelsprachen gültiges System von Zeitrelationen. Zeit, wird von ihm verstanden, als eine dichte Folge von unendlichen Zeitpunkten ohne Lücken. Ein Zeitintervall besitzt dabei einen Anfangs- und einen Endpunkt, hingegen habe ein Zeitmoment diese Eigenschaft nicht. Die Tempora werden definiert als Relationen zwischen Zeitintervallen.<ref>Hans Reichenbach: ''Elements of Symbolic Logic.'' Macmillan Co., New York 1947.</ref><ref>Martin Becker: [https://uk-online.uni-koeln.de/remarks/d5554/rm2183356.pdf ''Die Ingredienzen des romanischen Imperfekts'']{{Toter Link|date=2018-04 |archivebot=2018-04-13 22:40:06 InternetArchiveBot |url=https://uk-online.uni-koeln.de/remarks/d5554/rm2183356.pdf }} (PDF.) In: Günther Grewendorf, Arnim von Stechow (Hrsg.): ''Linguistische Berichte.'' Heft 221. Helmut Buske, Hamburg 2010, {{ISSN|0024-3930}}, S.&nbsp;79–108.</ref> Nach seiner Auffassung ergibt sich die Zeitinformation einer sprachlichen Aussage aus drei zusammenwirkenden und relational verknüpften Zeitgegebenheiten.


{| class="wikitable floatright" style="width:30%; text-align:center;"
Die [[Tempus|Tempora]]<ref>[http://www.uni-leipzig.de/~doelling/veranstaltungen/semprag9.pdf ''Temporale und modale Bedeutung.'' In Johannes Dölling: ''Semantik und Pragmatik.'' Institut für Linguistik, Universität Leipzig] (PDF) </ref> werden mittels zweier [[Relation]]en zwischen den hiernach genannten drei Bezugspunkten beschrieben. Sprechzeit '''S''' und Ereigniszeit '''E''' fixieren dabei den Zeitpunkt einer Äußerung oder des versprachlichten Ereignisses und bildeten damit außersprachliche Größen. Für den innersprachlichen Bezugspunkt hingegen ist die Referenzzeit '''R''' maßgeblich.<ref>Natascha Pomino: ''Spanische Verbalflexion: Eine minimalistische Analyse im Rahmen der Distributed Morphology.'' Bd. 523 Linguistische Arbeiten. Walter de Gruyter, 2008, ISBN 3-484-97056-1, S.&nbsp;31 f.</ref>
|-
!Schreibweise
! width="50%"|Sprechweise
|-
|<math>\Diamond p</math>
|Es ist möglich, dass p
|-
|<math>\Box p</math>
|Es ist notwendig, dass p
|-
|<math>\Diamond p \wedge \Diamond \neg p</math>
|p ist [[Kontingenz (Philosophie)|kontingent]]
|}


1963 konnte [[Saul Kripke]] ein [[Modallogik#Semantische Charakterisierung|Modell]] (Kripke-Rahmen '''K''': <math>\Box(A\to B)\to(\Box A\to\Box B)</math>) für die Vielzahl der bis dahin vorgeschlagenen [[Modallogik|modallogischen]] Systeme entwickeln.<ref>Saul A. Kripke: ''Semantical Analysis of Logic I. Normal propositional Calculi.'' In: ''Zeitschrift für mathematische Logik und Grundlagen der Mathematik.'' 9, 1963, S. 67–96.</ref> Die oben genannte Orthologik '''OL''' lässt sich in die [[Intuitionismus (Logik und Mathematik)|intuitionistische]] Modallogik abbilden und durch eine Klasse von Kripke-Rahmen vollständig charakterisieren.<ref name="AFuhrmann" /> Auf dieser axiomatischen Grundlage verwendeten seit den 1970er Jahren [[Bas van Fraassen]] ([[Toronto]]) und Maria L. Dalla Chiara ([[Florenz]]) Modalitäten im Rahmen der Quantenlogik.<ref>Bas van Fraassen: ''Meaning Relations and Modalities.'' In: ''Nous.'' 3, 1969, S. 155–167. M. L. Dalla Chiara: ''Quantum Logic and Physical Modalities.'' In: ''Journal of Philosophical Logic.'' 6, 1977, S. 391–404.</ref> [[Franz Josef Burghardt]] entwickelte die Modallogik der Quanten weiter.<ref>Franz Josef Burghardt: ''Modalities and Quantum Mechanics''. In: ''Int. Journal of Theor. Physics'' 23, 1984, S. 1171–1196, mit weiterer Literatur.</ref>
Für die korrekte Charakterisierung der verschiedenen Tempusformen setzt Reichenbach wenigstens drei zeitliche Parameter voraus. So benötigt er die Relation zwischen der Sprechzeitpunkt '''S''' (die den Moment des Sprechens beschreibt, auch Sprechzeit oder Origio,<ref>siehe hierzu auch [[Deixis]]</ref> Äußerungszeit, Äußerungszeitpunkt, Sprechakt, S ''point of speech'') und dem Referenzpunkt '''R''' (auf das in einem Satz referiert wird, auch Betrachtungszeit, Bezugszeitpunkt, Referenzpunkt, '''R''' ''point of reference'') gesetzt sowie diejenige zwischen dem Ereigniszeitpunkt '''E''' (die das Intervall darstellt, auch Ereigniszeit oder Situationszeit, '''E''' ''point of event'') und dem Referenzpunkt '''R''' (die das Intervall meint). In seinem von ihm ursprünglich formulierten Ansatz konnten aber nur temporale Relationen zwischen diesen drei Bezugspunkten beschrieben werden. Weiterentwicklungen seiner Theorie waren dann auch in der Lage komplizierte Beschreibungen der Vergangenheitstempora, wie etwa die des [[Imperfekt]]s zu erklären. Während sich bei der Zeitrelation der Gegenwart '''S''' und '''R''' überlappen geht bei der Zeitrelation der Vergangenheit '''R''' dem '''S''' vollständig voraus. Die Zeitrelation des Futurs wird dadurch beschrieben, dass die Sprechzeit '''S''' der Referenzzeit '''R''' vorausgeht. Zwischen den Intervallen '''E''' und '''R''' besteht die Relationen der Vorzeitigkeit ('''E''' liegt vor '''R'''), der Gleichzeitigkeit ('''E''' und '''R''' sind gleich) und der Nachzeitigkeit ('''R''' liegt vor '''E''').


=== Dreiwertige Logik ===
[[Wikipedia:Rainer Bäuerle|Rainer Bäuerle]] entwickelte, neben anderen, sein ursprüngliches [[Modell]] weiter.<ref>Rainer Bäuerle: ''Temporale Deixis, temporale Frage, zum propositionalen Gehalt deklarativer und interrogativer Sätze.'' Ergebnisse und Methoden moderner Sprachwissenschaft 5, Narr, Tübingen 1979, ISBN 3-87808-305-X</ref><ref>Sebastian Löbner: [http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-12755/S0009077.pdf ''Ansätze zu einer integralen semantischen Theorie von Tempus, Aspekt und Aktionsarten.''] (PDF) In: Veronika Ehrich, Heinz Vater, Heinz (Hrsg.): ''Temporalsemantik.'' Niemeyer Verlag, Tübingen 1988, S.&nbsp;163–191</ref>
{{Hauptartikel|Dreiwertige Logik}}


[[Datei:Quantum Man.jpg|mini|Die Statue ''Quantum Man'' (2006) von Julian Voss-Andreae zeigt die in der Quantenlogik versuchte verschiedene Ansicht von ein und demselben Realen.]]
Die Tempora<ref>Björn Rothstein: ''Tempus.'' Winter, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-8253-5310-0</ref> sind [[Deixis|deiktisch]], sie lassen sich nur dann verstehen und interpretieren wenn der Sprechzeitpunkt '''S''' bekannt ist bzw. Kenntnis der konkreten Äußerungssituation vorliegen. Die Sprechzeit '''S''' ist ein Zeitmoment, sie bezieht sich auf den Augenblick des Sprechens.
Da in der Quantenmechanik die klassisch vorausgesetzte [[Inkommensurabilität (Physik)|Kommensurabilitätsbedingung]] nicht erfüllt zu sein braucht, haben einige Wissenschaftler wie z.&nbsp;B. Paulette Destouches-Février, Hans Reichenbach und [[Bas van Fraassen]]<ref>Bas van Fraassen: ''The Labyrinth of Quantum Logics''. In: Cohen, Wartofsky: ''The Logico-Algebraic Approach to Quantum Mechanics'' (= ''The University of Western Ontario Series in Philosophy of Science''. Vol. 5a). S. 577–607.</ref> versucht, eine dreiwertige Logik als Quantenlogik einzuführen. Damit wird das [[Prinzip der Zweiwertigkeit]] allerdings verlassen.


Van Fraassen entwickelte eine ''Ausschlussnegation''. Wenn eine physikalische Größe m nicht einen bestimmten Wert – beispielsweise 7 – annimmt, so kann dies im Sinne der ''Ausschlussnegation'' nicht nur bedeuten, dass m nicht 7 ist, sondern auch, dass sich das System in keinem Zustand befindet, zu dem ein Wert von m gehört.<ref>Bas van Fraassen: ''The Labyrinth of Quantum Logics''. S. 577–607.</ref>
Betrachtet man die Tempusformen, so ist beim [[Wikipedia:Präsens|Präsens]] der Sprechzeitpunkt identisch mit dem Ereigniszeitpunkt '''E''', beim [[Wikipedia:Präteritum|Präteritum]] liegt der Ereigniszeitpunkt '''E''' vor dem Sprechzeitpunkt '''S''' und beim [[Futur]] befindet sich der Ereigniszeitpunkt '''E''' nach Sprechzeitpunkt '''S'''. Die Ereigniszeit '''E''' einer Aussage ist das Zeitintervall, in dem der ausgedrückte Zustand gilt oder die versprachlichte Handlung oder das Ereignis sich abspielt.


Hans Reichenbach behauptet, dass man sich bei der Beurteilung wissenschaftlicher Aussagen nur auf Wahrscheinlichkeitserwägungen stützen kann. Gewissheit dürfe von der Wissenschaft nicht erwartet werden.<ref>[[Martin Carrier]]: ''Reichenbach, Hans''. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Erste Auflage. Band 3, Metzler 1995/2004, S. 542.</ref> In den 1930er und nachfolgenden Jahren arbeitete er an Problemen der ''Wahrscheinlichkeitslogik''. Zur logischen Beschreibung der Quantenmechanik erstellte Reichenbach aus dieser Wahrscheinlichkeitslogik eine dreiwertige Quantenlogik mit den Wahrheitswerten wahr, falsch und unbestimmt. Sie benutzt drei Arten der Negation (ausschließende, diametrale und vollständige Negation) und drei Arten der [[Implikation]] (Standardimplikation, Alternativimplikation, Quasiimplikation).<ref>Hans Reichenbach: ''Gesammelte Werke''. Band 5: ''Philosophische Grundlagen der Quantenmechanik und Wahrscheinlichkeit''. S. 182f.</ref> Nachdem Ulrich Blau eine dreiwertige ''Logik der natürlichen Sprache'' zur Diskussion gestellt hat, wurde eine Parallele zur Dreiwertigkeit bei Reichenbach gezogen, weil bereits alltägliche Beispiele für den Fall unerfüllter [[Präsupposition]]en eine solche Bewertung nahelegen.<ref>Ewald Richter: ''Quantenlogik.'' 1989, S. 1784.</ref>
Bei der Zeitrelation der Präsens überlappen sich der Sprechzeitpunkt '''S''' und der Referenzpunkt '''R''', bei der Vergangenheit geht der Referenzpunkt '''R''' dem Sprechzeitpunkt '''S''' vollständig voraus und bei der Zeitrelation des Futurs geht die Sprechzeit '''S''' der Referenzzeit '''R''' voraus. Die Referenzzeit '''R''' in einer Aussage wird als ein von der Sprechzeit '''S''' unterschiedenes Zeitintervall verstanden um das Ereignis oder die Handlung auf der Zeitachse zu lokalisieren. Es ist das Intervall, auf das in einem Satz referiert wird und das durch z.&nbsp;B. ein temporales [[Wikipedia:Adverb|Adverb]] eingeleitet wird.


Für die [[Junktor]]en ''und'' (<math>\wedge</math>) und ''oder'' (<math>\vee</math>) gelten folgende Wahrheitstafeln mit falsch (f), unbestimmt (u) und wahr (w):<ref>Werner Stelzner: ''Logik, mehrwertige''. In: [[Hans Jörg Sandkühler]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie''. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Meiner, Hamburg 2010, Bd. 2, S. 1462ff.</ref>
== Wirkung ==
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Durch seine Arbeit in der Berliner Gruppe und dem philosophischen Institut der UCLA hatte Reichenbach maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des logischen Empirismus in Deutschland sowie der analytischen Nachkriegsphilosophie in den Vereinigten Staaten. Zu Reichenbachs zahlreichen Schülern zählten unter anderem [[Carl Gustav Hempel|Carl Hempel]], [[Hilary Putnam]] und [[Wikipedia:Wesley C. Salmon|Wesley Salmon]]. In Berlin sowie Los Angeles galt Reichenbach als populärer Professor der eng mit Studenten zusammenarbeitete und zahlreiche Dissertationen betreute.<ref>Saul Traiger: ''The Hans Reichenbach Correspondence. An Overview'' in: ''Philosophy Research Archives.'' X, (1984) S. 501–511.</ref>
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== Mitgliedschaft ==
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1948 wurde Reichenbach in die [[Wikipedia:American Academy of Arts and Sciences|American Academy of Arts and Sciences]] gewählt.<ref>[https://www.amacad.org/multimedia/pdfs/publications/bookofmembers/electionIndex1900-1949.pdf ''Members of the American Academy. Listed by election year, 1900–1949''.] (PDF) abgerufen am 11. Oktober 2015</ref>
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== Werke (Auswahl) ==
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'''Aufsätze'''
* ''Erwiderung auf H. Dinglers Kritik an der Relativitätstheorie.'' In: ''Physikalische Zeitschrift'', Band 22, 1921, S. 379–384.
* ''Bericht uber eine Axiomatik der Einsteinschen Raum-Zeit-Lehre.'' In: ''Physikalische Zeitschrift'', Band 22, 1921, S. 683–686.
* ''Der gegenwärtige Stand der Relativitatsdiskussion.'' In: ''Logos'', Band X, 1922, Nr. 3, S. 316–378.
* ''Die Bewegungslehre bei Newton, Leibniz und Huyghens.'' In: ''Kant-Studien'', Band 29, 1924, S. 416–438.
* ''Die Kausalstruktur der Welt und der Unterschied von Vergangenheit und Zukunft.'' In: ''Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaft'', November 1925, S. 133–175.
* ''Stetige Wahrscheinlichkeitsfolgen.'' In: ''Zeitschrift für Physik'', Band 53, 1929, Nr. 3–4, S. 274–307.
* ''Ziele und Wege der physikalische Erkenntnis.'' In: ''Handbuch der Physik'', Hans Geiger, Karl Scheel (Herausgeber), Band IV, Julius Springer, Berlin 1929, S. 1–80.
* ''Die philosophische Bedeutung der modernen Physik.'' In: ''Erkenntnis'' 1, 1930, S. 49–71.
* ''Zum Anschaulichkeitsproblem der Geometrie.'' In: ''Erkenntnis'' 2, 1931, S. 61–72.
* ''Kant und die Naturwissenschaft.'' ''Die Naturwissenschaften'', Band 21, 1933, Nummern 33–34, S. 601–606.
* ''Die logischen Grundlagen des Wahrscheinlichkeitsbegriffs.'' In: ''Erkenntnis'' 3, 1933, S. 401–425.
* ''Wahrscheinlichkeitslogik als Form des wissenschaftlichen Denkens.'' In: ''Actes du Congrès international de philosophie scientifique'' 4, 1935, S. 24–30.
* ''Reply to Ernest Nagel’s Criticism of My Views on Quantum Mechanics.'' In: ''Journal of Philosophy'' 43, 1946, S. 239–247.
* ''Rationalism and Empiricism: An Inquiry into the Roots of Philosophical Error.'' In: ''The Philosophical Review'' 57, 1948, S. 330–346.
* ''The Philosophical Significance of the Theory of Relativity.'' In: P. A. Schilpp (Hrsg.): ''Albert Einstein: Philosopher-  Scientist'', La Salle (Ill.): ''The Library of Living Philosophers Inc.'', 1949, S. 287–311.
* ''A Conversation between Bertrand Russell and David Hume.'' In: ''The Journal of Philosophy'' 46, 1949, S. 545–549.
* ''Are Phenomenal Reports Absolutely Certain?'' In: ''The Philosophical Review'' 61, 1952, S. 147–159.


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'''Bücher'''
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* ''Der Begriff der Wahrscheinlichkeit für die mathematische Darstellung der Wirklichkeit.'' In: ''Zeitschrift für  Philosophie und philosophische Kritik'', 1916, Nr. 161, 210–239; Nr. 162, 9–112, 223–253. Zugleich Diss. Erlangen 1915.
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* ''Relativitätstheorie und Erkenntnis apriori.'' Springer, Berlin 1920.
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* ''Axiomatik der relativistischen Raum-Zeit-Lehre.'' Vieweg & Sohn, Braunschweig 1924.
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* ''Von Kopernikus bis Einstein. Der Wandel unseres Weltbildes.'' Ullstein, Berlin 1927.
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* ''Philosophie der Raum-Zeit-Lehre.'' Walter de Gruyter, Berlin, Leipzig 1928.
|  style="width:30px; background:white; text-align:center;"| u
* ''Atom und Kosmos. Das physikalische Weltbild der Gegenwart.'' Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1930.
|  style="width:30px; background:white; text-align:center;"| w
* ''Ziele und Wege der heutigen Naturphilosophie.'' Felix Meiner, Leipzig 1931 (Neudruck: Felix Meiner Verlag, Hamburg 2011 (Philosophische Bibliothek; 621), ISBN 978-3-7873-2144-5, 160 S.).
|- style="text-align:center;"
* ''Wahrscheinlichkeitslehre. Eine Untersuchung uber die logischen und mathematischen Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.'' Sijthoff, Leiden 1935.
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* ''Experience and Prediction. An Analysis of the Foundations and the Structure of Knowledge'', University of Chicago Press, Chicago, 1938.
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* ''Philosophic Foundations of Quantum Mechanics.'' University of California Press, Berkeley 1944.
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* ''Elements of Symbolic Logic.'' Macmillan Co., New York 1947.
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* ''Philosophy and Physics.'' ''Faculty research lectures'' (1946), University of California Press, Berkeley 1948.
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* ''The Rise of Scientific Philosophy.'' University of California Press, Berkeley 1951.
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<!--zu den Aufsätzen: ''Les fondements logiques de la méchanique des quanta.'' In: ''Annales de l'Institut Henri Poincaré'', Band 13, Teil 2, 1951, S. 109–158.-->
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* ''Nomological Statements and Admissible Operations.'' North-Holland Publishing Company, Amsterdam 1954.
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* ''The Direction of Time.'' H. Reichenbach, Herausgeber. University of California Press, Berkeley 1956.
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'''Aufsatzsammlungen'''
* ''Defending Einstein. Hans Reichenbach’s Writings on Space, Time and Motion''; herausgegeben von Steven Gimbel. Cambridge University Press, Cambridge 2006 [enthält englische Übersetzungen unter anderem von kleineren, im Zuge der Kontroversen um die Relativitätstheorie entstandenen Aufsätzen Reichenbachs, die heute ansonsten nur schwer greifbar sind]
* ''Ziele und Wege der heutigen Naturphilosophie. Fünf Aufsätze zur Wissenschaftstheorie''; herausgegeben von Nikolay Milkov. Meiner, Hamburg 2011 [enthält unter anderem ''Ziele und Wege der heutigen Naturphilosophie'' und ''Die philosophische Bedeutung der modernen Physik'']


Die Subjunktion (auch Implikation genannt: wenn-dann) wird nicht einheitlich gestaltet. Hier sind die Versionen von [[Jan Łukasiewicz]], Ulrich Blau<ref>[[Peter Schroeder-Heister]]: ''Logik, mehrwertige''. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Zweite Auflage. Band 5, Metzler 2013, S. 62.</ref> sowie die Alternativ- und die Quasiimplikation von Reichenbach dargestellt:
'''Werkausgabe'''
 
* ''Gesammelte Werke: in 9 Banden''; herausgegeben von Andreas Kamlah und Maria Reichenbach, Wiesbaden: Vieweg
{|
** 1977 Bd. 1: ''Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie''
|
** 1977 Bd. 2: ''Philosophie der Raum-Zeit-Lehre''
 
** 1979 Bd. 3: ''Die philosophische Bedeutung der Relativitatstheorie''
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** 1983 Bd. 4: ''Erfahrung und Prognose: eine Analyse der Grundlagen und der Struktur der Kenntnis''
|-
** 1989 Bd. 5: ''Philosophische Grundlagen der Quantenmechanik und Wahrscheinlichkeit''
| colspan="4" style="background:#ddd; text-align:center;"| Łukasiewicz
** 1999 Bd. 6: ''Grundzüge der symbolischen Logik''
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** 1994 Bd. 7: ''Wahrscheinlichkeitslehre: eine Untersuchung über die logischen und mathematischen Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung''
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** vom Verlag angekündigter Bd. 8: ''Kausalität und Zeitrechnung''
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* ''Maria Reichenbach &  Robert S. Cohen (Hrsg.): Vienna Circle Collection, Vol. 4, Hans Reichenbach: Selected Writings, 1909 - 1953'', Dordrecht: Reidel, 1978.
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Verteidiger der dreiwertigen Logik meinen, die Logik müsse sich der Unbestimmtheit der Messaussagen der Quantenphysik anpassen und nicht umgedreht.<ref>Peter Schroeder-Heister: ''Logik, mehrwertige''. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Zweite Auflage. Band 5, Metzler 2013, S. 63.</ref>
 
=== Dialogische Logik zeitlicher Aussagen ===
[[Datei:isql 3.jpg|mini|[[Carl Friedrich von Weizsäcker]] (links) und [[Peter Mittelstaedt]] während des Internationalen Symposiums für Quantenlogik, Köln 1984]]
1955 regte Carl Friedrich von Weizsäcker in [[Göttingen]] an, den von Birkhoff und v. Neumann aufgestellten [[Aussagenkalkül]] aus grundsätzlichen [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Überlegungen zur Quantenmechanik abzuleiten.<ref>Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Komplementarität und Logik''. In: ''Die Naturwissenschaften'' 42, 1955, S. 521–529 u. 545–555.</ref> Peter Mittelstaedt führte dies in den Jahren 1958–1963 so weit aus, wie es mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden mathematischen Mitteln möglich war.<ref>Peter Mittelstaedt: ''Quantenlogik''. In: ''Fortschritte der Physik'' 9, 1961, S. 106–147.</ref> Die Ausarbeitung einer Logik zeitlicher Aussagen Weizsäckers klang auch im Spätwerk [[Rudolf Carnap]]s an.<ref>Am Ende seines letzten Buches ''Philosophical Foundations of Physics'' (New York 1966, dt. Ausgabe ''Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaft''. München 1969, 2. Aufl. 1974, S. 286) äußert sich Carnap zu den Arbeiten von Birkhoff und von Neumann: „Hier berühren wir tiefliegende, noch ungelöste Probleme. […] Es ist schwer vorherzusagen, wie die Sprache der Physik sich ändern wird. Aber ich bin überzeugt, dass zwei Tendenzen, die im Verlaufe des letzten halben Jahrhunderts zu großen Verbesserungen in der Sprache der Mathematik geführt haben, in gleicher Weise die Sprache der Physik schärfen und klären werden; die Anwendung der modernen Logik und Mengenlehre und die Verwendung der axiomatischen Methode in ihrer modernen Form, die eine formalisierte Sprache voraussetzt. In der Physik von heute, in der […] die ganze Begrifflichkeit der Physik diskutiert wird, könnten beide Methoden sich als äußerst nützlich erweisen.“</ref> Mittelstaedt entlehnte 1959 den Arbeiten [[Paul Lorenzen]]s Dialoge zur [[Semantik|semantischen]] Begründung zusammengesetzter Aussagen über physikalische Größen ([[Observable]]).<ref>Peter Mittelstaedt: ''Quantenlogik''. In: ''Fortschritte der Physik'' 9, 1961, S. 106–147, hier S. 124–128; auch in der ersten Auflage von Peter Mittelstaedt: ''Philosophische Probleme der modernen Physik''. Mannheim 1963, S. 127–133. Jetzt ausführlich in ders.: ''Quantum Logic''. S. 48–98.</ref> Aus dieser dialogischen Logik wurde eine zeitliche Quantenlogik erforscht.<ref>Peter Mittelstaedt: ''Time dependent propositions and quantum logic''. In: ''Journal of Phil. Logic'' 6, 1977, S. 463–472. Carl Friedrich von Weizsäcker: ''In welchem Sinne ist die Quantenlogik eine zeitliche Logik?'' In: Jürgen Nitsch, Joachim Pfarr, Ernst-Walther Stachow: ''Grundlagenprobleme der modernen Physik. Festschrift für Peter Mittelstaedt zum 50. Geburtstag.'' Mannheim 1981, ISBN 3-411-01600-0, S. 311–317.</ref>
 
In der [[Dialogische Logik|dialogischen Logik]] von Lorenzen und [[Kuno Lorenz]] wird die Wahrheit eines Satzes durch einen Dialog von Proponent (P) und Opponent (O) bestimmt, in dem die Dialogpartner sich jeweils auf voriges Behaupten und Zeigen beziehen. Der Proponent hat gewonnen, wenn er eine angegriffene nicht mehr logisch verknüpfte Aussage (Elementaraussage) verteidigt hat oder wenn der Opponent (auf der linken Spalte mit O notiert) eine angegriffene Elementaraussage nicht verteidigt. Der [[Junktor]] [[Subjunktion]] (<math>\rightarrow </math> wenn-dann) ist im hier gebrauchten Zusammenhang das, was bei Reichenbach in der dreiwertigen Logik ''Implikation'' heißt. Es gibt zwei Dialoge, einen um den Wennsatz und anschließend einen um den Dannsatz. Hier werden mit dem Fragezeichen jeweils die vorhergehenden Zeilen angegriffen.
 
{| class="wikitable"
|-
! style="text-align:left"| <math>O</math>
! style="text-align:left"| <math>P</math> ||Kommentar
|-
| || <math>A \rightarrow A</math> ||Zusammengesetzte Gesamtaussage: Wenn A dann A.
|-
| <math>A?</math> || ||Der Wennsatz wird behauptet und dadurch die Gesamtaussage angegriffen.
|-
| || <math>?</math> ||Ein Beweis bzw. ein Vorzeigen wird verlangt.
|-
| <math>[A]</math> || ||Das behauptete A wird vorgezeigt oder bewiesen.
|-
| || <math>A</math> ||Als Verteidigung muss gemäß der <math>\rightarrow</math>-Regel der Dannsatz behauptet werden.
|-
| <math>?</math> || ||Ein Beweis bzw. ein Vorzeigen wird verlangt.
|-
| || <math>[A]</math> ||Das behauptete A wird vorgezeigt oder bewiesen. P hat gewonnen, die Gesamtaussage ist wahr.
|-
|}
 
An dieser Stelle setzen Mittelstaedt und Weizsäcker an. Man kann die Grundregeln der dialogischen Logik so gestalten, dass der Beweis für eine zu Beginn gemachte Aussage nach einer gewissen Zeit nicht mehr zur Verfügung steht.<ref>Zur Verfügbarkeit einer Aussage siehe: [[Kuno Lorenz]]: ''Logik, dialogische''. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Zweite Auflage. Band 5, Metzler 2013, S. 24.</ref>
 
Von Weizsäcker stellt folgende Überlegung an: Es sei beispielsweise m die konkrete Aussage: „Der Mond ist zu sehen“ (für A eingesetzt). Der Proponent behauptet wie im Schaubild <math>A \rightarrow A</math>.
 
{{Zitat|Der Opponent setzt m für A ein. Zum Beweis aufgefordert, sagt er: ‚Hier sieh den Mond, gerade über dem Horizont!‘ Der Proponent erkennt den Beweis an. Nunmehr selbst zum Beweis aufgefordert, sagt er: ‚Hier sieh den Mond, gerade über dem Horizont!‘ Der Opponent muss den Beweis und damit seine Niederlage anerkennen. – Aber der Proponent muss in diesem Beispiel darauf achten, dass er schnell genug reagiert. Sonst könnte der Opponent, der ihm gerade noch den Mond gezeigt hatte, die Anerkennung des zweiten Beweises verweigern: der Mond ist inzwischen untergegangen.|Autor=Carl Friedrich von Weizsäcker|Quelle=''Die Einheit der Natur''. S.&nbsp;245.}}
 
In der üblichen [[Formale Logik|formalen]] nichttemporalen Logik ist diese Gesamtaussage <math>A \rightarrow A</math> sofort formallogisch wahr, weil der Proponent das Setzen von A des Opponenten einfach übernehmen darf. In der temporalen Logik ist die [[Formale Logik#Im Gegensatz zu materialer Logik|materiale]] Wahrheit beweis- bzw. vorzeigeabhängig.
 
Peter Mittelstaedt hat gezeigt, dass in der Quantenlogik aus diesen Gründen das Gesetz <math>A \rightarrow (B \rightarrow A)</math> nicht gilt.<ref>Peter Mittelstaedt: ''Philosophische Probleme der modernen Physik''. Mannheim 1986.</ref> Es gibt vier weitere Gesetze, die durch die Quantenlogik verletzt werden.<ref>Maria Luisa Dalla Chiara, Roberto Giuntini: ''[http://arxiv.org/pdf/quant-ph/0101028v2.pdf Quantum Logics.]'' Florenz 2008, S. 25.</ref> Mittelstaedt begründet die Verletzung dieser Gesetze durch die Anwendung der Unschärferelation: Man setze für A die Aussage „Dieses [[Elektron]] hat den Impuls p“ und für B „Dieses Elektron hat den [[Ort (Physik)|Ort]] q“ ein. Der Opponent misst nun den Impuls des Elektrons und findet p, dann misst er den Ort und findet q. Jetzt wiederholt der Proponent die Impulsmessung, aber leider findet er den Wert p nicht wieder.<ref>Weizsäcker: ''Die Einheit der Natur''. München 1981, S. 246.</ref> Das Gesetz <math>A \rightarrow (B \rightarrow A)</math> gilt also nicht, der Proponent kann das zweite A (Impuls p) nicht mehr durch Messung beweisen.
 
Diese von Mittelstaedt charakterisierte pointierte Subjunktion wird auch ''Sasaki-hook'' genannt.<ref>Maria Luisa Dalla Chiara, Roberto Giuntini: ''[http://arxiv.org/pdf/quant-ph/0101028v2.pdf Quantum Logics.]'' Florenz 2008, S. 25.</ref> 1952 entwickelte der japanische Wissenschaftler Sasaki Usa eine Quantenprojektion,<ref>Sasaki Usa: ''Lattice theoretic characterisation of affine geometry of arbitrary dimensions''. In: ''Journal of Science''. Hiroshima Univ. Series A, 16, Hiroshima 1952, S. 223–238.</ref> die von Richard Joseph Greechie zu einer Nichtstandard-Quantenlogik ausgearbeitet wurde.<ref>Richard Joseph Greechie: ''A non-standard quantum logic with a strong set of states''. In: E. G. Beltrametti, Bas van Fraassen (Hrsg.): ''Current Issues in Quantum Logic'' (= ''Ettore Majorana International Science Series''. Vol. 8). Plenum, New York 1981, S. 375–380.</ref>
 
== Gegenwärtige Beurteilung ==
[[Wolfgang Stegmüller]] hat die Quantenlogik kritisch untersucht.<ref>Wolfgang Stegmüller: ''Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie''. Stuttgart 1975, ISBN 3-520-30905-X, S. 208–220.</ref> Er hält die Kritik von [[Ernest Nagel]] für berechtigt, wonach Reichenbachs Vorschlag einer dreiwertigen Logik auf einer zu engen Anwendung des [[Empirismus]]prinzips beruhe.<ref>Wolfgang Stegmüller: ''Wissenschaftliche Erklärung und Begründung''. Berlin/Heidelberg/New York 1969, S. 506.</ref> [[Erhard Scheibe]]<ref>Erhard Scheibe: ''Die kontingenten Aussagen der Physik''. 1964.</ref> behauptet, dass ein Aufbau der Quantentheorie unter Beibehaltung der klassischen Logik möglich ist, wenn man für das kontingente Verhalten eines Systems eine ''epistemische Formulierung'' wählt, die sich unmittelbar auf unsere experimentelle Feststellungen bezieht und nicht auf Behauptungen über das Vorliegen von Eigenschaften.<ref>Ewald Richter: ''Quantenlogik''. 1989.</ref> Andreas Kamlah fragt kritisch, ob die dialogische Quantenlogik eine analytische Theorie sei.<ref>Andreas Kamlah: ''Ist die Mittelstaedt-Stachowsche Quantendialogik eine analytische Theorie?'' In: Peter Mittelstaedt, Joachim Pfarr: ''Grundlagen der Quantentheorie''. (= ''Grundlagen der exakten Naturwissenschaften''. Band 1). Mannheim 1980, S. 73–92.</ref>
 
Nach 2000 wurden zunehmend die Verdienste der Quantenlogik als wertvoller Beitrag zur Sprachforschung anerkannt, so unter anderen von [[Brigitte Falkenburg]].<ref>Brigitte Falkenburg: ''Language and Reality. Peter Mittelstaedts contribution to the Philosophy of Physics''. In: ''Foundations of Physics'' 40, 2010, S. 1171–1188.</ref>
 
Nach einem modernen, eher formalistischen Logikverständnis kann man davon ausgehen, dass die drei unterschiedlichen Ansätze nicht mehr miteinander konkurrieren: In der dialogischen Logik und bei anderen Logiksystemen vom [[Gentzentypkalkül|Gentzentyp]] werden verschiedene Rahmenregelpakete angeboten, die jeweils zu einer bestimmten Logik führen, so auch zur Quantenlogik. Dasselbe gilt für die [[Axiom]]ensysteme vom Hilberttyp. Durch diese Möglichkeiten kann innerhalb eines logischen Regelwerks überlegt werden, für welches Regelpaket man sich entscheiden will. Somit braucht man nicht ganz grundsätzlich die gesamten Regelwerke gegeneinander auszuspielen.
 
Analog beurteilen Maria Luisa Dalla Chiara und Roberto Giuntini die Situation so: Quantenlogiken bzw. deren formale Eigenschaften können keinen Hinweis auf reale Eigenschaften oder Mechanismen zwischen den Observablen der Quantentheorie geben. Ein diesbezüglicher Realismus, den Pioniere wie v. Neumann, Reichenbach und v. Weizsäcker vertreten haben müssen, ist daher ebenso abzulehnen wie Putnams Vorschlag, dass die Geltung einer bestimmten Logik eine Frage der Empirie sei. Vielmehr halten sie fest, dass es nicht nur verschiedene Logiken, sondern auch verschiedene Quantenlogiken gibt und es daher fraglich sei, dass es ''eine'' Quantenlogik geben kann.<ref>Maria Luisa Dalla Chiara, Roberto Giuntini: ''[http://arxiv.org/pdf/quant-ph/0101028v2.pdf Quantum Logics.]'' Florenz 2008, S. 96–97.</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Quantenlogik}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Garrett Birkhoff, John von Neumann: ''The logic of quantum mechanics''. In: ''Ann. of Math.'' 37, 1936 ([http://www.fulviofrisone.com/attachments/article/451/the%20logic%20of%20quantum%20mechanics%201936.pdf PDF]; 761 kB).
* ''Modern Philosophy of Science: Selected Essays by Hans Reichenbach.'' M. Reichenbach (Herausgeber, Übersetzer). Routledge & Kegan Paul, London 1959.
* Ulrich Blau: ''Die Logik der Unbestimmtheiten und Paradoxien''. Heidelberg 2008, S. 191–290.
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* Enrico Beltrametti, Bas van Fraassen (Hrsg.): ''Current Issues in Quantum Logic'' (= ''Ettore Majorana International Science Series''. Vol. 8). New York/London 1981, ISBN 0-306-40652-7.
* 1979 ''Hans Reichenbach, Logical Empiricist'', Synthese library, Dordrecht; Boston: D. Reidel Pub.
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* 1981 Dieter Zittlau: ''Die Philosophie von Hans Reichenbach'', München: Minerva 1981
* Peter Mittelstaedt, Ernst-Walther Stachow (Hrsg.): ''Recent Developments in Quantum Logic'' (= ''Grundlagen der exakten Naturwissenschaften'' Bd. 6). Mannheim/Wien/Zürich 1985, ISBN 3-411-01695-7.
* 1991 ''Erkenntnis orientated: a centennial volume for Rudolf Carnap and Hans Reichenbach'', Dordrecht; Boston: Kluwer Academic Publishers
* Peter Mittelstaedt: ''Quantum Logic'' (= ''Synthese Library''. Vol. 126). Doordrecht 1978, ISBN 90-277-0925-4.
* 1991 ''Logic, language, and the structure of scientific theories: proceedings of the Carnap-Reichenbach centennial'', University of Konstanz, 21.–24. Mai 1991, Pittsburgh: University of Pittsburgh Press - Konstanz: Universitasverlag Konstanz
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* Ewald Richter: ''Quantenlogik.'' In: Joachim Ritter et al. (Hrsg.): ''Historisches Wörterbuch der Philosophie''. Band 7, Basel 1989, ISBN 978-3-7965-0698-7, S. 1782–1785.
* L. Danneberg / A. Kamlah / L. Schäfer (Hrsg.): ''Hans Reichenbach und die Berliner Gruppe.'' Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, Braunschweig; Wiesbaden 1994.
* Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Komplementarität und Logik''. In: ''Die Naturwissenschaften'' 42, 1955, S. 521–529 u. 545–555.
* [[Wikipedia:Hannelore Bernhardt|Hannelore Bernhardt]]: ''[[Wikipedia:Richard von Mises|Richard von Mises]] in seiner Berliner Zeit.'' In: ''Hans Reichenbach und die Berliner Gruppe,'' S.&nbsp;101–112. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, Braunschweig; Wiesbaden 1994.
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* {{NDB|21|304|305|Reichenbach, Hans Friedrich Herbert Günther|Stefan Büttner|118599135}}
* [[Wikipedia:Utz Maas|Utz Maas]]: ''Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945.'' [http://zflprojekte.de/sprachforscher-im-exil/index.php/catalog/r/384-reichenbach-hans/ Eintrag zu Hans Reichenbach]  (abgerufen: 15. April 2018)


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* D. J. Foulis: ''[http://www.quantonics.com/Foulis_On_Quantum_Logic.html A Half Century of Quantum Logic — What Have we Learned?]'' University of Massachusetts, Amhest 1995.
* {{DNB-Portal|118599135}}
* Maria Luisa Dalla Chiara, Roberto Giuntini: ''[http://arxiv.org/pdf/quant-ph/0101028v2.pdf Quantum Logics.]'' Florenz 2008.
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* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/qt-quantlog/|Quantum Logic and Probability Theory|Alex Wilce}} Stanford 2002/2012/2017.
* [http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/philarchiv/bestaende/Reichenbach.htm Archiv Reichenbachs] an der [[Wikipedia:Universität Konstanz|Universität Konstanz]]
<!-- ex. nicht mehr: * [http://euro.mein-serva.de/mauthner2004/mauthner/tex/reich1.html Die Suche nach Allgemeinheit], aus: Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie, Berlin 1951 -->
* Gürol Irzık: ''Hans Reichenbach in Istanbul'' Zs. „Synthese“ 2009 {{ISSN|0039-7857}} - {{ISSN|1573-0964}}. [http://www.springerlink.com/content/m4r0160053441210/ Abstract, engl.]
* Yaman Örs: ''Hans Reichenbach and Logical Empiricism in Turkey'' Vienna Circle Institute Yearbook 12, Springer, Cambridge und Wien 2004 {{ISSN|0929-6328}} ISBN 978-1-4020-4100-6 S. 189–211. [http://www.springerlink.com/content/p873576qp57q5051/ Abstract]
* [https://kw.uni-paderborn.de/fileadmin/fakultaet/Institute/philosophie/Milkov/Schriften_zum_Download/Einleitung_PhB_621.pdf  Nikolay Milkov: ''Hans Reichenbach. Wissenschaftliche Philosophie.'' Einleitung. Universität Paderborn]


== Einzelnachweise ==
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<references />
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Version vom 22. September 2018, 22:25 Uhr

Hans Reichenbach

Hans Reichenbach (* 26. September 1891 in Hamburg; † 9. April 1953 in Los Angeles, Kalifornien) war ein deutscher Physiker, Philosoph und Logiker.

Leben

Reichenbach war der Sohn des Kaufmanns Bruno Reichenbach und dessen Ehefrau, der Erzieherin Selma Menzel. Seine Brüder waren der Journalist und KAPD-Aktivist Bernhard Reichenbach (1888–1975) und der Musikwissenschaftler Hermann Reichenbach (1898–1958).

1910/11 studierte Reichenbach an der Technischen Hochschule Stuttgart Bauingenieurwesen, das er aber bald abbrach und nach Berlin wechselte, um Mathematik, Physik und Philosophie zu studieren. Später wechselte er mit denselben Fächern an die Universitäten von Göttingen und München; seine Professoren waren dort Max Planck, Max Born, Ernst Cassirer, David Hilbert und Arnold Sommerfeld.

1915 wurde Reichenbach an der Universität Erlangen mit seiner Arbeit „Der Begriff der Wahrscheinlichkeit für die mathematische Darstellung der Wirklichkeit“ von dem Mathematiker Max Noether und dem Philosophen Paul Hensel promoviert. Im folgenden Jahr absolvierte Reichenbach sein Staatsexamen für Mathematik und Physik und diente anschließend als Soldat im Ersten Weltkrieg.

Im Winter 1917/18 konnte er sein Studium in Berlin fortsetzen. Während dieser Zeit lernte er Albert Einstein kennen. Mit dessen Förderung konnte sich Reichenbach 1920 an der Technischen Hochschule Stuttgart habilitieren und bekam als Privatdozent dort auch einen Lehrauftrag. Seine Seminare reichten von der Geschichte der Philosophie bis hin zur Radiotechnik, Relativitätstheorie und Wissenschaftstheorie.

Schon vor dem Krieg in der Jugendbewegung, war er ab 1918, teilweise zusammen mit Karl August Wittfogel, sehr aktiv in der sozialistischen Studentenpolitik. Reichenbach schrieb das Programm der sozialistischen Studentenpartei Berlin. Auf Einsteins Vorschlag wurde 1926 Reichenbach zum a.o. Prof. für Philosophie der Physik an der Universität Berlin ernannt. Reichenbach begründete 1930 u. a. zusammen mit Rudolf Carnap die Zeitschrift Erkenntnis, das Organ des logischen Positivismus.

Reichenbach war unter den ersten Dozenten, welche quasi mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 von der Universität entlassen wurden. Er ging in die Türkei (Haymatloz) und erhielt dort eine Professur an der Universität Istanbul. Dort wurde er mit der Umstrukturierung und Erneuerung des Philosophieunterrichts betraut. 1938 ging er in die USA und lehrte bis zu seinem Tod an der University of California (UCLA). 1948 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Beispielhaft für die Probleme Reichenbachs im Nazideutschland ist ein Brief Felix Meiners an Rudolf Carnap, den Mitherausgeber der Zeitschrift Erkenntnis, vom 14. Juli 1937, der u. a. berichtet, es sei ihm „das weitere Verbleiben von Professor Reichenbach in der Herausgeberschaft der 'Erkenntnis’ als untragbar bezeichnet worden, nicht nur weil er Nichtarier ist, sondern hauptsächlich weil er in der Nachkriegszeit politische Äußerungen in Reden und Broschüren getan hat, die ihn für den heutigen Staat unmöglich machen.“[1]

Werk

Reichenbach beschäftigte sich zunächst hauptsächlich mit Einsteins Relativitätstheorie und wurde dabei zu einem ihrer wichtigsten Verteidiger gegen Einwände von unterschiedlichen Seiten sowie zu einem der bekanntesten Kritiker populärer, oft uninformierter Darstellungen beider Relativitätstheorien.

Folgte er dabei anfangs noch einem leicht modifizierten Kantianismus, so entwickelte er Mitte der 1920er Jahre in fortschreitender Dezidiertheit das Programm eines logischen Empirismus (auch logischer Positivismus genannt) und wurde zu einem der Hauptvertreter desselben in Deutschland.

Nach seiner zusammen mit Rudolf Carnap erfolgten Übernahme der Schriftleitung der Zeitschrift Annalen der Philosophie unter dem neuen Titel Erkenntnis fasst Reichenbach 1930 das dort vollzogene und maßgeblich von ihm ausgearbeitete wissenschaftsanalytische Programm in die Formel, „Philosophie nicht als isolierte Wissenschaft, sondern im engsten Zusammenhang mit den einzelnen Fachwissenschaften zu treiben“.[2] Dies unterscheidet Reichenbachs Ansatz von der im Wiener Kreis gepflegten Herangehensweise: Während der Wiener Kreis Wissenschaft formal-logisch rekonstruieren wollte, führte für Reichenbach der philosophische Zugang zur Wissenschaft ausschließlich über die Berücksichtigung wissenschaftlicher Disziplinen wie etwa Psychologie und Soziologie, welche Wissenschaft selbst thematisieren konnten. Die entsprechende interdisziplinäre Zusammenarbeit pflegte Reichenbach im Rahmen der Berliner Gruppe, die freilich auch in enger Verbindung zum Wiener Kreis stand.

In den 1930er und nachfolgenden Jahren arbeitete Reichenbach an Problemen der Wahrscheinlichkeitslogik. Zur logischen Beschreibung der Quantenmechanik konstruierte Reichenbach eine dreiwertige Logik (Quantenlogik) mit den Wahrheitswerten wahr, falsch und unbestimmt, die drei Arten der Negation (ausschließende, diametrale und vollständige Negation) und drei Arten der Implikation (Standardimplikation, Alternativimplikation, Quasiimplikation) besitzt.

In seinem Buch Experience and Prediction nützt Reichenbach wahrscheinlichkeitstheoretische Überlegungen auf eine innovative, nach wie vor diskutierte Weise zur Klärung des erkenntnistheoretischen Problems, warum wir die Annahme der Existenz einer von unserem Bewusstsein unabhängigen Außenwelt dem Solipsismus vorziehen sollten. Dazu veranstaltet Reichenbach das Gedankenexperiment seiner „Würfel-Welt“ (in der angelsächsischen Diskussion auch „Reichenbach’s Cube“ genannt): Demnach lebt die gesamte Menschheit in einem riesigen undurchsichtigen und undurchdringlichen Würfel, auf dessen innerer Oberfläche sich ausschließlich Schatten außen vorbeifliegender Vögel silhouettenhaft abzeichnen. Diese Schatten werden noch dazu systematisch so verzerrt, dass sie jeweils doppelt an verschiedenen Stellen der Oberfläche zu sehen sind. Die Einwohner des Würfels nehmen zunächst an, dass hinter diesen Schatten keine äußere Wirklichkeit steht, bis ein Genie unter ihnen, das Reichenbach „Kopernikus“ nennt, die Parallelität zwischen den jeweiligen Schattenpaaren beobachtet. „Kopernikus“ kann nachweisen, dass eine zufällige Ähnlichkeit zwischen je zwei Schatten viel unwahrscheinlicher ist als die Existenz einer gemeinsamen äußeren Ursache und dass die Existenz einer Welt außerhalb des Würfels daher sehr wahrscheinlich ist. Abschließend überträgt Reichenbach das Ergebnis dieses Gedankenexperiments auf die Situation des Menschen: Selbst wenn die Würfel-Insassen die Wände des Würfels durchstoßen könnten, befänden sie sich immer noch in einer vergleichbaren Lage, da sich ihnen die Frage stellte, ob ihre Erfahrungen nur in ihrem Bewusstsein existierten oder von einer unabhängigen Außenwelt verursacht seien. Auch hier spräche dann die genannte wahrscheinlichkeitstheoretische Überlegung für letzteres.[3]

Das Tempussystem von Reichenbach

Zeitachse Vergangenheit, E,R-S, dabei steht E für die zeitliche Zuordnung wenn das Ereignis stattfindet
Zeitachse Gegenwärtigkeit, E,R,S, dabei steht R für die Zeit auf die man sich bezieht, z. B. gestern, morgen, übermorgen
Zeitachse Zukünftigkeit, S-E,R

Hans Reichenbach schuf (1947)[4] eine Terminologie zum Verständnis der versprachlichten Zeitenfolge, den deiktischen und narrativen Tempusfunktionen. Sein Tempussystem ist ein für alle Einzelsprachen gültiges System von Zeitrelationen. Zeit, wird von ihm verstanden, als eine dichte Folge von unendlichen Zeitpunkten ohne Lücken. Ein Zeitintervall besitzt dabei einen Anfangs- und einen Endpunkt, hingegen habe ein Zeitmoment diese Eigenschaft nicht. Die Tempora werden definiert als Relationen zwischen Zeitintervallen.[5][6] Nach seiner Auffassung ergibt sich die Zeitinformation einer sprachlichen Aussage aus drei zusammenwirkenden und relational verknüpften Zeitgegebenheiten.

Die Tempora[7] werden mittels zweier Relationen zwischen den hiernach genannten drei Bezugspunkten beschrieben. Sprechzeit S und Ereigniszeit E fixieren dabei den Zeitpunkt einer Äußerung oder des versprachlichten Ereignisses und bildeten damit außersprachliche Größen. Für den innersprachlichen Bezugspunkt hingegen ist die Referenzzeit R maßgeblich.[8]

Für die korrekte Charakterisierung der verschiedenen Tempusformen setzt Reichenbach wenigstens drei zeitliche Parameter voraus. So benötigt er die Relation zwischen der Sprechzeitpunkt S (die den Moment des Sprechens beschreibt, auch Sprechzeit oder Origio,[9] Äußerungszeit, Äußerungszeitpunkt, Sprechakt, S point of speech) und dem Referenzpunkt R (auf das in einem Satz referiert wird, auch Betrachtungszeit, Bezugszeitpunkt, Referenzpunkt, R point of reference) gesetzt sowie diejenige zwischen dem Ereigniszeitpunkt E (die das Intervall darstellt, auch Ereigniszeit oder Situationszeit, E point of event) und dem Referenzpunkt R (die das Intervall meint). In seinem von ihm ursprünglich formulierten Ansatz konnten aber nur temporale Relationen zwischen diesen drei Bezugspunkten beschrieben werden. Weiterentwicklungen seiner Theorie waren dann auch in der Lage komplizierte Beschreibungen der Vergangenheitstempora, wie etwa die des Imperfekts zu erklären. Während sich bei der Zeitrelation der Gegenwart S und R überlappen geht bei der Zeitrelation der Vergangenheit R dem S vollständig voraus. Die Zeitrelation des Futurs wird dadurch beschrieben, dass die Sprechzeit S der Referenzzeit R vorausgeht. Zwischen den Intervallen E und R besteht die Relationen der Vorzeitigkeit (E liegt vor R), der Gleichzeitigkeit (E und R sind gleich) und der Nachzeitigkeit (R liegt vor E).

Rainer Bäuerle entwickelte, neben anderen, sein ursprüngliches Modell weiter.[10][11]

Die Tempora[12] sind deiktisch, sie lassen sich nur dann verstehen und interpretieren wenn der Sprechzeitpunkt S bekannt ist bzw. Kenntnis der konkreten Äußerungssituation vorliegen. Die Sprechzeit S ist ein Zeitmoment, sie bezieht sich auf den Augenblick des Sprechens.

Betrachtet man die Tempusformen, so ist beim Präsens der Sprechzeitpunkt identisch mit dem Ereigniszeitpunkt E, beim Präteritum liegt der Ereigniszeitpunkt E vor dem Sprechzeitpunkt S und beim Futur befindet sich der Ereigniszeitpunkt E nach Sprechzeitpunkt S. Die Ereigniszeit E einer Aussage ist das Zeitintervall, in dem der ausgedrückte Zustand gilt oder die versprachlichte Handlung oder das Ereignis sich abspielt.

Bei der Zeitrelation der Präsens überlappen sich der Sprechzeitpunkt S und der Referenzpunkt R, bei der Vergangenheit geht der Referenzpunkt R dem Sprechzeitpunkt S vollständig voraus und bei der Zeitrelation des Futurs geht die Sprechzeit S der Referenzzeit R voraus. Die Referenzzeit R in einer Aussage wird als ein von der Sprechzeit S unterschiedenes Zeitintervall verstanden um das Ereignis oder die Handlung auf der Zeitachse zu lokalisieren. Es ist das Intervall, auf das in einem Satz referiert wird und das durch z. B. ein temporales Adverb eingeleitet wird.

Wirkung

Durch seine Arbeit in der Berliner Gruppe und dem philosophischen Institut der UCLA hatte Reichenbach maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des logischen Empirismus in Deutschland sowie der analytischen Nachkriegsphilosophie in den Vereinigten Staaten. Zu Reichenbachs zahlreichen Schülern zählten unter anderem Carl Hempel, Hilary Putnam und Wesley Salmon. In Berlin sowie Los Angeles galt Reichenbach als populärer Professor der eng mit Studenten zusammenarbeitete und zahlreiche Dissertationen betreute.[13]

Mitgliedschaft

1948 wurde Reichenbach in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.[14]

Werke (Auswahl)

Aufsätze

  • Erwiderung auf H. Dinglers Kritik an der Relativitätstheorie. In: Physikalische Zeitschrift, Band 22, 1921, S. 379–384.
  • Bericht uber eine Axiomatik der Einsteinschen Raum-Zeit-Lehre. In: Physikalische Zeitschrift, Band 22, 1921, S. 683–686.
  • Der gegenwärtige Stand der Relativitatsdiskussion. In: Logos, Band X, 1922, Nr. 3, S. 316–378.
  • Die Bewegungslehre bei Newton, Leibniz und Huyghens. In: Kant-Studien, Band 29, 1924, S. 416–438.
  • Die Kausalstruktur der Welt und der Unterschied von Vergangenheit und Zukunft. In: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaft, November 1925, S. 133–175.
  • Stetige Wahrscheinlichkeitsfolgen. In: Zeitschrift für Physik, Band 53, 1929, Nr. 3–4, S. 274–307.
  • Ziele und Wege der physikalische Erkenntnis. In: Handbuch der Physik, Hans Geiger, Karl Scheel (Herausgeber), Band IV, Julius Springer, Berlin 1929, S. 1–80.
  • Die philosophische Bedeutung der modernen Physik. In: Erkenntnis 1, 1930, S. 49–71.
  • Zum Anschaulichkeitsproblem der Geometrie. In: Erkenntnis 2, 1931, S. 61–72.
  • Kant und die Naturwissenschaft. Die Naturwissenschaften, Band 21, 1933, Nummern 33–34, S. 601–606.
  • Die logischen Grundlagen des Wahrscheinlichkeitsbegriffs. In: Erkenntnis 3, 1933, S. 401–425.
  • Wahrscheinlichkeitslogik als Form des wissenschaftlichen Denkens. In: Actes du Congrès international de philosophie scientifique 4, 1935, S. 24–30.
  • Reply to Ernest Nagel’s Criticism of My Views on Quantum Mechanics. In: Journal of Philosophy 43, 1946, S. 239–247.
  • Rationalism and Empiricism: An Inquiry into the Roots of Philosophical Error. In: The Philosophical Review 57, 1948, S. 330–346.
  • The Philosophical Significance of the Theory of Relativity. In: P. A. Schilpp (Hrsg.): Albert Einstein: Philosopher- Scientist, La Salle (Ill.): The Library of Living Philosophers Inc., 1949, S. 287–311.
  • A Conversation between Bertrand Russell and David Hume. In: The Journal of Philosophy 46, 1949, S. 545–549.
  • Are Phenomenal Reports Absolutely Certain? In: The Philosophical Review 61, 1952, S. 147–159.

Bücher

  • Der Begriff der Wahrscheinlichkeit für die mathematische Darstellung der Wirklichkeit. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, 1916, Nr. 161, 210–239; Nr. 162, 9–112, 223–253. Zugleich Diss. Erlangen 1915.
  • Relativitätstheorie und Erkenntnis apriori. Springer, Berlin 1920.
  • Axiomatik der relativistischen Raum-Zeit-Lehre. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1924.
  • Von Kopernikus bis Einstein. Der Wandel unseres Weltbildes. Ullstein, Berlin 1927.
  • Philosophie der Raum-Zeit-Lehre. Walter de Gruyter, Berlin, Leipzig 1928.
  • Atom und Kosmos. Das physikalische Weltbild der Gegenwart. Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1930.
  • Ziele und Wege der heutigen Naturphilosophie. Felix Meiner, Leipzig 1931 (Neudruck: Felix Meiner Verlag, Hamburg 2011 (Philosophische Bibliothek; 621), ISBN 978-3-7873-2144-5, 160 S.).
  • Wahrscheinlichkeitslehre. Eine Untersuchung uber die logischen und mathematischen Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Sijthoff, Leiden 1935.
  • Experience and Prediction. An Analysis of the Foundations and the Structure of Knowledge, University of Chicago Press, Chicago, 1938.
  • Philosophic Foundations of Quantum Mechanics. University of California Press, Berkeley 1944.
  • Elements of Symbolic Logic. Macmillan Co., New York 1947.
  • Philosophy and Physics. Faculty research lectures (1946), University of California Press, Berkeley 1948.
  • The Rise of Scientific Philosophy. University of California Press, Berkeley 1951.
  • Nomological Statements and Admissible Operations. North-Holland Publishing Company, Amsterdam 1954.
  • The Direction of Time. H. Reichenbach, Herausgeber. University of California Press, Berkeley 1956.

Aufsatzsammlungen

  • Defending Einstein. Hans Reichenbach’s Writings on Space, Time and Motion; herausgegeben von Steven Gimbel. Cambridge University Press, Cambridge 2006 [enthält englische Übersetzungen unter anderem von kleineren, im Zuge der Kontroversen um die Relativitätstheorie entstandenen Aufsätzen Reichenbachs, die heute ansonsten nur schwer greifbar sind]
  • Ziele und Wege der heutigen Naturphilosophie. Fünf Aufsätze zur Wissenschaftstheorie; herausgegeben von Nikolay Milkov. Meiner, Hamburg 2011 [enthält unter anderem Ziele und Wege der heutigen Naturphilosophie und Die philosophische Bedeutung der modernen Physik]

Werkausgabe

  • Gesammelte Werke: in 9 Banden; herausgegeben von Andreas Kamlah und Maria Reichenbach, Wiesbaden: Vieweg
    • 1977 Bd. 1: Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie
    • 1977 Bd. 2: Philosophie der Raum-Zeit-Lehre
    • 1979 Bd. 3: Die philosophische Bedeutung der Relativitatstheorie
    • 1983 Bd. 4: Erfahrung und Prognose: eine Analyse der Grundlagen und der Struktur der Kenntnis
    • 1989 Bd. 5: Philosophische Grundlagen der Quantenmechanik und Wahrscheinlichkeit
    • 1999 Bd. 6: Grundzüge der symbolischen Logik
    • 1994 Bd. 7: Wahrscheinlichkeitslehre: eine Untersuchung über die logischen und mathematischen Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
    • vom Verlag angekündigter Bd. 8: Kausalität und Zeitrechnung
  • Maria Reichenbach & Robert S. Cohen (Hrsg.): Vienna Circle Collection, Vol. 4, Hans Reichenbach: Selected Writings, 1909 - 1953, Dordrecht: Reidel, 1978.

Literatur

  • Modern Philosophy of Science: Selected Essays by Hans Reichenbach. M. Reichenbach (Herausgeber, Übersetzer). Routledge & Kegan Paul, London 1959.
  • Selected Writings, 1909–1953. With a Selection of Biographical and Autobiographical Sketches, 2 Bände, Vienna circle collection, D. Reidel, Dordrecht, Boston 1978.
  • 1979 Hans Reichenbach, Logical Empiricist, Synthese library, Dordrecht; Boston: D. Reidel Pub.
  • 1981 Dieter Zittlau: Die Philosophie von Hans Reichenbach, München: Minerva 1981
  • 1991 Erkenntnis orientated: a centennial volume for Rudolf Carnap and Hans Reichenbach, Dordrecht; Boston: Kluwer Academic Publishers
  • 1991 Logic, language, and the structure of scientific theories: proceedings of the Carnap-Reichenbach centennial, University of Konstanz, 21.–24. Mai 1991, Pittsburgh: University of Pittsburgh Press - Konstanz: Universitasverlag Konstanz
  • Erkenntnis, 1930 und 1940 (Erkenntnis – im Auftrage der Gesellschaft für empirische Philosophie, Berlin und des Vereins Ernst Mach, Wien), hrsg. v. R. Carnap / H. Reichenbach, 1939–40 als The Journal of unified science (Erkenntnis), Hrsg. O. Neurath, R. Carnap, Charles Morris bei University of Chicago Press.
  • L. Danneberg / A. Kamlah / L. Schäfer (Hrsg.): Hans Reichenbach und die Berliner Gruppe. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, Braunschweig; Wiesbaden 1994.
  • Hannelore Bernhardt: Richard von Mises in seiner Berliner Zeit. In: Hans Reichenbach und die Berliner Gruppe, S. 101–112. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, Braunschweig; Wiesbaden 1994.
  • Stefan Büttner: Reichenbach, Hans Friedrich Herbert Günther. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, S. 304 f. (Digitalisat).
  • Utz Maas: Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945. Eintrag zu Hans Reichenbach (abgerufen: 15. April 2018)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rainer Hegselmann, Geo Siegwart: Zur Geschichte der 'Erkenntnis' (PDF) in: Erkenntnis 35 (1991), 461–471
  2. Zur Einführung, in: Rudolf Carnap / Hans Reichenbach (Hrsg.): Erkenntnis 1, Leipzig 1930–31, zugleich „Annalen der Philosophie“, Bd. 9
  3. Elliott Sober: Reichenbach’s cubical universe and the problem of the external world. In: Synthese. 181, 2011, S. 3–21, doi:10.1007/s11229-009-9593-x.
  4. Hans Reichenbach: Elements of Symbolic Logic. Macmillan Co., New York 1947.
  5. Hans Reichenbach: Elements of Symbolic Logic. Macmillan Co., New York 1947.
  6. Martin Becker: Die Ingredienzen des romanischen Imperfekts@1@2Vorlage:Toter Link/uk-online.uni-koeln.de (Seite nicht mehr abrufbar; Suche in Webarchiven) (PDF.) In: Günther Grewendorf, Arnim von Stechow (Hrsg.): Linguistische Berichte. Heft 221. Helmut Buske, Hamburg 2010, ISSN 0024-3930, S. 79–108.
  7. Temporale und modale Bedeutung. In Johannes Dölling: Semantik und Pragmatik. Institut für Linguistik, Universität Leipzig (PDF)
  8. Natascha Pomino: Spanische Verbalflexion: Eine minimalistische Analyse im Rahmen der Distributed Morphology. Bd. 523 Linguistische Arbeiten. Walter de Gruyter, 2008, ISBN 3-484-97056-1, S. 31 f.
  9. siehe hierzu auch Deixis
  10. Rainer Bäuerle: Temporale Deixis, temporale Frage, zum propositionalen Gehalt deklarativer und interrogativer Sätze. Ergebnisse und Methoden moderner Sprachwissenschaft 5, Narr, Tübingen 1979, ISBN 3-87808-305-X
  11. Sebastian Löbner: Ansätze zu einer integralen semantischen Theorie von Tempus, Aspekt und Aktionsarten. (PDF) In: Veronika Ehrich, Heinz Vater, Heinz (Hrsg.): Temporalsemantik. Niemeyer Verlag, Tübingen 1988, S. 163–191
  12. Björn Rothstein: Tempus. Winter, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-8253-5310-0
  13. Saul Traiger: The Hans Reichenbach Correspondence. An Overview in: Philosophy Research Archives. X, (1984) S. 501–511.
  14. Members of the American Academy. Listed by election year, 1900–1949. (PDF) abgerufen am 11. Oktober 2015


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