Bibliothek:Rudolf Steiner/Naturwissenschaft/GA 320 Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik I/Siebenter Vortrag

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SIEBENTER VORTRAG

Stuttgart, 30. Dezember 1919

Wir wollen heute beginnen mit einem Versuch, der noch anknüpfen soll an unsere Betrachtungen über die Farbenlehre. Es ist ja, wie ge sagt, durchaus nur möglich, daß ich Ihnen Improvisiertes, gewisser maßen Aphoristisches in diesen Vorträgen vorbringe. Daher muß ich auch die gewöhnlichen Kategorien, die Sie in den Physikbüchern finden, vermeiden. Ich will nicht sagen, daß es besser wäre, wenn ich diese Kategorien einhalten könnte, allein ich möchte Sie ja zuletzt zu einer bestimmten naturwissenschaftlichen Einsicht führen, und alles dasjenige, was ich vorher vorbringe, betrachten Sie als eine Art Vorbereitung, die nicht so gemacht wird, daß man, wie es sonst üblich ist, in gerader Linie fortschreitet, sondern daß man die Erscheinungen zusammensucht, die man braucht, gewissermaßen einen Kreis schafft und dann nach dem Mittelpunkt vordringt.
Sie haben gesehen, daß wir es zu tun haben, wenn Farben entstehen, mit einem Zusammenwirken von Licht und Finsternis. Nun handelt es sich darum, daß man möglichst viele wirkliche Erscheinungen beobachtet, bevor man sich eine Anschauung bildet über das, was in dieser Wechselwirkung von Licht und Finsternis eigentlich zugrunde liegt. Und da möchte ich Ihnen heute zunächst dieses Phänomen der sogenannten farbigen Schatten vorführen.
Ich werde von zwei Lichtquellen aus, die diese Kerzchen hier dar stellen, durch diesen Stab Ihnen Schatten auf dem Schirm erzeugen, der Ihnen gegenübersteht. Sie sehen zwei Schatten, welche eine deutliche Farbe nicht haben. Sie brauchen nur dasjenige, was hier ist, ordentlich anzuschauen, so werden Sie sich sagen müssen: Der Schatten, den Sie hier rechts sehen, ist natürlich der Schatten, der von dieser Lichtquelle (links) ausgeht und der dadurch entsteht, daß das Licht von dieser Quelle ausgeht und durch den Stab verdeckt wird. Und der Schatten ist derjenige, der entsteht, indem das Licht unserer rechten Lichtquelle verdeckt wird. Wir haben es also hier im Grunde genommen nur zu tun mit der Erzeugung gewisser dunkler Räume.
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Das, was im Schatten liegt, ist eben dunkler Raum. Wenn Sie die Fläche des Schirmes außerhalb der beiden Schattenbänder sich an sehen, so werden Sie sich sagen: Sie wird beleuchtet von den zwei Lichtquellen. So daß wir es also da zu tun haben mit Licht. Ich will nun das eine der Lichter färben, das heißt, ich will es gehen lassen durch eine farbige Glasplatte, so daß das eine der Lichter gefärbt wird. Wir wissen, was da geschieht: Es wird das eine der Lichter abgedunkelt. Aber jetzt sehen Sie, daß durch das Abdunkeln dieser Schatten (rechts), welcher durch den Stab bewirkt wird von meiner linken Lichtquelle aus, deren Licht ich gerade abdunkle und rötlich mache, daß dieser Schatten grün wird. Er wird so grün, wie grün wird - wenn Sie zum Beispiel scharf an eine kleine rote Fläche hinschauen, dann von dieser roten Fläche das Auge abwenden und dann einfach in gerader Richtung nach einer weißen Fläche lenken -, wie grün wird dasjenige, was Sie früher rot gesehen haben, ohne daß etwas da ist, sondern Sie sehen gleichsam die grüne Farbe selber auf die Fläche hin. Wie Sie da sehen die grüne Fläche als ein zeitliches Nachbild der roten Fläche, die Sie früher wirklich gesehen haben, indem Sie das Auge dem Rot exponiert haben, so sehen Sie hier, indem ich die Lichtquelle rot abdunkle, ihren Schatten. Also, was früher bloße Dunkelheit war, sehen Sie jetzt grün. Wenn ich dieselbe Lichtquelle grün abdunkeln werde, beobachten Sie, was dann entsteht! Sie sehen, der Schatten entsteht dann rot. Wenn ich dieselbe Lichtquelle blau abdunkle, so sehen Sie, der Schatten entsteht dann orange; würde ich die Lichtquelle violett abdunkeln, so gäbe es Gelb.
Nun bitte ich Sie, folgendes zu berücksichtigen - gerade dieses Phänomen ist von einer großen Bedeutung. Wenn Sie - ich erwähne das deshalb noch einmal - zum Beispiel irgendwo liegen haben, sagen wir, ein rotes Kissen, das einen weißen Überzug hat, der so gehäkelt ist, daß es da rote Rhomben gibt, und Sie sehen nach diesen roten Rhomben zuerst hin und von da weg auf das Weiße, so sehen Sie dieselbe Gitterung auf dem Weißen grün. Sie ist natürlich nicht dort, aber Ihr Auge übt eine Nachwirkung aus, und diese erzeugt, indem Sie visieren nach dem Weiß, die grünen - wie man sagt - subjektiven Bilder. Nun, Goethe wußte diese letztere Ihnen erwähnte Erscheinung und er kannte
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auch dieses Phänomen der farbigen Schatten. Er sagte sich: Ich dunkle diese Lichtquelle ab, bekomme grün, und nun beschreibt er das in der folgenden Weise: Wenn ich hier die Lichtquelle abdunkle, so wird der ganze weiße Schirm mit einem roten Schein bedeckt und ich sehe dann eigentlich nicht den weißen Schirm, sondern einen roten Schein, ich sehe den Schirm rötlich. Dadurch erzeuge ich, wie bei dem Kissen, mit meinem Auge die Kontrastfarbe Grün, so daß also hier kein wirkliches Grün wäre, sondern es wird nur nebenbei gesehen, weil der Schirm rötlich gefärbt ist. Aber diese Goethesche Anschauung ist falsch. Sie können sich leicht überzeugen, daß sie falsch ist, denn wenn Sie eine kleine Röhre nehmen und durchblicken, so daß Sie, nach der Abdunklung, bloß diesen grünen Streifen ansehen, so sehen Sie ihn auch grün[1]. Sie sehen dann nicht dasjenige, was in der Umgebung ist, sondern Sie sehen nur das objektiv an dieser Stelle vorhandene Grün. Sie können sich dadurch überzeugen, daß das Grün objektiv ist, daß hier abgedunkelt wird und daß Sie dann das Grün ansehen. Es bleibt grün, kann also nicht eine Kontrasterscheinung sein, sondern ist eine objektive Erscheinung. Wir können das jetzt nicht so machen, daß es alle einzeln sehen, aber: Durch zweier Zeugen Mund wird alle Wahrheit kund. Ich werde die Erscheinung hervorrufen und Sie müssen so durchsehen, daß Sie auf das grüne Band hinsehen. Das bleibt grün, nicht wahr? Und ebenso würde die andere Farbe, wenn ich durch Grün Rot erzeugen würde, rot bleiben. In diesem Falle hat Goethe in seine Farbenlehre den Irrtum, dem er sich hingegeben hat, aufgenommen, und der muß natürlich durchaus korrigiert werden.
Ich will zunächst nichts anderes, als daß Sie sich unter den mancherlei Erscheinungen auch bewahren das rein Faktische, das wir jetzt vor geführt haben, daß also ein Grau, das heißt ein Dunkles, das sonst als bloßer Schatten entsteht, dann, wenn wir den Schatten selbst mit Farbe gewissermaßen durchtränken, daß dann in anderer Weise Helligkeit und Dunkelheit zusammenwirken, als wenn ich den Schatten nicht durchtränkte mit einer Farbe. Und wir merken uns, daß hier durch die Abdunkelung des Lichtes mit dem Rot die objektive Erscheinung des Grün hervorgerufen wird. Nun habe ich Sie hingewiesen auf
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dasjenige, was da subjektiv erscheint - wie man sagt, subjektiv. Wir haben eine - wie man sagt - objektive Erscheinung, das Grün, das auf dem Schirme gewissermaßen bleibt, wenn es auch nicht fixiert ist, so lange, als wir die Bedingungen dazu hergestellt haben, und hier etwas, was gewissermaßen subjektiv, von unserem Auge allein abhängig ist. Goethe nennt die grüne Farbe, die dann erscheint, wenn ich eine Zeitlang das Auge der Farbe exponiert habe, die geforderte Farbe, das geforderte Nachbild, das durch die Gegenwirkung selbst hervorgerufen wird.
Nun, hier ist eines streng festzuhalten. Die Unterscheidung des Subjektiven und des Objektiven, zwischen der hier vorübergehend fixierten Farbe und der durch das Auge scheinbar bloß als Nachbild geforderten Farbe, diese Unterscheidung hat in keinem objektiven Tat bestand irgendeine Rechtfertigung. Ich habe es zu tun, indem ich durch mein Auge hier das Rot sehe, einfach mit all den Ihnen beschriebenen physikalischen Apparaten, Glaskörper, Linse, der Flüssigkeit zwischen der Linse und der Hornhaut. Ich habe es mit einem sehr differenzierten physikalischen Apparat zu tun. Dieser physikalische Apparat, der in der mannigfaltigsten Weise Helligkeit und Dunkelheit durcheinandermischt, der steht zu dem objektiv vorhandenen Äther in gar keiner anderen Beziehung als die Apparate, die ich hier auf gestellt habe, der Schirm, die Stange usw. Das eine Mal ist bloß die ganze Vorrichtung, die ganze Maschinerie mein Auge, und ich sehe ein objektives Phänomen durch mein Auge, genau dasselbe objektive Phänomen, das ich hier sehe, nur daß hier das Phänomen bleibt. Wenn ich aber mein Auge mir herrichte durch das Sehen so, daß es nachher in der sogenannten geforderten Farbe wirkt, so stellt sich das Auge in seinen Bedingungen wieder her in den neutralen Zustand. Aber dasjenige, wodurch ich Grün sehe, ist durchaus kein anderer Vorgang, wenn ich sogenannt subjektiv durch das Auge sehe, als wenn ich hier objektiv die Farbe fixiere. Deshalb sagte ich: Sie leben nicht so mit Ihrer Subjektivität, daß der Äther draußen Schwingungen macht und die Wirkung derselben als Farbe zum Ausdruck kommt, sondern Sie schwimmen im Äther, sind eins mit ihm, und es ist nur ein anderer Vorgang, ob Sie eins werden mit dem Äther hier durch die Apparate oder
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durch etwas, was sich in Ihrem Auge selber vollzieht. Es ist kein wirklicher, wesenhafter Unterschied zwischen dem durch die rote Verdunkelung räumlich erzeugten grünen Bild und dem grünen Nachbild, das eben nur zeitlich erscheint; es ist ein - objektiv besehen - greifbarer Unterschied nicht, nur der, daß das eine Mal der Vorgang räumlich, das andere Mal der Vorgang zeitlich ist. Das ist der einzige wesenhafte Unterschied. Die sinngemäße Verfolgung solcher Dinge führt Sie da hin, jenes Entgegenstellen des sogenannten Subjektiven und des Objektiven nicht in der falschen Richtung zu sehen, in der es fortwährend von der neueren Naturwissenschaft gesehen wird, sondern die Sache so zu sehen, wie sie ist, nämlich daß wir das eine Mal eine Vorrichtung haben, durch die wir Farben erzeugen, unser Auge neutral bleibt, das heißt sich neutral macht gegen das Farbenentstehen, also dasjenige, was da ist, mit sich vereinigen kann. Das andere Mal wirkt es selbst als physikalischer Apparat. Ob aber dieser physikalische Apparat hier (außen) ist oder in Ihrer Stirnhöhle drinnen ist, ist einerlei. Wir sind nicht außer den Dingen und projizieren erst die Erscheinungen in den Raum, wir sind durchaus mit unserer Wesenheit in den Dingen und sind um so mehr in den Dingen, als wir aufsteigen von gewissen physikalischen Erscheinungen zu anderen physikalischen Erscheinungen. Kein Unbefangener, der die Farbenerscheinungen durchforscht, kann anders, als sich sagen: Mit unserem gewöhnlichen körperlichen Wesen stecken wir nicht drinnen, sondern mit unserem ätherischen und da durch mit unserem astralischen Wesen.
Wenn wir vom Lichte heruntersteigen zur Wärme, die wir auch wahrnehmen als etwas, was ein Zustand unserer Umgebung ist, der für uns eine Bedeutung gewinnt, wenn wir ihm exponiert sind, so werden wir bald sehen: Es ist eine bedeutsame Modifikation zwischen dem Wahrnehmen des Lichtes und dem Wahrnehmen der Wärme. Für die Lichtwahrnehmung können Sie genau lokalisieren diese Wahrnehmung in dem physikalischen Apparat des Auges, dessen objektive Bedeutung ich eben charakterisiert habe. Für die Wärme, was müssen Sie sich denn da sagen? Wenn Sie wirklich sich fragen: Wie kann ich vergleichen die Beziehung, in der ich zum Lichte stehe, mit der Beziehung, in der ich zur Wärme stehe, so müssen Sie sich auf diese Frage
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antworten: Zum Lichte stehe ich so, daß mein Verhältnis lokalisiert ist gewissermaßen durch mein Auge an einen bestimmten Körperort. Das ist aber bei der Wärme nicht so. Für sie bin ich gewissermaßen ganz Sinnesorgan. Ich bin für sie ganz dasselbe, was für das Licht das Auge ist. So daß wir also sagen können: Von der Wahrnehmung der Wärme können wir nicht im selben lokalisierten Sinne sprechen wie von der Wahrnehmung des Lichtes. Aber gerade, indem wir die Aufmerksamkeit auf so etwas richten, können wir noch auf etwas anderes kommen.
Was nehmen wir denn eigentlich wahr, wenn wir in ein Verhältnis treten zu dem Wärmezustand unserer Umgebung? Ja, da nehmen wir eigentlich dieses Schwimmen in dem Wärmeelement unserer Umgebung sehr deutlich wahr. Nur: Was schwimmt denn? Bitte, beantworten Sie sich diese Frage, was da eigentlich schwimmt, wenn Sie in der Wärme Ihrer Umgebung schwimmen. Nehmen Sie folgendes Experiment. Sie füllen einen Trog mit einer mäßig warmen Flüssigkeit, mit mäßig warmem Wasser, mit einem Wasser, das Sie als lauwarm empfinden, wenn Sie beide Hände hineinstecken - nicht lange hineinstecken, Sie probieren das nur. Dann machen Sie folgendes: Sie stecken zuerst die linke Hand in möglichst warmes Wasser, wie Sie es gerade noch ertragen können, dann die rechte Hand in möglichst kaltes Wasser, wie Sie es auch gerade noch ertragen können, und dann stecken Sie rasch die linke und die rechte Hand in das lauwarme Wasser. Sie werden sehen, daß der rechten Hand das lauwarme Wasser sehr warm vorkommt und der linken sehr kalt. Die heißgewordene Hand von links fühlt dasselbe als Kälte, was die kaltgewordene Hand von rechts als Wärme fühlt. Vorher fühlten Sie eine gleichmäßige Lauigkeit. Was ist denn das eigentlich? Ihre eigene Wärme, die schwimmt und verursacht, daß Sie die Differenz zwischen ihr und der Umgebung fühlen. Dasjenige, was von Ihnen schwimmt in dem Wärmeelement Ihrer Umgebung, was ist es denn? Es ist Ihr eigener Wärmezustand, der durch Ihren organischen Prozeß herbeigeführt wird, der ist nicht etwas Unbewußtes, in dem lebt Ihr Bewußtsein. Sie leben innerhalb Ihrer Haut in der Wärme, und je nachdem diese ist, setzen Sie sich auseinander mit dem Wärmeelement Ihrer Umgebung.
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In diesem schwimmt Ihre eigene Körperwärme. Ihr Wärmeorganismus schwimmt in der Umgebung.
Denken Sie sich solche Dinge durch, dann geraten Sie ganz anders in die Nähe der wirklichen Naturvorgänge als durch dasjenige, was Ihnen die heute ganz verabstrahierte und aus aller Realität heraus-gezogene Physik bieten kann.
Nun gehen wir aber noch weiter hinunter. Wir haben gesehen, wenn wir unseren eigenen Wärmezustand erleben, dann können wir sagen, daß wir ihn dadurch erleben, daß wir mit ihm schwimmen in unserer Wärmeumgebung, also entweder, daß wir wärmer sind als unsere Umgebung und es empfinden als uns aussaugend - wenn die Umgebung kalt ist -, oder wenn wir kälter sind, es empfinden, als ob uns die Umgebung etwas gibt. Das wird nun ganz anders, wenn wir in einem anderen Elemente leben. Sehen Sie, wir können also in dem leben, was dem Licht zugrunde liegt. Wir schwimmen im Lichtelement. Wir haben jetzt durchgeführt, wie wir im Wärmeelement schwimmen. Wir können aber auch im Luftelement schwimmen, das wir eigentlich fortwährend in uns haben. Wir sind ja in sehr geringem Maße ein fester Körper, wir sind eigentlich nur zu ein paar Prozent ein fester Körper als Mensch, wir sind eigentlich über 90 Prozent eine Wassersäule, und Wasser ist eigentlich, insbesondere in uns, nur ein Mittel-zustand zwischen dem luftförmigen und dem festen Zustande. Wir können uns durchaus in dem luftartigen Element selber erleben, so wie wir uns im wärmeartigen Element erleben, das heißt, unser Bewußtsein steigt effektiv hinunter in das luftartige Element. Wie es in das Lichtelement steigt und in das Wärmeelement, so steigt es in das Luftelement. Indem es aber in das Luftelement steigt, kann es sich wiederum auseinandersetzen mit demjenigen, was in der Luftumgebung geschieht, und diese Auseinandersetzung ist dasjenige, was in der Erscheinung des Schalls, des Tones, zum Vorschein kommt. Sie sehen, wir müssen gewisse Schichten unseres Bewußtseins unterscheiden. Wir leben mit einer ganz anderen Schichte unseres Bewußtseins mit dem Lichtelement, indem wir selber teilnehmen an ihm, wir leben mit einer anderen Schichte unseres Bewußtseins im Wärmeelement, indem wir selber teilnehmen an ihm, und wir leben in einer anderen Schichte unseres
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Bewußtseins im Luftelement, indem wir selber teilnehmen an ihm. Wir leben, indem unser Bewußtsein imstande ist, hinunterzutauchen in das gasige, luftförmige Element, wir leben in dem luftförmigen Element unserer Umgebung und können uns dadurch fähig machen, Schallerscheinungen wahrzunehmen, Töne wahrzunehmen. Gerade so, wie wir selbst mit unserem Bewußtsein teilnehmen müssen an den Lichterscheinungen, damit wir in den Lichterscheinungen unserer Umgebung schwimmen können, wie wir teilnehmen müssen am Wärmeelement, damit wir in ihm schwimmen können, so müssen wir auch teilnehmen an dem Luftigen, wir müssen selber in uns differenziert etwas Luftiges haben, damit wir das äußere, meinetwegen durch eine Pfeife, eine Trommel, eine Violine differenzierte Luftige wahrnehmen können.
In dieser Beziehung ist unser Organismus etwas außerordentlich interessant sich Darbietendes. Wir atmen die Luft aus - unser Atmungsprozeß besteht ja darinnen, daß wir Luft ausatmen und Luft wieder einatmen. Indem wir Luft ausatmen, treiben wir unser Zwerchfell in die Höhe. Das ist aber mit einer Entlastung unseres ganzen organischen Systems unter dem Zwerchfell in Verbindung. Dadurch wird gewissermaßen, weil wir das Zwerchfell nach oben bringen beim Ausatmen und unser organisches System unter dem Zwerchfell entlastet wird, das Gehirnwasser, in dem das Gehirn schwimmt, nach abwärts getrieben, dieses Gehirnwasser, das aber nichts anderes ist als eine etwas verdichtete Modifikation, möchte ich sagen, der Luft, denn in Wahrheit ist es die ausgeatmete Luft, die das bewirkt. Wenn ich wieder einatme, wird das Gehirnwasser nach aufwärts getrieben, und ich lebe fortwährend, indem ich atme, in diesem von oben nach unten und von unten nach oben sich vollziehenden Schwingen des Gehirnwassers, das ein deutliches Abbild meines ganzen Atmungsprozesses ist. Lebe ich mit meinem Bewußtsein da durch, daß teilnimmt mein Organismus an diesen Oszillationen des Atmungsprozesses, dann ist das eine innerliche Differenzierung im Erleben eines Luftwahrnehmens, und ich stehe eigentlich fortwährend durch diesen Vorgang, den ich nur etwas grob geschildert habe, in einem Lebensrhythmus darinnen, der in seiner Entstehung und in
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seinem Verlauf in Differenzierung der Luft besteht. Dasjenige, was da innerlich entsteht - natürlich nicht so grob, sondern in mannigfaltiger Weise differenziert, so daß dieses Auf- und Abschwingen der rhythmischen Kräfte, die ich gekennzeichnet habe, selber etwas ist wie ein komplizierter, fortwährend entstehender und vergehender Schwingungsorganismus -, diesen innerlichen Schwingungsorganismus, den bringen wir in unserem Ohre zum Zusammenstoßen mit demjenigen, was von außen, sagen wir, wenn eine Saite angeschlagen wird, an uns tönt. Und gerade so, wie Sie den Wärmezustand Ihrer eigenen Hand, wenn Sie sie ins lauwarme Wasser hineinheben, wahrnehmen durch die Differenz zwischen der Wärme Ihrer Hand und der Wärme des Wassers, so nehmen Sie wahr den entsprechenden Ton oder Schall durch das Gegeneinanderwirken Ihres inneren, so wunder bar gebauten Musikinstrumentes mit demjenigen, was äußerlich in der Luft als Töne, als Schall, zum Vorschein kommt. Das Ohr ist gewisser maßen nur die Brücke, durch die Ihre innere Leier des Apollo sich aus gleicht in einem Verhältnis mit demjenigen, was von außen an differenzierter Luftbewegung an Sie herantritt. Sie sehen, der wirkliche Vorgang - wenn ich ihn real schildere -, der wirkliche Vorgang beim Hören, nämlich beim Hören des differenzierten Schalles, des Tones, der ist von jener Abstraktion weit verschieden, wo man sagt: Draußen, da wirkt etwas, das affiziert mein Ohr. Die Affektion des Ohres wird als eine Wirkung auf mein subjektives Wesen wahrgenommen, das man wiederum - ja, mit welcher Terminologie auch? - beschreibt oder eigentlich nicht beschreibt. Man kommt nicht weiter, wenn man klar ausdenken will, was da eigentlich immer als Idee zugrunde gelegt wird. Man kann gewisse Dinge, die gewöhnlich angeschlagen werden, nicht zu Ende denken, weil diese Physik weit entfernt ist, einfach auf die Tatsachen einzugehen.
Sie haben tatsächlich drei Stufen vor sich der Beziehungen des Menschen zur Außenwelt, ich möchte sagen: die Lichtstufe, die Wärme-stufe, die Ton- oder Schallstufe. Aber sehen Sie, da liegt etwas sehr Eigentümliches noch vor. Wenn Sie unbefangen Ihr Verhältnis, das heißt Ihr Schwimmen im Lichtelement betrachten, dann müssen Sie sich sagen: Sie können selbst nur als Ätherorganismus in demjenigen,
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was da draußen in der Welt vor sich geht, leben. Indem Sie im Wärmeelement leben, leben Sie mit Ihrem ganzen Organismus im Wärmeelement Ihrer Umgebung darinnen. Jetzt lenken Sie den Blick von diesem Drinnenleben herunter bis zum Drinnenleben im Ton- und Schallelement, dann leben Sie eigentlich, indem Sie selbst zum Luftorganismus werden, in der differenziert gestalteten äußeren Luft darinnen. Das heißt, nicht mehr im Äther, sondern eigentlich schon in der äußeren physikalischen Materie, in der Luft leben Sie da drinnen. Daher ist das Leben im Wärmeelement eine ganz bedeutsame Grenze. Gewisser maßen bedeutet das Wärmeelement, das Leben in ihm, für Ihr Bewußtsein ein Niveau. Dieses Niveau können Sie auch sehr deutlich
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dadurch wahrnehmen, daß Sie ja schließlich äußere und innere Wärme in der reinen Empfindung kaum unterscheiden können. Aber das Leben im Lichtelement liegt über diesem Niveau. Sie steigen gewisser maßen in eine höhere ätherische Sphäre hinauf, um mit Ihrem Bewußtsein drinnen zu leben. Und Sie dringen unter jenes Niveau, wo Sie mit der Außenwelt in verhältnismäßig einfacher Weise sich ausgleichen, hinunter, indem Sie als Luftmensch sich mit der Luft auseinander setzen in den Ton- oder Schallwahrnehmungen.
Wenn Sie alles das zusammenhalten, was ich jetzt gezeigt habe, mit demjenigen, was ich über die Anatomie und Physiologie gesagt habe, so können Sie nicht anders, als das Auge als physikalischen Apparat auffassen. Je weiter nach außen Sie gehen, desto physischer finden Sie das Auge, je mehr nach innen, desto mehr von Vitalität durchzogen. Wir haben also ein in uns lokalisiertes Organ, um uns über ein gewisses Niveau zu erheben. Wir leben dann auf einem gewissen Niveau auf gleich und gleich mit der Umgebung, indem wir mit unserer
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Wärme ihr entgegentreten und die Differenz irgendwo wahrnehmen. Da haben wir kein so spezialisiertes Organ als das Auge, da werden wir selbst in gewisser Weise ganz zum Sinnesorgan. Jetzt tauchen wir unter dieses Niveau hinunter. Wo wir Luftmensch werden, wo wir uns auseinandersetzen mit der differenzierten äußeren Luft, da lokalisiert sich wiederum diese Auseinandersetzung, da lokalisiert sich etwas zwischen dem, was in uns vorgeht, dieser Leier des Apollo, dieser Rhythmisierung unseres Organismus, die nur nachgebildet ist in der Rhythmisierung des Rückenmarkwassers, und der äußeren Luft. Was da vorgeht, ist durch eine Brücke verbunden. Da ist also wieder um solch eine Lokalisation, aber jetzt unter dem Niveau, wie wir im Auge eine solche Lokalisation über dem Niveau haben.
Sehen Sie, unsere Psychologie, die ist eigentlich in einer noch schlimmeren Lage als unsere Physiologie und unsere Physik, und man kann es eigentlich den Physikern nicht sehr krumm nehmen, daß sie sich so unrealistisch ausdrücken über das, was in der Außenwelt ist, weil sie gar nicht unterstützt werden von den Psychologen. Die Psychologen sind dressiert worden von den Kirchen, die in Anspruch genommen haben alles Wissen über Seele und Geist. Daher hat diese Dressur, die die Psychologen angenommen haben, sie dazu geführt, eigentlich nur den äußeren Apparat als den Menschen zu betrachten und die Seele und den Geist nur noch in Wortklängen, in Phrasen zu haben. Unsere Psychologie ist eigentlich nur eine Sammlung von Worten. Denn was sich die Menschen eigentlich vorstellen sollen bei «Seele» und «Geist», darüber gibt es eigentlich nichts, und so kommt es, daß es den Physikern vorkommt, wenn draußen Licht wirkt, so affiziert es das Auge, das Auge übt eine Gegenwirkung aus oder aber es empfängt einen Eindruck, und das ist ein inneres, subjektives Er leben. Da beginnen dann ganze Knäuel von Unklarheiten. Und in ganz ähnlicher Weise, sagen es die Physiker nach, ist es bei den anderen Sinnesorganen. Wenn Sie heute eine Psychologie durchlesen, so finden Sie darinnen eine Sinneslehre. Von Sinn wird gesprochen, vom allgemeinen Sinn, als ob es so etwas gäbe. Man versuche nur zu studieren das Auge. Es ist etwas ganz anderes als das Ohr. Ich habe Ihnen das gekennzeichnet, das Liegen unter und über dem Niveau. Auge und
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Ohr sind ganz verschiedenartig innerlich gebildete Organe, und das ist es, worauf in bedeutsamer Weise Rücksicht genommen werden muß.
Bleiben wir hier einmal stehen, überlegen Sie sich das, und morgen wollen wir von diesem Punkte aus über die Schallehre, die Tonlehre sprechen, damit Sie von dort aus wiederum die anderen physikalischen Gebiete erobern können.
Ich möchte Ihnen heute nur noch eines vorführen. Das ist das, was man in gewisser Beziehung das Glanzstück der modernen Physik nennen kann, was in gewisser Beziehung auch ein Glanzstück ist. Sehen Sie, wenn Sie einfach mit dem Finger über eine Fläche streichen, also einen Druck ausüben durch Ihre eigene Anstrengung, so wird die Fläche warm. Sie erzeugen dadurch, daß Sie einen Druck ausgeübt haben, Wärme. Man kann nun dadurch, daß man objektive mechanische Vorgänge hervorruft, ausgesprochen mechanische Vorgänge, wiederum Wärme erzeugen, und wir haben als eine weitere Grundlage für dasjenige, was wir dann morgen weiter betrachten wollen, diesen Apparat improvisiert. Wenn Sie jetzt sehen würden, wie hoch das Thermometer steht in diesem Apparat, so bekommen Sie heraus am Thermometerstand 16° und etwas. Nun haben wir in diesem Gefäße darinnen Wasser und in diesem Wasserkörper darinnen ein Schwung-rad, eine Trommel, die wir in rasche Drehung versetzen, so daß diese eine mechanische Arbeit leistet, im Wasser die Teile ordentlich durch einanderwirft, das Wasser aufschaufelt, und wir werden nach einiger Zeit das Thermometer wieder anschauen. Sie werden dann sehen, daß es gestiegen ist, daß also durch bloß mechanische Arbeit das Wasser an Wärme zugenommen hat, das heißt, es wird durch mechanische Arbeit Wärme produziert. Das hat man dann verarbeitet, zuerst in rechnungsmäßiger Weise, nachdem besonders Julius Robert Majer darauf aufmerksam gemacht hatte. Julius Robert Mayer hat es selbst verarbeitet zu dem sogenannten mechanischen Wärme-Äquivalent. Hätte man es in seinem Sinne ausgebaut, so hätte man damit nichts anderes gesagt, als daß eine bestimmte Zahl der Ausdruck ist für das, was man an der Wärme messen kann durch mechanische Arbeit und umgekehrt. Das aber ist dann in einer übersinnlichen, metaphysischen Weise ausge¬wertet worden, indem man gesagt hat: Also, wenn ein konstantes Verhältnis
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besteht zwischen der geleisteten Arbeit und der Wärme, so ist dies einfach umgewandelte Arbeit - umgewandelte! -, während man mit nichts anderem zunächst zu tun hatte als mit dem zahlenmäßigen Ausdruck des Zusammenhangs zwischen der mechanischen Arbeit und der Wärme.

Hinweise

  1. „Die Nachprüfung dieses Versuches mit dem Rohr führte schon bald zu einem negativen Ergebnis. Dadurch veranlaßt, kam es zu zwei Experimentalabenden Rudolf Steiners zusammen mit vier bzw. drei andern Teilnehmern in Dornach im Herbst 1922. Der farbige Schatten erschien durch das Rohr oder abgewandelte Einrichtungen oft mit einer schwachen Farbnuance, aber meistens derjenigen der farbigen Beleuchtung.
    Vom Schluß des zweiten Abends gibt einer der Teilnehmer, V. C. Bennie, folgende Darstellung: Nahe einer Wand hing ein Seil herab, davor brannte noch eine rote Lampe, so daß der Schatten des Seils, von der gewöhnlichen Beleuchtung des Raumes erhellt, intensiv grün erschien. Darauf machte einer der Teilnehmer aufmerksam. Rudolf Steiner betrachtete den Schatten etwa eine halbe Minute und sagte dann: Dieses Grün ist nur im ganzen Zusammenhang vorhanden. Es ist selbstverständlich «subjektiv», wie man sagt. Hier (Rot) hat man zu viel, hier (Grün) zu wenig. Das mit dem Rohr ist Unsinn. Goethe hat recht. Die Stelle wird korrigiert, darauf können Sie sich verlassen. (Mit Lächeln): Mir liegt nicht daran, Goethes Farbenlehre zu widersprechen.
    Nach anderen Aussagen sprach Rudolf Steiner einmal davon, die Farbwirkung im Schatten auf chemischem Wege nachzuweisen. Nicht bekannt ist, ob diese Absicht vor oder nach den Versuchen vom Herbst 1922 bestand.
    Im obigen Zusammenhang, aber auch im Vortrag, ist von «subjektiv» mit dem Zusatz «wie man sagt» die Rede. Erst in den anschließenden Ausführungen des Vortrages rückt Rudolf Steiner diese Begriffe in seinem Sinn zurecht. Vgl. das Diskussionsvotum S. 20-21 und den Schluß des Vortrages vom 8. Mai 1921 in «Über das Wesen der Farben», Stuttgart 1959 (GA 291).“ (Lit.: GA 320 (1964), S 197f)

    In GA 291 heißt es:

    "Die Physik soll es bei dem bloßen im Raume Vorhandenen des Lichtes lassen. Das Betrachten des Farbigen kann überhaupt nicht geschehen, ohne in das Seelische heraufgehoben zu werden. Denn es ist eine bloße törichte Rederei, wenn man sagt, das Farbige sei lediglich ein Subjektives. Und wenn man namentlich dann etwa dazu übergeht zu sagen - wobei man sich vom Ich nichts Genaues vorstellt -, draußen wäre irgendeine objektive Veranlassung, und die wirke auf uns, auf unser Ich - - Unsinn ist es; das Ich selber ist in der Farbe drinnen. Es sind das Ich und auch der menschliche Astralleib gar nicht von dem Farbigen zu unterscheiden, sie leben in dem Farbigen und sind insoferne außer dem physischen Leib des Menschen, als sie mit dem Farbigen draußen verbunden sind; und das Ich und der astralische Leib, sie bilden im physischen Leibe und im Ätherleibe die Farben erst ab. Das ist es, worauf es ankommt. So daß die ganze Frage nach der Wirkung eines Objektiven des Farbigen auf ein Subjektives ein Unsinn ist; denn in der Farbe drinnen liegt schon das, was Ich, was astralischer Leib ist, und mit der Farbe herein kommt das Ich und der astralische Leib. Die Farbe ist der Träger des Ichs und des astralischen Leibs in den physischen und in den Ätherleib hinein. So daß die ganze Betrachtungsweise einfach umgekehrt und umgewendet werden muß, wenn man zu der Realität vordringen will.

    Was da also hineingekrochen ist in die Physik, und was die Physik mit ihren Strichen und Linien umfängt, das muß wieder heraus. Es müßte geradezu zunächst einmal eine Periode eintreten, wo man es ver schmäht, überhaupt zu zeichnen, wenn man in der Physik von der Farbe spricht, wo man versuchen soll, die Farbe in ihrem Fluktuieren, in ihrem Leben zu erfassen." (Lit.: GA 291, S 59f)

    Später findet sich in den Hinweisen der Gesamtausgabe noch eine etwas andere Darstellung:

    "Dieser Versuch wurde von V. C. Bennie, damals Dozent für Physik am Kings College der Universität London, wiederholt angestellt, nachdem er 1921 die Nachschrift des Kurses durch Rudolf Steiner erhalten hatte. Immer mit negativem Ergebnis. Dadurch veranlaßt, kam es zu zwei Experimentalabenden in Dornach Ende September 1922. Rudolf Steiner hatte gewünscht dabeizusein. Die anderen Mitwirkenden waren Dr. Ernst Blümel, Mathematiker, V. C. Bennie und Dr. Oskar Schmiedel, Pharmazeut und Leiter von Kursen über Goethes Farbenlehre. Am ersten Abend war auch Dr. W. J. Stein beteiligt. Die beiden Abende führten zu keiner Bestätigung des Experimentes mit dem Rohr. Im übrigen wird das Ergebnis von den Teilnehmern verschieden überliefert. Worauf es hier aber ankommt, scheint an den beiden Abenden gar nicht zur Sprache gekommen zu sein, nämlich die durch Dr. Blümel überlieferte Absicht Rudolf Steiners, die Objektivität der Farbe im Schatten auf fotografischem oder chemischem Wege im Stuttgarter Forschungsinstitut nachzuweisen. Von solchen Versuchen des damaligen Forschungsinstituts ist aber nichts bekannt, sicher nicht von positiven Ergebnissen. Später, als die erste Auflage des Kurses in der Gesamtausgabe erscheinen sollte, lagen fotografische Versuche mit negativem Ergebnis vor: Trotz des Fortschrittes der Farbfotografie seit der Zeit Rudolf Steiners war in den Aufnahmen des farbigen Schattens die Farbe nicht fixiert. Das Gesamtbild zeigte zwar den Schatten in der geforderten Farbe, aber ausgeschnitten erschien er grau. Das ist heute anders. Es ergeben sich fixierte Farben, sogar ohne besondere Veranstaltungen. - Ausgangspunkt neuer Versuche war eine Aufnahme, welche der Berufsfotograf und Erarbeiter von Goethes Farbenlehre, Hans-Georg Hetzel, von einem Experiment des farbigen Schattens im Goethe-Farbstudio, Dornach, machen konnte. Sie zeigte außer der gewohnten Dreiheit von fordernder Farbe, farbigem Schatten und aufgehellter Farbe des Umfeldes, im Vordergrund noch eine kleine technische Grauskala. Diese erschienen trotz der intensiven Farbe des Schattens grau, auf derselben Aufnahme! Heute liegen von Hans-Georg Hetzel reproduzierbare Serienaufnahmen verschiedenfarbiger Schatten vor, jede Serie auf denselben Film aufgenommen und zur Kontrolle ergänzt durch dazwischengeschaltete Aufnahmen eines grauen Schattens. Es handelt sich um Dia-Filme. Jeder Film ist gewerbsmäßig in einem Automaten entwickelt als einer unter vielen Kundenaufträgen. Damit sind die verschiedenen Farben einer Serie in ein und demselben Entwicklungsprozeß hervorgebracht. Auch die Aufnahmen sind ganz undifferenziert erfolgt, alle mit derselben Farbfolie vor dem Objektiv, der Folie, welche der Farbtemperaturmesser für die Aufnahme von Grau angezeigt hat. Dadurch wird erreicht, daß Grau wirklich grau wird. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, fällt dennoch eine Entscheidung: Entweder es erscheinen alle farbigen Schatten gleich wie Grau, dann könnten die Farben der Schatten subjektiv sein; oder die Schatten erscheinen anders als das Grau, dann liegt in ihrem Räume eine besondere Wirksamkeit vor. Daß letzteres zutrifft, zeigt schon die Polaroidkamera mit ihrem besonderen Farbprozeß. Sie macht die farbigen Schatten stark grünstichig, nicht gleich wie den grauen. Es kann keine Rede davon sein, daß die farbigen Schatten gleich wie die grauen herauskommen. Ginge es nur um subjektiv oder objektiv, könnte es dabei sein Bewenden haben. Will man aber möglichst nahe an die wahren Farben der Schatten herankommen, ist natürlich notwendig, daß Grau grau wird. Beschreiben wir die bis jetzt beste der gewonnenen Serien: Grau ist ein schönes Mausgrau. Der blaue Schatten erscheint grau mit höchstens einem Hauch von Blau. Die anderen Schatten sind entschiedener farbig, alle braunstichig, gegen welche Farbe die geforderte sich nur in einer Nuance ankündigt. Auch Grün kommt entschieden anders als Grau heraus, aber in einem schwer zu beurteilenden Farbton, der meistens als bräunlich bezeichnet wird. Die im automatischen Verfahren vergrößert auf Papier kopierte Serie zeigt Blau und Grau gleich, und im übrigen dominiert der Braunton so, daß die anderen Nuancen untergehen. - Es ist schon angedeutet, daß die Sorte des Films eine große Rolle spielt. Interessanterweise ist aber auch die Art der Beleuchtung von Bedeutung. Diffuses Licht (z.B. Bühnenlampen) gibt bessere Farben als streng fokussiertes Licht. - Einzelaufnahmen von farbigen Schatten sind mit sehr schöner, fixierter Farbe erhalten worden. Sie werden aber schön durch besondere Behandlung der einzelnen Aufnahme. Damit kommt ihnen nicht dieselbe Beweiskraft zu. Beweiskräftig ist allerdings jede Aufnahme, welche nur aus Maßnahmen hervorgeht, die routinemäßig auch für die Aufnahme gewöhnlicher Farben getroffen werden, zeigt sie doch, daß der fotografische Prozeß, der ja für gewöhnliche Farben entwickelt worden ist, auch auf die farbigen Schatten reagiert. Mehr soll hier nicht behauptet werden. Zum Ganzen des farbigen Schattens vgl. man G. Ott und H. O. Proskauer, «Das Rätsel des farbigen Schattens», Basel 1979. - Eine Serie der oben erwähnten Aufnahmen befindet sich im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach. Näheres über die Versuche ist ausgeführt in den «Beiträgen zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe», Heft Nr. 97, Michaeli 1987." (Lit.: GA 320 (1987), S 197f)