Umstülpung und Augustinus von Hippo: Unterschied zwischen den Seiten

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Das Prinzip der '''Umstülpung''', zusammen mit dem Konzept von [[Raum]] und [[Gegenraum]], ist unerlässlich für ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge zwischen [[Physische Welt|physischer]] und [[Geistige Welt|geistiger Welt]] und insbesondere für die [[Gestalt]]ung des [[mensch]]lichen [[Organismus]] durch die [[ätherisch]]en [[Universalkräfte]].
[[Datei:AugustineLateran.jpg|mini|Die älteste bekannte Darstellung von [[Augustinus]] ([[Wikipedia:Lateran|Lateran]]basilika, 6. Jahrhundert)]]
[[Datei:Saint Augustine Portrait.jpg|thumb|[[Wikipedia:Sandro Botticelli|Sandro Botticelli]], Augustinus am Schreibpult, um 1480, Florenz]]
'''Augustinus von Hippo''', auch ''Augustinus von Thagaste'', ''Augustin'' oder fälschlich ''Aurelius Augustinus'' genannt (* [[Wikipedia:13. November|13. November]] [[Wikipedia:354|354]] in Thagaste, auch: Tagaste, in [[Wikipedia:Numidien|Numidien]], heute [[Wikipedia:Souq Ahras|Souk Ahras]] in [[Wikipedia:Algerien|Algerien]]; † [[Wikipedia:28. August|28. August]] [[Wikipedia:430|430]] in [[Wikipedia:Hippo Regius|Hippo Regius]] in Numidien, heute [[Wikipedia:Annaba|Annaba]] in Algerien) war ein [[christlich]]er [[Philosoph]] und einer der vier [[Wikipedia:Lateinische Kirche|lateinischen]] [[Wikipedia:Kirchenlehrer|Kirchenlehrer]] der [[Wikipedia:Spätantike|Spätantike]].  


<div style="margin-left:20px">
== Leben ==
"Das ist dasjenige, was ich Ihnen heute sagen wollte, meine lieben
 
Freunde, über die ganz andersartige Erfahrung, die wir haben, wenn
Augustinus Mutter [[Wikipedia:Hl. Monika|Monica]] war Christin, sein Vater Patricius, ein kleiner Landeigentümer, ließ sich erst kurz vor seinem Tod [[Wikipedia:372|372]] taufen. Von der Mutter wurde Augustinus christlich erzogen, sie ließ ihn aber nicht taufen, da die Kindertaufe damals noch nicht üblich war. Bis [[Wikipedia:370|370]] ging Augustinus in Thagaste zur Schule und studierte ab [[Wikipedia:371|371]] [[Rhetorik|Rhetorik]] in [[Wikipedia:Karthago|Karthago]]. 372 gebar seine Lebensgefährtin, mit der er im ehelosen Stand zusammen lebte, den gemeinsamen Sohn [[Wikipedia:Adeodatus|Adeodatus]] („Der von Gott Gegebene“).
wir in der geistigen Welt sind, als hier in der physischen. Und doch
 
wiederum hängen die Dinge zusammen. Aber sie hängen so zusammen,
[[Wikipedia:373|373]] wandte sich Augustinus zunächst dem [[Manichäismus]] zu und wirkte ab [[Wikipedia:375|375]] als [[Wikipedia:Rhetor|Rhetor]] in Thagaste, später in Karthago, [[Wikipedia:Rom|Rom]] und [[Wikipedia:Mailand|Mailand]] und pflegte, wie er in seinen [[Wikipedia:Confessiones|Confessiones]] bekannte, einen ausschweifenden Lebenswandel. [[Wikipedia:380|380]] wurde das Christentum von [[Wikipedia:Theodosius I.|Theodosius I.]] als [[Wikipedia:Staatsreligion|Staatsreligion]] proklamiert. [[Wikipedia:383|383]] verlief Augustinus Begegnung mit dem Manichäerbischof [[Faustus von Mileve]] enttäuschend. [[Wikipedia:384|384]] wurde Augustinus als [[Rhetorik]]lehrer nach Mailand berufen. Dort lernte er durch [[Wikipedia:Bischof|Bischof]] [[Wikipedia:Ambrosius von Mailand|Ambrosius von Mailand]] die [[platon]]ische [[Bibel]]auslegung kennen. Auf Drängen seiner Mutter, die eine standesgemäße Verlobung mit einem christlichen Mädchen aus wohlhabender Familie arrangiert hatte, verließ Augustinus [[Wikipedia:385|385]] seine langjährige Lebensgefährtin, die nach Afrika zurückkehrte, während der gemeinsame Sohn Adeodatus bei Augustinus verblieb. Nach seinem Bekehrungserlebnis unter einem [[Feigenbaum]] ließ sich Augustinus [[Wikipedia:387|387]] taufen.
daß wir ganz umgestülpt sind. Wenn wir hier den Menschen so umstülpen
 
könnten, daß wir sein Inneres nach außen wenden würden,
{{Zitat|Als aber eine tiefe Betrachtung aus geheimem Grunde all mein Elend hervorzog und vor dem
daß also zum Beispiel das Innere, das Herz dann die Oberfläche des
Angesichte meines Herzens sammelte, da brach ein gewaltiger Gewittersturm, den Tränen in
Menschen wäre - er würde dabei nicht leben bleiben als physischer
Strömen begleiteten, in mir los. Ihm freien Lauf zu lassen, erhob ich mich und ging hinweg von
Mensch, das können Sie ja glauben -, aber wenn man ihn umstülpen
Alypius; denn die Einsamkeit erschien mir geeigneter, um mich ausweinen zu können; ich ging
könnte, im Herzen innerlich anfassen und ihn so wie einen Handschuh
hinweg, so weit, daß mich seine Gegenwart nicht mehr zu stören vermochte. So war ich damals
umstülpen, dann bliebe er nicht ein solcher Mensch, wie er hier
und jener fühlte mit mir. Ich glaube auch, daß ich schon etwas gesagt hatte, wobei der
ist, dann vergrößerte er sich zu einem Universum. Denn wenn man sich
tränenschwere Ton meiner Stimme stockte, und so erhob ich mich denn. Er blieb, wo wir uns
in einen Punkt, ins Herz hinein konzentriert und dann die Fähigkeit
niedergesetzt hatten, zurück, von Staunen erfüllt. Ich aber warf mich am Stamme eines
hat, im Geiste sich selber umzustülpen, dann wird man diese Welt, die
Feigenbaumes nieder und ließ meinen Tränen freien Lauf, und der Quell des Auges strömte
man sonst erlebt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Das ist
hervor, ein Opfer, das du gern empfingst, und ich sprach, zwar nicht mit denselben Worten, aber
das Geheimnis des menschlichen Inneren, welches nur in der physischen
doch in dein Sinne, vieles zu dir: Du, o Herr, wie so lange? Wie lange, Herr, wirst du zürnen?
Welt nicht nach außen gestülpt werden kann. Aber das menschliche
Sei nicht eingedenk unserer vorigen Missetat. Denn von ihr fühlte ich mich gefesselt und stöhnte
Herz ist eine umgestülpte Welt auch, und so hängt wiederum
laut in kläglichem Jammer. Wie lange? Wie lange? Morgen und immer wieder morgen? Warum
zusammen die physische Erdenwelt mit der geistigen Welt. Wir müssen
nicht jetzt, weshalb setzt nicht diese Stunde meiner Schande ihr Ziel?
uns gewöhnen an dieses Umstülpen. Wenn wir uns nicht daran gewöhnen,
 
so bekommen wir nie eine richtige Vorstellung von dem, wie
So sprach ich und weinte bitterlich in der Zerknirschung meines Herzens. Und siehe, da hörte ich
sich eigentlich die hiesige physische Welt zu der geistigen Welt verhält." {{Lit|GA 214, S 157}}
eine Stimme aus einem benachbarten Hause in singendem Tone sagen, ein Knabe oder ein
</div>
Mädchen war es: Nimm und lies! Nimm und lies! Ich entfärbte mich und sann nach, ob vielleicht
Kinder in irgendeinem Spiele dergleichen Worte zu singen pflegen, konnte mich aber nicht
erinnern, jemals davon gehört zu haben. Da drängte ich meine Tränen zurück, stand auf und
legte die gehörten Worte nicht anders, als daß ein göttlicher Befehl mir die heilige Schrift zu
öffnen heiße und daß ich das erste Kapitel, auf welches mein Auge fallen würde, lesen sollte.
Denn ich hatte von Antonius gehört, daß er beim Vorlesen des Evangeliums in der Kirche, zu
dem er zufällig gekommen war, das Wort, das da vorgelesen wurde, als eine Ermahnung auf sich
bezog: Gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz
im Himmel haben, und komm und folge mir nach. Durch solche Gottesstimme sei er sogleich
bekehrt worden. Und so kehrte ich eiligst zu dem Orte zurück, wo Alypius saß und wo ich bei
meinem Weggehen die Schriften des Apostels Paulus zurückgelassen hatte. ich ergriff das Buch,
öffnete es und las still für mich den Abschnitt, der mir zuerst in die Augen fiel: Nicht in Fressen
und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den
Herrn Jesum Christum und wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde. Ich las nicht
weiter, es war wahrlich nicht nötig, denn alsbald am Ende dieser Worte kam das Licht des
Friedens über mein Herz und die Nacht des Zweifels entfloh.|Augustinus|''[[Wikipedia:Confessiones|Confessiones]]'' 8,12| ref=<ref>Augustinus, Otto F. Lachmann (Übers.): ''Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus'', Reclam Verlag, Leipzig 1920</ref>}}
 
[[Wikipedia:395|395]] wurde Augustinus zum [[Wikipedia:Bischof|Bischof]] von Hippo Regius bestellt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod aus.
 
== Rudolf Steiner über Augustinus ==
{{Textbox|<poem>Ich lobe den Tanz
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge
bindet den Vereinzelten
zu Gemeinschaft.
 
Ich lobe den Tanz
der alles fordert und fördert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.
 
Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen
der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen ganz Hirn
Wille oder Gefühl zu werden


So ist z.B. die [[individuell]]e Gestaltung des menschlichen [[Schädel]]s nur zu verstehen als Umstülpung der [[Form]] des restlichen [[Organismus]] aus der vorangegangenen [[Inkarnation]].
Der Tanz dagegen fordert
den ganzen Menschen
der in seiner Mitte verankert ist
der nicht besessen ist
von der Begehrlichkeit
nach Menschen und Dingen
und von der Dämonie
der Verlassenheit im eigenen Ich.


<div style="margin-left:20px">
Der Tanz fordert den befreiten,  
"Wir müssen, wenn wir die menschliche Kopforganisation studieren wollen,
den schwingenden Menschen
verstehen können, wie diese Kopforganisation mit der ganzen
im Gleichgewicht aller Kräfte.
Entwickelung des Menschen zusammenhängt. Sie ist eine spätere Metamorphose,
sie ist die Umbildung des ganzen übrigen Menschen
hinsichtlich seiner Kräfte. Was Sie, indem Sie sich kopflos denken -
natürlich mit alledem, was vom Kopf in den übrigen Organismus
hineingehört und zum Kopf eigentlich gehört -, was Sie da im übrigen
Menschen sind, das fassen Sie ja natürlich zunächst substantiell
auf. Aber dieses Substantielle kommt nicht in Betracht, sondern der
Kräftezusammenhang dieser Substanz metamorphosiert sich im All
zwischen dem Tode und einer neuen Geburt und wird im nächsten
Erdenleben Kopforganisation. Das heißt, was Sie jetzt in Ihrem außer
dem Kopf befindlichen Menschen an sich tragen, ist eine frühere
Metamorphose der späteren Kopforganisation." {{Lit|GA 201, S 106f}}
</div>


Überhaupt findet beim Übergang von einem zum nächsten Leben durch Umstülpung eine Metamorphose der inneren zu äußeren Organen statt; die Sinnesorgane etwa haben ihre Gegenbilder in den früheren inneren Organen, die zugleich die Organe der Erinnerung sind. Dadurch entsteht etwa die Fähigkeit des [[Auge]]s, [[Nachbild]]er des Gesehenen zu erzeugen:
Ich lobe den Tanz.


<div style="margin-left:20px">
O Mensch lerne tanzen
"Sie müssen sich also vorstellen, daß da etwas vorgegangen
sonst wissen die Engel
ist zwischen den zwei Inkarnationen, was man nur vergleichen kann
im Himmel mit dir
damit, daß Sie sich denken, Sie haben hier einen Handschuh, den
nichts anzufangen.</poem>|[[Augustinus]]}}
ziehen sie an; und nunmehr nehmen Sie ihn und drehen ihn um, so
daß dasjenige, was an die Hand anliegt, nach außen kommt und
das, was früher nach außen, nach der Luft zu lag, nach innen
kommt. Also die Metamorphose hat sich nicht nur so vollzogen, daß
dasjenige, was da die übrigen Organe sind, sich etwa bloß umgebildet
hat, nein, es hat sich auch umgestülpt. Es ist das Innere, das
nach innen Gewendete zum Äußeren, zum nach außen Gewendeten
geworden. So daß wir sagen können: Die Organe - ich werde jetzt
sprechen von Körper und Kopf als dem Gegensatze -, die Organe
des Körpers metamorphosieren sich, indem sie sich umstülpen. Also
unsere Augen wären in unserer vorhergehenden Inkarnation irgend
etwas in unserem Bauche gewesen, wenn ich den Ausdruck eben gebrauchen
darf. Das hat sich umgestülpt in seinen Kräften und ist
jetzt Augen geworden, und die haben die Fähigkeit erlangt, Nachbilder
zu erzeugen.


[...]
Augustinus trug in seinem [[Ätherleib]] ein Abbild des Ätherleibs des [[Jesus von Nazareth]].


Sehen wir auf das Organ in unserem inneren Organismus, aus dem sich das
{{GZ|In den ersten Jahrhunderten nach dem Christus-Ereignis sehen
Auge entwickelt hat. Da muß in einer gewissen Weise veranlagt sein
wir, wie die christlichen Schriftsteller noch auf Grund mündlich
dasjenige, was als die Fähigkeit des Nachbildens, als die Lebendigkeit
überlieferter Tradition der Apostelschüler arbeiten. Sie legten Wert
des Auges erscheint, nur muß es nach innen gewendet sein. Da
auf physische Überlieferung. Auf diese allein hätten aber spätere
muß auch das etwas zu tun haben mit dem Wiedererkennen. Aber
Jahrhunderte nicht bauen können. Vom 6. und 7. Jahrhundert an
ein Erlebnis wiedererkennen heißt, sich daran erinnern. Suchen Sie
geschieht es nun, daß besonders hervorragenden christlichen Verkündern
also die ursprüngliche Metamorphose für die Tätigkeit des Auges in
einverwoben wurde ein Abbild des Ätherleibes des Jesus
einem früheren Leben, so müssen Sie fragen nach der Tätigkeit des
von Nazareth. Ein solcher Mensch war Augustinus. Er hatte gewaltige
Organs, die wirkt für die Erinnerung. Diese Dinge lassen sich natürlich
Kämpfe durchzumachen in seiner Jugend. Dann aber wurde in
nicht so bequem und einfach darlegen, wie man es heute Hebt;
bedeutsamer Weise in ihm wirksam der Impuls des Ätherleibes des
aber sie lassen sich eben dem Wege nach andeuten. Und verfolgen
Jesus von Nazareth, und da beginnt er erst, aus sich selbst heraus
Sie den Weg, dann werden Sie finden: alle unsere Sinnesorgane, die
christliche Mystik zu treiben. Wir können seine Schriften eben nur in
nach außen gerichtet sind, haben ihre Gegenbilder in unseren inneren
diesem Lichte verstehen.|104a|102}}
Organen. Und diese inneren Organe sind ja zu gleicher Zeit die
Organe der Erinnerung. Mit dem Auge sehen Sie dasjenige, was im
äußeren Leben wiederkehrt; mit dem, was in Ihrer Leibeshöhle entspricht
der früheren Metamorphose des Auges, erinnern Sie sich an
die Bilder, die Ihnen das Auge vermittelt. Mit dem Ohre hören Sie
die Töne; mit demjenigen, was in Ihrer Leibeshöhle dem Ohr entspricht,
erinnern Sie sich an die Töne. Und so wird der ganze Mensch,
indem er seine Organe nach dem Innern öffnet, zum Erinnerungsorgan.
Der ganze Mensch ist Erinnerungsorgan." {{Lit|GA 201, S 108f}}
</div>


Auch der Entwicklungszusammenhang zwischen der [[tier]]ischen und menschlichen Gestalt ist vielfach nur durch Umstülpung zu begreifen:
{{GZ|Einer der ersten, dem die große Wohltat wurde, die dadurch der
Menschheit möglich geworden ist, daß der Ätherleib des Jesus in
vielen, vielen Abbildern in der geistigen Welt vorhanden war, einer
der ersten war der, den man den Augustinus nennt. Als Augustinus
nach seiner früheren Verkörperung wieder herunterstieg auf die Erde,
da wurde ihm nicht ein beliebiger Ätherleib einverwoben, sondern in
seinen Ätherleib wurde hineinverwoben ein Abbild des Ätherleibes
des Jesus von Nazareth. Den Astralleib und das Ich hatte er für sich.
In seinem Ätherleib hatte er ein Abbild des Jesus von Nazareth. Er
mußte sich hindurcharbeiten durch die Kultur seines Ich und Astralleibes.
Als er an den Ätherleib drang, da kamen ihm die großen Wahrheiten,
die uns in seiner Mystik entgegentreten. Und viele Menschen
des 6., 7., 8. und 9. Jahrhunderts bekamen in ihren eigenen Ätherleib
einverwoben Nachbilder des Ätherleibes des Jesus von Nazareth.|109|87}}


<div style="margin-left:20px">
Augustinus erkannte, dass in den vorchristlichen [[Religion]]en und [[Mysterien]] bereits das [[Christentum]] vorbereitet wurde.
"Wenn Sie in den gewöhnlichen biologischen Theorien über die
Entwickelung diese Dinge alle verfolgen, finden Sie eigentlich immer
die Entwickelung ziemlich primitiv dargestellt. Man denkt: der Kopf
des Fisches entwickelt sich etwas höher, und dann entsteht der Kopf
eines höher organisierten Tieres, und es entwickelt sich die Flosse
etwas höher, und dann entstehen die Bewegungsorgane der höheren
Tiere und so weiter. So einfach ist aber diese Sache nicht, wenn man
die Vorgänge mit der geistigen Beobachtung verfolgt. Denn damit
ein geistiges Gebilde, das sich zum Fisch verkörpert hat, sich höher
entwickeln kann, muß etwas viel Komplizierteres geschehen. Es muß
vieles von den Organen umgestülpt und umgeändert werden. Dieselben
Kräfte, die in der Schwimmblase des Fisches wirken, bergen
in sich, gleichsam wie in einer Muttersubstanz, die Kräfte, die der
Mensch in der Lunge hat. Aber sie selbst gehen auch nicht verloren.
Kleine Stücke bleiben zurück, nur stülpen sie sich um; materiell vergeht
alles, was zu ihnen gehört, und sie bilden dann das Trommelfell
des Menschen. In der Tat ist das Trommelfell, als ein sehr weit abstehendes
Organ in bezug auf das Räumliche am Menschen, ein Stück
jener Membrane; in ihm wirken die Kräfte, die da in der Schwimmblase
des Fisches funktioniert haben. Und weiter: Die Kiemen gestalten
sich um zu den Gehörknöchelchen, wenigstens zum Teil, so
daß Sie in dem menschlichen Gehörorgan zum Beispiel umgeänderte
Kiemen haben. Jetzt können Sie sehen, es ist etwa so, wie wenn die
Schwimmblase des Fisches umgestülpt worden wäre gerade über die
Kiemen. Daher haben Sie beim Menschen das Trommelfell draußen,
die Gehörorgane drinnen. Das, was ganz draußen ist beim Fisch, die
merkwürdigen Längslinien, durch die der Fisch sich orientiert, bilden
beim Menschen die drei halbzirkelförmigen Kanäle, durch die der
Mensch sich im Gleichgewicht erhält. Wenn Sie diese drei halbzirkelförmigen
Kanäle zerstörten, würde der Mensch taumelig werden und
könnte sich nicht mehr im Gleichgewicht halten.


So haben Sie nicht einen einfachen Prozeß aus der Naturgeschichte,
{{GZ|Um zu verstehen, was das Christentum ist, und was es in der
sondern Sie haben eine merkwürdige astralische Arbeit, wo geradezu
Seele des heutigen Menschen sein kann und sein muß, wenn die Seele
die Dinge fortwährend umgestülpt werden. Denken Sie sich: diese
sich recht versteht, muß ein wenig darauf hingewiesen werden, wie
Hand hätten Sie mit einem Handschuh bedeckt, drinnen im Innern
tief in den geistigen Tatsachen der Menschheitsentwickelung die Worte
hätten Sie aber Gebilde, welche elastisch sind. Wenn Sie ihn jetzt
eines so guten Christen begründet sind wie des Augustinus, wenn er
umkehren, ihn umstülpen, wird er ein ganz kleines Gebilde sein; da
sagt: «Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt, bestand
werden die Organe, die außen waren, klein und winzig werden, und
schon bei den Alten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschengeschlechtes
die Organe, die innen waren, werden eine weite Fläche bilden. Erst
und als Christus im Fleische erschien, erhielt die wahre
dadurch verstehen wir die Entwickelung, wenn wir wissen, daß in
Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen.»|131|13}}
der geheimnisvollsten Weise innerhalb des Astralischen eine solche
Umstülpung stattfindet, und wie von da heraus der Fortgang des
Physischen zustande kommt." {{Lit|GA 107, S 40f}}
</div>


Geometrische Beispiele für das Prinzip der Umstülpung hat etwa [[Paul Schatz]] mit dem [[Umstülpbarer Würfel|umstülpbaren Würfel]] und dem davon abgeleiteten [[Oloid]] gegeben.
{{GZ|Schon bei Augustinus,
indem er so empfand, wie ich es gestern und heute charakterisiert
habe, entstand die Seelenempfindung: O, was wird es dann
sein, wenn nun dasjenige die ganze Welt ergreift, was aus dem
entgöttlichten Intellektualismus, aus dem entgöttlichten Römertum,
in die Welt hineinströmt? Die Civitas wird eine furchtbare werden;
dieser Civitas der Menschen muß entgegengestellt werden die Civitas
Dei, der Gottesstaat. - Und so sehen wir auftauchen - vorher
waren die Anzeichen schon da, meine lieben Freunde -, so sehen
wir auftauchen ein Interesse, das gerade von den folgenden Zeiten
auf religiösem Gebiete mit voller Macht ergriffen wurde, und das
ein Licht wirft auf alle späteren religiösen Kämpfe in den Seelen, die
gerade diese religiösen Kämpfe am tiefsten erfühlt haben. Es taucht
bereits bei Augustinus die Frage auf: Wie retten wir das Moralische
gegenüber dem äußerlichen Gesetzeshaften? Wie retten wir die Moral,
die gottdurchtränkte Moral, wie retten wir sie? Im Römertum
kann sie sich nicht ausbreiten. - Das ist das Streben nach Verinnerlichung,
das wir in den Bekenntnissen, den Konfessionen des Augustinus
finden, wenn wir sie richtig durchdringen.|343a|280f}}


== Die Umstülpung als Durchgang durch die vierte Dimension ==
[[Friedrich Rittelmeyer]] hatte nach einer von Madlen Hauser überlieferten Aussage während eines Vortrags von [[Rudolf Steiner]] am 3. April 1917 in Berlin {{Lit|{{G|175|182ff}}}} ein inneres Erlebnis, das ihm einen karmischen Zusammenhang von [[Judas Iskariot]] mit Augustinus und mit [[Leonardo da Vinci]] offenbarte. Rudolf Steiner habe ihm die Richtigkeit dieses Erlebnisses bestätigt<ref>vgl. [http://www.perseus.ch/PDF-Europaer/JG_17/JG17_2013_04_Europaer.pdf#page=9&view=Fit Der Europäer, Februar 2013 (Jg. 17 / Nr. 4), S. 9] und [http://www.perseus.ch/PDF-Europaer/JG_06/Europaer_06_2002.pdf#page=8&view=Fit Der Europäer, April 2002 (Jg. 6 / Nr. 6), S. 8] (Anm. 4)</ref>.


Ein dreidimensionaler Körper kann erst nach Durchgang durch eine vierte Dimension mit seinem spiegelbildlichen Gegenstück zur Deckung gebracht werden. So lässt sich etwa ein linker Handschuh mit einem rechten zur Deckung bringen - das entspricht aber genau einer Umstülpung des linken Handschuhs in den rechten. Das Prinzip lässt sich leicht analog mit zweidimensionalen ebenen spiegelsymmetrischen Figuren veranschaulichen, die nach dem Durchgang durch die dritte Dimension ineinander übergeführt werden:
== si enim fallor, sum ==
Augustinus bereitete schon das [[Bewusstseinsseelenzeitalter]] vor.


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Ich kann den roten und den blauen Teil
"Augustinus lebt lange vor dem Hereinbrechen
[innerhalb der Ebene] nicht zur Deckung bringen, auf welche
unseres Zeitalters; aber er bereitet es vor; er ist der Geist, in dessen
Weise auch immer ich das Rote in das Blaue hineinzuschieben
Schriften wir, lange vor dem Sonnenaufgang, die erste Morgenröte
versuche.
des Zeitalters finden, das ganz auf die Bewußtseinsseele zugeschnitten
ist. In jeder Zeile des Augustinus ist das wahrzunehmen, und jede
Zeile des Augustinus unterscheidet sich für ein feineres Fühlen von
alledem, was im alten Griechentum möglich war." {{Lit|{{G|145|130}}}}
</div>
 
Mit seinem Ausspruch „'''si enim fallor, sum'''“ ([[lat.]] ''„Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich“'', [[Wikipedia:De civitate dei|De civitate dei]], XI, 26) argumentiert Augustinus, dass wenn jemand zweifelt, er ist - und nahm damit bereits das berühmte ''„[[cogito ergo sum|cogito, ergo sum]]“'' [[Descartes]] voraus.
 
{{Zitat|''Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.''<ref>Die berühmte Stelle, die an Descartes' „Cogito, ergo sum“ anklingt. Vgl. dazu J. Storz, Die Philosophie des hl. Augustinus [1882], 34—38, wo auch Parallelstellen angegeben sind; und H. Scholz, Glaube und Unglaube in der „Weltgeschichte [1911], 36f.</ref> Denn wer nicht ist, kann sich natürlich auch nicht täuschen; und demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein irren, da es doch gewiß ist, gerade wenn ich mich irre. Also selbst wenn ich mich irrte, so müßte ich doch eben sein, um mich irren zu können, und demnach irre ich mich ohne Zweifel nicht in dem Bewußtsein, daß ich bin. Folglich täusche ich mich auch darin nicht, daß ich um dieses mein Bewußtsein weiß. Denn so gut ich weiß, daß ich bin, weiß ich eben auch, daß ich weiß.<ref>im lateinischen Original: „si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest: ac per hoc sum, si fallor. quia sum ergo, si fallor, quomodo esse me fallor, quando certum est me esse, si fallor? quia igitur essem qui fallerer, etiamsi fallerer, procul dubio in eo, quod me noui esse, non fallor. consequens est autem, ut etiam in eo, quod me noui nosse, non fallar. sicut enim noui esse me, ita noui etiam hoc ipsum, nosse me.“</ref>|Augustinus|''Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (De civitate dei)'', [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1929-25.htm XI, 26]}}


[[Datei:GA_324a_Figur14.gif|center|300px|Figur 11]]
Ähnlich argumentierte Augustinus auch in [[Wikipedia:De Trinitate|De Trinitate]] X, 10.


Aber es gibt ein Mittel [dies trotzdem zu erreichen]: Wenn man
{{Zitat|Wer möchte jedoch zweifeln, daß er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, sieht man ein, daß man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Sicherheit haben; wenn man zweifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiß man, daß man nicht weiß; wenn man zweifelt, urteilt man, daß man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln. Wenn es diese Vorgänge nicht gäbe, könnte er überhaupt über nichts zweifeln.<ref>Jedermann sieht die Verwandtschaft mit Gedankengängen Descartes’. Vgl. Gilson a. a. O. 427―445.</ref>|Augustinus|''Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit (De Trinitate)'' [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel2676-9.htm X, 10]}}
aus der Tafel, das heißt aus der zweiten Dimension heraustritt
[und die dritte Dimension zu Hilfe nimmt, mit anderen Worten,
wenn man] die blaue Figur auf die rote legt [indem man sie durch
den Raum um die Spiegelachse dreht].


Genauso verhält es sich mit einem Paar Handschuhen: Ich kann
{{GZ|Bei Augustinus ist das Neue wie eine Rückerinnerung
den einen mit dem anderen nicht zur Deckung bringen, ohne daß
an das griechische Gedankenleben. Er blickt
ich aus dem [dreidimensionalen] Raum heraustrete. Man muß
um sich und in sich und sagt sich: Mag alles nur Ungewisses
durch die vierte Dimension gehen." {{Lit|GA 324a, S 25f}}
und Täuschung geben, was sonst die Welt offenbart, -
</div>
an einem ist nicht zu zweifeln: an der Gewißheit des seelischen
Erlebens selbst. Das wird mir durch keine Wahrnehmung
zuteil, die mich täuschen kann; in diesem bin
ich selbst darinnen; es ist, denn ich bin dabei, indem ihm
sein Sein zugeschrieben wird.
 
Man kann in diesen Vorstellungen etwas Neues gegenüber
dem griechischen Gedankenleben erblicken, trotzdem
sie zunächst einer Rückerinnerung an dasselbe gleichen.
Das griechische Denken deutet auf die Seele; bei
Augustinus wird auf den Mittelpunkt des Seelenlebens
gewiesen. Die griechischen Denker betrachten die Seele
in ihrem Verhältnis zur Welt; bei Augustinus stellt sich
dem Seelenleben etwas in demselben gegenüber und betrachtet
dieses Seelenleben als eine besondere, in sich geschlossene
Welt. Man kann den Mittelpunkt des Seelenlebens
das «Ich» des Menschen nennen. Den griechischen
Denkern wird das Verhältnis der Seele zur Welt zum
Rätsel; den neueren Denkern das Verhältnis des «Ich»
zur Seele. Bei Augustinus kündigt sich das erst an; die
folgenden Weltanschauungsbestrebungen haben noch zu
viel zu tun, um Weltanschauung und Religion in Einklang zu bringen, als daß das Neue, das jetzt in das Geistesleben
hereingetreten ist, ihnen schon deutlich zum Bewußtsein
käme. Und doch lebt in der Folgezeit, den Seelen
mehr oder weniger unbewußt, das Bestreben, die Welträtsel
so zu betrachten, wie es das neue Element fordert.|18|91}}


== Punkt und Umkreis ==
Gerade in der Tatsache, ''dass wir existieren, dass wir von unserem Sein wissen und dieses Sein und Wissen lieben'', sah Augustinus den Menschen als - zwar nicht als ebenbürtiges und gleich ewiges - [[Abbild Gottes]] in seiner [[Trinität|dreifältigen Gestalt]]. Entsprechend heißt es in ''[[Wikipedia:De civitate dei|De civitate dei]]'', XI, 26 auch einleitend:


Sehr hilfreich zum lebendigen Erfassen der Umstülpung sind [[Meditation]]en zu Punkt und Umkreis:
{{Zitat|Und auch in uns selbst erkennen wir ein Abbild Gottes, d. h. jener höchsten Dreifaltigkeit, freilich nicht ein ebenbürtiges, vielmehr eines, das sehr weit zurückbleibt, auch nicht ein gleichewiges und — womit in Kürze alles gesagt ist — nicht ein Abbild, das von gleicher Wesenheit wäre wie Gott, doch immerhin eines von der Art, daß unter den von Gott geschaffenen Dingen ihm nichts der Natur nach näher steht, wie es denn durch Verbesserung noch vervollkommnet werden soll, damit es ihm an Ähnlichkeit ganz nahe komme. Nämlich wir existieren, wir wissen um unser Sein, und wir lieben dieses Sein und Wissen. Und in diesen drei Stücken beunruhigt uns keine Möglichkeit einer Täuschung durch den bloßen Schein der Wahrheit. Denn wir erfassen sie nicht wie die Dinge außer uns mit irgendeinem leiblichen Sinn, wie wir die Farben durch Schauen, die Töne durch Hören, die Düfte durch Riechen, die Gegenstände des Geschmackssinnes durch Schmecken, Hartes und Weiches durch Befühlen sinnlich wahrnehmen, von welchen Sinnesobjekten wir auch Bilder<ref>Eindrücke</ref>, die ihnen ganz ähnlich, aber nicht mehr körperhaft sind, in Gedanken herumtragen, in der Erinnerung festhalten und durch sie zum Verlangen danach angereizt werden; sondern ohne daß sich irgendwie eine trügerische Vorspiegelung der Phantasie und ihrer Gebilde geltend machen könnte, steht mir durchaus fest, daß ich bin, daß ich das weiß und es liebe. In diesen Stücken fürchte ich durchaus nicht die Einwendungen der Akademiker<ref>d. i. der Anhänger der sog. mittleren Akademie [3. und 2. Jahrh. v. Chr.], die dem Skeptizismus huldigte, ausgehend von der Tatsache, daß es Sinnestäuschungen gibt; das Selbstbewußtsein beruht nicht auf äußerer Wahrnehmung wie die durch die Sinne vermittelten Erkenntnisse, sondern auf unmittelbarem Erfassen des eigenen Seins, Erkennens und Strebens.</ref>, die da entgegenhalten: Wie aber, wenn du dich täuschest? ''Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.''|Augustinus|''De civitate dei'', [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1929-25.htm XI, 26]}}


<div style="margin-left:20px">
== Illiuminationslehre ==
"Man muß begreifen lernen den Unterschied zwischen Punkt und
Sphäre. [In der Wirklichkeit] wäre dieser Punkt nicht passiv, sondern
ein nach allen Seiten Licht ausstrahlender Punkt (Figur 13).


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{{Hauptartikel|Illuminationslehre}}


Welches wäre nun das Gegenteil eines solchen Punktes? Genauso
Die von [[Augustinus]] vertretene Illuminationslehre, die später in der [[Scholastik]] von [[Bonaventura]] systematisch ausgearbeitet wurde, hat ihren Ursprung in der [[Ideenlehre]] [[Platon]]s, wie sie dieser in seiner [[Wikipedia:Politeia|Politeia]] in dem berühmten [[Höhlengleichnis]] und vorbereitend schon in dem [[Sonnengleichnis]] veranschaulicht hat. Die [[Erkenntnis]] der [[Wahrheit]] ist demnach nur möglich durch das höchste geistige Licht des [[Das Gute|Guten]], das die Seele erleuchtet, so wie die sinnlichen [[Ding]]e nur durch das [[Licht]] der [[Sonne]] sichtbar werden. Für [[Plotin]] und den an ihn anknüpfenden [[Neuplatonismus]] war die Quelle dieses geistigen Lichts „[[Das Eine]]“, das Augustinus im [[christlich]]en Sinn mit [[Gott]] gleichsetzte. Gott selbst ist die ewige Wahrheit, in dessen [[Geist]] die [[Ewigkeit|ewigen]] [[Idee]]n leben, aus denen er die sichtbare und unsichtbare [[Welt]] geschaffen hat. Der göttliche Weltgeist (''mundus intelligibilis'') strahlt diese Ideen aus und erleuchtet dadurch unmittelbar die menschliche [[Seele]], die, anders als sein [[Materie|materieller]] [[Leib]], als Ebenbild Gottes  ([[imago dei]]) geschaffen sei.  
wie es einen Gegensatz zu einer Linie gibt, die von links
nach rechts geht, nämlich eine Linie, die von rechts nach links
geht, so gibt es auch einen Gegensatz zum [Licht ausstrahlenden]
Punkt. Wir stellen uns eine riesige, in Wirklichkeit unendlich große,
Kugel vor, die von allen Seiten, aber jetzt nach innen, Dunkelheit
verbreitet, Dunkelheit hereinschickt (Figur 14). Diese Kugel
ist das Gegenteil des [Licht ausstrahlenden] Punktes.


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Nicht nur die Gotteserkenntnis, sondern auch die [[Allgemeinbegriff]]e werden dem Menschen durch eine höhere, über die [[Seele]] und den [[Intellekt]] hinausreichende Instanz (''„intus ipsi menti praesidentem“'') vermittelt. Der im Menschen wohnende [[Christus]] selbst ist der ''innere Lehrer'' (''„magister interior“''), der dem fragenden Menschen antwortet.


Das sind zwei wirkliche Gegensätze: Der Licht ausstrahlende
{{Zitat|Derjenige aber, der befragt wird, ist es, der lehrt; von ihm wird gesagt, dass er im Inneren des Menschen wohne: Christus, das ist die unveränderliche Kraft Gottes und die ewige Weisheit, die jede Vernunftseele befragt.|Augustinus|''De Magistro'' 11,38}}
Punkt und der unendliche Raum, der nicht ein neutrales dunkles
Gebilde ist, sondern der von allen Seiten her den Raum mit Dunkelheit
überflutet. [Als Gegensatz ergibt sich so] eine Quelle der
Dunkelheit und eine Quelle des Lichts. Wir wissen, daß eine gerade
Linie, die sich in die Unendlichkeit verliert, von der anderen
Seite nach demselben Punkt zurückkehrt. Ebenso ist es bei einem
Punkte, der nach allen Seiten Licht ausstrahlt. Dieses Licht kommt
[aus der Unendlichkeit] als sein Gegenteil, als Dunkelheit zurück.
Nun betrachten wir den umgekehrten Fall. Nehmen Sie den
Punkt als Quelle der Dunkelheit. Als Gegensatz ergibt sich ein
Raum, der von allen Seiten Helle hereinstrahlt.
So wie dies neulich [im vorangehenden Vortrag] durchgenommen
wurde, so verhält es sich mit dem Punkt; er verliert sich nicht
[in der Unendlichkeit, er kommt von der anderen Seite wieder
zurück] (Figur 15).


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[[Thomas von Aquin]], der sich stärker an [[Aristoteles]] orientierte, lehnte die Illuminationslehre zwar nicht vollständig ab, stand ihr aber sehr zurückhaltend gegenüber. Diese für die [[Engelhierarchien]] vollgültige Erkenntnisart sei dem [[Mensch]]en nur mehr in geringem Maß möglich, da er als unterstes aller [[Geistige Wesen|geistigen Wesen]] bereits so weit von der Quelle des göttlichen Lichts entfernt sei, dass er dadurch die Wahrheit nur mehr in ihren allgemeinsten Zügen erkennen könne. Gott habe dafür aber dem Menschen einen [[Leib]] verliehen, um aus den sinnlich wahrnehmbaren Dingen mit Hilfe der [[Vernunft]] die [[Idee]]n  herauszulösen und diese dadurch in ihrem göttlichen Ursprung zu erkennen.


[Ganz entsprechend verliert sich ein Punkt, wenn er sich ausdehnt
== Siehe auch ==
oder hinausstrahlt, nicht im Unendlichen; er kommt als
* {{WikipediaDE|Kategorie:Augustinus von Hippo}}
Sphäre aus dem Unendlichen zurück.] Die Sphäre, das Kugelförmige,
* {{WikipediaDE|Augustinus von Hippo}}
ist das Gegenteil des Punktes. Im Punkte lebt der Raum.
* {{Eisler-1912|Augustinus, Aurelius}}
Der Punkt ist das Gegenteil des Raumes." {{Lit|GA 324a, S 30f}}
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Menschenkunde'', [[GA 107]] (1988), ISBN 3-7274-1070-1 {{Vorträge|107}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes'', [[GA 104a]] (1991), ISBN 3-7274-1045-0 {{Vorträge|104a}}
#Rudolf Steiner: ''Das Geheimnis der Trinität'', [[GA 214]] (1999), ISBN 3-7274-2140-1 {{Vorträge|214}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen'', [[GA 109]] (2000), ISBN 3-7274-1090-6 {{Vorträge|109}}
#Rudolf Steiner: ''Die vierte Dimension'', [[GA 324a]] (1995), ISBN 3-7274-3245-4 {{Vorträge|324a}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Von Jesus zu Christus'', [[GA 131]] (1988), ISBN 3-7274-1310-7 {{Vorträge|131}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst?'', [[GA 145]] (2005), ISBN 3-7274-1450-2 {{Vorträge|145}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II'', [[GA 343]] (1993), ISBN 3-7274-3430-9 {{Vorträge|343a}}


{{GA}}
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== Einzelanchweise ==
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Version vom 23. März 2021, 20:57 Uhr

Die älteste bekannte Darstellung von Augustinus (Lateranbasilika, 6. Jahrhundert)
Sandro Botticelli, Augustinus am Schreibpult, um 1480, Florenz

Augustinus von Hippo, auch Augustinus von Thagaste, Augustin oder fälschlich Aurelius Augustinus genannt (* 13. November 354 in Thagaste, auch: Tagaste, in Numidien, heute Souk Ahras in Algerien; † 28. August 430 in Hippo Regius in Numidien, heute Annaba in Algerien) war ein christlicher Philosoph und einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike.

Leben

Augustinus Mutter Monica war Christin, sein Vater Patricius, ein kleiner Landeigentümer, ließ sich erst kurz vor seinem Tod 372 taufen. Von der Mutter wurde Augustinus christlich erzogen, sie ließ ihn aber nicht taufen, da die Kindertaufe damals noch nicht üblich war. Bis 370 ging Augustinus in Thagaste zur Schule und studierte ab 371 Rhetorik in Karthago. 372 gebar seine Lebensgefährtin, mit der er im ehelosen Stand zusammen lebte, den gemeinsamen Sohn Adeodatus („Der von Gott Gegebene“).

373 wandte sich Augustinus zunächst dem Manichäismus zu und wirkte ab 375 als Rhetor in Thagaste, später in Karthago, Rom und Mailand und pflegte, wie er in seinen Confessiones bekannte, einen ausschweifenden Lebenswandel. 380 wurde das Christentum von Theodosius I. als Staatsreligion proklamiert. 383 verlief Augustinus Begegnung mit dem Manichäerbischof Faustus von Mileve enttäuschend. 384 wurde Augustinus als Rhetoriklehrer nach Mailand berufen. Dort lernte er durch Bischof Ambrosius von Mailand die platonische Bibelauslegung kennen. Auf Drängen seiner Mutter, die eine standesgemäße Verlobung mit einem christlichen Mädchen aus wohlhabender Familie arrangiert hatte, verließ Augustinus 385 seine langjährige Lebensgefährtin, die nach Afrika zurückkehrte, während der gemeinsame Sohn Adeodatus bei Augustinus verblieb. Nach seinem Bekehrungserlebnis unter einem Feigenbaum ließ sich Augustinus 387 taufen.

„Als aber eine tiefe Betrachtung aus geheimem Grunde all mein Elend hervorzog und vor dem Angesichte meines Herzens sammelte, da brach ein gewaltiger Gewittersturm, den Tränen in Strömen begleiteten, in mir los. Ihm freien Lauf zu lassen, erhob ich mich und ging hinweg von Alypius; denn die Einsamkeit erschien mir geeigneter, um mich ausweinen zu können; ich ging hinweg, so weit, daß mich seine Gegenwart nicht mehr zu stören vermochte. So war ich damals und jener fühlte mit mir. Ich glaube auch, daß ich schon etwas gesagt hatte, wobei der tränenschwere Ton meiner Stimme stockte, und so erhob ich mich denn. Er blieb, wo wir uns niedergesetzt hatten, zurück, von Staunen erfüllt. Ich aber warf mich am Stamme eines Feigenbaumes nieder und ließ meinen Tränen freien Lauf, und der Quell des Auges strömte hervor, ein Opfer, das du gern empfingst, und ich sprach, zwar nicht mit denselben Worten, aber doch in dein Sinne, vieles zu dir: Du, o Herr, wie so lange? Wie lange, Herr, wirst du zürnen? Sei nicht eingedenk unserer vorigen Missetat. Denn von ihr fühlte ich mich gefesselt und stöhnte laut in kläglichem Jammer. Wie lange? Wie lange? Morgen und immer wieder morgen? Warum nicht jetzt, weshalb setzt nicht diese Stunde meiner Schande ihr Ziel?

So sprach ich und weinte bitterlich in der Zerknirschung meines Herzens. Und siehe, da hörte ich eine Stimme aus einem benachbarten Hause in singendem Tone sagen, ein Knabe oder ein Mädchen war es: Nimm und lies! Nimm und lies! Ich entfärbte mich und sann nach, ob vielleicht Kinder in irgendeinem Spiele dergleichen Worte zu singen pflegen, konnte mich aber nicht erinnern, jemals davon gehört zu haben. Da drängte ich meine Tränen zurück, stand auf und legte die gehörten Worte nicht anders, als daß ein göttlicher Befehl mir die heilige Schrift zu öffnen heiße und daß ich das erste Kapitel, auf welches mein Auge fallen würde, lesen sollte. Denn ich hatte von Antonius gehört, daß er beim Vorlesen des Evangeliums in der Kirche, zu dem er zufällig gekommen war, das Wort, das da vorgelesen wurde, als eine Ermahnung auf sich bezog: Gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach. Durch solche Gottesstimme sei er sogleich bekehrt worden. Und so kehrte ich eiligst zu dem Orte zurück, wo Alypius saß und wo ich bei meinem Weggehen die Schriften des Apostels Paulus zurückgelassen hatte. ich ergriff das Buch, öffnete es und las still für mich den Abschnitt, der mir zuerst in die Augen fiel: Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den Herrn Jesum Christum und wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde. Ich las nicht weiter, es war wahrlich nicht nötig, denn alsbald am Ende dieser Worte kam das Licht des Friedens über mein Herz und die Nacht des Zweifels entfloh.“

Augustinus: Confessiones 8,12[1]

395 wurde Augustinus zum Bischof von Hippo Regius bestellt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod aus.

Rudolf Steiner über Augustinus

Ich lobe den Tanz
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge
bindet den Vereinzelten
zu Gemeinschaft.

Ich lobe den Tanz
der alles fordert und fördert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.

Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen
der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen ganz Hirn
Wille oder Gefühl zu werden

Der Tanz dagegen fordert
den ganzen Menschen
der in seiner Mitte verankert ist
der nicht besessen ist
von der Begehrlichkeit
nach Menschen und Dingen
und von der Dämonie
der Verlassenheit im eigenen Ich.

Der Tanz fordert den befreiten,
den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.

Ich lobe den Tanz.

O Mensch lerne tanzen
sonst wissen die Engel
im Himmel mit dir
nichts anzufangen.

Augustinus trug in seinem Ätherleib ein Abbild des Ätherleibs des Jesus von Nazareth.

„In den ersten Jahrhunderten nach dem Christus-Ereignis sehen wir, wie die christlichen Schriftsteller noch auf Grund mündlich überlieferter Tradition der Apostelschüler arbeiten. Sie legten Wert auf physische Überlieferung. Auf diese allein hätten aber spätere Jahrhunderte nicht bauen können. Vom 6. und 7. Jahrhundert an geschieht es nun, daß besonders hervorragenden christlichen Verkündern einverwoben wurde ein Abbild des Ätherleibes des Jesus von Nazareth. Ein solcher Mensch war Augustinus. Er hatte gewaltige Kämpfe durchzumachen in seiner Jugend. Dann aber wurde in bedeutsamer Weise in ihm wirksam der Impuls des Ätherleibes des Jesus von Nazareth, und da beginnt er erst, aus sich selbst heraus christliche Mystik zu treiben. Wir können seine Schriften eben nur in diesem Lichte verstehen.“ (Lit.:GA 104a, S. 102)

„Einer der ersten, dem die große Wohltat wurde, die dadurch der Menschheit möglich geworden ist, daß der Ätherleib des Jesus in vielen, vielen Abbildern in der geistigen Welt vorhanden war, einer der ersten war der, den man den Augustinus nennt. Als Augustinus nach seiner früheren Verkörperung wieder herunterstieg auf die Erde, da wurde ihm nicht ein beliebiger Ätherleib einverwoben, sondern in seinen Ätherleib wurde hineinverwoben ein Abbild des Ätherleibes des Jesus von Nazareth. Den Astralleib und das Ich hatte er für sich. In seinem Ätherleib hatte er ein Abbild des Jesus von Nazareth. Er mußte sich hindurcharbeiten durch die Kultur seines Ich und Astralleibes. Als er an den Ätherleib drang, da kamen ihm die großen Wahrheiten, die uns in seiner Mystik entgegentreten. Und viele Menschen des 6., 7., 8. und 9. Jahrhunderts bekamen in ihren eigenen Ätherleib einverwoben Nachbilder des Ätherleibes des Jesus von Nazareth.“ (Lit.:GA 109, S. 87)

Augustinus erkannte, dass in den vorchristlichen Religionen und Mysterien bereits das Christentum vorbereitet wurde.

„Um zu verstehen, was das Christentum ist, und was es in der Seele des heutigen Menschen sein kann und sein muß, wenn die Seele sich recht versteht, muß ein wenig darauf hingewiesen werden, wie tief in den geistigen Tatsachen der Menschheitsentwickelung die Worte eines so guten Christen begründet sind wie des Augustinus, wenn er sagt: «Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt, bestand schon bei den Alten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschengeschlechtes und als Christus im Fleische erschien, erhielt die wahre Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen.»“ (Lit.:GA 131, S. 13)

„Schon bei Augustinus, indem er so empfand, wie ich es gestern und heute charakterisiert habe, entstand die Seelenempfindung: O, was wird es dann sein, wenn nun dasjenige die ganze Welt ergreift, was aus dem entgöttlichten Intellektualismus, aus dem entgöttlichten Römertum, in die Welt hineinströmt? Die Civitas wird eine furchtbare werden; dieser Civitas der Menschen muß entgegengestellt werden die Civitas Dei, der Gottesstaat. - Und so sehen wir auftauchen - vorher waren die Anzeichen schon da, meine lieben Freunde -, so sehen wir auftauchen ein Interesse, das gerade von den folgenden Zeiten auf religiösem Gebiete mit voller Macht ergriffen wurde, und das ein Licht wirft auf alle späteren religiösen Kämpfe in den Seelen, die gerade diese religiösen Kämpfe am tiefsten erfühlt haben. Es taucht bereits bei Augustinus die Frage auf: Wie retten wir das Moralische gegenüber dem äußerlichen Gesetzeshaften? Wie retten wir die Moral, die gottdurchtränkte Moral, wie retten wir sie? Im Römertum kann sie sich nicht ausbreiten. - Das ist das Streben nach Verinnerlichung, das wir in den Bekenntnissen, den Konfessionen des Augustinus finden, wenn wir sie richtig durchdringen.“ (Lit.:GA 343a, S. 280f)

Friedrich Rittelmeyer hatte nach einer von Madlen Hauser überlieferten Aussage während eines Vortrags von Rudolf Steiner am 3. April 1917 in Berlin (Lit.: GA 175, S. 182ff) ein inneres Erlebnis, das ihm einen karmischen Zusammenhang von Judas Iskariot mit Augustinus und mit Leonardo da Vinci offenbarte. Rudolf Steiner habe ihm die Richtigkeit dieses Erlebnisses bestätigt[2].

si enim fallor, sum

Augustinus bereitete schon das Bewusstseinsseelenzeitalter vor.

"Augustinus lebt lange vor dem Hereinbrechen unseres Zeitalters; aber er bereitet es vor; er ist der Geist, in dessen Schriften wir, lange vor dem Sonnenaufgang, die erste Morgenröte des Zeitalters finden, das ganz auf die Bewußtseinsseele zugeschnitten ist. In jeder Zeile des Augustinus ist das wahrzunehmen, und jede Zeile des Augustinus unterscheidet sich für ein feineres Fühlen von alledem, was im alten Griechentum möglich war." (Lit.: GA 145, S. 130)

Mit seinem Ausspruch „si enim fallor, sum“ (lat. „Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich“, De civitate dei, XI, 26) argumentiert Augustinus, dass wenn jemand zweifelt, er ist - und nahm damit bereits das berühmte cogito, ergo sum Descartes voraus.

Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.[3] Denn wer nicht ist, kann sich natürlich auch nicht täuschen; und demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein irren, da es doch gewiß ist, gerade wenn ich mich irre. Also selbst wenn ich mich irrte, so müßte ich doch eben sein, um mich irren zu können, und demnach irre ich mich ohne Zweifel nicht in dem Bewußtsein, daß ich bin. Folglich täusche ich mich auch darin nicht, daß ich um dieses mein Bewußtsein weiß. Denn so gut ich weiß, daß ich bin, weiß ich eben auch, daß ich weiß.[4]

Augustinus: Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (De civitate dei), XI, 26

Ähnlich argumentierte Augustinus auch in De Trinitate X, 10.

„Wer möchte jedoch zweifeln, daß er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, sieht man ein, daß man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Sicherheit haben; wenn man zweifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiß man, daß man nicht weiß; wenn man zweifelt, urteilt man, daß man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln. Wenn es diese Vorgänge nicht gäbe, könnte er überhaupt über nichts zweifeln.[5]

Augustinus: Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit (De Trinitate) X, 10

„Bei Augustinus ist das Neue wie eine Rückerinnerung an das griechische Gedankenleben. Er blickt um sich und in sich und sagt sich: Mag alles nur Ungewisses und Täuschung geben, was sonst die Welt offenbart, - an einem ist nicht zu zweifeln: an der Gewißheit des seelischen Erlebens selbst. Das wird mir durch keine Wahrnehmung zuteil, die mich täuschen kann; in diesem bin ich selbst darinnen; es ist, denn ich bin dabei, indem ihm sein Sein zugeschrieben wird.

Man kann in diesen Vorstellungen etwas Neues gegenüber dem griechischen Gedankenleben erblicken, trotzdem sie zunächst einer Rückerinnerung an dasselbe gleichen. Das griechische Denken deutet auf die Seele; bei Augustinus wird auf den Mittelpunkt des Seelenlebens gewiesen. Die griechischen Denker betrachten die Seele in ihrem Verhältnis zur Welt; bei Augustinus stellt sich dem Seelenleben etwas in demselben gegenüber und betrachtet dieses Seelenleben als eine besondere, in sich geschlossene Welt. Man kann den Mittelpunkt des Seelenlebens das «Ich» des Menschen nennen. Den griechischen Denkern wird das Verhältnis der Seele zur Welt zum Rätsel; den neueren Denkern das Verhältnis des «Ich» zur Seele. Bei Augustinus kündigt sich das erst an; die folgenden Weltanschauungsbestrebungen haben noch zu viel zu tun, um Weltanschauung und Religion in Einklang zu bringen, als daß das Neue, das jetzt in das Geistesleben hereingetreten ist, ihnen schon deutlich zum Bewußtsein käme. Und doch lebt in der Folgezeit, den Seelen mehr oder weniger unbewußt, das Bestreben, die Welträtsel so zu betrachten, wie es das neue Element fordert.“ (Lit.:GA 18, S. 91)

Gerade in der Tatsache, dass wir existieren, dass wir von unserem Sein wissen und dieses Sein und Wissen lieben, sah Augustinus den Menschen als - zwar nicht als ebenbürtiges und gleich ewiges - Abbild Gottes in seiner dreifältigen Gestalt. Entsprechend heißt es in De civitate dei, XI, 26 auch einleitend:

„Und auch in uns selbst erkennen wir ein Abbild Gottes, d. h. jener höchsten Dreifaltigkeit, freilich nicht ein ebenbürtiges, vielmehr eines, das sehr weit zurückbleibt, auch nicht ein gleichewiges und — womit in Kürze alles gesagt ist — nicht ein Abbild, das von gleicher Wesenheit wäre wie Gott, doch immerhin eines von der Art, daß unter den von Gott geschaffenen Dingen ihm nichts der Natur nach näher steht, wie es denn durch Verbesserung noch vervollkommnet werden soll, damit es ihm an Ähnlichkeit ganz nahe komme. Nämlich wir existieren, wir wissen um unser Sein, und wir lieben dieses Sein und Wissen. Und in diesen drei Stücken beunruhigt uns keine Möglichkeit einer Täuschung durch den bloßen Schein der Wahrheit. Denn wir erfassen sie nicht wie die Dinge außer uns mit irgendeinem leiblichen Sinn, wie wir die Farben durch Schauen, die Töne durch Hören, die Düfte durch Riechen, die Gegenstände des Geschmackssinnes durch Schmecken, Hartes und Weiches durch Befühlen sinnlich wahrnehmen, von welchen Sinnesobjekten wir auch Bilder[6], die ihnen ganz ähnlich, aber nicht mehr körperhaft sind, in Gedanken herumtragen, in der Erinnerung festhalten und durch sie zum Verlangen danach angereizt werden; sondern ohne daß sich irgendwie eine trügerische Vorspiegelung der Phantasie und ihrer Gebilde geltend machen könnte, steht mir durchaus fest, daß ich bin, daß ich das weiß und es liebe. In diesen Stücken fürchte ich durchaus nicht die Einwendungen der Akademiker[7], die da entgegenhalten: Wie aber, wenn du dich täuschest? Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.

Augustinus: De civitate dei, XI, 26

Illiuminationslehre

Hauptartikel: Illuminationslehre

Die von Augustinus vertretene Illuminationslehre, die später in der Scholastik von Bonaventura systematisch ausgearbeitet wurde, hat ihren Ursprung in der Ideenlehre Platons, wie sie dieser in seiner Politeia in dem berühmten Höhlengleichnis und vorbereitend schon in dem Sonnengleichnis veranschaulicht hat. Die Erkenntnis der Wahrheit ist demnach nur möglich durch das höchste geistige Licht des Guten, das die Seele erleuchtet, so wie die sinnlichen Dinge nur durch das Licht der Sonne sichtbar werden. Für Plotin und den an ihn anknüpfenden Neuplatonismus war die Quelle dieses geistigen Lichts „Das Eine“, das Augustinus im christlichen Sinn mit Gott gleichsetzte. Gott selbst ist die ewige Wahrheit, in dessen Geist die ewigen Ideen leben, aus denen er die sichtbare und unsichtbare Welt geschaffen hat. Der göttliche Weltgeist (mundus intelligibilis) strahlt diese Ideen aus und erleuchtet dadurch unmittelbar die menschliche Seele, die, anders als sein materieller Leib, als Ebenbild Gottes (imago dei) geschaffen sei.

Nicht nur die Gotteserkenntnis, sondern auch die Allgemeinbegriffe werden dem Menschen durch eine höhere, über die Seele und den Intellekt hinausreichende Instanz („intus ipsi menti praesidentem“) vermittelt. Der im Menschen wohnende Christus selbst ist der innere Lehrer („magister interior“), der dem fragenden Menschen antwortet.

„Derjenige aber, der befragt wird, ist es, der lehrt; von ihm wird gesagt, dass er im Inneren des Menschen wohne: Christus, das ist die unveränderliche Kraft Gottes und die ewige Weisheit, die jede Vernunftseele befragt.“

Augustinus: De Magistro 11,38

Thomas von Aquin, der sich stärker an Aristoteles orientierte, lehnte die Illuminationslehre zwar nicht vollständig ab, stand ihr aber sehr zurückhaltend gegenüber. Diese für die Engelhierarchien vollgültige Erkenntnisart sei dem Menschen nur mehr in geringem Maß möglich, da er als unterstes aller geistigen Wesen bereits so weit von der Quelle des göttlichen Lichts entfernt sei, dass er dadurch die Wahrheit nur mehr in ihren allgemeinsten Zügen erkennen könne. Gott habe dafür aber dem Menschen einen Leib verliehen, um aus den sinnlich wahrnehmbaren Dingen mit Hilfe der Vernunft die Ideen herauszulösen und diese dadurch in ihrem göttlichen Ursprung zu erkennen.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelanchweise

  1. Augustinus, Otto F. Lachmann (Übers.): Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus, Reclam Verlag, Leipzig 1920
  2. vgl. Der Europäer, Februar 2013 (Jg. 17 / Nr. 4), S. 9 und Der Europäer, April 2002 (Jg. 6 / Nr. 6), S. 8 (Anm. 4)
  3. Die berühmte Stelle, die an Descartes' „Cogito, ergo sum“ anklingt. Vgl. dazu J. Storz, Die Philosophie des hl. Augustinus [1882], 34—38, wo auch Parallelstellen angegeben sind; und H. Scholz, Glaube und Unglaube in der „Weltgeschichte [1911], 36f.
  4. im lateinischen Original: „si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest: ac per hoc sum, si fallor. quia sum ergo, si fallor, quomodo esse me fallor, quando certum est me esse, si fallor? quia igitur essem qui fallerer, etiamsi fallerer, procul dubio in eo, quod me noui esse, non fallor. consequens est autem, ut etiam in eo, quod me noui nosse, non fallar. sicut enim noui esse me, ita noui etiam hoc ipsum, nosse me.“
  5. Jedermann sieht die Verwandtschaft mit Gedankengängen Descartes’. Vgl. Gilson a. a. O. 427―445.
  6. Eindrücke
  7. d. i. der Anhänger der sog. mittleren Akademie [3. und 2. Jahrh. v. Chr.], die dem Skeptizismus huldigte, ausgehend von der Tatsache, daß es Sinnestäuschungen gibt; das Selbstbewußtsein beruht nicht auf äußerer Wahrnehmung wie die durch die Sinne vermittelten Erkenntnisse, sondern auf unmittelbarem Erfassen des eigenen Seins, Erkennens und Strebens.