Denken und Viertes Konzil von Konstantinopel: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Denken''' ist eine der drei grundlegenden [[Seelenkräfte]] des Menschen. Durch das Denken bilden wir uns [[Begriff]]e, in denen sich die innere Gesetzmäßigkeit dessen offenbaren soll, was uns in den vereinzelt dastehenden [[Wahrnehmung]]en vorerst unverstanden gegenübertritt.  
{{Infobox Ökumenisches Konzil|konzil_name=4. Konzil von Konstantinopel
|konzil_datum=5. Oktober [[Wikipedia:869|869]] - 28. Februar [[Wikipedia:870|870]]
|akzeptiert=[[Wikipedia:Römisch-Katholische Kirche|Römisch-Katholische Kirche]]
|vorherig=[[Zweites Konzil von Nicäa|Zweites Konzil von Nicäa]]
|nächst=[[Erstes Laterankonzil|Erstes Laterankonzil]]
|einberufen_von=[[Wikipedia:Justinian II.|Kaiser Justinian II.]]
|präsidium=[[Wikipedia:Legat (Botschafter)|Päpstliche Legaten]]
|beteiligung=
|themen=[[Wikipedia:Photios I.|Photius-Schisma]], kirchliche [[Wikipedia:Überlieferung|Überlieferung]], [[Wikipedia:Bilderverehrung|Bilderverehrung]], menschliche [[Seele]], Leitung der Kirche, [[Wikipedia:Primat (römisch-katholische Kirche)|Vorrangstellung Roms]] 
|dokumente=27 Kanones (griech.)<br>14 Kanones (lat.)
}}


== Die Grundlage des Denkens ==
Das '''vierte [[Konzil von Konstantinopel|Konzil von Konstantinopel]]''' von [[869]]-[[Wikipedia:870|870]], für die katholische Kirche das achte [[Wikipedia:Ökumenisches Konzil|ökumenische Konzil]], wird nur von der [[Katholizismus|katholischen Kirche]] anerkannt, von der orthodoxen Kirche aber abgelehnt.


Im Denken erscheint ein Spiegelbild dessen, was der [[Astralleib]] und das [[Ich]] innerhalb der physisch-sinnlichen Welt erleben.
== Thema ==


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Es ging bei diesem Konzil um den Streit zwischen dem byzantinischen Patriarchen [[Wikipedia:Photius I.|Photius I.]] und dem [[Wikipedia:Papst|Papst]] [[Wikipedia:Nikolaus I. (Papst)|Nikolaus I.]] Das Konzil, an dem nur sehr wenige Bischöfe teilnahmen, exkommunizierte und verbannte Photius.
"Mit dem Erwachen treten der astralische Organismus
und die Ich-Wesenheit in den ätherischen und physischen
Organismus ein. Durch das Denken werden die
Sinneswahrnehmungen im ätherischen Organismus erlebt.
Aber in diesem Erleben ist nicht die Welt wirksam,
die den Menschen umgibt, sondern eine Nachbildung
dieser Welt. In dieser Nachbildung offenbart sich die
Summe der bildenden Kräfte, die dem Erden-Lebenslauf
des Menschen zugrunde liegen. In jedem Lebensaugenblicke
ist eine solche Nachbildung der Außenwelt
im Menschen vorhanden. Der Mensch erlebt diese
Nachbildung durch das Denken nicht direkt, sondern
es stellt sich deren Reflexion durch den physischen
Organismus als Gedankeninhalt vor das gewöhnliche
Bewußtsein.


Was hinter der reflektierenden Tätigkeit des Denkens
Die von Photius vertretene Zwei-[[Seele]]n-Lehre, gemäß der dem [[Mensch]]en eine höhere, unsterbliche [[Geist]]-Seele und eine irdische, vergängliche Seele eigen sind, wurde mit dem Bannfluch belegt. Die Lehre von der [[Trichotomie]], wonach der Mensch aus [[Geist]], [[Seele]] und [[Leib]] bestehe, gilt seitdem in der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] als [[Häresie]]:
im physischen Organismus vor sich geht, das kann durch
das gewöhnliche Bewußtsein nicht wahrgenommen werden,
sondern nur das Ergebnis, welches die als Gedanken
sich darstellenden reflektierten Bilder sind. Diese nicht
wahrgenommenen Vorgänge im physischen Organismus
sind Tätigkeiten des ätherischen und astralischen Organismus
und der Ich-Wesenheit. Der Mensch nimmt in
seinen Gedanken dasjenige wahr, was er selbst als seelisch-
geistiges Wesen in seinem physischen Organismus
bewirkt." {{Lit|{{G|025|70f}}}}
</div>
 
== Der Grund für unser Erkenntnisstreben - Beobachtung und Denken ==
 
Es liegt allein an unserer geistigen Organisation, dass sich uns die Wirklichkeit zunächst auf zwei getrennten Wegen, nämlich als Wahrnehmung und Begriff, zeigt. In der [[Wirklichkeit]] sind Wahrnehmung und Begriff stets miteinander verbunden, niemals tritt die Wahrnehmung getrennt von der ihr innenwohnenden Gesetzmäßigkeit auf, nur bleibt uns letztere zunächst verborgen. Sie muss erst durch das Denken enthüllt werden. Die Wahrnehmung ist uns ohne unser Zutun gegeben, wir bringen sie nicht selbst hervor, sondern wir [[Beobachtung|beobachten]] sie nur, indem wir nur unsere [[physisch]]en oder [[Geist|geistigen]] Sinne offen halten. Den zugehörigen Begriff hingegen bringen wir erst durch das Denken tätig hervor. Indem wir im [[Erkenntnis]]akt die Wahrnehmung begrifflich durchdringen, stoßen wir zur Wirklichkeit vor - sofern wir uns der Wahrnehmung adäquate, richtige Begriffe gebildet haben. An einem einfachen Beispiel charakterisiert das [[Rudolf Steiner]] so:


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"Wenn ich beobachte, wie eine Billardkugel, die gestoßen wird, ihre Bewegung auf eine andere überträgt, so bleibe ich auf den Verlauf dieses beobachteten Vorganges ganz ohne Einfluss. Die Bewegungsrichtung und Schnelligkeit der zweiten Kugel ist durch die Richtung und Schnelligkeit der ersten bestimmt. Solange ich mich bloß als Beobachter verhalte, weiß ich über die Bewegung der zweiten Kugel erst dann etwas zu sagen, wenn dieselbe eingetreten ist. Anders ist die Sache, wenn ich über den Inhalt meiner Beobachtung nachzudenken beginne. Mein Nachdenken hat den Zweck, von dem Vorgange Begriffe zu bilden. Ich bringe den Begriff einer elastischen Kugel in Verbindung mit gewissen anderen Begriffen der Mechanik und ziehe die besonderen Umstände in Erwägung, die in dem vorkommenden Falle obwalten. Ich suche also zu dem Vorgange, der sich ohne mein Zutun abspielt, einen zweiten hinzuzufügen, der sich in der begrifflichen Sphäre vollzieht. Der letztere ist von mir abhängig. Das zeigt sich dadurch, dass ich mich mit der Beobachtung begnügen und auf alles Begriffe suchen verzichten kann, wenn ich kein Bedürfnis danach habe. Wenn dieses Bedürfnis aber vorhanden ist, dann beruhige ich mich erst, wenn ich die Begriffe: Kugel, Elastizität, Bewegung, Stoß, Geschwindigkeit usw. in eine gewisse Verbindung gebracht habe, zu welcher der beobachtete Vorgang in einem bestimmten Verhältnisse steht. So gewiss es nun ist, dass sich der Vorgang unabhängig von mir vollzieht, so gewiss ist es, dass sich der begriffliche Prozess ohne mein Zutun nicht abspielen kann...
„Während das [[Altes Testament|Alte]] und das [[Neues Testament|Neue Testament]] lehren, der Mensch habe nur eine denkfähige und vernünftige Seele (unam animam rationabilem et intellectualem) und alle gottesgelehrten [[Kirchenväter|Väter]] und Lehrer der Kirche eben diese Meinung bekräftigen, sind einige, auf die Erfindungen der Bösen eingehend, zu solcher Frevelhaftigkeit herabgesunken, unverschämterweise den Lehrsatz vorzutragen, er habe zwei Seelen (duas eum habere animas); weiterhin versuchen sie, in gewissen unvernünftigen Bemühungen mit Gelehrsamkeit, welche sich als töricht erwiesen hat, ihre eigene Häresie zu bekräftigen.<br>
 
Daher beeilt sich diese heilige und universelle Synode, diese nichtsnutzige Meinung, die da keimen will wie das übelste Unkraut, auszureißen, und indem sie in der Hand die Wurfschaufel der Wahrheit trägt und die ganze Spreu einem unauslöschlichem Feuer übergeben und die Tenne [[Christus|Christi]] rein machen will, verflucht sie die Urheber und Vertreter dieser Gottlosigkeit und alle, die in diesen Dingen Ähnliches gelten lassen, mit lauter Stimme. Sie bestimmt und gibt bekannt, daß hinfort niemand in irgendwelcher Weise die Grundsätze der Urheber dieser Gottlosigkeit besitzen und aufbewahren dürfe.<br>Wenn aber einer sich herausnehmen sollte, im Gegensatz zu dieser heiligen und großen Synode zu handeln, so sei er verflucht und ausgeschlossen vom Glauben und Kult der Christen.“<ref>"Veteri et novo testamento unam animam rationabilem et intellectualem habere hominem docente, et omnibus deiloquis patribus et magistris ecclesiae eamdem opinionem asseverantibus, in tantum impietatis quidem, malorum inventionibus dantes operam, devenerunt, ut duas eum habere animas impudenter dogmatizare, et quibusdam irrationalibus conatibus per sapientiam, quae stulta facta est, propriam haeresim confirmare pertentent.<br> Itaque sancta haec et universalis synodus, veluti quoddam pessimum zizanium, nunc germinantem nequam opinionem, evellere festinans; imo vero ventilabrum in manu veritatis portans, et igni inextinguibili transmittere omnem paleam, et aream Christi mundam exhibere volens, talis impietatis inventores et patratores, et his similia sentientes, magna voce anathematizat, et definit, atque promulgat, neminem prorsus habere, vel servare quoquo modo statuta huius impietatis auctorum.<br> 
Es ist ein tiefgreifender Unterschied zwischen der Art, wie sich für mich die Teile eines Vorganges zueinander verhalten vor und nach der Auffindung der entsprechenden Begriffe. Die bloße Beobachtung kann die Teile eines gegebenen Vorganges in ihrem Verlaufe verfolgen; ihr Zusammenhang bleibt aber vor der Zuhilfenahme von Begriffen dunkel. Ich sehe die erste Billardkugel in einer gewissen Richtung und mit einer bestimmten Geschwindigkeit gegen die zweite sich bewegen; was nach erfolgtem Stoß geschieht, muss ich abwarten und kann es dann auch wieder nur mit den Augen verfolgen. Nehmen wir an, es verdecke mir im Augenblicke des Stoßes jemand das Feld, auf dem der Vorgang sich abspielt, so bin ich – als bloßer Beobachter - ohne Kenntnis, was nachher geschieht. Anders ist das, wenn ich für die Konstellation der Verhältnisse vor dem Verdecken die entsprechenden Begriffe gefunden habe. In diesem Falle kann ich angeben, was geschieht, auch wenn die Möglichkeit der Beobachtung aufhört. Ein bloß beobachteter Vorgang oder Gegenstand ergibt aus sich selbst nichts über seinen Zusammenhang mit anderen Vorgängen oder Gegenständen. Dieser Zusammenhang wird erst ersichtlich, wenn sich die Beobachtung mit dem Denken verbindet.
Si autem quis contraria gerere praesumpserit huic sanctae et magnae synodo, anathema sit, et a fide atque cultura christianorum alienus." [http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0869-0870__Concilium_Constantinopolitanum_IV__Documenta__LT.doc.html Concilium Constantinopolitanum IV - Documenta]</ref>
 
Beobachtung und Denken sind die beiden Ausgangspunkte für alles geistige Streben des Menschen, insofern er sich eines solchen bewusst ist." {{Lit|{{G|004|37f}}}}
</div>
</div>


== Der ganzheitliche Charakter des Denkens ==
[[Wikipedia:879|879]] gab es ein weiteres Konzil in Konstantinopel, wo Photius wieder voll rehabilitiert wurde - unter Zustimmung von Papst [[Wikipedia:Johannes VIII. (Papst)|Johannes VIII.]]. An diesem Konzil gab es auch einen Kompromiss bezüglich päpstlichem Jurisdiktionsprimat: Die Jurisdiktion des Papstes wurde für den Westen voll anerkannt, für den Osten das Ehrenprimat des Bischofs von Rom, aber ohne Jurisdiktion über andere Patriarchate.


Was uns die Wahrnehmungswelt so rätselhaft macht, ist, dass sie sich uns, solange wir uns des Denkens enthalten, als eine Welt zusammenhanglos erscheinender Einzelheiten darbietet. Erst das Denken schlägt Verbindungsfäden zwischen den einzelnen Elementen und verknüpft sie zu einem sinnvollen Ganzen:
Das 879er-Konzil wird von einigen Vertretern der östlich-orthodoxen Kirche ihrerseits als achtes ökumenisches Konzil gezählt. Von der katholischen Kirche wurde es 200 Jahre lang akzeptiert, seit [[Wikipedia:Gregor VII.|Gregor VII.]] wird es jedoch, vor allem wegen der [[Filioque]]-Frage, nicht als allgemeines Konzil anerkannt. Die Erklärung von Bari (1987) der Gemeinsamen Kommission für den Dialog zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche nennt es jetzt aber »das 879/80 gemeinsam durch die beiden Kirchen gefeierte Konzil«.<ref>Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche, Erklärung »Glaube, Sakramente und Einheit der Kirche« (Bari 1987) Nr. 53, deutsche Übersetzung in: Die deutschen Bischöfe, Ökumene-Kommission (Hrsg.), Die Eucharistie der einen Kirche. Dokumente des katholisch-orthodoxen Dialogs auf deutsche rund internationaler Ebene. 3. erw. Auflage (Bonn 1995) 47.</ref> Die Erklärung von Valamo (1988) derselben Kommission nennt es das »Konzil der Hagia Sophia (879/880)« und zählt seinen Kanon 1 zu den Kanones, »die im Gesamt der Kirchen des Ostens und des Westens angenommen wurden«<ref> Ebd. 57.</ref>


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Beide Konzilien haben jedoch die Dogmen des [[Zweites Konzil von Nicäa|zweiten Konzils von Nicäa]] voll akzeptiert und dieses Konzil als siebtes ökumenisches Konzil gezählt.
"Ein Ding erklären, verständlich machen heißt nichts anderes, als es in den Zusammenhang hineinversetzen, aus dem es durch die oben geschilderte Einrichtung unserer Organisation herausgerissen ist. Ein von dem Weltganzen abgetrenntes Ding gibt es nicht. Alle Sonderung hat bloß subjektive Geltung für unsere Organisation. Für uns legt sich das Weltganze auseinander in: oben und unten, vor und nach, Ursache und Wirkung, Gegenstand und Vorstellung, Stoff und Kraft, Objekt und Subjekt usw. Was uns in der Beobachtung an Einzelheiten gegenübertritt, das verbindet sich durch die zusammenhängende, einheitliche Welt unserer Intuitionen Glied für Glied; und wir fügen durch das Denken alles wieder in eins zusammen, was wir durch das Wahrnehmen getrennt haben.


Die Rätselhaftigkeit eines Gegenstandes liegt in seinem Sonderdasein. Diese ist aber von uns hervorgerufen und kann, innerhalb der Begriffswelt, auch wieder aufgehoben werden." {{Lit|{{G|004|95}}}}
== Abschaffung des Geistes ==
</div>


Das Denken verknüpft also die Wahrnehmungen miteinander und verbindet sie mit den zugehörigen Begriffen. Und auch die durch das Denken gebildeten Begriffe bleiben nicht vereinzelt stehen, sondern schließen sich zu umfangreicheren Begriffen und Begriffssystemen zusammen, die wir als [[Idee]]n bezeichnen, die alle letztlich in der einen einzigen Idee schlechthin wurzeln. Zurecht sagt daher Goethe:
[[Rudolf Steiner]] hat in diesem Zusammenhang wiederholt von einer '''Abschaffung des Geistes''' gesprochen.


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{{GZ|Während man in alten Zeiten, als auch noch die
"Die Idee ist ewig und einzig; daß wir auch den Plural brauchen, ist nicht wohlgetan. Alles, was wir gewahr werden und wovon wir reden können, sind nur Manifestationen der Idee; Begriffe sprechen wir aus, und insofern ist die Idee selbst ein Begriff." {{Lit|Goethe: ''Maximen und Reflexionen''}}
äußere Wissenschaft mehr auf Hellsehertum beruhte, richtig unterschieden
</div>
hat, inwiefern der Mensch hineingestellt ist in ein leibliches,
in ein seelisches und in ein geistiges Leben, hat sich ein Kirchenkonzil
in verhältnismäßig früher Zeit gezwungen gefühlt, den Geist abzuschaffen,
und da wurde ein für allemal das Dogma aufgestellt: Der
Mensch besteht aus Leib und Seele. - Ja, der Geist ist wirklich abgeschafft
worden. Und wenn Sie die Dogmatik der christlichen Kirche
kennenlernen würden, so würden Sie einen Einblick bekommen in
das, was da gespielt hat infolge der Abschaffung des Geistes. Natürlich
sind einige daraufgekommen, daß doch etwas da sei, demgegenüber
man als von «Geist» reden müsse. Aber das waren die gewaltigsten
Ketzer. Wo man nicht ausreichte mit Leib und Seele und den
Geist einführte als ein drittes, da war man ein gewaltiger Ketzer. Das
beruht nur auf einer Unsicherheit, die man hatte gegenüber der absoluten
Berechtigung, von Leib, Seele und Geist zu sprechen. Und in
dem Augenblick, wo man aufhört von Leib, Seele und Geist zu sprechen,
wirft man alles durcheinander. Aber die Menschen sind schon
so, daß sie alles durcheinanderwerfen. Und wenn man nicht mehr
recht weiß, was Geist ist und was Seele ist, dann kann etwas anderes
dahinter verschwinden. So ist in der Tat ein freier Ausblick auf das
Geistesleben verschwunden.|115|146}}


=== Analytisches und synthetisches Denken ===
{{GZ|Die Philosophen der Gegenwart sprechen noch immer nicht vom Geiste, denn sie folgen dem Dogma des achten ökumenischen Konzils. Warum eigentlich, wenn auch nicht mit deutlichen Worten, die modernen Philosophen den Geist abschwören, das wissen sie wahrhaftig ebensowenig, wie die römischen Kardinale gewußt haben, auf was sie eigentlich schwören, als sie geschworen haben zu bewahren den Schatz, der längst nicht mehr da war. Die fortzeugenden Dinge in der Geschichte, die wirklichen Kräfte, die berücksichtigt man oftmals eben so furchtbar wenig. Und so kann man heute als unwissend gelten, wenn man nicht zustimmt der «voraussetzungslosen» Wissenschaft - wie man es nennt -, daß der Mensch nur aus Leib und Seele bestünde, bloß weil diejenigen, die die voraussetzungslose Wissenschaft vertreten, nicht wissen, daß die Voraussetzung dazu die Festsetzungen des achten ökumenischen Konzils im Jahre 869 sind.|175|173}}


Goethes Worte unterstreichen den fundamental ganzheitlichen, synthetischen Charakter des Denkens, der heute aber zumeist übersehen wird, weil wir gewohnt sind, vorwiegend ''analytisch'' zu denken. Das analytische Denken ist notwendig, um einzelne Begriffe aus der Gesamtidee herauszusondern, damit sie uns besonders deutlich und klar bewusst werden. Sie bleiben aber bedeutungslos, wenn sie nicht letztlich wieder dem Ganzen eingegliedert werden, mit dem sie in der Wirklichkeit untrennbar verbunden sind.
==Siehe auch==
*[[Trichotomie]]


=== Das diskursive Denken ===
== Literatur ==


Das diskursive, logisch ableitende Denken ist heute im Zeitalter des [[Intellekt]]s das weithin verbreitetste. Es ist eng an die [[Sprache]] gebunden, weitgehend bildlos abstrakt und schreitet konsequent in lückenloser Folge ohne logische Sprünge über logische [[Schluß|Schlüsse]] und [[Urteil]]e zu den [[Begriff]]en vorwärts. Nur im logischen Schließen sind wir stets vollwach. Urteile sinken sehr schnell in das [[Traumbewusstsein]], in dem auch das [[Gefühl]] beständig lebt, herab und werden so zu Seelengewohnheiten. Begriffe steigen sogar bis in das [[Schlafbewusstsein]] hinunter, wo auch der menschliche [[Wille]] wirkt. Hier werden sie zu einer gestaltenden Kraft, die bis in den [[Physischer Leib|physischen Leib]] hineinwirkt. Das zu berücksichtigen, ist für vor allem für die [[Pädagogik]] von größter Bedeutung.
* [[Rudolf Steiner]]: ''Anthroposophie – Psychosophie – Pneumatosophie'', [[GA 115]] (2001), ISBN 3-7274-1150-3 {{Vorträge|115}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha'', [[GA 175]] (1996), ISBN 3-7274-1750-1 {{Vorträge|175}}


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{{GA}}
"Indem wir uns logisch, das heißt denkend-erkennend betätigen, haben wir in dieser Betätigung immer drei Glieder. Erstens haben wir immerfort dasjenige in unserem denkenden Erkennen drinnen, was wir Schlüsse nennen. Für das gewöhnliche Leben äußert sich ja das Denken in der Sprache. Wenn Sie das Gefüge der Sprache überblicken, werden Sie finden: indem Sie sprechen, bilden Sie fortwährend Schlüsse aus. Diese Tätigkeit des Schließens ist die allerbewußteste im Menschen. Der Mensch würde sich durch die Sprache nicht äußern können, wenn er nicht fortwährend Schlüsse sprechen würde; er würde nicht das, was der andere zu ihm sagt, verstehen können, wenn er nicht fortwährend Schlüsse in sich aufnehmen könnte. Die Schullogik zergliedert gewöhnlich die Schlüsse; dadurch verfälscht sie sie schon, insofern die Schlüsse im gewöhnlichen Leben vorkommen. Die Schullogik bedenkt nicht, daß wir schon einen Schluß ziehen, wenn wir ein einzelnes Ding ins Auge fassen. Denken Sie sich, Sie gehen in eine Menagerie und sehen dort einen Löwen. Was tun Sie denn zuallererst, indem Sie den Löwen wahrnehmen? Sie werden zuallererst das, was Sie am Löwen sehen, sich zum Bewußtsein bringen, und nur durch dieses Sich-zum-Bewußtsein-Bringen kommen Sie mit Ihren Wahrnehmungen gegenüber dem Löwen zurecht. Sie haben im Leben gelernt, ehe Sie in die Menagerie gegangen sind, daß solche Wesen, die sich so äußern wie der Löwe, den Sie jetzt sehen, «Tiere» sind. Was Sie da aus dem Leben gelernt haben, bringen Sie schon mit in die Menagerie. Dann schauen Sie den Löwen an und finden: der Löwe tut eben auch das, was Sie bei den Tieren kennengelernt haben. Dies verbinden Sie mit dem, was Sie aus der Lebenserkenntnis mitgebracht haben, und bilden sich dann das Urteil: Der Löwe ist ein Tier. - Erst wenn Sie dieses Urteil sich gebildet haben, verstehen Sie den einzelnen Begriff «Löwe». Das erste, was Sie ausführen, ist ein Schluß; das zweite, was Sie ausführen, ist ein Urteil; und das letzte, wozu Sie im Leben kommen, ist ein Begriff. Sie wissen natürlich nicht, daß Sie diese Betätigung fortwährend vollziehen; aber würden Sie sie nicht vollziehen, so würden Sie kein bewußtes Leben führen, das Sie geeignet macht, sich durch die Sprache mit anderen Menschenwesen zu verständigen. Man glaubt gewöhnlich, der Mensch komme zuerst zu den Begriffen. Das ist nicht wahr. Das erste im Leben sind die Schlüsse. Und wir können sagen: Wenn wir nicht unsere Wahrnehmung des Löwen, wenn wir in die Menagerie gehen, aus der gesamten übrigen Lebenserfahrung herausschälen, sondern wenn wir sie in unsere ganze übrige Lebenserfahrung hineinstellen, so ist das erste, was wir in der Menagerie vollbringen, das Ziehen eines Schlusses. - Wir müssen uns klar sein: daß wir in die Menagerie gehen und den Löwen sehen, ist nur eine Einzelhandlung und gehört zum ganzen Leben hinzu. Wir haben nicht angefangen zu leben, als wir die Menagerie betreten und den Blick auf den Löwen gerichtet haben. Das schließt sich an das vorherige Leben an, und das vorherige Leben spielt da hinein, und wiederum wird das, was wir aus der Menagerie mitnehmen, hinausgetragen in das übrige Leben. - Wenn wir aber nun den ganzen Vorgang betrachten, was ist dann der Löwe zuerst? Er ist zuerst ein Schluß. Wir können durchaus sagen: Der Löwe ist ein Schluß. Ein bißchen später: Der Löwe ist ein Urteil. Und wieder ein bißchen später: Der Löwe ist ein Begriff.
 
Wenn Sie Logiken aufschlagen, namentlich solche älteren Kalibers, dann werden Sie unter den Schlüssen gewöhnlich den allerdings berühmt gewordenen Schluß angeführt finden: Alle Menschen sind sterblich; Cajus ist ein Mensch; also ist Cajus sterblich. - Cajus ist ja die allerberühmteste logische Persönlichkeit. Nun, dieses Auseinanderschälen der drei Urteile: «Alle Menschen sind sterblich», «Cajus ist ein Mensch», «also ist Cajus sterblich», findet in der Tat nur beim Logikunterricht statt. Im Leben weben diese drei Urteile ineinander, sind eins, denn das Leben verläuft fortwährend denkend-erkennend. Sie vollziehen immer alle drei Urteile gleichzeitig, indem Sie an einen Menschen «Cajus» herantreten. In dem, was Sie über ihn denken, stecken schon die drei Urteile drinnen. Das heißt, der Schluß ist zuerst da; dann erst bilden Sie das Urteil, das hier in der Conclusio ist: «also ist Cajus sterblich.» Und das letzte, was Sie bekommen, ist der individualisierte Begriff: «Der sterbliche Cajus.»
 
Nun haben diese drei Dinge - Schluß, Urteil, Begriff - ihr Dasein im Erkennen, das heißt im lebendigen Geiste des Menschen. Wie verhalten sie sich im lebendigen Geiste des Menschen?
 
Der Schluß kann nur leben im lebendigen Geiste des Menschen, nur dort hat er ein gesundes Leben; das heißt, der Schluß ist nur ganz gesund, wenn er verläuft im vollwachenden Leben. Das ist sehr wichtig, wie wir noch sehen werden.
 
Daher ruinieren Sie die Seele des Kindes, wenn Sie darauf hinarbeiten, daß fertige Schlüsse dem Gedächtnis anvertraut werden sollen. Was ich jetzt für den Unterricht sage, das ist, wie wir es noch im einzelnen auszuführen haben, von ganz fundamentaler Wichtigkeit. Sie werden in der Waldorfschule Kinder aller Altersstufen bekommen mit den Ergebnissen vorangehenden Unterrichtes. Es wird mit den Kindern gearbeitet worden sein - Sie werden das Ergebnis davon schon vorfinden im Schluß, Urteil, Begriff. Sie werden ja aus den Kindern das Wissen wieder heraufholen müssen, denn Sie können nicht mit jedem Kinde von neuem beginnen. Wir haben ja das Eigentümliche, daß wir die Schule nicht von unten aufbauen können, sondern gleich mit acht Klassen beginnen. Sie werden also präparierte Kinderseelen vorfinden und werden in der Methode in den allerersten Zeiten darauf Rücksicht nehmen müssen, daß Sie möglichst wenig die Kinder damit plagen, fertige Schlüsse aus dem Gedächtnis herauszuholen. Sind diese fertigen Schlüsse zu stark in die Seelen der Kinder gelegt, dann lasse man sie lieber unten liegen und bemühe sich, das gegenwärtige Leben des Kindes im Schließen leben zu lassen.
 
Das Urteil entwickelt sich ja zunächst auch, selbstverständlich, im vollwachenden Leben. Aber das Urteil kann schon hinuntersteigen in die Untergründe der menschlichen Seele, da, wo die Seele träumt. Der Schluß sollte nicht einmal in die träumende Seele hinunterziehen, sondern nur das Urteil kann in die träumende Seele hinunterziehen. Also alles, was wir uns als Urteil über die Welt bilden, zieht in die träumende Seele hinunter.
 
Ja, was ist denn diese träumende Seele eigentlich? Sie ist mehr das Gefühlsmäßige, wie wir gelernt haben. Wenn wir also im Leben Urteile gefällt haben und dann über die Urteilsfällung hinweggehen und das Leben weiterführen, so tragen wir unsere Urteile durch die Welt; aber wir tragen sie im Gefühl durch die Welt. Das heißt aber weiter: das Urteilen wird in uns eine Art Gewohnheit. Sie bilden die Seelengewohnheiten des Kindes aus durch die Art, wie Sie die Kinder urteilen lehren. Dessen müssen Sie sich durchaus bewußt sein. Denn der Ausdruck des Urteils im Leben ist der Satz, und mit jedem Satze, den Sie zu dem Kinde sprechen, tragen Sie ein Atom hinzu zu den Seelengewohnheiten des Kindes. Daher sollte der ja Autorität besitzende Lehrer sich immer bewußt sein, daß das, was er spricht, haften werde an den Seelengewohnheiten des Kindes.
 
Und kommen wir vom Urteil zum Begriff, so müssen wir uns gestehen: was wir als Begriff ausbilden, das steigt hinunter bis in die tiefste Tiefe des Menschenwesens, geistig betrachtet, steigt hinunter bis in die schlafende Seele. Der Begriff steigt hinunter bis in die schlafende Seele, und dies ist die Seele, die fortwährend am Leibe arbeitet. Die wachende Seele arbeitet nicht am Leibe. Ein wenig arbeitet die träumende Seele am Leibe; sie erzeugt das, was in seinen gewohnten Gebärden liegt. Aber die schlafende Seele wirkt bis in die Formen des Leibes hinein. Indem Sie Begriffe bilden, das heißt, indem Sie Ergebnisse der Urteile bei den Menschen feststellen, wirken Sie bis in die schlafende Seele oder, mit anderen Worten, bis in den Leib des Menschen hinein. Nun ist ja der Mensch in hohem Grade dem Leibe nach fertig gebildet, indem er geboren wird, und die Seele hat nur die Möglichkeit, das, was durch die Vererbungsströmung den Menschen überliefert wird, feiner auszubilden. Aber sie bildet es feiner aus. Wir gehen durch die Welt und schauen uns Menschen an. Diese Menschen treten uns entgegen mit ganz bestimmten Gesichtsphysiognomien. Was ist in diesen Gesichtsphysiognomien enthalten? Es ist in ihnen unter anderem enthalten das Ergebnis aller Begriffe, welche die Lehrer und Erzieher während der Kindheit in den Menschen hineingebracht haben. Aus dem Gesicht des reifen Menschen strahlt uns wieder das entgegen, was an Begriffen in die Kinderseele hineingegossen ist, denn die schlafende Seele hat die Physiognomie des Menschen unter anderem auch nach den feststehenden Begriffen gebildet. Hier sehen wir die Macht des Erzieherischen und Unterrichtlichen von uns auf den Menschen. Seinen Siegelabdruck bekommt der Mensch bis in den Leib hinein durch das Begriffebilden." {{Lit|{{G|293|134ff}}}}
</div>
 
== Die inhaltvolle Tätigkeit des Denkens ==
 
Die Tätigkeit des Denkens ist eine ''inhaltvolle''. Sie liefert kein idelles Abbild der Wahrnehmungswelt, sondern offenbart deren innere Gesetzmäßigkeit, die der unmittelbaren Wahrnehmung verborgen bleibt. Die Wahrnehmung zeigt uns gleichsam die Welt von ihrer Außenseite, durch das Denken treten wir in ihr Innerstes ein. Die begriffliche Seite der Welt ist uns, wie Rudolf Steiner sagt, durch [[Intuition]] gegeben.
 
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"Am tiefsten eingewurzelt in das naive Menschheitsbewusstsein ist die Meinung: das Denken sei abstrakt, ohne allen konkreten Inhalt. Es könne höchstens ein «ideelles» Gegenbild der Welteinheit liefern, nicht etwa diese selbst.
 
Wer so urteilt, hat sich niemals klar gemacht, was die Wahrnehmung ohne den Begriff ist. Sehen wir uns nur diese Welt der Wahrnehmung an: als ein bloßes Nebeneinander im Raum und Nacheinander in der Zeit, ein Aggregat zusammenhangloser Einzelheiten erscheint sie. Keines der Dinge, die da auftreten und abgehen auf der Wahrnehmungsbühne, hat mit dem andern unmittelbar etwas zu tun, was sich wahrnehmen lässt. Die Welt ist da eine Mannigfaltigkeit von gleichwertigen Gegenständen. Keiner spielt eine größere Rolle als der andere im Getriebe der Welt. Soll uns klar werden, dass diese oder jene Tatsache größere Bedeutung hat als die andere, so müssen wir unser Denken befragen. Ohne das funktionierende Denken erscheint uns das rudimentäre Organ des Tieres, das ohne Bedeutung für dessen Leben ist, gleichwertig mit dem wichtigsten Körpergliede. Die einzelnen Tatsachen treten in ihrer Bedeutung in sich und für die übrigen Teile der Welt erst hervor, wenn das Denken seine Fäden zieht von Wesen zu Wesen. Diese Tätigkeit des Denkens ist eine inhaltvolle. Denn nur durch einen ganz bestimmten konkreten Inhalt kann ich wissen, warum die Schnecke auf einer niedrigeren Organisationsstufe steht als der Löwe. Der bloße Anblick, die Wahrnehmung gibt mir keinen Inhalt, der mich über die Vollkommenheit der Organisation belehren könnte.
 
Diesen Inhalt bringt das Denken der Wahrnehmung aus der Begriffs- und Ideenwelt des Menschen entgegen. Im Gegensatz zum Wahrnehmungsinhalte, der uns von außen gegeben ist, erscheint der Gedankeninhalt im Innern. Die Form, in der er zunächst auftritt, wollen wir als Intuition bezeichnen. Sie ist für das Denken, was die Beobachtung für die Wahrnehmung ist. Intuition und Beobachtung sind die Quellen unserer Erkenntnis. Wir stehen einem beobachteten Dinge der Welt so lange fremd gegenüber, so lange wir in unserem Innern nicht die entsprechende Intuition haben, die uns das in der Wahrnehmung fehlende Stück der Wirklichkeit ergänzt. Wer nicht die Fähigkeit hat, die den Dingen entsprechenden Intuitionen zu finden, dem bleibt die volle Wirklichkeit verschlossen. Wie der Farbenblinde nur Helligkeitsunterschiede ohne Farbenqualitäten sieht, so kann der Intuitionslose nur unzusammenhängende Wahrnehmungsfragmente beobachten." {{Lit|{{G|004|94}}}}
</div>
 
== Phänomenologie des Denkens ==
 
Wie sich die Begriffe miteinander verbinden, hängt von keinen äußeren Faktoren ab, sondern wird allein durch den Inhalt der Begriffe selbst bestimmt. Das ist selbst dann der Fall, wenn wir uns der Wahrnehmung gegenüber unrichtige Begriffe gebildet haben. ''Wie'' wir diese miteinander in Beziehung setzen, hängt doch ''nur'' von ihrer inhaltlichen Bestimmung ab.
 
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"Was in den übrigen Beobachtungssphären nur auf mittelbare Weise gefunden werden kann: der sachlich-entsprechende Zusammenhang und das Verhältnis der einzelnen Gegenstände, das wissen wir beim Denken auf ganz unmittelbare Weise. Warum für meine Beobachtung der Donner auf den Blitz folgt, weiß ich nicht ohne weiteres; warum mein Denken den Begriff Donner mit dem des Blitzes verbindet, weiß ich unmittelbar aus den Inhalten der beiden Begriffe. Es kommt natürlich gar nicht darauf an, ob ich die richtigen Begriffe von Blitz und Donner habe. Der Zusammenhang derer, die ich habe, ist mir klar, und zwar durch sie selbst.
 
Diese durchsichtige Klarheit in bezug auf den Denkprozess ist ganz unabhängig von unserer Kenntnis der physiologischen Grundlagen des Denkens. Ich spreche hier von dem Denken, insofern es sich aus der Beobachtung unserer geistigen Tätigkeit ergibt. Wie ein materieller Vorgang meines Gehirns einen andern veranlasst oder beeinflusst, während ich eine Gedankenoperation ausführe, kommt dabei gar nicht in Betracht. Was ich am Denken beobachte, ist nicht: welcher Vorgang in meinem Gehirne den Begriff des Blitzes mit dem des Donners verbindet, sondern, was mich veranlasst, die beiden Begriffe in ein bestimmtes Verhältnis zu bringen. Meine Beobachtung ergibt, dass mir für meine Gedankenverbindungen nichts vorliegt, nach dem ich mich richte, als der Inhalt meiner Gedanken; nicht nach den materiellen Vorgängen in meinem Gehirn richte ich mich. Für ein weniger materialistisches Zeitalter als das unsrige wäre diese Bemerkung natürlich vollständig überflüssig. Gegenwärtig aber, wo es Leute gibt, die glauben: wenn wir wissen, was Materie ist, werden wir auch wissen, wie die Materie denkt, muss doch gesagt werden, dass man vom Denken reden kann, ohne sogleich mit der Gehirnphysiologie in Kollision zu treten." {{Lit|{{G|004|44}}}}
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Wir müssen daher das Denken durch eine reine ''Phänomenologie des Denkens'' charakterisieren, ohne auf außerhalb des Denkens liegende Faktoren, wie etwa Gehirnvorgänge, zurückzugreifen. Eine solche Phänomenologie des Denkens, die sich ausschließlich auf die [[Beobachtung des Denkens]] gründet, hat Rudolf Steiner im ersten Teil seiner [[Philosophie der Freiheit]] gegeben. Das heißt ''nicht'', dass nicht [[leib]]liche Faktoren am ''Zustandekommen'' des Denkens beteiligt sind; sie sind sogar sehr wesentlich beteiligt, aber sie tragen beim gesunden Menschen ''inhaltlich'' nichts zum Denken bei. Sofern die Leibestätigkeit ihren Schatten in den ''Inhalt'' des Denkens wirft, liegt eine pathologische Störung der Leibestätigkeit vor, die sich als [[wahn]]hafte inhaltliche Denkstörung äußert.


[[Anthroposophie]] ist nach Rudolf Steiner ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall fürhren möchte. Indem wir unser Denken beobachten, beobachten wir unsere eigene geistige Tätigkeit. Die Beobachtung des Denkens kann damit zu einem fruchtbaren Ausgangspunkt des anthroposophischen Erkenntnisstrebens werden:
== Weblinks ==
* [http://www.documentacatholicaomnia.eu/01_10_0869-0869-_Concilium_Constantinopolitanum_IV.html Concilium Constantinopolitanum IV Documenta Omnia 869-870] ([[Latein]])
* [http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0869-0869__Concilium_Constantinopolitanum_IV__Documenta_Omnia__EN.pdf.html Fourth Council of Constantinople : 869-870] (englische Übersetzung des lateinischen Textes)
* [[Markus Osterrieder]]: [https://www.academia.edu/31344697/Verschweigen_des_Geistes_Einige_Anmerkungen_zur_geistesgeschichtlichen_Bedeutung_des_Konzils_von_869_70 Verschweigen des Geistes. Einige Anmerkungen zur geistesgeschichtlichen Bedeutung des Konzils von 869/70] auf [[https://www.academia.edu academia.edu]


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== Einzelnachweise ==
"Der Mensch erlebt in sich das, was wir den Gedanken nennen können, und in dem Gedanken kann sich der Mensch als etwas unmittelbar Tätiges, als etwas, was seine Tätigkeit überschauen kann, erfühlen. Wenn wir irgendein äußeres Ding betrachten, zum Beispiel eine Rose oder einen Stein, und wir stellen dieses äußere Ding vor, so kann jemand mit Recht sagen: Du kannst niemals eigentlich wissen, wieviel du in dem Steine oder in der Rose, indem du sie vorstellst, von dem Ding, von der Pflanze, eigentlich hast. Du siehst die Rose, ihre äußere Röte, ihre Form, wie sie in einzelne Blumenblätter abgeteilt ist, du siehst den Stein mit seiner Farbe, mit seinen verschiedenen Ecken, aber du mußt dir immer sagen: Da kann noch etwas drinnenstecken, was dir nicht nach außen hin erscheint. Du weißt nicht, wieviel du in deiner Vorstellung von dem Steine, von der Rose eigentlich hast.
<references/>


Wenn aber jemand einen Gedanken hat, dann ist er es selber, der diesen Gedanken macht. Man möchte sagen, in jeder Faser dieses seines Gedankens ist er drinnen. Daher ist er für den ganzen Gedanken ein Teilnehmer seiner Tätigkeit. Er weiß: Was in dem Gedanken ist, das habe ich so in den Gedanken hineingedacht, und was ich nicht in den Gedanken hineingedacht habe, das kann auch nicht in ihm drinnen sein. Ich überschaue den Gedanken. Keiner kann behaupten, wenn ich einen Gedanken vorstelle, da könnte in dem Gedanken noch so und so viel anderes drinnen sein wie in der Rose und in dem Stein; denn ich habe ja selber den Gedanken erzeugt, bin in ihm gegenwärtig, weiß also, was drinnen ist.
{{Vorlage:Navigationsleiste Ökumenische Konzile}}


Wirklich, der Gedanke ist unser Ureigenstes. Finden wir die Beziehung des Gedankens zum Kosmos, zum Weltall, dann finden wir die Beziehung unseres Ureigensten zum Kosmos, zum Weltall... Das also, was eben gesagt worden ist, verspricht uns, daß der Mensch, wenn er sich an das hält, was er im Gedanken hat, eine intime Beziehung seines Wesens zum Weltall, zum Kosmos, finden kann." {{Lit|{{G|151|9f}}}}
[[Kategorie:Konzil|Konstantimopel 4]]
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[[Kategorie:Ökumenisches Konzil|Konstantimopel 4]]
 
[[Kategorie:Altkirchliches Konzil|Konstantimopel 4]]
== Denken und Bewusstsein ==
 
Das menschliche [[Bewusstsein]] ist der Ort, wo Begriff und Wahrnehmung im Erkenntnisakt miteinander verbunden werden:
 
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"Nun ist es am Platze, von dem Denken auf das denkende Wesen überzugehen. Denn durch dieses wird das Denken mit der Beobachtung verbunden. Das menschliche Bewusstsein ist der Schauplatz, wo Begriff und Beobachtung einander begegnen und wo sie miteinander verknüpft werden. Dadurch ist aber dieses (menschliche) Bewusstsein zugleich charakterisiert. Es ist der Vermittler zwischen Denken und Beobachtung. Insofern der Mensch einen Gegenstand beobachtet, erscheint ihm dieser als gegeben, insofern er denkt, erscheint er sich selbst als tätig. Er betrachtet den Gegenstand als Objekt, sich selbst als das denkende Subjekt. Weil er sein Denken auf die Beobachtung richtet, hat er Bewusstsein von den Objekten; weil er sein Denken auf sich richtet, hat er Bewusstsein seiner selbst oder Selbstbewusstsein. Das menschliche Bewusstsein muss notwendig zugleich Selbstbewusstsein sein, weil es denkendes Bewusstsein ist. Denn wenn das Denken den Blick auf seine eigene Tätigkeit richtet, dann hat es seine ureigene Wesenheit, also sein Subjekt, als Objekt zum Gegenstande." {{Lit|{{G|004|59}}}}
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=== Das Denken ist keine bloß subjektive Tätigkeit ===
 
Man würde fehlgehen, wenn man das Denken als bloß subjektive Tätigkeit auffassen wollte, wie es einem beliebeten Vorurteil entspricht, denn erst ''durch'' das Denken selbst definieren wir uns Subjekt, das sich den Objekten gegenübergestellt sieht. Das Denken ist also weder subjektiv noch objektiv, sondern über den von ihm selbst hervorgebrachten Gegensatz von Subjekt und Objekt erhaben:
 
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"Nun darf aber nicht übersehen werden, dass wir uns nur mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den Objekten entgegensetzen können. Deshalb darf das Denken niemals als eine bloß subjektive Tätigkeit aufgefasst werden. Das Denken ist jenseits von Subjekt und Objekt. Es bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen. Wenn wir als denkendes Subjekt also den Begriff auf ein Objekt beziehen, so dürfen wir diese Beziehung nicht als etwas bloß Subjektives auffassen. Nicht das Subjekt ist es, welches die Beziehung herbeiführt, sondern das Denken. Das Subjekt denkt nicht deshalb, weil es Subjekt ist; sondern es erscheint sich als ein Subjekt, weil es zu denken vermag. Die Tätigkeit, die der Mensch als denkendes Wesen ausübt, ist also keine bloß subjektive, sondern eine solche, die weder subjektiv noch objektiv ist, eine über diese beiden Begriffe hinausgehende. Ich darf niemals sagen, dass mein individuelles Subjekt denkt; dieses lebt vielmehr selbst von des Denkens Gnaden. Das Denken ist somit ein Element, das mich über mein Selbst hinausführt und mit den Objekten verbindet. Aber es trennt mich zugleich von ihnen, indem es mich ihnen als Subjekt gegenüberstellt." {{Lit|{{G|004|60}}}}
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=== Über die Stellung des Denkens in der Welt ===
Das Denken gilt gemeinhin heute als etwas, was in den Köpfen der Menschen entsteht. In den menschlichen Hirnen, so meint man, werden die Gedankennetze gewoben, die wir der Welt überwerfen, um die wechselnden Erscheinungen in eine gewisse widerspruchsfreie Ordnung zu bringen. An die wahre Wirklichkeit kämen wir so freilich nicht heran, die „Dinge an sich“ im Sinne Kants blieben uns unzugänglich, sie lägen jenseits unserer intellektuellen Erkenntnisfähigkeit. Für das ''diskursive'' Denken trifft das auch zu. Im Grunde betreiben wir so eine etwas sonderbare Form von spekulativer Metaphysik. Letztlich können wir nur mehr oder weniger gut begründete Vermutungen über die Wirklichkeit anstellen und müssen es der weiteren Erfahrung überlassen, ob unsere Theorien etwas taugen oder widerlegt werden – und tatsächlich werden sie sehr häufig durch die Praxis widerlegt, [[Wikipedia:Falsifikation|falsifiziert]], um mit [[Wikipedia:Karl Popper|Karl Popper]] zu sprechen. Alles so gewonnene Wissen bleibt letztlich bloße [[Hypothese]]. Eine endgültige [[Wikipedia:Verifizierung|Verifikation]] ist auf ''diesem'' Weg nicht möglich.
 
Man kann die Sache aber probeweise auch ganz anders betrachten. Dazu gilt es zunächst, ein ganz spezifisches, starkes Gefühl dem Denken gegenüber zu entwickeln. Auf die Schulung dieses energischen Gefühls kommt zunächst alles an; man darf das nicht leichtfertig nehmen, indem man es bloß verstandesmäßig anerkennt, sondern muss sich konsequent erziehen, bis es zu einer tiefen gefühlsmäßigen Überzeugung wird. Und dieses Gefühl ist folgendes: Das Denken ist etwas, was tief in der [[Wirklichkeit]] verwurzelt ist, und nicht bloß etwas, das unseren Köpfen entspringt. Liegt der Wirklichkeit nicht das Denken zugrunde, dann macht es keinen Sinn, gedanklich etwas über die Welt erfahren zu wollen. Man kann Gedanken nur dort herausholen, wo sie auch drinnen sind. Freilich ist dieses Denken, das in der Welt waltet, etwas ganz anderes als das, was wir in unserem denkenden Bewusstsein erleben. Was unseren Hirnen entspringt, sind kraftlose blasse gedankliche Schemen; das Denken in der Wirklichkeit ist eine reale gestaltende Naturkraft. Wir kennen dieses Denken zunächst nicht, aber es lassen sich Wege finden, durch die sich in unserem Denken ein klares und deutliches Abbild dieses Weltendenkens formt, so dass ersteres schließlich zu einem Wahrnehmungsorgan für das Weltendenken wird. Wenn es gelingt, vereinigen wir uns im Denken mit der wahren Wirklichkeit, und dann gilt der Ausspruch, den Rudolf Steiner schon in jungen Jahren so getan hat:
 
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Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen. {{Lit|{{G|001|126}}}}
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Dieses [[Weltendenken]], dieses [[Kosmische Intelligenz|kosmische Denken]] wird von [[Michael]] verwaltet. Und im michaelischen Sinne denken lernen heißt, sich zum Wahrnehmungsorgan für dieses kosmische Denken zu machen.
 
== Die leibliche Grundlage des Denkens ==
 
Aus anthroposophischer Sicht besitzt der Mensch nicht nur einen [[Physischer Leib|physischen Leib]], sondern verfügt auch über höhere, übersinnliche leibliche [[Wesensglieder]], die als [[Ätherleib]] und [[Astralleib]] bezeichnet werden. In gewissem Sinn zählt sogar unser niederes [[Ich]] zu diesen übersinnlichen Leibesgliedern. Wie wir oben gesehen haben, tragen die Leibesglieder des Menschen ''inhaltlich'' nichts zum Denken bei. Man kann und muss daher den geistigen Inhalt des Denken verstehen, ohne sie zu berücksichtigen. Welche Bedeutung sie für das ''Zustandekommen'' des Denkens haben, soll nun kurz umrissen werden.
 
=== Die Bedeutung des physischen Leibes und der Gehirnvorgänge für das Denken ===
 
Das [[Gehirn]] trägt zwar nichts zur inhaltlichen Bestimmung des Denkens bei, aber das Gehirn ist ein [[Gehirn#Das Gehirn als Spiegelungsapparat für das Denken|Spiegelungsapparat für das Denken]], welcher uns das Denken in Form abstrakter [[Gedanken]]  [[Bewusstsein|bewusst]] macht. Das Gehirn denkt zwar nicht, aber es macht uns die Gedanken bewusst, indem es die gedanklichen Ergebnisse unserer Denktätigkeit in das [[Seele|seelische]] Erleben hereinspiegelt.
 
Umgekehrt wirkt das Denken auch sehr wesentlich auf den physischen Leib zurück. Nicht das Gehirn denkt, aber durch das Denken wird das Gehirn in seinen feineren Strukturen ausgeformt. Das ist bis ins hohe Alter der Fall, gilt aber ganz besonders für das heranwachsende Kind. Das Gehirn des kleinen Kindes ist weich und bildsam und in entscheidenden Bereichen noch wenig ausgeformt. Wesentliche Gehirnstrukturen werden erst durch das allmählich erwachende Denken des Kindes ausgestaltet.
 
Auch im Antlitz eines Menschen zeigen sich im Laufe der Jahre die Spuren seines Denkens. Ein Mensch, der ein reiches lebendiges Denken mit beweglichen Begriffen entwickelt hat, wird lebendigere, beweglichere Gesichtszüge zeigen als ein Mensch, der nur wenige tote Begriffe in sich aufgehäuft hat. Sein Gesicht wird verhältnismäßig starr und unpersönlich wirken, sein Gehirn wird steif und unbeweglich. Darin ist eine der wesenstlichsten Ursachen für die heute nicht so selten auftretende Alters-Demenz zu sehen. Der größte Schaden entsteht, wenn schon kleine Kinder mit abstrakten Begriffen überfordert werden.
 
==== Charakterisieren, nicht definieren, als Grundforderung der Pädagogik ====
 
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"Denken Sie sich, Sie bilden Begriffe, und diese Begriffe sind tot. Dann impfen Sie den Menschen Begriffsleichname ein. Bis in seinen Leib hinein impfen Sie dem Menschen Begriffsleichname ein, wenn Sie ihm tote Begriffe einimpfen. Wie muß der Begriff sein, den wir dem Menschen beibringen? Er muß lebendig sein, wenn der Mensch mit ihm soll leben können. Der Mensch muß leben, also muß der Begriff mitleben können. Impfen Sie dem Kinde im neunten, zehnten Jahre Begriffe ein, die dazu bestimmt sind, daß sie der Mensch im dreißigsten, vierzigsten Jahre noch ebenso hat, dann impfen Sie ihm Begriffsleichname ein, denn der Begriff lebt dann nicht mit dem Menschen mit, wenn dieser sich entwickelt. Sie müssen dem Kinde solche Begriffe beibringen, die sich im Laufe des weiteren Lebens des Kindes umwandeln können. Der Erzieher muß darauf bedacht sein, solche Begriffe dem Kinde zu übermitteln, welche der Mensch dann im späteren Leben nicht mehr so hat, wie er sie einmal bekommen hat, sondern die sich selbst umwandeln im späteren Leben. Wenn Sie das machen, dann impfen Sie dem Kinde lebendige Begriffe ein. Und wann impfen Sie ihm tote Begriffe ein? Wenn Sie dem Kinde fortwährend Definitionen geben, wenn Sie sagen: Ein Löwe ist ... - und so weiter und das auswendig lernen lassen, dann impfen Sie ihm tote Begriffe ein; dann rechnen Sie damit, daß das Kind, wenn es dreißig Jahre ist, noch ganz genau so diese Begriffe hat, wie Sie sie ihm einmal beigebracht haben. Das heißt: das viele Definieren ist der Tod des lebendigen Unterrichtes. Was müssen wir also tun? Wir sollten im Unterricht nicht definieren, wir sollten versuchen zu charakterisieren. Wir charakterisieren, wenn wir die Dinge unter möglichst viele Gesichtspunkte stellen. Wenn wir einfach in der Naturgeschichte dem Kinde das beibringen, was zum Beispiel in den heutigen Naturgeschichten von den Tieren steht, so definieren wir ihm eigentlich nur das Tier. Wir müssen versuchen, in allen Gliedern des Unterrichtes das Tier von anderen Seiten aus zu charakterisieren, zum Beispiel von der Seite, wie die Menschen allmählich dazu gekommen sind, dieses Tier kennenzulernen, sich seiner Arbeit zu bedienen und so weiter. Aber schon ein rationell eingerichteter Unterricht selber wirkt charakterisierend, wenn Sie nicht einfach nur - wenn die betreffende Etappe des Unterrichtes gerade an der Reihe ist - naturgeschichtlich den Tintenfisch beschreiben, dann wieder, wenn es drankommt, die Maus, und dann wieder den Menschen, wenn es drankommt, sondern wenn Sie nebeneinanderstellen Tintenfisch, Maus und Menschen und diese aufeinander beziehen. Dann sind diese Beziehungen so vielgliedrig, daß nicht eine Definition herauskommt, sondern eine Charakteristik, Ein richtiger Unterricht arbeitet daher von vornherein nicht auf die Definition hin, sondern auf die Charakteristik." {{Lit|{{G|293|139}}}}
</div>
 
=== Astralleib und Ich ===
 
Durch den [[Astralleib]] sind wir bewusste, durch unser [[Ich]] selbstbewusste [[geistige Wesen]]. Ohne Astralleib könnte uns das Denken nicht bewusst werden und ohne Ich könnten wir es nicht selbstbewusst ergreifen. Denken, [[Fühlen]] und [[Wollen]] wirken als seelische Erlebnisse im Astralleib und werden hier vom Ich aufgegriffen und geleitet.
 
=== Denken als Tätigkeit des Ätherleibs ===
 
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"Dieses Denken ist eigentlich ein Vorgang unseres Ätherleibes. Und von dem, was eigentlich geschieht beim Denken, weiß der Mensch das Allerwenigste. Das Allerwenigste von dem, was geschieht in seinem Denken, begleitet der Mensch mit seinem Bewußtsein. Indem der Mensch denkt, weiß er ja einiges von dem, was er denkt. Aber unendlich viel mehr wird als begleitendes Denken entfaltet schon beim Tagesdenken. Und dazu kommt, daß wir in der Nacht, wenn wir schlafen, fortdenken. Es ist nicht wahr, daß das Denken mit dem Einschlafen aufhört und mit dem Aufwachen wieder anfängt. Das Denken dauert fort. Und unter den mancherlei Traumesvorgängen, Vorgängen des Traumlebens, sind auch diese, daß der Mensch beim Aufwachen mit seinem Ich und astralischen Leib in seinen Ätherleib und physischen Leib untertaucht. Da taucht er unter und kommt in ein Gewoge hinein, in ein webendes Leben, von dem er, wenn er nur ein wenig zuschaut, wissen kann: das sind webende Gedanken, da tauche ich unter wie in ein Meer, das nur aus webenden Gedanken besteht. Mancher hat schon beim Aufwachen dann sich gesagt: Wenn ich mich nur erinnern könnte, was ich da gedacht habe, das war etwas sehr Gescheites, das würde mir ungeheuer viel helfen, wenn ich es mir jetzt erinnern könnte! Das ist kein Irrtum. Da unten ist wirklich etwas wie ein wogendes Meer; das ist eben die wogende, webende, ätherische Welt, die nicht so bloß eine etwas dünnere Materie ist, wie es so gerne die englische Theosophie darstellt, sondern die webende Gedankenwelt selbst ist, wirklich Geistiges ist. Man taucht in eine webende Gedankenwelt unter.
 
Das, was wir als Menschen sind, ist wirklich viel gescheiter als das, was wir als bewußte Menschen sind. Da bleibt nichts übrig, als es zu gestehen. Es wäre auch traurig, wenn wir nicht unbewußt gescheiter wären, als wir bewußt sind, denn sonst könnten wir nichts tun, als uns in jedem Leben auf der gleichen Stufe der Gescheitheit zu wiederholen. Aber wir tragen in der Tat schon im gegenwärtigen Leben mit uns, was wir werden können im nächsten Leben; denn das wird die Frucht sein. Und würden wir wirklich immer imstande sein, das zu erhäschen, in das wir da untertauchen, so würden wir viel erhaschen von dem, was wir im nächsten Leben sein werden. Also da unten wogt es und webt es; da ist der Keim für unsere nächste Verkörperung, und das nehmen wir in uns auf. Daher das Prophetische des Traumlebens. Das Denken ist etwas ungeheuer Kompliziertes, und nur einen Teil von dem, was da im Denken vor sich geht, nimmt der Mensch in sein Bewußtsein auf. Denn im Gedanken geht vor sich, was einen Zeitenprozeß bedeutet. Indem wir wachen Sinnes wahrnehmen, sind wir zugleich kosmische Menschen. Unser Vorgang des Sehens bewirkt das Leuchten, da sind wir kosmische Raumesmenschen. Durch das, was im Denken sich vollzieht, sind wir kosmische Zeitenmenschen, da wirkt alles mit, was schon vor unserer Geburt geschehen ist, was nach unserem Tode geschieht und so weiter. So nehmen wir durch unser Denken am ganzen kosmischen Prozeß der Zeit teil, durch unser Sinneswahrnehmen am ganzen kosmischen Prozeß des Raumes. Und nur der irdische Prozeß des Sinneswahrnehmens ist für uns selber...
 
Sowie man dem Denken jene Abstraktheit abstreift, die es für unser Bewußtsein hat, und untertaucht in jenes Meer der webenden Gedankenwelt, kommt man in die Notwendigkeit, dadrinnen nicht nur solche abstrakte Gedanken zu haben wie der Erdenmensch, sondern dadrinnen Bilder zu haben. Denn aus Bildern ist alles geschaffen, Bilder sind die wahren Ursachen der Dinge, Bilder liegen hinter allem, was uns umgibt, und in diese Bilder tauchen wir ein, wenn wir in das Meer des Denkens eintauchen. Diese Bilder hat Plato gemeint, diese Bilder haben alle gemeint, die von geistigen Urgründen gesprochen haben, diese Bilder hat Goethe gemeint, wenn er von seiner Urpflanze sprach. Diese Bilder findet man im imaginativen Denken. Aber dieses imaginative Denken ist eine Wirklichkeit, und darin tauchen wir ein, wenn wir in das wogende, im Strom der Zeit dahingehende Denken eintauchen." {{Lit|{{G|157|296ff}}}}
</div>
 
==== Imaginatives Denken als erneuerte platonische Ideenschau ====
 
Ohne selbst über geisteswissenschaftliche Kenntnisse zu verfügen, kam der österreichische Quantenphysisker [[Wikipedia:Wolfgang Pauli|Wolfgang Pauli]] (1900 - 1958) aus seinen persönlichen Erfahrungen zu einer einer sehr präzisen Darstellung des imaginativen Denkens, das die Grundlage für unser abstraktes Denken bildet:
 
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"Wenn man die vorbewusste Stufe der Begriffe analysiert, findet man immer Vorstellungen, die aus «symbolischen» Bildern mit im allgemeinen starkem emotionalen Gehalt bestehen. Die Vorstufe des Denkens ist ein malendes Schauen dieser inneren Bilder, deren Ursprung nicht allgemein und nicht in erster Linie auf Sinneswahrnehmungen ... zurückgeführt werden kann ...
 
Die archaische Einstellung ist aber auch die notwendige Voraussetzung und die Quelle der wissenschaftlichen Einstellung. Zu einer vollständigen Erkenntnis gehört auch diejenige der Bilder, aus denen die rationalen Begriffe gewachsen sind. ... Das Ordnende und Regulierende muss jenseits der Unterscheidung von «physisch» und «psychisch» gestellt werden - so wie Platos's «Ideen» etwas von Begriffen und auch etwas von «Naturkräften» haben (sie erzeugen von sich aus Wirkungen). Ich bin sehr dafür, dieses «0rdnende und Regulierende» «Archetypen» zu nennen; es wäre aber dann unzulässig, diese als psychische Inhalte zu definieren. Vielmehr sind die erwähnten inneren Bilder («Dominanten des kollektiven Unbewussten» nach Jung) die psychische Manifestation der Archetypen, die aber auch alles Naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt hervorbringen, erzeugen, bedingen müssten. Die Naturgesetze der Körperwelt wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen. ... Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann." {{Lit|Atmanspacher, S 219}}
</div>
 
[[Wikipedia:Immanuel Kant|Immanuel Kant]] hielt einen solchen ''intellectus archetypus'', der der unmittelbaren Anschauung der [[Urbild]]er fähig ist zwar prinzipiell für möglich, meinte jedoch, dass sich der Mensch niemals zu diesem erheben könne. [[Goethe]] dachte anders:
 
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"Als ich die Kantische Lehre, wo nicht zu durchdringen, doch möglichst zu nutzen suchte, wollte mir manchmal dünken, der köstliche Mann verfahre schalkhaft ironisch, in dem er bald das Erkenntnisvermögen aufs engste einzuschränken bemüht schien, bald über die Grenzen, die er selbst gezogen hatte, mit einem Seitenwink hinausdeutete. Er mochte freilich bemerkt haben, wie anmaßend und naseweis der Mensch verfährt, wenn er behaglich, mit wenigen Erfahrungen ausgerüstet, sogleich unbesonnen abspricht und voreilig etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegenständen aufzuheben trachtet. Deswegen beschränkt unser Meister seinen Denkenden auf eine reflektierende diskursive Urteilskraft, untersagt ihm eine bestimmende ganz und gar. Sodann aber, nachdem er uns genugsam in die Enge getrieben, ja zur Verzweiflung gebracht, entschließt er sich zu den liberalsten Äußerungen und überläßt uns, welchen Gebrauch wir von der Freiheit machen wollen, die er einigermaßen zugesteht. In diesem Sinne war mir folgende Stelle höchst bedeutend:
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«Wir können uns einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom synthetisch Allgemeinen, der Anschauung eines Ganzen als eines solchen, zum Besondern geht, das ist, von dem Ganzen zu den Teilen: Hierbei ist gar nicht nötig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sei, sondern nur, daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedürftigen Verstandes (intellectus ectypus) und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit auf jene Idee eines intellectus archetypus geführt werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.» {{Lit|Kant, § 77}}
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Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen: so dürft' es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns, durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen." {{Lit|Goethe, Anschauende Urteilskraft}}
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Rudolf Steiner machte aber auch deutlich, dass diese Art des imaginativen Denkens, die geistige Wahrnehmung der Urbilder, zeitweise in den Hintergrund treten musste, damit sich der Mensch im abstrakten bildlosen [[Intellekt]] zum selbstständigen Denken emporringen konnte. Die Reste des alten Hellsehens, das in der [[platon]]ischen [[Ideenschau]] noch nachwirkte, mussten zunächst verblassen:
 
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"Die alte Zeit hat noch Überbleibsel gehabt vom alten Hellsehen, durch das in uralter Zeit die Menschen hineingeschaut haben in die geistige Welt, wo sie wirklich gesehen haben, wie es der Mensch tut, wenn er mit Ich und astralischem Leib draußen ist aus dem physischen und Ätherleib und im Kosmos draußen. Da würde der Mensch nie zur vollen Freiheit gekommen sein, zur Individualität; Unselbständigkeit wäre eingetreten, wenn es beim alten Hellsehen geblieben wäre. Der Mensch mußte das alte Hellsehen verlieren; er mußte gleichsam Besitz ergreifen von seinem physischen Ich. Das Denken, das er entwickeln würde, wenn er das ganze Gewoge unter dem Bewußtsein sehen würde, das als Denken, Fühlen, Wollen dort vorhanden ist, das würde ein himmlisches Denken sein, aber nicht das selbständige Denken. Wie kommt der Mensch zu diesem selbständigen Denken? Nun, denken Sie sich, daß Sie in der Nacht schlafen, Sie liegen im Bette. Das heißt, im Bette liegt der physische Leib und Ätherleib. Nun kommen beim Aufwachen von außen das Ich und der astralische Leib herein. Da wird fortgedacht im Ätherleib. Da tauchen jetzt das Ich und der astralische Leib unter, die fassen nun zunächst den Ätherleib. Aber es dauert nicht lange, denn in diesem Augenblick kann aufblitzen jenes: Was habe ich da nur gedacht, was war das doch Gescheites? Aber der Mensch hat die Begierde, gleich auch den physischen Leib zu ergreifen, und in diesem Moment entschwindet das alles; jetzt ist der Mensch ganz in der Sphäre des Erdenlebens darinnen. Es kommt also daher, daß der Mensch gleich den Erdenleib ergreift, daß er das feine Gewoge des ätherischen Denkens sich nicht zum Bewußtsein bringen kann. Der Mensch muß eben, um das Bewußtsein entwickeln zu können «ich bin es, der da denkt», seinen Erdenleib als Instrument ergreifen, sonst würde er nicht das Bewußtsein haben «ich bin es, der da denkt», sondern «der mich beschützende Engel ist es, der da denkt». Dieses Bewußtsein «ich denke» ist nur möglich durch das Ergreifen des Erdenleibes. Darum ist es notwendig, daß im Erdenleben der Mensch befähigt wird zum Gebrauche seines Erdenleibes. In der nächsten Zeit wird er immer mehr und mehr durch das, was die Erde ihm gibt, diesen Erdenleib ergreifen müssen. Sein berechtigter Egoismus wird immer größer und größer werden. Dem muß eben das Gegengewicht geschaffen werden dadurch, daß man auf der anderen Seite die Erkenntnisse gewinnt, die die Geisteswissenschaft gibt. Im Ausgangspunkt dieser Zeit stehen wir." {{Lit|{{G|157|300f}}}}
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Heute ist die Zeit reif, um das imaginative Denken, das mit der platonischen Ideenschau verdämmerte, auf neuer, höherer Stufe mit voll entwickletem [[Selbstbewusstsein]] wiederzugewinnen.
 
==== Das Denken als keimhafter Beginn eines neuen Hellsehens ====
 
Im bewussten imaginativen Denken eröffnet sich ein erster Einblick in die [[geistige Welt]]. Das Denken wird zur Quelle eines erneuerten [[Hellsehen]]s:
 
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"Kein Mensch könnte eigentlich zu wirklichem Hellsehen kommen, wenn er nicht zunächst ein Winziges an Hellsehen in der Seele hätte. Wenn es wahr wäre, was ein allgemeiner Glaube ist, daß die Menschen, wie sie sind, nicht hellsichtig seien, dann könnten sie überhaupt nicht hellsichtig werden. Denn wie der Alchimist meint, daß man etwas Gold haben muß, um viele Mengen Goldes hervorzuzaubern, so muß man unbedingt etwas hellsehend schon sein, damit man dieses Hellsehen immer weiter und weiter ins Unbegrenzte hinein ausbilden kann.
 
Nun könnten Sie ja die Alternative aufstellen und sagen: Also glaubst du, daß wir schon alle hellsichtig sind, wenn auch nur ein Winziges, oder daß diejenigen unter uns, die nicht hellsichtig sind, es auch nie werden können? - Sehen Sie, darauf kommt es an, daß man versteht, daß der erste Fall der Alternative richtig ist: Es gibt wirklich keinen unter Ihnen, der nicht - wenn er sich dessen auch nicht bewußt ist - diesen Ausgangspunkt hätte. Sie haben ihn alle. Keiner von Ihnen ist in der Not, weil Sie alle ein gewisses Quantum Hellsehen haben. Und was ist dieses Quantum? Das ist dasjenige, was gewöhnlich gar nicht als Hellsehen geschätzt wird.
 
Verzeihen Sie einen etwas groben Vergleich: Wenn eine Perle am Wege liegt und ein Huhn findet sie, so schätzt das Huhn die Perle nicht besonders. Solche Hühner sind die modernen Menschen zumeist. Sie schätzen die Perle, die ganz offen daliegt, gar nicht, sie schätzen etwas ganz anderes, sie schätzen nämlich ihre Vorstellungen. Niemand könnte abstrakt denken, wirkliche Gedanken und Ideen haben, wenn er nicht hellsichtig wäre, denn in den gewöhnlichen Gedanken und Ideen ist die Perle der Hellsichtigkeit von allem Anfange an. Diese Gedanken und Ideen entstehen genau durch denselben Prozeß der Seele, durch den die höchsten Kräfte entstehen. Und es ist ungeheuer wichtig, daß man zunächst verstehen lernt, daß der Anfang der Hellsichtigkeit etwas ganz Alltägliches eigentlich ist: man muß nur die übersinnliche Natur der Begriffe und Ideen erfassen. Man muß sich klar sein, daß aus den übersinnlichen Welten die Begriffe und Ideen zu uns kommen, dann erst sieht man recht. Wenn ich Ihnen erzähle von Geistern der höheren Hierarchien, von den Seraphim, Cherubim, von den Thronen herunter bis zu den Archangeloi und Angeloi, so sind das Wesenheiten, die aus geistigen, höheren Welten zu der Menschenseele sprechen müssen. Aus eben diesen Welten kommen der Seele die Ideen und Begriffe, sie kommen geradezu in die Seele aus höheren Welten herein und nicht aus der Sinnenwelt.
 
Es wurde als ein großes Wort eines großen Aufklärers gehalten, das dieser gesagt hat im achtzehnten Jahrhundert: Mensch, erkühne dich, deiner Vernunft dich zu bedienen. - Heute muß ein größeres Wort in die Seelen klingen, das heißt: Mensch, erkühne dich, deine Begriffe und Ideen als die Anfänge deines Hellsehertums anzusprechen. - Das, was ich jetzt ausgesprochen habe, habe ich schon vor vielen Jahren ausgesprochen, ausgesprochen in aller Öffentlichkeit, nämlich in meinen Büchern «Wahrheit und Wissenschaft» und «Philosophie der Freiheit», wo ich gezeigt habe, daß die menschlichen Ideen aus übersinnlichem, geistigem Erkennen kommen...
 
Für den heutigen Menschen ist eines notwendig, wenn er zu einer innerlich erlebten Wahrheit kommen will. Wenn er wirklich einmal innerlich Wahrheit erleben will, dann muß der Mensch einmal durchgemacht haben das Gefühl der Vergänglichkeit aller äußeren Verwandlungen, dann muß der Mensch die Stimmung der unendlichen Trauer, der unendlichen Tragik und das Frohlocken der Seligkeit zugleich erlebt haben, erlebt haben den Hauch, den Vergänglichkeit aus den Dingen ausströmt. Er muß sein Interesse haben fesseln können an diesen Hauch des Werdens, des Entstehens und der Vergänglichkeit der Sinnenwelt. Dann muß der Mensch, wenn er höchsten Schmerz und höchste Seligkeit an der Außenwelt hat empfinden können, einmal so recht allein gewesen sein, allein gewesen sein nur mit seinen Begriffen und Ideen; dann muß er einmal empfunden haben: Ja, in diesen Begriffen und Ideen, da fassest du doch das Weltengeheimnis, das Weltgeschehen an einem Zipfel - derselbe Ausdruck, den ich einstmals gebraucht habe in meiner «Philosophie der Freiheit» -. Aber erleben muß man dieses, nicht bloß verstandesmäßig begreifen, und wenn man es erleben will, erlebt man es in völligster Einsamkeit.
 
Und man hat dann noch ein Nebengefühl. Auf der einen Seite erlebt man die Grandiosität der Ideenwelt, die sich ausspannt über das All, auf der anderen Seite erlebt man mit der tiefsten Bitternis, daß man sich trennen muß von Raum und Zeit, wenn man mit seinen Begriffen und Ideen Zusammensein will. Einsamkeit! Man erlebt die frostige Kälte. Und weiter enthüllt sich einem, daß die Ideenwelt sich jetzt wie in einem Punkte zusammengezogen hat, wie in einem Punkte dieser Einsamkeit. Man erlebt: Jetzt bist du mit ihr allein. - Man muß das erleben können. Man erlebt dann das Irrewerden an dieser Ideenwelt, ein Erlebnis, das einen tief aufwühlt in der Seele. Dann erlebt man es, daß man sich sagt: Vielleicht bist du das alles doch nur selber, vielleicht ist an diesen Gesetzen nur wahr, daß es lebt in dem Punkte deiner eigenen Einsamkeit. - Dann erlebt man, ins Unendliche vergrößert, alle Zweifel am Sein.
 
Wenn man dieses Erlebnis in seiner Ideenwelt hat, wenn sich aller Zweifel am Sein schmerzlich und bitter abgeladen hat auf die Seele, dann erst ist man im Grunde reif dazu, zu verstehen, wie es doch nicht die unendlichen Räume und die unendlichen Zeiten der physischen Welt sind, die einem die Ideen gegeben haben. Jetzt erst, nach dem bitteren Zweifel, öffnet man sich den Regionen des Spirituellen und weiß, daß der Zweifel berechtigt war, und wie er berechtigt war. Denn er mußte berechtigt sein, weil man geglaubt hat, daß die Ideen aus den Zeiten und Räumen in die Seele gekommen seien. Aber was empfindet man jetzt? Als was empfindet man die Ideenwelt, nachdem man sie erlebt hat aus den spirituellen Welten heraus? Jetzt fühlt man sich zum ersten Male inspiriert, jetzt beginnt man, während man früher wie einen Abgrund die unendliche Öde um sich ausgedehnt empfunden hat, jetzt beginnt man sich zu fühlen wie auf einem Felsen stehend, der aus dem Abgrunde emporwächst, und man fühlt sich so, daß man weiß: Jetzt bist du in Verbindung mit den geistigen Welten, diese und nicht die Sinnenwelt haben dich mit der Ideenwelt beschenkt." {{Lit|{{G|146|34ff}}}}
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== Die praktische Ausbildung des Denkens ==
 
[[Rudolf Steiner]] hat eine Reihe einfacher Übungen gegeben, das Denken wirklichkeitsgemäßer auszubilden. {{Lit|{{G|108|256ff}}}}
 
Zunächst muss man sich darüber klar werden, dass es nur dann Sinn macht, über die Welt nachzudenken, wenn diese auch nach Gedanken aufgebaut ist.
 
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"Wer das richtige Gefühl erlangen will gegenüber dem
Denken, der muß sich sagen: Wenn ich mir Gedanken machen
kann über die Dinge, wenn ich durch Gedanken etwas ergründen
kann über die Dinge, so müssen die Gedanken erst darinnen sein in
den Dingen. Die Dinge müssen nach den Gedanken aufgebaut sein,
nur dann kann ich die Gedanken auch herausholen aus den Dingen." {{Lit|{{G|108|259}}}}
</div>
 
Eine erste Übung, um das eigenen Denken an der Wirklichkeit zu erziehen, kann man insbesondere Naturvorgängen gegenüber machen, deren innere Gesetzmäßigkeit man vorerst noch nicht überschauen kann. Man beobachtet beispielsweise die Witterung am Abend, die Wolkenkonfiguration, die Art, wie die Sonne untergegangen ist und hält diese Beobachtungen im Gedächtnis möglichst detailgetreu und bildhaft fest, der Abstraktion enthält man sich so weit als möglich. Am Morgen macht man sich wiederum ein deutliches Bild von den Witterungsverhältnissen, und so kann man das dann weiter fortsetzen. Auf jegliche Spekulation verzichtet man, aber man lässt immer wieder im seelischen Nacherleben die aufeinanderfolgenden Bilder ineinander übergehen. Man entwickelt dadurch „[[Anschauende Urteilskraft]]“, wie sie [[Goethe]] in hohem Maße zueigen war. Seine naturwissenschaftlichen Arbeiten, etwa seine Farbenlehre, seine Metamorphosenlehre oder seine Witterungslehre sind aus dieser denkenden Anschauung, aus diesem anschauenden Denken hervorgegangen.
 
Gegebenheiten gegenüber, die leichter zu durchschauen sind, soll man aber auch das kausale Denken schulen. Man beobachtet etwa einen Menschen bei dem, was er heute tut, und versucht darauf zu schließen, was er morgen als Folge dieser Handlungen vollbringen wird. Anfangs wird man dabei wahrscheinlich öfter danebenliegen, aber mit der Zeit wird das Urteil immer treffsicherer werden. Man kann die ganze Übung auch umgekehrt machen, indem aus dem heute Beobachteten auf die vorangegangenen Ursachen dafür schließt. Das macht allerdings nur Sinn, wenn es möglich ist, sich nachträglich über diese Ursachen zu informieren. Ähnliches tut man an sich tagtäglich, das ist gar nichts Ungewohntes, es gilt nur, das konsequenter und systematischer auszubilden.
 
Vielen Menschen fällt im rechten Moment nicht das Richtige ein. Das passiert besonders Menschen, die ihr Gedankenleben nicht recht in der Hand haben und gerne die Gedanken frei umherschweifen lassen. Man kann aber auch die Schlagfertigkeit des Denkens schulen. Immer, wenn sich eine Gelegenheit dazu ergibt, etwa wenn man auf den Bus wartet oder sonst wie eine Pause macht, rückt man ganz willkürlich einen völlig frei gewählten Gedanken egal welcher Art, es kann etwas ganz Banales sein, in den Mittelpunkt des Bewusstseins und versucht sich allein mit diesem zu beschäftigen und alle anderen Gedanken fernzuhalten. Man muss aber den Gedanken, auf den man sich derart konzentriert, wirklich völlig frei wählen, er soll sich nicht zwangsläufig aus den momentanen Lebensnotwendigkeiten ergeben. Je unscheinbarer und langweiliger das ist, worüber man so nachdenkt, desto fruchtbarer ist die Übungen; es sollen also ganz und gar nicht irgendwelche hochgestochenen philosophischen Erwägungen sein. Diese Übung zur [[Gedankenkontrolle]] ist so wichtig, dass Rudolf Steiner sie auch als erste der sogenannten [[Nebenübungen]] gegeben hat, die jede geistige Schulung begleiten müssen. Wir werden uns mit den weiteren Nebenübungen im Laufe dieser Vorträge noch näher beschäftigen, da sie allesamt einen ganz unmittelbaren lebenspraktischen Wert haben.
 
Wichtig ist auch die Schulung des [[Gedächtnis]]ses. Man ist etwa gestern auf der Straße einem Bekannten begegnet, hat ihn kurz gegrüßt, und ist dann weiter gegangen. Man versucht sich nun heute ganz detailgetreu an diese Begegnung zu erinnern. Wie war er gekleidet, welche Farbe hatte das Gewand, trug er einen Hut? Man wird bald merken, dass man sich meist nur an wenige Details erinnern kann. Man versuche nun, sich die fehlenden Details durch die Phantasie möglichst bildhaft zu ergänzen. Auf die Bildhaftigkeit kommt dabei alles an. Man stellt ihn sich beispielsweise vor im dunklen zweireihigen Anzug, mit Krawatte und Hut am Kopf; die Wahrheit trifft man dadurch zwar nicht, aber man wird so die Aufmerksamkeit für künftige Beobachtungen schulen und das Gedächtnis wird nach und nach immer getreuer werden. Bildhaftigkeit ist dabei übrigens sehr allgemein aufzufassen; man kann auch versuchen, sich den Klang der Stimme und die genaue Wortwahl auszumalen, obwohl das meist noch schwieriger ist, als die bildhafte Erinnerung im engeren Sinn.
 
Besonders bedeutsam ist die Geduld, die man beim Denken aufbringt. Diese mangelt dem [[Intellekt]] meist sehr. Wir wollen sehr rasch zu einem Ergebnis unserer Überlegungen kommen. Besser ist es, sich zunächst mehrere sehr unterschiedliche Möglichkeiten auszumalen, wie man zu einer Lösung kommen könnte, und dann die Sache ruhen zu lassen. Am besten, man überschläft das Ganze, und kommt erst am nächsten Tag wieder darauf zurück. Bei sehr bedeutsamen Dingen kann die Frist, während der man des Denken darüber ruhen lässt, noch viel länger sein – das alles geht natürlich nur insoweit, als es die Lebensanforderungen zulassen, aber man soll es eben üben, so gut es geht. Entscheidungen, die man so trifft, werden sich stets als viel tiefer gegründet erweisen, als wenn man sie überhastet aus dem Augenblick heraus trifft. Später wird das allerdings auch dazu führen, dass man gegebenenfalls auch ganz spontan und unmittelbar sehr fundierte Entscheidungen treffen wird.
 
Derartige Denkübungen, verbunden mit einer gesteigerten [[Aufmerksamkeit]], stärken den [[Ätherleib]]. Weitere Anregungen dazu hat Steiner in dem Vortrag ''"Nervosität und Ichheit"'' gegeben {{Lit|{{G|143|9ff}}}}
 
=== Rückwärtsdenken ===
 
Eine besonders fruchtbare Übung, die Steiner häufig empfohlen hat, ist das [[Rückwärtsdenken]]. Man versuchts sich dabei einen konkret gegebenen äußeren Vorgang möglichst detailreich Schritt für Schritt entgegen dem äußeren [[Zeit]]verlauf von hinten nach vorne [[Vorstellung|vorzustellen]]. Man beginnt z.B. bei einem Drama mit dem Ende des 5. Aktes und geht dann weiter zurück durch alle Akte bis zum Anfang. Man reißt sich darch los vom äußeren Zeitstrom und taucht ein in den [[Astralwelt|Astralstrom]], der uns aus der Zukunft entgegenkommt.
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn Sie es aber systematisch betreiben würden, den umgekehrten Strom des Lebens zu
erleben, dann folgen Sie dem Astralstrom. Zum Beispiel, wenn Sie des Abends versuchen, die
Dinge in um gekehrter Richtung zu verfolgen, wenn Sie etwa das Vaterunser
rückwärts denken. Dann folgen Sie nicht dem gewöhnlichen Ich-strom, der dadurch lebt, daß das Ich den Ätherleib ausfüllt, sondern dem entgegengesetzten Strom. Die Folge ist, daß Sie sich aus der astralischen Strömung Kräfte einverleiben. Das ist eine außer ordentlich gute Übung für die Kräftigung der Erinnerungsfähigkeit, für die Stärkung des Gedächtnisses.
" {{Lit|{{G|115|232}}}}
</div>
 
== Literatur ==
#H. Atmanspacher, H. Primas, E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.), ''Der Pauli-Jung-Dialog'', Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1995
#Johann Wolfgang von Goethe: ''Maximen und Reflexionen'', Goethe-BA Bd. 18, S 528
#Johann Wolfgang von Goethe: ''Anschauende Urteilskraft''
#Immanuel Kant: ''Kritik der reinen Urteilskraft''
#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987)
#Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995)
#Rudolf Steiner: ''Drei Schritte der Anthroposophie. Philosophie – Kosmologie – Religion'', [[GA 25]] (1999), ISBN 3-7274-0252-0 {{Schriften|025}}
#Rudolf Steiner: ''Die Beantwortung von Welt- und Lebensfragen durch Anthroposophie'', [[GA 108]] (1986)
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophie – Psychosophie – Pneumatosophie'', [[GA 115]] (2001), ISBN 3-7274-1150-3 {{Vorträge|115}}
#Rudolf Steiner: ''Erfahrungen des Übersinnlichen. Die drei Wege der Seele zu Christus'', [[GA 143]] (1994), ISBN 3-7274-1430-8 {{Vorträge|143}}
#Rudolf Steiner: ''Die okkulten Grundlagen der Bhagavad Gita'', [[GA 146]] (1962), Zweiter Vortrag, Helsingfors, 29. Mai 1913
#Rudolf Steiner: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1980), Erster Vortrag, Berlin, 20. Januar 1914
#Rudolf Steiner: ''Menschenschicksale und Völkerschicksale'', [[GA 157]] (1981), Vierzehnter Vortrag, Berlin, 6. Juli 1915
#Rudolf Steiner: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), Neunter Vortrag, Stuttgart, 30. August 1919
 
{{GA}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Denken]] [[Kategorie:Seelenkräfte]]
{{Wikipedia}}

Version vom 15. März 2021, 01:24 Uhr

4. Konzil von Konstantinopel
Datum 5. Oktober 869 - 28. Februar 870
Akzeptiert von Römisch-Katholische Kirche
Vorangehendes Konzil Zweites Konzil von Nicäa
Nächstes Konzil Erstes Laterankonzil
Einberufen von Kaiser Justinian II.
Präsidium Päpstliche Legaten
Beteiligung
Diskussionsthemen Photius-Schisma, kirchliche Überlieferung, Bilderverehrung, menschliche Seele, Leitung der Kirche, Vorrangstellung Roms
Konzilsdokumente 27 Kanones (griech.)
14 Kanones (lat.)
Liste ökumenischer Konzilien

Das vierte Konzil von Konstantinopel von 869-870, für die katholische Kirche das achte ökumenische Konzil, wird nur von der katholischen Kirche anerkannt, von der orthodoxen Kirche aber abgelehnt.

Thema

Es ging bei diesem Konzil um den Streit zwischen dem byzantinischen Patriarchen Photius I. und dem Papst Nikolaus I. Das Konzil, an dem nur sehr wenige Bischöfe teilnahmen, exkommunizierte und verbannte Photius.

Die von Photius vertretene Zwei-Seelen-Lehre, gemäß der dem Menschen eine höhere, unsterbliche Geist-Seele und eine irdische, vergängliche Seele eigen sind, wurde mit dem Bannfluch belegt. Die Lehre von der Trichotomie, wonach der Mensch aus Geist, Seele und Leib bestehe, gilt seitdem in der römisch-katholischen Kirche als Häresie:

„Während das Alte und das Neue Testament lehren, der Mensch habe nur eine denkfähige und vernünftige Seele (unam animam rationabilem et intellectualem) und alle gottesgelehrten Väter und Lehrer der Kirche eben diese Meinung bekräftigen, sind einige, auf die Erfindungen der Bösen eingehend, zu solcher Frevelhaftigkeit herabgesunken, unverschämterweise den Lehrsatz vorzutragen, er habe zwei Seelen (duas eum habere animas); weiterhin versuchen sie, in gewissen unvernünftigen Bemühungen mit Gelehrsamkeit, welche sich als töricht erwiesen hat, ihre eigene Häresie zu bekräftigen.
Daher beeilt sich diese heilige und universelle Synode, diese nichtsnutzige Meinung, die da keimen will wie das übelste Unkraut, auszureißen, und indem sie in der Hand die Wurfschaufel der Wahrheit trägt und die ganze Spreu einem unauslöschlichem Feuer übergeben und die Tenne Christi rein machen will, verflucht sie die Urheber und Vertreter dieser Gottlosigkeit und alle, die in diesen Dingen Ähnliches gelten lassen, mit lauter Stimme. Sie bestimmt und gibt bekannt, daß hinfort niemand in irgendwelcher Weise die Grundsätze der Urheber dieser Gottlosigkeit besitzen und aufbewahren dürfe.
Wenn aber einer sich herausnehmen sollte, im Gegensatz zu dieser heiligen und großen Synode zu handeln, so sei er verflucht und ausgeschlossen vom Glauben und Kult der Christen.“[1]

879 gab es ein weiteres Konzil in Konstantinopel, wo Photius wieder voll rehabilitiert wurde - unter Zustimmung von Papst Johannes VIII.. An diesem Konzil gab es auch einen Kompromiss bezüglich päpstlichem Jurisdiktionsprimat: Die Jurisdiktion des Papstes wurde für den Westen voll anerkannt, für den Osten das Ehrenprimat des Bischofs von Rom, aber ohne Jurisdiktion über andere Patriarchate.

Das 879er-Konzil wird von einigen Vertretern der östlich-orthodoxen Kirche ihrerseits als achtes ökumenisches Konzil gezählt. Von der katholischen Kirche wurde es 200 Jahre lang akzeptiert, seit Gregor VII. wird es jedoch, vor allem wegen der Filioque-Frage, nicht als allgemeines Konzil anerkannt. Die Erklärung von Bari (1987) der Gemeinsamen Kommission für den Dialog zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche nennt es jetzt aber »das 879/80 gemeinsam durch die beiden Kirchen gefeierte Konzil«.[2] Die Erklärung von Valamo (1988) derselben Kommission nennt es das »Konzil der Hagia Sophia (879/880)« und zählt seinen Kanon 1 zu den Kanones, »die im Gesamt der Kirchen des Ostens und des Westens angenommen wurden«[3]

Beide Konzilien haben jedoch die Dogmen des zweiten Konzils von Nicäa voll akzeptiert und dieses Konzil als siebtes ökumenisches Konzil gezählt.

Abschaffung des Geistes

Rudolf Steiner hat in diesem Zusammenhang wiederholt von einer Abschaffung des Geistes gesprochen.

„Während man in alten Zeiten, als auch noch die äußere Wissenschaft mehr auf Hellsehertum beruhte, richtig unterschieden hat, inwiefern der Mensch hineingestellt ist in ein leibliches, in ein seelisches und in ein geistiges Leben, hat sich ein Kirchenkonzil in verhältnismäßig früher Zeit gezwungen gefühlt, den Geist abzuschaffen, und da wurde ein für allemal das Dogma aufgestellt: Der Mensch besteht aus Leib und Seele. - Ja, der Geist ist wirklich abgeschafft worden. Und wenn Sie die Dogmatik der christlichen Kirche kennenlernen würden, so würden Sie einen Einblick bekommen in das, was da gespielt hat infolge der Abschaffung des Geistes. Natürlich sind einige daraufgekommen, daß doch etwas da sei, demgegenüber man als von «Geist» reden müsse. Aber das waren die gewaltigsten Ketzer. Wo man nicht ausreichte mit Leib und Seele und den Geist einführte als ein drittes, da war man ein gewaltiger Ketzer. Das beruht nur auf einer Unsicherheit, die man hatte gegenüber der absoluten Berechtigung, von Leib, Seele und Geist zu sprechen. Und in dem Augenblick, wo man aufhört von Leib, Seele und Geist zu sprechen, wirft man alles durcheinander. Aber die Menschen sind schon so, daß sie alles durcheinanderwerfen. Und wenn man nicht mehr recht weiß, was Geist ist und was Seele ist, dann kann etwas anderes dahinter verschwinden. So ist in der Tat ein freier Ausblick auf das Geistesleben verschwunden.“ (Lit.:GA 115, S. 146)

„Die Philosophen der Gegenwart sprechen noch immer nicht vom Geiste, denn sie folgen dem Dogma des achten ökumenischen Konzils. Warum eigentlich, wenn auch nicht mit deutlichen Worten, die modernen Philosophen den Geist abschwören, das wissen sie wahrhaftig ebensowenig, wie die römischen Kardinale gewußt haben, auf was sie eigentlich schwören, als sie geschworen haben zu bewahren den Schatz, der längst nicht mehr da war. Die fortzeugenden Dinge in der Geschichte, die wirklichen Kräfte, die berücksichtigt man oftmals eben so furchtbar wenig. Und so kann man heute als unwissend gelten, wenn man nicht zustimmt der «voraussetzungslosen» Wissenschaft - wie man es nennt -, daß der Mensch nur aus Leib und Seele bestünde, bloß weil diejenigen, die die voraussetzungslose Wissenschaft vertreten, nicht wissen, daß die Voraussetzung dazu die Festsetzungen des achten ökumenischen Konzils im Jahre 869 sind.“ (Lit.:GA 175, S. 173)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. "Veteri et novo testamento unam animam rationabilem et intellectualem habere hominem docente, et omnibus deiloquis patribus et magistris ecclesiae eamdem opinionem asseverantibus, in tantum impietatis quidem, malorum inventionibus dantes operam, devenerunt, ut duas eum habere animas impudenter dogmatizare, et quibusdam irrationalibus conatibus per sapientiam, quae stulta facta est, propriam haeresim confirmare pertentent.
     Itaque sancta haec et universalis synodus, veluti quoddam pessimum zizanium, nunc germinantem nequam opinionem, evellere festinans; imo vero ventilabrum in manu veritatis portans, et igni inextinguibili transmittere omnem paleam, et aream Christi mundam exhibere volens, talis impietatis inventores et patratores, et his similia sentientes, magna voce anathematizat, et definit, atque promulgat, neminem prorsus habere, vel servare quoquo modo statuta huius impietatis auctorum.
      Si autem quis contraria gerere praesumpserit huic sanctae et magnae synodo, anathema sit, et a fide atque cultura christianorum alienus." Concilium Constantinopolitanum IV - Documenta
  2. Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche, Erklärung »Glaube, Sakramente und Einheit der Kirche« (Bari 1987) Nr. 53, deutsche Übersetzung in: Die deutschen Bischöfe, Ökumene-Kommission (Hrsg.), Die Eucharistie der einen Kirche. Dokumente des katholisch-orthodoxen Dialogs auf deutsche rund internationaler Ebene. 3. erw. Auflage (Bonn 1995) 47.
  3. Ebd. 57.


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