Thomas von Aquin und Nachsinnen: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Thomas von Aquin''' (auch ''Thomas Aquinas'' oder  ''Tommaso d'Aquino'', * um [[1225]] auf Schloss Roccasecca bei Neapel in Italien; † [[7. März]] [[1274]] in Fossanova) italienischer Philosoph und Theologe
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[[Image:ThomasvonAquindurchCarloCrivelli.jpg|thumb|Thomas von Aquin (postumes Gemälde von Carlo Crivelli, 1476)]]
[[Kategorie:Methodologie]]
 
== Bedeutung für die Geisteswissenschaften ==
Thomas hat die naturwissenschaftliche Herangehensweise der [[Antike]], vor allem von [[Aristoteles]], mit dem Christentum vereint. Er musste die wissenschaftliche Herangehensweise, das systematische Fragen und Beantworten, Kategorisieren und Katalogisieren, in der gläubigen Welt der mittelalterlichen [[Klöster]] und der ersten [[Universität]]en einbürgern. Die moderne geisteswissenschaftliche Tradition, die dadurch entstand, gilt es heute für [[Rudolf Steiner]] und die, die ihm folgen, andersherum ''im Banne eines echten Interesses für die tiefsten Tatsachen zu halten''.
 
== Leben ==
 
Thomas von Aquin, auch „Thomas Aquinas“ oder kurz der „Aquinat“ bzw. nur „Thomas“ genannt, wurde kurz vor oder kurz nach Neujahr 1225 im Schloss Roccasecca, von Aquino 9 km entfernt,  als siebter Sohn des Herzogs Landulf aus dem feudalen Hochadel von [[Wikipedia:Aquino]] geboren. Mit fünf Jahren wurde er in das [[Kloster]] [[Monte Cassino]] geschickt. [[1244]] wurde er gegen den Willen seiner Eltern in Neapel [[Dominikaner]]. Daraufhin hielt ihn seine Familie ein Jahr lang im Schlossturm gefangen und versuchte ihn umzustimmen. Das vermochte aber nicht einmal ein Mädchen, das sie ihm brachten: der Gefangene nahm ein glühendes Holzscheit und fuchtelte damit so lange vor ihr herum, bis sie schreiend die Flucht ergriff. Der Sage nach soll er erst durch einen vorgetäuschten Überfall freigekommen sein.
[[Bild:MonteCassino.jpg|thumb|Monte Cassino]]
Er ging nach [[Köln]], wo er von [[1248]] bis [[1252]] Schüler von [[Albertus Magnus]] war. Dieser hat für ihn ungefähr die Bedeutung wie [[Johannes der Täufer]] für [[Jesus von Nazareth]] oder [[Herman Grimm]] für [[Rudolf Steiner]]. Thomas studierte von [[1256]] bis [[1259]] in Paris weiter und lehrte dann dort, in [[Rom]], in [[Viterbo]] und in [[Orvieto]].
Ab [[1269]] war er als [[Wikipedia:Studienpräfekt]] seines Ordens in [[Neapel]] tätig, wo er [[1272]] eine Dominikanerschule aufbaute. Der schier unglaublichen Menge seiner Schriften nach zu urteilen liegt es nahe, dem Zeugnis seines Hauptsekretärs zu glauben: Demnach hat der Aquinat immer drei oder vier Sekretären gleichzeitig diktiert.
 
Thomas starb am 7. März 1274 auf der Reise zum [[Zweites Konzil von Lyon|Zweiten Konzil von Lyon]] in [[Wikipedia:Fossanova]]. Papst [[Johannes XXII.]] sprach ihn [[1323]] heilig. [[1567]] wurde er in den Rang des Kirchenlehrers erhoben. Seine Gebeine wurden [[1369]] nach [[Toulouse]] überführt, wo sie heute in der Kirche des Jakobinerkonvents (Couvent des Jacobins) ruhen.
 
==Philosophie==
 
=== Grundsätzliches ===
 
Die Argumentationen des Aquinaten stützen sich zu einem großen Teil auf die Lehre von [[Aristoteles]], die er – nicht zuletzt mit Hinsicht auf die der [[Antike]] unbekannten theologischen Lehren bzw. Einsichten – ausgebaut hat. In der Philosophie werden seine Kommentare zu Aristoteles noch heute als bedeutsam angesehen:
:''„Seine Kommentare sind durchweg klarsichtig, intelligent und von großer Einfühlungsgabe. Allein schon der [[Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]-Kommentar, der eine halbe Million Wörter umfasst, verdient es, als philosophischer Klassiker betrachtet zu werden.“'' ([[Wikipedia:Anthony Kenny]], ''Thomas von Aquin'')
 
=== Metaphysik und Ontologie ===
 
[[Bild:Aristoteles.jpg|thumb|150px|right|Aristoteles ist der wichtigste philosophiehistorische Bezugspunkt des Thomismus]]
Ein Kernelement der thomistischen [[Wikipedia:Ontologie]] ist die Lehre von der [[Wikipedia:Analogia entis]]. Sie besagt, dass der Begriff des Seins nicht eindeutig, sondern analog ist, also das Wort „[[Sein (Philosophie)|Sein]]“ einen unterschiedlichen Sinn besitzt, je nachdem, auf welche Gegenstände es bezogen wird. Danach hat alles, was ist, das Sein und ist durch das Sein, aber es hat das Sein in verschiedener Weise. In höchster und eigentlicher Weise kommt es nur Gott zu: Nur er ''ist'' Sein. Alles andere Sein hat nur Teil am Sein und zwar entsprechend seinem Wesen. In allen geschaffenen Dingen muss also ''[[Wikipedia:Wesen (Philosophie)|Wesen]]'' (''essentia'') und ''[[Wikipedia:Existenz]]'' (''esse'') unterschieden werden; einzig bei Gott fallen diese zusammen.
 
Auch die Unterscheidung von ''[[Wikipedia:Substanz]]'' und ''[[Wikipedia:Akzidenz (Philosophie)|Akzidenz]]'' ist für das System des Thomas bedeutend. Hierzu heißt es: „''Accidentis esse est inesse''“, also „Für ein Akzidenz bedeutet zu ''sein'', an ''etwas'' zu sein“. In die gleiche Richtung geht sein „''Accidens non est ens sed entis''“, also „Ein Akzidenz ist kein ''Seiendes'', sondern ein zu etwas Seiendem ''Gehörendes''“.
 
Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die von ''[[Wikipedia:Materie]]'' und ''[[Wikipedia:Form (Philosophie)|Form]]''. Einzeldinge entstehen dadurch, dass die Materie durch die Form bestimmt wird (siehe [[Wikipedia:Hylemorphismus]]). Die Grundformen ''Raum'' und ''Zeit'' haften untrennbar an der Materie. Die höchste Form ist [[Wikipedia:Gott]] als Verursacher (''[[causa]] efficiens'') und als Endzweck (''[[Wikipedia:causa finalis]]'') der Welt. Die ungeformte Urmaterie, d.h. der erste Stoff, ist die ''[[Wikipedia:materia prima]]''.
 
Um die mit dem Werden der Dinge zusammenhängenden Probleme zu lösen, greift Thomas auf die von Aristoteles geprägten Begriffe [[Wikipedia:Akt (Philosophie)|Akt]] und [[Wikipedia:Potenz (Philosophie)|Potenz]] zurück, siehe dazu auch den Artikel [[Wikipedia:Akt-Potenz]]. Weil es in Gott keine (substanzielle) Veränderung gibt, ist er [[Wikipedia:actus purus]], also reine Wirklichkeit.
 
=== Erkenntnistheorie ===
 
Zu den besonders bedeutenden Aussagen der thomistischen [[Wikipedia:Erkenntnistheorie]] gehört ihre Definition der [[Wikipedia:Wahrheit]]: [[Wikipedia:Gegenstand]] und [[Wikipedia:Verstand]] stimmen überein. (''Adaequatio rei et intellectus'')
 
Thomas unterscheidet zwischen dem „tätigen Verstand“ (''intellectus agens'') und dem „rezeptiven oder möglichen Verstand“ (''intellectus possibilis''). Der tätige Verstand zeichnet sich vor allem durch die Fähigkeit aus, aus Sinneserfahrungen (sowie bereits geistig Erkanntem) universale Ideen bzw. allgemeingültige (Wesens-)Erkenntnisse zu abstrahieren. Dagegen ist es der rezeptive Verstand, der diese Erkenntnisse aufnimmt und 'speichert'.
 
Hintergrund ist die auf [[Platon]] zurückgehende Lehre, dass die konkreten Dinge ihr Sein und vor allem ihr Wesen den Ideen (''[[Wikipedia:idea]]e'') verdanken, durch die sie bestimmt werden (vgl. [[Wikipedia:Ideenlehre]]).
 
Der tätige Verstand kann durch Abstraktion (wörtl. das Abziehen) der Formen (''formae'') aus den einzelbestimmten Dingen, deren Wesenheit bzw. Washeit ("quidditas") sowie in weiteren Schritten die Akzidenzien erkennen. Als letzte bzw. erste Ursache des Seins und Soseins der Dinge erkennt der menschliche Geist Gott (siehe unten), in dessen Geist die ewigen Ideen die Vorbilder für die Formen (''formae'') der Dinge sind.
 
=== Anthropologie ===
 
Thomas' [[Wikipedia:Philosophische Anthropologie|Anthropologie]] weist dem Menschen als leib-geistiges Vernunftwesen einen Platz zwischen den [[Engel]]n und den [[Tier]]en zu. Gestützt auf Aristoteles' ''[[Wikipedia:De Anima]]'' zeigt Thomas die geistige [[Seele]], d. h. den [[Wikipedia:Geist]] des Menschen als dessen – einzige – Form auf: ''Anima forma corporis''. Weil der Geist ("intellectus") eine einfache, also nicht zusammengesetzte Substanz ist, kann er auch nicht zerstört werden und ist somit [[Wikipedia:Unsterblichkeit|unsterblich.]] Der Geist kann auch nach der Trennung vom [[Wikipedia:Leib]] seinen Haupttätigkeiten, dem [[Wikipedia:Denken]] und [[Wikipedia:Wollen]], nachkommen. Die nach der [[Wikipedia:Auferstehung]] zu erwartende Wiedervereinigung mit einem neuen Leib kann zwar nicht philosophisch, wohl aber theologisch erwiesen werden.
 
=== Ethik ===
 
In der [[Wikipedia:Ethik]] verbindet Thomas die aristotelische [[Wikipedia:Tugendlehre]] mit den christlich-[[Augustinus|augustinischen]] Erkenntnissen. Die Tugenden bestehen demnach im rechten Maß bzw. dem Ausgleich vernunftwidriger Gegensätze. Das ethische Verhalten zeichnet sich durch das Einhalten der Vernunftordnung aus (siehe [[Wikipedia:Naturrecht]] bzw. [[Wikipedia:Natürliches Sittengesetz]]) und entspricht damit auch dem göttlichen Gesetzeswillen. Thomas ergänzte die vier klassischen [[Wikipedia:Kardinaltugend]]en durch die drei [[Wikipedia:theologische Tugend|christlichen Tugenden]] [[Wikipedia:Glaube]], [[Liebe]] und [[Wikipedia:Hoffnung]].
 
Das höchste Gut ist die ewige [[Wikipedia:Glückseligkeit]], die – im [[Wikipedia:Jenseits|jenseitigen]] Leben – durch die unmittelbare [[Wikipedia:Anschauung]] Gottes erreicht werden kann. Es zeigt sich daran der Primat der Erkenntnis vor dem Wollen.
 
=== Politische Philosophie bzw. Staatsdenken ===
 
Thomas von Aquin war einer der einflussreichsten Theoretiker für das mittelalterliche [[Wikipedia:Staatsphilosophie|Staatsdenken.]] Dabei sah er den Menschen als ein soziales Wesen, das in einer Gemeinschaft leben muss. In dieser Gemeinschaft tauscht er sich mit seinen Artgenossen aus, und es kommt zu einer [[Wikipedia:Arbeitsteilung]].
 
Für den Staat empfiehlt er die [[Wikipedia:Monarchie]] als beste Regierungsform, denn ein Alleinherrscher, der mit sich selbst eins ist, kann mehr Einheit bewirken als eine [[Wikipedia:Aristokratie|aristokratische]] Elite. Hier müssen sich mehrere einigen, was immer nur zu einem Kompromiss, also einer Angleichung, einer Anpassung, einer Aufgabe seiner eigenen Meinung und Überzeugung führt. Außerdem ist immer dasjenige am besten, was der Natur entspricht, und in der Natur haben alle Dinge nur ''ein'' Höchstes.
 
Thomas stellt der Monarchie als der besten die Tyrannis als die schlechteste aller denkbaren Regierungsformen gegenüber. Dabei merkt er an, dass aus der Aristokratie leichter eine Tyrannis entstehen kann als aus einer Monarchie.
 
Um die [[Wikipedia:Tyrannei]] zu verhindern, muss die Gewalt des Alleinherrschers eingeschränkt sein. Ist sie jedoch einmal eingetreten, so soll sie zunächst ertragen werden, denn es könnte ja auch noch schlimmer kommen (z. B. [[Wikipedia:Anarchie]]). Der [[Wikipedia:Tyrannenmord]] ist laut der Lehre der [[Wikipedia:Apostel]] jedenfalls keine Heldentat:
 
:''„Denn es ist eine Gnade, wenn jemand deswegen [d. h. wegen der Tyrannis] Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet, weil er sich in seinem Gewissen nach Gott richtet“'' ([[1. Petrusbrief]] 2, 19).
 
So schlussfolgert Thomas, dass es besser ist, gegen eine Bedrückung nur nach allgemeinem Beschluss vorzugehen.
 
Wie viele Staatsdenker des Mittelalters zieht auch Thomas von Aquin den organischen Vergleich zum Staatsgebilde heran. Hierbei sieht er den [[Wikipedia:König]], als Vertreter Gottes im Staat, als Vernunft und Seele für den menschlichen Körper, dessen Glieder und Organe die Bevölkerung darstellen. Seine Erfüllung findet jedes einzelne Glied in der Tugendhaftigkeit (angelehnt an [[Aristoteles]]).
 
Dennoch sieht Thomas das [[Priestertum]] über dem Königtum; der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche steht also in Glaubens- und Sittenfragen über dem König.
 
== Theologie ==
[[Bild:ThomasvonAquindurchBenozzoGozzoli.jpg|thumb|Benozzo Gozzoli, „Triumph des Hl. Thomas von Aquin über Averroes“ (1468/84). - Thomas sitzt zwischen Aristoteles und Platon, vor ihm liegt niedergeworfen Averroes]]
=== Grundsätzliches ===
 
Zu den wesentlichen Verdiensten von Thomas gehört, der [[Wikipedia:Theologie]] den Charakter einer [[Wissenschaft]] gegeben zu haben (siehe unten). Zur Klärung der Glaubensgeheimnisse wird dabei die natürliche [[Wikipedia:Vernunft]], insbesondere das philosophische Denken des Aristoteles herangezogen. Thomas hat die Gegensätze aufgelöst, die zu seiner Zeit zwischen den Anhängern zweier Philosophen bestanden: denen des [[Augustinus]] (der das Prinzip des menschlichen Glaubens betont) und des wiederentdeckten Aristoteles (der von der Erfahrungswelt und der darauf aufbauenden Erkenntnis ausgeht). Thomas zeigt, dass sich diese beiden Lehren nicht widersprechen, sondern '''''ergänzen,''''' dass also einiges nur durch Glauben und Offenbarung, anderes auch oder nur durch Vernunft erklärt werden kann. Vor allem in dieser [[Wikipedia:Synthese]] der antiken Philosophie mit der christlichen Dogmatik, die gerade auch für die Moderne von unabschätzbarer Bedeutung ist, liegt seine Leistung.
 
=== Natürliche Theologie ===
 
Thomas von Aquin legte im Rahmen der Philosophischen bzw. [[Wikipedia:Natürliche Theologie|Natürlichen Theologie]] Argumente dafür dar, dass der Glaube an die Existenz Gottes nicht vernunftwidrig ist, sich also Glaube und Vernunft nicht widersprechen. Seine ''Quinque viae'' („Fünf Wege“), dargestellt in seinem Hauptwerk, der ''[[Wikipedia:Summa theologica|Summa Theologica]]'' (auch ''Summa Theologiae''), hat Thomas zunächst nicht als „[[Wikipedia:Gottesbeweis]]e“ bezeichnet, sie können jedoch als solche aufgefasst werden, da sie rationale Gründe für Gottes Existenz darlegen. Die Argumentationskette endet jeweils mit der Feststellung „das ist es, was alle Gott nennen.“
 
=== Eucharistie ===
 
Prägend wurde Thomas‘ Theologie auch für die katholische [[Eucharistie]]lehre. Er wandte die aristotelischen Begriffe der Substanz und der Akzidenzien auf das Geschehen in der [[heilige Messe|heiligen Messe]] an: Während die Akzidenzien, d. h. die Eigenschaften von [[Hostie|Brot]] und [[Messwein|Wein,]] erhalten bleiben, ändert bzw. verwandelt sich die Substanz, d. h. das Wesen ''(nicht'' die Materie) der eucharistischen Gaben in [[Leib Christi|Leib und Blut]] des auferstandenen [[Christus]] ([[Transsubstantiation]]).
 
=== Hölle ===
 
In seiner ''[[Wikipedia:Summa contra gentiles]]'' geht Thomas u. a. auch auf die [[Wikipedia:Hölle]] ein und übernimmt dabei die Sicht von Augustinus.  Er verwirft auch...
 
''„...den Irrtum derjenigen, die behaupten, dass die Strafen der Gottlosen irgendwann beendet sein werden“'' ([[Wikipedia:Apokatastasis]]).
 
Allerdings führt er eine neue Begründung für die angenommene Endlosigkeit und Grauenhaftigkeit solch einer Strafe ein, die aufgrund einer einzigen falschen Entscheidung über den Menschen kommen soll:
 
:''„Die Größe der Strafe entspricht der Größe der Sünde [...] Nun aber wiegt eine Sünde gegen Gott unendlich schwer, denn je höher eine Person steht, gegen die man Sünde begeht, desto schwerer ist die Sünde.“''
 
Er argumentiert auch, dass die Strafen, die die Gottlosen erleiden müssen, sowohl eine psychologische oder seelische Seite ([[Wikipedia:Gottesferne]]) als auch eine physische Seite (körperliche Schmerzen) haben, so dass die Gottlosen also zweifach gestraft seien.
 
=== Mystik ===
 
Thomas ist in erster Linie wegen seiner Verdienste um die Theologie und die Philosophie in die Geschichte eingegangen. Darüber hinaus zeugt sein Werk aber auch von einer tiefen Frömmigkeit. Ob dabei von [[Mystik|mystischen]] Zügen zu sprechen ist, ist umstritten.
 
Am [[Nikolaus]]tag 1273 stellte Thomas von Aquin nach der Feier der heiligen Messe jegliche Arbeit an seinen Schriften ein. Er wird mit der Erklärung zitiert:
 
''„Alles, was ich geschrieben habe, kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.“''
 
Einige Biographen mutmaßen, ihm sei kurz zuvor eine [[Nahtodeserfahrung]] zuteil geworden.
 
=== Liturgie ===
 
Von ihm stammen die [[Wikipedia:Sequenz (Hymnus)|Sequenzen]] zu [[Fronleichnam]] ''[[Lauda Sion]]'' sowie die eucharistischen Hymnen ''[[Wikipedia:Pange Lingua]]'' („Das Geheimnis lasst uns künden“) - dessen letzten beiden Strophen als ''[[Wikipedia:Tantum ergo]]'' ("Lasst uns tiefgebeut verehren") oft selbständig gesungen werden - und ''[[Wikipedia:Adoro te devote]]'' („Gottheit tief verborgen“):
 
{| align="center"
!
! width="30px" |
!
|-
|bgcolor="#e7e7e7"|
Adoro te devote, latens Deitas<br>
Quae sub his figuris vere latitas:<br>
Tibi se cor meum totum subiicit,<br>
quia te contemplans totum deficit.<br>
 
|
|
''Gottheit tief verborgen, betend nah‘ ich Dir.''<br>
''Unter diesen Zeichen bist Du wahrhaft hier:''<br>
''Sieh, mit ganzem Herzen geb' ich Dir mich hin,''<br>
''weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin.''<br>
 
|}
 
::([[Wikipedia:Gotteslob]] Nr. 546)
 
Das ''Tantum ergo'' – die letzten beiden Strophen des ''Pange lingua'' – wird in der katholischen Kirche häufig bei der [[Anbetung|eucharistischen Anbetung]] gesungen.
 
=== Dreieinigkeit ===
 
[[bild:RublevTrinitaet.gif|thumb|Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljow]]
Die [[Dreieinigkeit]] bzw. Dreifaltigkeit oder Trinität Gottes ist zwar ein Geheimnis ([[Wikipedia:Mysterium]]), sie kann nach Thomas jedoch unter Zuhilfenahme der göttlichen, d. h. biblischen [[Wikipedia:Offenbarung]] teilweise „verstanden“ werden. Demnach ist der eine Gott in drei Personen ([[Wikipedia:Subsistenz]]en), die ''eine'' göttliche Natur und darum gleich ewig und allmächtig sind. Weder der Begriff der „Zeugung“ beim Sohn ([[Jesus]]) noch derjenige der „Hauchung“ beim [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] darf im [[Biblische Exegese|wörtlichen bzw. weltlichen Sinne]] verstanden werden. Vielmehr ist die zweite und dritte Person Gottes die ewige Selbsterkenntnis und Selbstbejahung der ersten Person Gottes, d. h. [[Gottvater|Gott Vaters.]] Weil bei Gott Erkenntnis bzw. Wille und (sein) Wesen mit seinem Sein zusammenfallen, ist seine vollkommene Selbsterkenntnis und Selbstliebe von seiner Natur, also göttlich.
 
=== Sonstiges ===
 
Zu den heute schwer nachvollziehbaren Teilen von Thomas‘ Lehre gehört es, dass er sich für die Hinrichtung von [[Wikipedia:Häretiker]]n ausgesprochen hat, deren Vergehen er im Vergleich zu Falschmünzern, welche damals dem Tode überliefert wurden, als schwerwiegender ansieht. ([[Wikipedia:Falschmünzer-Vergleich]]) (''Summa theologiae'', II-II, qu. 11, art. 3).
 
Auch war er gegen das Zinsnehmen, musste jedoch im Laufe seiner Beschäftigung mit dem Thema von einem vollständigen [[Wikipedia:Zinsverbot|Verbot]] zurückstehen.
 
== Nachleben ==
 
Thomas von Aquin wurde 1323 von Papst Johannes XXII. [[Wikipedia:Heiligsprechung|heiliggesprochen.]] Sein Werk und seine Ideen wurden [[1879]] unter Papst [[Leo XIII.]] zur Grundlage aller katholischer Schulen erhoben, und damit bestimmt sein Werk die [[römisch-katholische Kirche|römisch-katholische]] Lehre. Auch das [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweite Vatikanische Konzil]] empfiehlt Thomas ausdrücklich als den Lehrer, nach dessen Lehre sich die Theologie sowie die Philosophie im Studium der zukünftigen Priester zu richten haben (Optatam totius). Die [[Wikipedia:Enzyklika]] ''[[Wikipedia:Fides et Ratio]]'' und das neue Kirchenrecht haben diese Empfehlung erneut bestätigt.
 
In der evangelischen Kirche nimmt Thomas eine vergleichbare Stellung ein.
 
Schon um [[1300]] trat der [[Franziskaner]] [[Johannes Duns Scotus]] gegen Thomas auf und gründete die [[Philosophie|philosophisch]]-theologische Schule der [[Scotismus|Scotisten]], mit der die [[Thomist]]en an den Universitäten in Fehde lebten. Thomas‘ Anhänger verteidigten die strenge Lehre [[Augustin|Augustins]] von der Gnade und bestritten die [[Wikipedia:Unbefleckte Empfängnis]] [[Maria (Mutter Jesu)|Mariens, der Mutter Jesu.]] In der Frage der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter hat sich die spätere Kirche von den Zweifeln, die in der thomistischen Schule häufig anzutreffen sind, abgegrenzt, wobei umstritten bleibt, inwieweit Thomas tatsächlich ein Gegner des [[Wikipedia:Dogma|Dogmas]] war.
 
Um 1900 herum gab es eine thomistische Renaissance ([[Wikipedia:Joseph Bernhart|Bernhart]]). In Deutschland bemüht sich heute besonders die „[[Wikipedia:Deutsche Thomas-Gesellschaft]]“ (Sitz in [[Berlin]]) um die Weiterführung seines Erbes.
 
Auch [[Ramon Llull]] hat sich gegen die thomististische Scholastik ausgesprochen und damit indirekt die jahrelange [[Index Librorum Prohibitorum|Indizierung]] der Werke und die Verfolgung der [[Lullismus|Lullisten]] bewirkt.
 
== Werke ==
 
Im Gegensatz zu anderen großen Philosophen wie etwa [[Albertus Magnus]], der verschiedene Ämter innehatte, gab sich Thomas ganz der Wissenschaft hin. Er schuf ein monumentales Werk, das man in fünf Kategorieren einteilen kann:
 
#Schriften, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unterricht entstanden sind: [[Bild:SummaTheologiae.jpg|thumb|200px|Manuskriptseite einer mittelalterlichen Kopie der „Summa Theologica“]]
#*''[[Wikipedia:Sentenzenkommentar]]''
#*''Quaestiones [[Wikipedia:Quodlibet (Begriffsklärung)|quodlibetales]]''
#*''Quaestiones disputatae''
#*''[[Wikipedia:Über die Wahrheit]]''
#*''[[Wikipedia:De ente et essentia|Über Seiendes und Wesenheit]]''
#Kommentare zu den Schriften von Aristoteles:
#*zur [[Logik (Aristoteles)|Logik]]
#*zur [[Physik (Aristoteles)|Physik]]
#*zu [[De Caelo|De caelo et mundi]]
#*zu ''De generatione et corruptione''
#*zu ''Meteora''
#*zu ''[[De anima]]''
#*zu ''De sensu et sensato''
#*zur [[Ethik (Aristoteles)|Ethik]]
#*zur [[Politik (Aristoteles)|Politik]]
#*zur [[Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]
#**Weitere Kommentare zu:
#*[[Dionysius Areopagita]], ''De divinis nominibus''
#*Dionysius Areopagita''[[Liber de causis]]''
#*[[Boethius]], ''De trinitate''
#*Boethius, ''De hebdomadibus''
#Kleinere Schriften und Streitschriften wie
#*''Über das Böse''
#*''Über Lüge und Irrtum''
#*''Über die Vollkommenheit des geistlichen Lebens''
#*''[[Wikipedia:Über die Einheit des Intellekts gegen die Averoisten]]''
#*''Compendium theologiae''
#Systematische (Haupt)-Werke:
#*''[[Wikipedia:Summa contra gentiles]]''
#*''[[Wikipedia:Summa theologica]]''
#Kommentare zur Bibel
#*Zu Hiob
#*Zu Psalmen (Psalm 1–51)
#*Zu Jeremia
#*Zu den Klageliedern Jeremias
#*Zu Jesaja
#*[[Wikipedia:Katene|Katenenkommentare]] zu den vier Evangelien (''Catena aurea'')
#*Vorlesungen zu Matthäus und Johannes
#*Vorlesungen zu den Briefen des Apostels Paulus
#Hymnen zum [[Fronleichnam]]sfest
#*[[Wikipedia:Pange Lingua]] mit den Schlusstrophen [[Wikipedia:Tantum ergo]], Gotteslob 541-544
#*[[Wikipedia:Lauda Sion]], dt. Gotteslob 545
#*[[Wikipedia:Adoro te devote]], dt. Gotteslob 546
 
Die ''Summa contra gentiles'' und insbesondere die ''Summa theologica'' bilden einen Höhepunkt von Thomas` Schaffen. Sein Werk wurde im [[19. Jahrhundert]] von der [[katholische Kirche|katholischen Kirche]] zur Grundlage der [[Wikipedia:Christliche Philosophie|christlichen Philosophie]] erklärt.
 
== Literatur ==
 
=== Einführungen ===
 
*Marie-Dominique Chenu: ''Thomas von Aquin. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.'' 6. Aufl. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992, ISBN 3-499-50045-0
*[[Martin Grabmann]]: ''Thomas von Aquin. Persönlichkeit und Gedankenwelt. Eine Einführung.'' 8. Aufl. Kösel, München 1949.
*[[Hans Meyer (Philosoph)|Hans Meyer]]: ''Thomas von Aquin. Sein System und seine geistesgeschichtliche Stellung.'' 2. Aufl. Schöningh, Paderborn 1961.
*[[Josef Pieper]]: ''Thomas von Aquin – Leben und Werk.'' 4. Aufl. Kösel, München 1990, ISBN 3-46640-114-3
 
=== Editionen für den interessierten Laien ===
*Die deutsche Thomas-Ausgabe = Summa theologica. Übers. von Dominikanern u. Benediktinern Deutschlands u. Österreichs. Vollst., ungekürzte dt.-lat. Ausg.. - Graz [u.a.] : Styria - Früher teilw. im Pustet-Verl., Salzburg, teilw. im Kerle-Verl., Heidelberg u. Verl. Styria Graz, Wien, Köln, 1933ff.,  34 Bde. (noch unvollendet)
 
*Summe der Theologie. Hrsg. u. übers. von Joseph Bernhart (Auswahl). Stuttgart: Kröner. Bd. 1: Gott und Schöpfung, ISBN 3-520-10503-9; Bd. 2: Die sittliche Weltordnung, ISBN 3-520-10603-5; Bd. 3: Der Mensch und das Heil, ISBN 3-520-10903-4
 
*Über die Herrschaft der Fürsten. Übers. von Friedrich Schreyvogl. Nachw. von Ulrich Matz. [Nachdr.] Stuttgart : Reclam, 1994(Universal-Bibliothek ; 9326)ISBN 3-15-009326-0
 
== Weblinks ==
 
{{Commons|Thomas von Aquin}}
{{Wikisource|Thomas von Aquin}}
{{LaWikisource|Scriptor:Thomas Aquinas|Thomas Aquinas}}
{{Wikiquote|Thomas von Aquin}}
 
=== Werke ===
 
*[http://www.corpusthomisticum.org/iopera.html Sämtliche Werke online (Lateinisch)]
*[http://www.aristoteles-heute.de/SeinAlsGanzesUnbewegtDt/Theologie/summa/InhaltD/summa.html ''Summa Theologica] deutsch – lateinisch
*[http://www.intratext.com/bti/ Bibliotheca Thomistica IntraText]: Texte, Konkordanzen und Frequenzlisten
 
[[Kategorie:Mann|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Philosoph des Mittelalters|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Erkenntnistheoretiker|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Kirchenlehrer|Thomas von Aquin]] <!-- Kirchenlehrer nach Vornamen sortiert.-->
[[Kategorie:Katholischer Theologe (13. Jh.)|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Ökonom (13. Jh.)|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Dogmatiker|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Dominikaner|Aquin, Thomas von]]
[[Kategorie:Autor|Aquin, Thomas von]]
 
{{Personendaten|
NAME=Thomas von Aquin
|ALTERNATIVNAMEN=Thomas Aquinas, Tommaso d'Aquino
|KURZBESCHREIBUNG=italienischer [[Theologe]] und [[Philosoph]] des Mittelalters
|GEBURTSDATUM=um [[1225]]
|GEBURTSORT=bei [[Aquino]]
|STERBEDATUM=7. März 1274
|STERBEORT=[[Fossanova]]
}}

Aktuelle Version vom 18. Januar 2020, 20:22 Uhr

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