Nosologie und Kategorie:Krankheitserreger: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Nosologie''' (von {{grcS|νόσος|nosos|de=Krankheit}} und {{lang|grc|-λογος|-logos, [[-logie]]|de=Wort}}, ‚Lehre‘), auch '''Krankheitslehre''', ist die Lehre von der medizinischen Einteilung der Erkrankungen. Die Nosologie war zeitweise ein Teilgebiet der [[Pathologie]]. Das Adjektiv zu Nosologie lautet ''nosologisch'' = die Nosologie betreffend; Krankheiten systematisch beschreibend.
[[Kategorie:Krankheitserreger|!]]
 
[[Kategorie:Pathologie|Fx]]
Eine [[system]]atisch vorgehende Nosologie umfasst möglichst alle Methoden der Erforschung und Erkennung von Krankheitsprozessen ([[Diagnose]]), um damit zur detaillierten wissenschaftlichen Beschreibung von validen [[w:Krankheitseinheit|Krankheitseinheit]]en beizutragen.<ref name="RLX" />
 
== Kriterien ==
Die [[Klassifikation|Einteilung]], Benennung und Erkennung ([[Diagnose]]) einer Krankheit kann nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen:
* nach [[Symptom]]en ([[Symptomatologie]]),
* nach Beobachtung des [[Krankheitsverlauf]]s und der Vorhersage des Ausgangs einer Krankheit ([[Prognose#Medizin, Zahnmedizin und Veterinärmedizin|Prognose]]),
* nach der Häufigkeit ([[Epidemiologie]]),
* nach pathologisch-anatomischen Befunden ([[Pathologie]]),
* nach spezifischen gestörten Funktionen ([[Pathophysiologie]]),
* nach Entstehung und Entwicklung einer Krankheit ([[Pathogenese]]),
* nach bildgebenden Verfahren bei einem betroffenen [[Organ (Biologie)|Organ]],
* nach der Ursache ([[Ätiologie (Medizin)|Ätiologie]]),
* nach dem Ansprechen auf bestimmte [[Therapie]]n ([[Diagnosis ex juvantibus|ex iuvantibus]], ‚Klärung der Diagnose vom Heilerfolg her‘).
Die Vereinigung von abstrakter Kategorisierung und konkreter [[Nosographie|nosographischer]] Detailgenauigkeit ist ein in sich gegensätzliches Verfahren und wird daher als Fiktion betrachtet. Die Abgrenzung und Nomenklatur unterschiedlicher Krankheitseinheiten im Verlauf der Medizingeschichte entspricht jedoch auf rein sprachlicher Ebene dem Vorgang der Begriffsbildung, siehe [[Semiologie]], [[Etymologie]] und [[Erkenntnistheorie]].<ref name="RLX" /><ref name="LPM" />
 
== Medizingeschichtliche Problematik ==
Die grundlegende Krankheitslehre von der Antike bis in die Neuzeit war die [[Humoralpathologie]], welche als Ursache der Krankheiten eine fehlerhafte Zusammensetzung bzw. Mischung der Körpersäfte postulierte und Krankheiten dementsprechend einteilte.<ref>Heinz Otremba: ''Rudolf Virchow. Begründer der Zellularpathologie. Eine Dokumentation.'' Echter-Verlag, Würzburg 1991, S. 43.</ref> Nach dem Vorbild der [[Botanische Nomenklatur|botanischen Namensgebung]]<ref name="UDD" /> wurde Krankheiten erstmals im 18. Jahrhundert durch den Arzt und Botaniker [[François Boissier de Sauvages de Lacroix|Sauvages]] in Montpellier<ref name="CVJ" /> klassifiziert. Diesen traditionellen medizinischen Anschauungen sind jedoch diejenigen der [[Psychopathologie#Abgrenzung von Psychopathologie und Pathologie|Psychopathologie]] gegenüberzustellen, wie sie auch von der [[Psychosomatik]] vertreten werden. In diesen Teilgebieten werden unterschiedliche Theorien der Krankheitsentstehung vertreten, die sich praktisch in ihrer [[Methodik]] voneinander unterscheiden und auf das von der Philosophie behandelte [[Leib-Seele-Problem]] zurückgehen. Sowohl in der [[Pathologie]] als auch in der [[Psychopathologie]] wird jedoch bei der Entstehung von Krankheiten von mangelnder [[Anpassungsfähigkeit|Anpassung]] oder Adaptation auf Anforderungen und Belastungen gesprochen ([[Noxe]]n, [[Stressor]]en, [[Trauma (Psychologie)|Traumata]]).
 
== Verschiedene Klassifikationssysteme ==
Verschiedene Klassifikationsmöglichkeiten einzelner Erscheinungsformen werden gleichzeitig miteinander bzw. parallel angewandt.
 
Das verbreitetste Klassifikationssystem ist die [[International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems|ICD]] der [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO). Die von der WHO vertretene Definition von [[Gesundheit]] als „Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“<ref name="BPM" /> ist für die Definition des Krankheitsbegriffs als Störung von Gesundheit zu beachten. Diese Definition nennt sich auch kurz das ''bio-psycho-soziale Krankheitsmodell'', wobei die Hierarchie dieser Stufenleiter zu berücksichtigen ist (vgl. [[Situationskreis]]). Das Instrument der WHO ist in seiner ureigenen Intention bei der Abhandlung psychiatrischer Sachverhalte eher [[deskriptiv]]-pragmatisch (symptomatologisch) ausgerichtet und weist daher gewisse notwendige Nachteile bei der Berücksichtigung anderer nosologischer Gesichtspunkte auf.
 
Als Modell einer Klassifikation nach ätiologischen Gesichtspunkten sei das [[Geschichte der Psychiatrie|psychiatriegeschichtlich]] relevante [[Triadisches System|triadische System]] der [[Klassische deutsche Psychiatrie|klassischen deutschen Psychiatrie]] genannt. Im Unterschied zu einer symptomorientierten Klassifikation (Querschnittsaspekt) ist die verlaufsorientierte Klassifikation (Längsschnittaspekt) als eine am [[Krankheitsverlauf]] orientierte Einteilung aufzufassen. Ein Beispiel dafür ist etwa die Unterscheidung der [[Dementia praecox]] von anderen [[Demenz]]en und von den [[Paraphrenie]]n (vgl. auch die unterschiedlichen [[Schizophreniekonzepte]]).
 
In der [[Schweizer Armee]] wird die sogenannte [[Nosologia Militaris]] verwendet.
 
== Kritik ==
Bei [[w:Operationalisierung|operationalisierten]] Vorgehensweisen, wie dies die Inventare der WHO zu Recht nahelegen, ist immer auch a)&nbsp;die Wandelbarkeit der Theorie und b)&nbsp;der Zeitfaktor der Krankheitsentwicklung zu beachten. Vor allem dieser Zeitfaktor ist es, der ein prinzipielles Problem für sogenannte [[w:Querschnittsdiagnose|Querschnittsdiagnose]]n darstellt. Nach dem operationalisierten Vorgehen werden zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erhobene Befunde mehr oder weniger „automatisch“ zu einer Diagnose zusammengefasst. Diese kann –&nbsp;zumindest in Krankenunterlagen&nbsp;– fälschlich einen jeweils „bleibenden Charakter“ vortäuschen. Gerade wenn es um subjektabhängige diagnostische Beurteilungen geht, stellen operationalisierende Vorgehensweisen eine gewisse Gefahr dar, indem sie den Entwicklungsaspekt nicht genügend berücksichtigen.
 
Dies spielt namentlich in der [[Psychiatrie]] eine große Rolle. Siehe dazu insbesondere die Diskussion um die scheinbare Relativierung des [[w:Neurose#Neuere Klassifikationssysteme|Neurosebegriffs]] zugunsten allzu pragmatischer Vorgehensweisen sowie den psychosomatischen Einwand des [[Maschinenparadigma]]s. Die allzu starke Ausrichtung auf eine allein deskriptiv-symptomatologisch orientierte Krankheitsdiagnostik hat zur Entwicklung des multiaxialen Systems geführt. Diese Achsen werden in nachfolgender Aufstellung erläutert. Damit wird auch prinzipiellen [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Vorbehalten zum Thema [[Objektivität]] der Wissenschaften Rechnung getragen. Auch ein Leitsatz von [[Karl Popper|Karl R. Popper]] sei hier zitiert: {{" |lang=en |Text=Clinical observations like all other observations are interpretations in the light of theories. |Übersetzung=Klinische Beobachtungen sind, wie alle Beobachtungen, Interpretationen im Licht der Theorien.}}<ref name="SBW" />
 
'''Multiaxiales System nach ICD-10'''
* Achse 1a: Psychiatrische Erkrankungen
* Achse 1b: Somatische Erkrankungen
* Achse II: Soziale Behinderungen (Beeinträchtigungen der psychosozialen Funktionsfähigkeit)
* Achse III: Faktoren der sozialen Umgebung und der individuellen Lebensbewältigung gemäß Kapitel XXI (Z) der ICD-10 (Belastungsfaktoren)<ref name="KPS" />
 
1996 wurde ein neues Multiaxiales System entwickelt. Zur Kritik sei auf den Abschnitt ''Weblinks'' verwiesen. - Praktische Bedeutung hat die Kritik am Krankheitsbegriff der [[w:Klassische deutsche Psychiatrie|klassischen deutschen Psychiatrie]] gewonnen, da die Kriterien der Achse II und III nicht berücksichtigt worden seien. Vielmehr sei ein [[Biologismus|biologistisches Paradigma]] praktiziert worden, das zu den Entgleisungen der Erblichkeitshypothese ([[w:Endogenität|Endogenität]]) und damit zum Verzicht auf therapeutische Bemühungen geführt habe, vgl. auch  den Begriff der [[w:Peripherisierung#Kollektives Handeln|Peripherisierung]].<ref name="RoerPIF">Dorothee Roer, Dieter Henkel: ''Psychiatrie im Faschismus. Die Anstalt Hadamar.'' Psychiatrie-Verlag, Bonn 1986, ISBN 3-88414-079-5. Neues Vorwort ab 2. Auflage 1996 und 6. unveränderte Auflage, Mabuse Frankfurt 2019, ISBN 978-3-929106-20-6; S. 17, 19 zu Stw. „Biologisierung, biologistisches Paradigma“.</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Nosologie}}
* {{WikipediaDE|Nosologie}}
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
* [http://www.springerlink.com/content/dg14pf280uwqy87g/ Der Nervenarzt: Multiaxiales System des Kapitels V (F) der ICD-10].
* [http://www.sgipt.org/doceval/diag_k.htm Kritik an ICD und DSM]
* [http://www.sgipt.org/diagnos/achse.htm Das Geheimnis der „Achsen“ und ihrer Wandlung im DSM]
 
== Einzelnachweise ==
<references>
<ref name="BPM">
W. Böcker, H. Denk, Ph. U. Heitz: ''Pathologie''. 3. Auflage. Urban & Fischer, 2004, ISBN 3-437-42381-9, S.&nbsp;5
</ref>
<ref name="CVJ">
Georg Fischer: ''Chirurgie vor 100 Jahren.'' Verlag F. C. W. Vogel, Leipzig 1876, S.&nbsp;374.
</ref>
<ref name="LPM">
''Nosologie''. In: P. L. Janssen et al. (Hrsg.): ''Leitfaden Psychosomatische Medizin und Psychotherapie''. Deutscher Ärzte-Verlag, ISBN 3-7691-0452-8, S.&nbsp;102.
</ref>
<ref name="KPS">
H. Dilling et al. (Hrsg.), Weltgesundheitsorganisation: ''Internationale Klassifikation psychischer Störungen'', ICD-10 Kapitel V (F). 2. Auflage. Hans Huber Verlag, Göttingen 1993, ISBN 3-456-82424-6, S.&nbsp;7, Punkt d).
</ref>
<ref name="RLX">
Norbert Boss (Hrsg.): ''Roche Lexikon Medizin''. 2. Auflage. Hoffmann-La Roche AG und Urban & Schwarzenberg, München 1987, ISBN 3-541-13191-8; S.&nbsp;1250 zu Lex.-Lemma „Nosologie“ und S.&nbsp;1657 zu Lex.-Lemma „Symptomatologie“ ([http://www.gesundheit.de/roche/ gesundheit.de/roche]).
</ref>
<ref name="SBW">
Otto Bach: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: ''Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle''. Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, S.&nbsp;1 zu ''Zitat'' Popper nach Bach.
</ref>
<ref name="UDD">
Brigitte Hoppe: ''Der Ursprung der Diagnosen in der botanischen und zoologischen Systematik.'' In: ''Sudhoffs Archiv.'' Band 62, 1978, S. 105–130.
</ref>
</references>
 
[[Kategorie:Nosologie|!]]
[[Kategorie:Psychopathologie]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 21. März 2020, 19:12 Uhr