Jüngling zu Sais

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Frontispiz zu Gerhard Blasius: Anatome Animalium,1681. Eine Priesterin enthüllt dem entsprechend vorbereiteten Adepten die verschleierte Göttin.
Auferweckung des Sohnes der Witwe von Nain, Altartafel von Lucas Cranach dem Jüngeren, um 1569, in der Stadtkirche Wittenberg.

Der Jüngling zu Sais soll verbotenerweise den Schleier der Isis gelüftet haben. Plutarch beschreibt die Statue der verschleierten Isis, die es in Sais gegeben haben soll, in seinen Moralischen Schriften, «Über Isis und Osiris». Die Statue soll folgende Aufschrift getragen haben:

„In Sais hatte das Standbild der Athene, die man auch für die Isis hält, folgende Inschrift «ich bin das All, das Vergangene Gegenwärtige und Zukünftige, meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.»“

Plutarch: Über Isis und Osiris, C9[1]

Der Jüngling von Sais, der es wagte, den Schleier zu heben, wurde nach den Angaben Rudolf Steiners als der Jüngling zu Nain wiedergeboren, der im 7. Kapitel des Lukas-Evangeliums erwähnt und durch den Christus von den Toten auferweckt wurde. In ihm war die ganze ägyptisch-chaldäische Kultur lebendig und diese feierte durch die Erweckung, die zugleich eine Einweihung war, ihre Auferstehung im christlichen Sinn. Dadurch konnte dieser große Eingeweihte in der nächstfolgenden Inkarnation der Religionsstifter Mani (Manes) werden, der den Manichäismus begründete.

„Manes ist jene hohe Individualität, die immer und immer wieder auf der Erde verkörpert ist, die der leitende Geist ist derer, die zur Bekehrung des Bösen da sind.“ (Lit.:GA 104, S. 162ff)

„Der Jüngling zu Nain aus dem Lukas-Evangelium ist kein anderer als der Jüngling zu Sais; bis in die Namen ist der Unterschied zwischen der geistigen Umgebung des dritten und des vierten Kulturzeitalters hineingeheimnist. Wissen wollte der Jüngling zu Sais unvorbereitet von den Geheimnissen der geistigen Welt; er wollte werden wie die anderen Eingeweihten ein «Sohn der Witwe», der Isis, die da trauerte um ihren verlorenen Gemahl Osiris. Da er aber unvorbereitet war, da er hier auf dem physischen Plan selber das Bild der Isis enthüllen und die himmlischen Geheimnisse schauen wollte, so verfiel er dem Tode. Kein Sterblicher konnte zu der Zeit den Schleier der Isis lüften. In dem Jüngling zu Sais symbolisiert sich die ohnmächtige Weisheit der ägyptischen Zeit.

Er wird wiedergeboren, er wächst heran als der Jüngling zu Nain, er ist wiederum ein «Sohn der Witwe», wiederum stirbt er im Jünglingsalter. Und der Christus Jesus naht sich, als der Tote aus dem Stadttor getragen wird. Und «viel Volk aus der Stadt» war mit seiner Mutter; es ist die Schar der ägyptischen Eingeweihten. Sie alle sind Tote, die einen Toten begraben. «Und da sie der Herr sah, jammerte ihn derselbigen». Es jammerte ihn der Mutter, die dasteht gleichsam als Isis, welche war die Schwester und Gemahlin des Osiris. Und er sprach: «Jüngling, ich sage dir, stehe auf!» «Und der Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und er gab ihn seiner Mutter.» - Sie ist ja auf die Erde herabgestiegen, die frühere Isis; ihre Kräfte können jetzt auf der Erde selbst erlebt werden. Der Sohn wird der Mutter wieder geschenkt, es ist nun an ihm, sich völlig mit ihr zu verbinden. «Und die Umstehenden priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns auf gestanden». Denn in dem Jüngling zu Nain hatte der Christus Jesus durch die Art der Initiation, welche diese Auferstehung darstellt, einen Keim gesenkt, der erst in seiner nächsten Inkarnation zur Blüte kommen konnte.

Ein großer Prophet, ein gewaltiger Religionslehrer ist aus dem Jüngling zu Nain geworden! Im dritten nachchristlichen Jahrhundert trat zunächst in Babylonien auf Mani oder Manes, der Begründer des Manichäismus. Eine eigentümliche Legende erzählt über ihn das folgende.

Skythianos und Therebinthus oder Buddha waren seine Vorgänger. Der Letztere war der Schüler des Erstgenannten. Nach dem gewaltsamen Tode des Skythianos flieht er mit dessen Büchern nach Babylonien. Auch ihm ergeht es schlecht; nur eine alte Witwe nimmt seine Lehre an. Sie erbt seine Bücher und hinterläßt diese ihrem Pflegesohn, der im Alter von zwölf Jahren steht und den sie als siebenjährigen Sklavenknaben an Kindesstatt angenommen hat. Dieser, der auch wiederum ein «Sohn der Witwe» genannt werden kann, tritt mit 24 Jahren auf als Manes, der Begründer des Manichäismus.

In seiner Lehre war alles zusammengefaßt, was die alten Religionen an Weisheit enthalten hatten, und er beleuchtete es mit einer christlichen Gnosis, die möglich machte, daß die Bekenner der babylonisch-ägyptischen Sternenweisheit, die Anhänger der alten Perser-Religion, ja sogar die Buddhisten aus Indien, sich durchdringen konnten mit einem Verständnis des Christus-Impulses in dieser Form.

Vorbereitend gewirkt hat diese Seele, die vorher in dem Jüngling zu Nain lebte und die eingeweiht wurde von dem Christus in dieser Weise für spätere Zeiten, wo das, was im Manichäismus enthalten war und was durchaus nicht zur vollen Entwickelung gekommen ist, aufgehen wird zum Heile der Völker des alten Orients, - vorbereitend hat diese Seele in ihrer Inkarnation als Manes gewirkt für ihre eigentliche spätere Mission: den wahren Zusammenklang aller Religionen zu bringen.“ (Lit.:GA 264, S. 228ff)

Nach den Aussagen Rudolf Steiners wurden im 4. Jahrhundert n. Chr. Zarathustra, Buddha und Skythianos, die ursprünglich seine Vorgänger waren, die großen Geistesschüler des Manes. Aus diesem Impuls entstanden später die Mysterien des Rosenkreuzes.

„Es wird nun eine vierte Individualität in der Geschichte genannt, hinter der sich für viele etwas verbirgt, das noch höher, noch gewaltiger ist als die drei genannten Wesenheiten, als Skythianos, als Buddha und als Zarathustra. Es ist Manes, der wie ein hoher Sendbote des Christus genannt wird von vielen, die mehr im Manichäismus sehen, als gewöhnlich gesehen wird. Manes, so sagen viele, versammelte nun wenige Jahrhunderte, nachdem Christus auf der Erde gelebt hatte, in einer der größten Versammlungen, die in der zur Erde gehörigen spirituellen Welt überhaupt stattgefunden haben, drei wichtige Persönlichkeiten des vierten Jahrhunderts der nachchristlichen Zeit um sich. In dieser bildhaften Schilderung soll eine wichtige spirituelle Kulturtatsache ausgedrückt werden. Manes versammelte diese Persönlichkeiten aus dem Grunde, um mit ihnen zu beraten, wie allmählich jene Weisheit, die gelebt hat durch die Zeitwende in der nachatlantischen Zeit, wiederum aufleben kann in die Zukunft hinein immer weiter und weiter, immer glorreicher und glorreicher. Welche Persönlichkeiten versammelte Manes in jener denkwürdigen Versammlung, die nur zu erreichen ist durch spirituelles Schauen? Die eine ist jene Persönlichkeit, in welcher in der damaligen Zeit Skythianos lebte, der wiederverkörperte Skythianos der Maneszeit. Die zweite Persönlichkeit ist ein physischer Abglanz des damals wiedererschienenen Buddha, und die dritte ist der damals wiederverkörperte Zarathustra. So haben wir ein Kollegium um Manes herum, Manes in der Mitte, um ihn herum Skythianos, Buddha und Zarathustra. Damals wurde in diesem Kollegium festgestellt der Plan, wie alle Weisheit der Bodhisattvas der nachatlantischen Zeit immer stärker und stärker hineinfließen kann in die Zukunft der Menschheit. Und was damals als der Plan zukünftiger Erdenkulturentwickelung beschlossen worden ist, das wurde bewahrt und dann herübergetragen in jene europäischen Mysterien, welche die Mysterien des Rosenkreuzes sind. In den Mysterien des Rosenkreuzes verkehrten immer die Individualitäten des Skythianos, des Buddha, des Zarathustra.“ (Lit.:GA 113, S. 191f)

Später wurde der frühere Jüngling zu Sais als der «reine Tor» Parzival wiedergeboren und zum Hüter des Heiligen Grals erkoren (Lit.: GA 264, S. 230). Er wurde es erst nach langen Irrfahrten, da er, als er erstmals dem Gral begegnete, versäumt hatte, die entscheidende Frage zu stellen. Fragen in rechter Weise, d.h. nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen zu stellen, ist aber im gegenwärtigen Bewusstseinsseelenzeitalter die notwendige Voraussetzung, dass ein Eingeweihter geistige Wahrheiten offenbaren kann.

„Ein anderer sollte nicht fragen. Er ist ja bekannt genug, der nicht fragen sollte: der Jüngling zu Sais sollte nicht fragen. Denn sein Verhängnis war es, daß er fragen mußte, daß er tat, was er nicht tun sollte, daß er haben wollte, daß das Bild der Isis enthüllt werden sollte. Der Parzival der vor dem Mysterium von Golgatha liegenden Zeit, das ist der Jüngling zu Sais. Aber in jener Zeit wurde ihm gesagt: Hüte dich, daß deiner Seele unvorbereitet enthüllt werden sollte, was hinter dem Schleier ist! - Der Jüngling zu Sais nach dem Mysterium von Golgatha ist Parzival. Und er sollte nicht besonders vorbereitet werden, er soll mit jungfräulicher Seele zum Heiligen Gral hingeführt werden. Er versäumt das Wichtigste, da er das nicht tut, was dem Jüngling zu Sais verwehrt war, da er nicht fragt, nicht sucht nach der Enthüllung des Geheimnisses für seine Seele. So ändern sich die Zeiten im Laufe der Menschheitsentwickelung!“ (Lit.:GA 148, S. 165)

1459 wurde Manes der Initiator von Christian Rosenkreutz:

„Als ein «höherer Grad» wird innerhalb dieser ganzen Strömung die Initiation des Manes angesehen, der 1459 auch Christian Rosenkreutz initiierte: sie besteht in der wahren Erkenntnis von der Funktion des Bösen.“ (Lit.:GA 262, S. 24)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Plutarch: Über Jsis und Osiris - mit Übersetzung und Erläuterungen herausgegeben von Gustav Parthey (1850)