Geistesleben und Mathematik: Unterschied zwischen den Seiten

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Ein '''freies Geistesleben''', das auf die [[individuell]]en Fähigkeiten des [[Mensch]]en gegründet ist, soll sich heute nach [[Rudolf Steiner]]s Ideen zur [[Soziale Dreigliederung|sozialen Dreigliederung]] als ''selbstständiges'' Glied des [[Sozialer Organismus|sozialen Organismus]] neben dem [[Wirtschaftsleben|Wirtschafts-]] und [[Rechtsleben]] herausbilden.
Die '''Mathematik''' ([[Wikipedia:Altgriechische Sprache|griech.]] μαθηματική τέχνη ''mathēmatikē téchnē'': "die Kunst des Lernens, zum Lernen gehörig" oder μανθάνω ''manthánō'': "ich lerne") ist jene [[Wissenschaft]], die die Gesetzmäßigkeiten von [[Zahlen]] und [[Geometrie|geometrischen Figuren]] durch [[reines Denken]] mit innerer, sich selbst tragender Gewissheit zu ergründen sucht.


{{GZ|Das geistige Glied im dreigliedrigen sozialen Organismus
Nach [[Rudolf Steiner]] ist die Mathematik die erste Stufe der [[Hellsehen|übersinnlichen Anschauung]]. Aus diesem Grund hatten die [[Gnostiker]] auch ihre [[Mystik]] als [[Mathesis]] aufgefasst, weil die selbe [[Gedanke]]nklarheit wie in der Mathematik auch in der [[geist]]igen [[Erkenntnis]] herrschen sollte.
umfaßt Wissenschaft, Kunst, Religion, das gesamte Erziehungswesen
und die richterliche Rechtsprechung. Alle diese
geistig-kulturellen Faktoren können nur in vollkommener
Freiheit von staatlichen Eingriffen ihre Aufgabe erfüllen
und in rechter Weise das soziale Leben befruchten. Das
Geistesleben, die Kultur, muß aus dem freien Zusammenwirken
aller geistig-schöpferischen Einzelpersönlichkeiten
sich herausgestalten und sich selbst eigene Verwaltungskörper
geben.|24|473}}


== Freies Geistesleben ==
<div style="margin-left:20px">
{{GZ|In alles, was durch das Wirtschaftsleben und das Rechtsbewusstsein in der Organisation des sozialen Lebens hervorgebracht wird, wirkt hinein, was aus einer dritten Quelle stammt: aus den individuellen Fähigkeiten des einzelnen Menschen. Dieses Gebiet umfasst alles von den höchsten geistigen Leistungen bis zu dem, was in Menschenwerke einfließt durch die bessere oder weniger gute körperliche Eignung des Menschen für Leistungen, die dem sozialen Organismus dienen. Was aus dieser Quelle stammt, muss in den gesunden sozialen Organismus auf ganz andere Art einfließen, als dasjenige, was im Warenaustausch lebt, und was aus dem Staatsleben fließen kann. Es gibt keine andere Möglichkeit, diese Aufnahme in gesunder Art zu bewirken, als sie von der freien Empfänglichkeit der Menschen und von den Impulsen, die aus den individuellen Fähigkeiten selbst kommen, abhängig sein zu lassen. Werden die durch solche Fähigkeiten erstehenden Menschenleistungen vom Wirtschaftsleben oder von der Staatsorganisation künstlich beeinflusst, so wird ihnen die wahre Grundlage ihres eigenen Lebens zum größten Teile entzogen. Diese Grundlage kann nur in der Kraft bestehen, welche die Menschenleistungen aus sich selbst entwickeln müssen. Wird die Entgegennahme solcher Leistungen vom Wirtschaftsleben unmittelbar bedingt, oder vom Staate organisiert, so wird die freie Empfänglichkeit für sie gelähmt. Sie ist aber allein geeignet, sie in gesunder Form in den sozialen Organismus einfließen zu lassen. Für das Geistesleben, mit dem auch die Entwicklung der anderen individuellen Fähigkeiten im Menschenleben durch unübersehbar viele Fäden zusammenhängt, ergibt sich nur eine gesunde Entwicklungsmöglichkeit, wenn es in der Hervorbringung auf seine eigenen Impulse gestellt ist, und wenn es in verständnisvollem Zusammenhange mit den Menschen steht, die seine Leistungen empfangen.  
"Wer mit der richtigen Gesinnung an Mathematik sich
heranbegibt, der wird dazu kommen, gerade in dem
Verhalten des Menschen im Mathematisieren das Musterbild
zu sehen für alles dasjenige, was dann erreicht
werden soll für eine höhere, eine übersinnliche Anschauung.
Denn die Mathematik ist einfach die erste Stufe
übersinnlicher Anschauung. Dasjenige, was wir als mathematische
Strukturen des Raumes schauen, ist übersinnliche
Anschauung. Wir geben es nur nicht zu, weil
wir gewöhnt sind es hinzunehmen. Derjenige aber, der
die eigentliche Natur dieses Mathematisierens kennt, der
weiß, daß es zwar zunächst eine uns nicht sonderlich für
unsere ewige Menschennatur interessierende Wissenschaft
ist, was wir da mit der Raumesstruktur gegeben haben,
daß es aber durchaus den Charakter alles dessen vollständig
trägt, was man im anthroposophischen Sinne -
jetzt ohne nebulose Mystik, ohne verworrenen Okkultismus,
sondern einfach mit dem Ziele, in die übersinnlichen
Welten auf exakt-wissenschaftliche Weise hinaufzusteigen
-, was man im wahren Sinne des Wortes vom
Hellsehen verlangen kann.


Worauf hier als auf die gesunden Entwicklungsbedingungen des Geisteslebens gedeutet wird, das wird gegenwärtig nicht durchschaut, weil der rechte Blick dafür getrübt ist durch die Verschmelzung eines großen Teiles dieses Lebens mit dem politischen Staatsleben. Diese Verschmelzung hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte ergeben und man hat sich in sie hineingewöhnt. Man spricht ja wohl von «Freiheit der Wissenschaft und des Lehrens». Aber man betrachtet es als selbstverständlich, dass der politische Staat die «freie Wissenschaft» und das «freie Lehren» verwaltet. Man entwickelt keine Empfindung dafür, wie dieser Staat dadurch das Geistesleben von seinen staatlichen Bedürfnissen abhängig macht. Man denkt, der Staat schafft die Stellen, an denen gelehrt wird; dann können diejenigen, welche diese Stellen einnehmen, das Geistesleben «frei» entfalten. Man beachtet, indem man sich an eine solche Meinung gewöhnt, nicht, wie eng verbunden der Inhalt des geistigen Lebens ist mit dem innersten Wesen des Menschen, in dem er sich entfaltet. Wie diese Entfaltung nur dann eine freie sein kann, wenn sie durch keine andern Impulse in den sozialen Organismus hineingestellt ist als allein durch solche, die aus dem Geistesleben selbst kommen. Durch die Verschmelzung mit dem Staatsleben hat eben nicht nur die Verwaltung der Wissenschaft und des Teiles des Geisteslebens, der mit ihr zusammenhängt, in den letzten Jahrhunderten das Gepräge erhalten, sondern auch der Inhalt selbst. Gewiss, was in Mathematik oder Physik produziert wird, kann nicht unmittelbar vom Staate beeinflusst werden. Aber man denke an die Geschichte, an die andern Kulturwissenschaften. Sind sie nicht ein Spiegelbild dessen geworden, was sich aus dem Zusammenhang ihrer Träger mit dem Staatsleben ergeben hat, aus den Bedürfnissen dieses Lebens heraus? Gerade durch diesen ihnen aufgeprägten Charakter haben die gegenwärtigen wissenschaftlich orientierten, das Geistesleben beherrschenden Vorstellungen auf das Proletariat als Ideologie gewirkt. Dieses bemerkte, wie ein gewisser Charakter den Menschengedanken aufgeprägt wird durch die Bedürfnisse des Staatslebens, in welchem den Interessen der leitenden Klassen entsprochen wird. Ein Spiegelbild der materiellen Interessen und Interessenkämpfe sah der proletarisch Denkende. Das erzeugte in ihm die Empfindung, alles Geistesleben sei Ideologie, sei Spiegelung der ökonomischen Organisation.  
Was Hellsehen auf höherem Gebiete ist, studieren
kann es jeder Mensch am Mathematisieren." {{Lit|{{G|082|60f}}}}
</div>


Eine solche, das geistige Leben des Menschen verödende Anschauung hört auf, wenn die Empfindung entstehen kann: Im geistigen Gebiet waltet eine über das materielle Außenleben hinausgehende Wirklichkeit, die ihren Inhalt in sich selber trägt. Es ist unmöglich, dass eine solche Empfindung ersteht, wenn das Geistesleben nicht aus seinen eigenen Impulsen heraus sich innerhalb des sozialen Organismus frei entfaltet und verwaltet. Nur solche Träger des Geisteslebens, die innerhalb einer derartigen Entfaltung und Verwaltung stehen, haben die Kraft, diesem Leben das ihm gebührende Gewicht im sozialen Organismus zu verschaffen. Kunst, Wissenschaft, Weltanschauung und alles, was damit zusammenhängt, bedarf einer solchen selbständigen Stellung in der menschlichen Gesellschaft. Denn im geistigen Leben hängt alles zusammen. Die Freiheit des einen kann nicht ohne die Freiheit des andern gedeihen. Wenn auch Mathematik und Physik in ihrem Inhalt nicht von den Bedürfnissen des Staates unmittelbar zu beeinflussen sind: Was man von ihnen entwickelt, wie die Menschen über ihren Wert denken, welche Wirkung ihre Pflege auf das ganze übrige Geistesleben haben kann, und vieles andere wird durch diese Bedürfnisse bedingt, wenn der Staat Zweige des Geisteslebens verwaltet. Es ist ein anderes, wenn der die niederste Schulstufe versorgende Lehrer den Impulsen des Staatslebens folgt; ein anderes, wenn er diese Impulse erhält aus einem Geistesleben heraus, das auf sich selbst gestellt ist. Die Sozialdemokratie hat auch auf diesem Gebiete nur die Erbschaft aus den Denkgewohnheiten und Gepflogenheiten der leitenden Kreise übernommen. Sie betrachtet es als ihr Ideal, das geistige Leben in den auf das Wirtschaftsleben gebauten Gesellschaftskörper einzubeziehen. Sie könnte, wenn sie dieses von ihr gesetzte Ziel erreichte, damit den Weg nur fortsetzen, auf dem das Geistesleben seine Entwertung gefunden hat. Sie hat eine richtige Empfindung einseitig entwickelt mit ihrer Forderung: Religion müsse Privatsache sein. Denn im gesunden sozialen Organismus muss alles Geistesleben dem Staate und der Wirtschaft gegenüber in dem hier angedeuteten Sinn «Privatsache» sein. Aber die Sozialdemokratie geht bei der Überweisung der Religion auf das Privatgebiet nicht von der Meinung aus, dass einem geistigen Gute dadurch eine Stellung innerhalb des sozialen Organismus geschaffen werde, durch die es zu einer wünschenswerteren, höheren Entwicklung kommen werde als unter dem Einfluss des Staates. Sie ist der Meinung, dass der soziale Organismus durch seine Mittel nur pflegen dürfe, was ihm Lebensbedürfnis ist. Und ein solches sei das religiöse Geistesgut nicht. In dieser Art, einseitig aus dem öffentlichen Leben herausgestellt, kann ein Zweig des Geisteslebens nicht gedeihen, wenn das andere Geistesgut gefesselt ist. Das religiöse Leben der neueren Menschheit wird in Verbindung mit allem befreiten Geistesleben seine für diese Menschheit seelentragende Kraft entwickeln.
Die mathematische Begabung resultiert aus dem inneren [[Erleben]] der ''Knochenmechanik'', also des [[Gliedmaßen-System]]s bis in die [[Knochen]] hinein:


Nicht nur die Hervorbringung, sondern auch die Aufnahme dieses Geisteslebens durch die Menschheit muss auf dem freien Seelenbedürfnis beruhen. Lehrer, Künstler und so weiter, die in ihrer sozialen Stellung nur im unmittelbaren Zusammenhange sind mit einer Gesetzgebung und Verwaltung, die aus dem Geistesleben selbst sich ergeben und die nur von dessen Impulsen getragen sind, werden durch die Art ihres Wirkens die Empfänglichkeit für ihre Leistungen entwickeln können bei Menschen, welche durch den aus sich wirkenden politischen Staat davor behütet werden, nur dem Zwang zur Arbeit zu unterliegen, sondern denen das Recht auch die Muße gibt, welche das Verständnis für geistige Güter weckt. Den Menschen, die sich «Lebenspraktiker» dünken, mag bei solchen Gedanken der Glaube aufsteigen: Die Menschen werden ihre Mußezeit vertrinken, und man werde in den Analphabetismus zurückfallen, wenn der Staat für solche Muße sorgt, und wenn der Besuch der Schule in das freie Verständnis der Menschen gestellt ist. Möchten solche «Pessimisten» doch abwarten, was wird, wenn die Welt nicht mehr unter ihrem Einfluss steht. Dieser ist nur allzu oft von einem gewissen Gefühle bestimmt, das ihnen leise zuflüstert, wie sie ihre Muße verwenden, und was sie nötig hatten, um sich ein wenig «Bildung» anzueignen. Mit der zündenden Kraft, die ein wirklich auf sich selbst gestelltes Geistesleben im sozialen Organismus hat, können sie ja nicht rechnen, denn das gefesselte, das sie kennen, hat auf sie nie eine solch zündende Kraft ausüben können.  
<div style="margin-left:20px">
"Ein Geometer wird einer, weil er das Gehirn deutlich erlebt. Und Mathematiker
werden wir dadurch, daß wir unsere Gliedmaßen bis ins Knochensystem
erleben. Nicht aus dem Nervensystem kommt die mathematische Begabung, im
Hirn ist nur die Spiegelung." {{Lit|{{G|217a|229}}}}
</div>


Sowohl der politische Staat wie das Wirtschaftsleben werden den Zufluss aus dem Geistesleben, den sie brauchen, von dem sich selbst verwaltenden geistigen Organismus erhalten. Auch die praktische Bildung für das Wirtschaftsleben wird durch das freie Zusammenwirken desselben mit dem Geistesorganismus ihre volle Kraft erst entfalten können. Entsprechend vorgebildete Menschen werden die Erfahrungen, die sie im Wirtschaftsgebiet machen können, durch die Kraft, die ihnen aus dem befreiten Geistesgut kommt, beleben. Menschen mit einer aus dem Wirtschaftsleben gewonnenen Erfahrung werden den Übergang finden in die Geistesorganisation und in derselben befruchtend wirken auf dasjenige, was so befruchtet werden muss.
Darüber hinaus ist auch der [[Gleichgewichtssinn]] von großer Bedeutung für die mathematischen [[Fähigkeiten]]:


Auf dem Gebiete des politischen Staates werden sich die notwendigen gesunden Ansichten durch eine solche freie Wirkung des Geistesgutes bilden. Der handwerklich Arbeitende wird durch den Einfluss eines solchen Geistesgutes eine ihn befriedigende Empfindung von der Stellung seiner Arbeit im sozialen Organismus sich aneignen können. Er wird zu der Einsicht kommen, wie ohne die Leitung, welche die handwerkliche Arbeit zweckentsprechend organisiert, der soziale Organismus ihn nicht tragen kann. Er wird das Gefühl von der Zusammengehörigkeit seiner Arbeit mit den organisierenden Kräften, die aus der Entwicklung individueller menschlicher Fähigkeiten stammen, in sich aufnehmen können. Er wird auf dem Boden des politischen Staates die Rechte ausbilden, welche ihm den Anteil sichern an dem Ertrage der Waren, die er erzeugt; und er wird in freier Weise dem ihm zukommenden Geistesgut denjenigen Anteil gönnen, der dessen Entstehung ermöglicht. Auf dem Gebiet des Geisteslebens wird die Möglichkeit entstehen, dass dessen Hervorbringer von den Erträgnissen ihrer Leistungen auch leben. Was jemand für sich im Gebiete des Geisteslebens treibt, wird seine engste Privatsache bleiben; was jemand für den sozialen Organismus zu leisten vermag, wird mit der freien Entschädigung derer rechnen können, denen das Geistesgut Bedürfnis ist. Wer durch solche Entschädigung innerhalb der Geistesorganisation das nicht finden kann, was er braucht, wird übergehen müssen zum Gebiet des politischen Staates oder des Wirtschaftslebens. In das Wirtschaftsleben fließen ein die aus dem geistigen Leben stammenden technischen Ideen. Sie stammen aus dem geistigen Leben, auch wenn sie unmittelbar von Angehörigen des Staats- oder Wirtschaftsgebietes kommen. Daher kommen alle die organisatorischen Ideen und Kräfte, welche das wirtschaftliche und staatliche Leben befruchten. Die Entschädigung für diesen Zufluss in die beiden sozialen Gebiete wird entweder auch durch das freie Verständnis derer zustande kommen, die auf diesen Zufluss angewiesen sind, oder sie wird durch Rechte ihre Regelung finden, welche im Gebiete des politischen Staates ausgebildet werden. Was dieser politische Staat selber für seine Erhaltung fordert, das wird aufgebracht werden durch das Steuerrecht. Dieses wird durch eine Harmonisierung der Forderungen des Rechtsbewusstseins mit denen des Wirtschaftslebens sich ausbilden.  
<div style="margin-left:20px">
"Da zeigte sich mir nämlich, daß das mathematische Denken, das ganze mathematische
Vorstellen etwas viel Objektiveres ist, als man eigentlich gewöhnlich
denkt; daß das ganze mathematische Vorstellen eigentlich etwas ist, was wie eine
Art Automat wirkt, und zwar so: die Gründe für dieses mathematische Vorstellen
sind, daß das gesamte mathematische Vorstellen in der Konstitution der ganzen
Erde liegt. Die Erde ist nämlich nicht jenes undifferenzierte Wesen, als welches
die Menschen theoretisch sich die Erde vorstellen. Sie ist außerordentlich
fein gegliedert und wirkt von innen heraus auf die Wesen, die sie bewohnen.


Neben dem politischen und dem Wirtschaftsgebiet muss im gesunden sozialen Organismus das auf sich selbst gestellte Geistesgebiet wirken. Nach der Dreigliederung dieses Organismus weist die Richtung der Entwicklungskräfte der neueren Menschheit. Solange das gesellschaftliche Leben im wesentlichen durch die Instinktkräfte eines großen Teiles der Menschheit sich führen ließ, trat der Drang nach dieser entschiedenen Gliederung nicht auf. In einer gewissen Dumpfheit des sozialen Lebens wirkte zusammen, was im Grunde immer aus drei Quellen stammte. Die neuere Zeit fordert ein bewusstes Sichhineinstellen des Menschen in den Gesellschaftsorganismus. Dieses Bewusstsein kann dem Verhalten und dem ganzen Leben der Menschen nur dann eine gesunde Gestaltung geben, wenn es von drei Seiten her orientiert ist. Nach dieser Orientierung strebt in den unbewussten Tiefen des Seelischen die moderne Menschheit; und was sich als soziale Bewegung auslebt, ist nur der getrübte Abglanz dieses Strebens.|23|80ff}}
Nun hängt beim Menschen die mathematische Begabung vorzugsweise ab
von den drei Kanälen im Mittelohr, die mit dem Gleichgewicht etwas zu tun
haben, und es besteht für den Menschen eine Art Verbindung zwischen diesem
Organ im Ohr und zwischen dem gesamten das Rückenmark konstituierenden
Nervensystem. Wenn der Mensch nämlich mathematische Urteile fällt, so können
wir sehen, daß er viel mehr, als man gewöhnlich glaubt, Zuschauer ist. Die
mathematischen Urteile machen sich viel mehr selber, und der Mensch ist gerade
auf dem Gebiete der Mathematik mehr eine Art Automat. Daher gehört es
auch zu den Eigentümlichkeiten der Mathematik, daß man wirklich den Drang
hat, die ganze Mathematik zu einer Art Automat zu gestalten. Man zählt nur bis
zehn in unserem Zahlensystem, dann zählt man die Zehner und so weiter. Dadurch
wird das ganze Rechnen innerlich automatisiert. Es besteht wirklich eine
innere Gesetzmäßigkeit in den Zahlen, die in einer Art mathematischen Automatismus
an die Erde gebunden ist. Beim Menschen wirkt dieser Automatismus
nicht so stark, weil der Mensch herausgehoben ist aus diesem Automatismus
und die Urteilskraft doch eintritt und niederhält den ganzen mathematischen
Automatismus." {{Lit|Beiträge 114/115, S 66}}
</div>


{{GZ|Denn bedenken Sie nur
Mathematische Fähigkeiten, ja die Schlagfertigkeit des [[Denken]]s überhaupt, schult man daher am besten über die Geschicklichkeit der Gliedmaßen-Tätigkeit - ein Prinzip, das in der [[Waldorfpädagogik]] besondere Beachtung findet:
einmal etwas, was zusammenhängt mit unseren durch Monate hindurch
gepflogenen sozialen Betrachtungen. Die zielen darauf hin, den
Nachweis zu führen von der Notwendigkeit, das geistige Leben
neben dem Rechts- oder Staatsleben von dem bloß wirtschaftlichen
Leben abzusondern. Vor allen Dingen zielen sie darauf hin, Verhältnisse
über die Welt hin zu schaffen, oder wenigstens - mehr können
wir ja zunächst nicht tun - Verhältnisse über die Welt hin als die richtigen
zu betrachten, welche ein selbständiges Geistesleben begründen,
ein Geistesleben, das nicht abhängig ist von den anderen Strukturen
des sozialen Lebens, wie unser gegenwärtiges Geistesleben, das
ganz drinnensteckt im Wirtschaftsleben auf der einen Seite und im
politischen Staatsleben auf der anderen Seite. Entweder wird die heutige
zivilisierte Menschheit sich dazu bequemen müssen, ein solches
selbständiges Geistesleben hinzunehmen, oder die gegenwärtige Zivilisation
muß ihrem Untergang entgegengehen und aus den asiatischen
Kulturen muß sich etwas Zukünftiges für die Menschheit ergeben.|191|211f.}}


== Die Schule im freien Geistesleben ==
<div style="margin-left:20px">
{{GZ|Die obigen Darlegungen zeigen, daß alle pädagogische
"Aber man muß wissen, wie eng ein
Kunst auf eine Seelen-Erkenntnis gebaut sein muß, die an
ordentliches Denken nicht bloß mit dem Gehirn und
die Persönlichkeit des Lehrers eng gebunden ist. Diese Persönlichkeit
dem Kopf des Menschen zusammenhängt, sondern mit
muß sich in ihrem pädagogischen Schaffen frei
dem ganzen Menschen. Es hängt von der Art und Weise,
ausleben können. Das ist nur möglich, wenn die gesamte
wie jemand denken gelernt hat, ab, welche Geschicklichkeit
Verwaltung des Schulwesens autonom auf sich selbst gestellt
er in den Fingern hat. Denn der Mensch denkt ja in
ist. Wenn der ausübende Lehrer in bezug auf die
Wirklichkeit mit dem ganzen Leibe. Man glaubt nur
Verwaltung nur wieder mit ausübenden Lehrern zu tun hat.
heute, er denke mit dem Nervensystem, in Wahrheit
Ein nicht ausübender Pädagoge ist in der Schulverwaltung
denkt er mit dem ganzen Organismus. Und auch umgekehrt
ein Fremdkörper wie ein nicht künstlerisch Schaffender,
ist es: Wenn man in richtiger Weise dem Kinde
dem obliegen würde, künstlerisch Schaffenden die Richtung vorzuzeichnen. Das Wesen der pädagogischen Kunst
Schlagfertigkeit im Denken, sogar bis zu einem gewissen
fordert, daß die Lehrerschaft sich teilt zwischen Erziehen
Grade Geistesgegenwart auf natürliche Weise beibringen
und Unterrichten und der Verwaltung des Schulwesens.
kann, arbeitet man für die körperliche Geschicklichkeit,
Dadurch wird in der Verwaltung voll walten der Gesamtgeist,
und wenn man bis in die Körperlichkeit hinein diese
der sich aus der geistigen Haltung aller einzelnen zu
Denkgeschicklichkeit treibt, dann kommt einem auch
einer Unterrichts- und Erziehungsgemeinschaft vereinigten
die Geschicklichkeit der Kinder zu Hilfe. Es ist viel
Lehrer gestaltet. Und es wird in dieser Gemeinschaft nur
wichtiger, was wir jetzt in der Waldorfschule eingerichtet
das Geltung haben, was aus der Seelen-Erkenntnis sich
haben, daß die Kinder statt des gewöhnlichen
ergibt. (...) Ein Geistesleben,
Anschauungsunterrichts im Handfertigkeitsunterricht
das seine Direktiven von der politischen Verwaltung
übergehen zum Selbstformen, wodurch sie in die Empfindung
oder von den Mächten des Wirtschaftslebens erhält, kann
hineinbekommen die künstlerische Gestaltung
nicht eine Schule in seinem Schoße pflegen, deren Impulse
der Fläche. Das leitet dann wiederum hinüber zur mathematischen
von der Lehrerschaft selbst restlos ausgehen.|24|273f.}}
Auffassung der Fläche in späteren Jahrgängen.
Dieses Sich-Hineinleben in die Sachen nicht durch
bloßen Anschauungsunterricht für die Sinne, sondern
durch einen Zusammenlebe-Unterricht mit der ganzen
Umwelt, der für den ganzen Menschen erzielt wird, das
ist es, worauf hingearbeitet werden muß." {{Lit|{{G|077a|93}}}}
</div>


{{GZ|Sehen Sie sich die Universitäten an in früheren Zeiten:
== Literatur ==
sie waren freie Korporationen, und sie stellten sich ganz selbständig
#''Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe'', Heft 114/115, Dornach 1995
in die menschliche soziale Struktur hinein. Der Mensch des früheren
#Rudolf Steiner: ''Die Aufgabe der Anthroposophie gegenüber Wissenschaft und Leben'', [[GA 77a]] (1997), ISBN 3-7274-0771-9 {{Vorträge|077a}}
Zeitalters, wenn er ein bedeutender Jurist werden wollte, ging an
#Rudolf Steiner: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
eine bedeutende juristische Universität, also sagen wir nach Padua;
#Rudolf Steiner: ''Die Erkenntnis-Aufgabe der Jugend'', [[GA 217a]] (1981), ISBN 3-7274-2175-4 {{Vorträge|217a}}
wenn er ein bedeutender Mediziner werden wollte, nach Montpellier
#Ernst Schuberth: ''Der Anfangsunterricht in der Mathematik an Waldorfschulen. Aufbau, fachliche Grundlagen und menschenkundliche Gesichtspunkte'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7725-2563-6
oder nach Neapel; wenn er ein bedeutender Theologe werden wollte,
#Ernst Schuberth: ''Der Mathematikunterricht in der 6. Klasse an Waldorfschulen. Teil 1: Vom Rechnen zur Algebra'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1995, ISBN 978-3772502668
an die Universität in Paris. Das gehörte nicht irgendeinem Staate an,
#Ernst Schuberth: ''Der Mathematikunterricht in der 3.Klasse'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7725-2592-6
das gehörte der Menschheit an, denn das stellte sich als ein selbständiges
#Arnold Bernhard: ''Algebra: Für die siebte und achte Klasse an Waldorfschulen'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1996, ISBN 978-3772502521
Glied hinein in den sozialen Organismus.|188|165}}
#Bengt Ulin: ''Der Lösung auf der Spur. Ziele und Methoden des Mathematikunterrichts. Erfahrungen aus der Waldorfpädagogik'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1987, ISBN 978-3772502484
 
== Einordnung des privaten Rechtes und des Strafrechtes ins freie Geistesleben ==
{{GZ|Alles das gehört in dieses dritte Gebiet,
was sich bezieht nun nicht auf das öffentliche Recht, das in das zweite
Gebiet gehört, sondern was sich bezieht auf das private Recht und auf
das Strafrecht. Ich habe manchen gefunden, dem ich vortragen konnte
diese Dreigliederung des sozialen Organismus und er hat mancherlei
verstanden - das konnte er nun gar nicht verstehen, daß das öffentliche
Recht, das Recht, das sich auf die Sicherheit und Gleichheit aller Menschen
bezieht, abgetrennt werden muß von dem, was Recht ist gegenüber
einer Rechtsverletzung, oder gegenüber dem, was eben private
Verhältnisse der Menschen sind, daß das voneinander abgetrennt werden
muß, und daß Privatrecht und Strafrecht dem dritten, dem geistigen
Gliede des sozialen Organismus zugezählt werden muß.|328|39}}
 
{{GZ|Und ich habe schon aufmerksam daraufgemacht,
daß zu diesem geistigen Gliede des sozialen Organismus nun
auch gerechnet werden muß, was heute noch manchem nun auch paradox
erscheinen wird, die wirkliche Praxis des privaten und des strafrechtlichen
Urteilens. So sonderbar das klingt, auch da gibt es schon eine
Tendenz im modernen Leben, die nur nicht in der richtigen Weise beurteilt
wird. Was immer mehr und mehr von einer eben verfehlten Psychologie
in Anspruch genommen worden ist für die Rechtsprechung, das ist
es, was tendiert nach einem noch nicht erkannten, aber notwendigerweise
zu erkennenden Prinzip der Einverleibung des privat- und strafrechtlichen
Wirkens in das geistige Glied, das wiederum mit relativer
Selbständigkeit dasteht, auch mit relativer Selbständigkeit dasteht gegenüber
all dem Leben, das sich als das engere politische Leben entwickelt,
das sich als das Leben des öffentlichen Rechtes, der Gesetzgebung
entwickelt. Gewiß, es wird in Zukunft in einem gesunden sozialen
Organismus der Verbrecher zum Beispiel zu suchen sein von dem, was
sich im zweiten Gliede, im politischen Gliede ergibt. Wenn er aber gesucht
ist, dann wird er abgeurteilt von dem Richter, dem er in einem individuellen menschlichen Verhältnis gegenübersteht.
 
(...) [In Österreich] konnte man beobachten, was es ergeben
hätte, wenn über die reinen Sprachgrenzen hinüber freie Gerichtsbarkeit
dagewesen wäre; wenn sich trotz der Sprachgrenzen der in einem
deutschen Gebiete wohnende Böhme den benachbarten tschechischen
oder böhmischen Richter drüben, der böhmische Bewohner wiederum
seinen Richter in dem deutschen Gebiete hätte wählen können. Man hat
gesehen, wie segensreich dieses Prinzip gewirkt hat in dem leider Anfang
gebliebenen Bestreben der verschiedenen Schulvereine. Darinnen
liegt etwas, was, ich möchte sagen, wie ein schwerer Alpdruck heute
noch immer dem, der dieses österreichische Leben miterlebt hat, auf der
Seele ruht, daß dieses Ei des Kolumbus nicht gefunden worden ist: die freie Wahl des Richters und das lebendige Zusammenwirken des Klägers,
des Richters und des Angeklagten, statt des Richters aus dem zentralisierten
politischen Staate heraus, der nur maßgebend sein kann nicht
für die Rechtsprechung, sondern für das Aufsuchen und Abliefern des
Verbrechers oder dann für die Ausführung des Urteils.|328|92f.}}
 
== Zur Kritik an Steiners Forderung nach Verschiebung der Judikative und des Privatrechts in das freie Geistessleben ==
 
"Dem muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass eine unabhängige und freie Gerichtsbarkeit sowieso unverzichtbarer Teil der Gewaltenteilung ist. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Judikative schon allein deshalb bereits Geisteleben, oder wenigstens Rechtsleben im Geisteleben sei." ([[Joachim Stiller]])
 
== Siehe auch ==
*[[Kultur]]
*[[Lebenswelt]]
*[[Zivilgesellschaft]]
*[[Freies Geistesleben, Zivilgesellschaft und Lebenswelt]]
 
==Literatur==
 
*[[Nicanor Perlas|Perlas, Nicanor]]: ''Die Globalisierung gestalten. Zivilgesellschaft, Kulturkraft und Dreigliederung'', mit einem Vorwort von Ernst Ulrich von Weizsäcker, Info3-Verlag, 2000, ISBN 3924391262, [http://www.dreigliederung.de/nicanorperlas/ Inhaltsangabe und Rezension]
*[[Karl Heyer|Heyer, Karl]]: ''Freies Geistesleben (I)'', in: Beiträge zur Dreigliederung, Anthroposophie und Kunst, Nr. 40/41 (Sommer 1994), S. 7 - 13, [http://www.agraffenverlag.ch/wp-content/uploads/2015/03/Beitr%C3%A4ge-zur-Dreigliederung-Anthroposophie-und-Kunst-Heft-Nr.-40-41-%C2%A9-Lohengrin-Verlag.pdf PDF]
*[[Karl Heyer|Heyer, Karl]]: ''Freies Geistesleben (II)'', in: Beiträge zur Dreigliederung, Anthroposophie und Kunst, Nr. 42 (Winter 1994/95), S. 9 - 22, [http://www.agraffenverlag.ch/wp-content/uploads/2015/03/Beitr%C3%A4ge-zur-Dreigliederung-Anthroposophie-und-Kunst-Heft-Nr.-42-%C2%A9-Lohengrin-Verlag.pdf PDF]
*[[Christoph Strawe|Strawe, Christoph]]: ''Freiheit: Gestaltungsprinzip des geistig-kulturellen Lebens'', I. Teil: Zur Begriffsbestimmung des Geisteslebens (Rundbr. 3/03), II. Teil: Freiheit und Selbstverwaltung (Rundbr. 4/03), 2003 [http://www.sozialimpulse.de/fileadmin/sozialimpulse/pdf/Freiheit_Kulturleben.pdf Teil 1 PDF] [http://www.sozialimpulse.de/fileadmin/sozialimpulse/pdf/Freiheit_Selbstverwaltung.pdf Teil 2 PDF]
*Brunner, Thomas: ''Der Begriff "Zivilgesellschaft" und Rudolf Steiners Begriff "freies Geistesleben"'', 2001, [http://www.dreigliederung.de/essays/2001-06-002.html Text]
*Bracher, Andreas: ''Was hat die Dreigliederung Markt / Staat / "Bürgergesellschaft" mit der Dreigliederung im Sinne Steiners zu tun?'', 1999, [http://www.dreigliederung.de/essays/1999-12-001.html Text]
*Thomas Meyer: ''Dreigliederung und Civil Society. Ist die Civil Society die Verwirklichung des freien Geisteslebens? Überlegungen zu Thesen von Nicanor Perlas'', 1999, [http://www.dreigliederung.de/essays/1999-12-002.html Text]
*Harrie Salman, Christoph Strawe, Nicanor Perlas, Wilhelm Neurohr u.a.: ''Trisektorale Partnerschaft, Zivilgesellschaft und Dreigliederung'', Rundbrief Dreigliederung Nr. 1 / 2001, [http://www.sozialimpulse.de/fileadmin/sozialimpulse/pdf/Trisektorale_Partnerschaft_Zivilgesellschaft_und_Dreigliederung.pdf PDF]
*Kafi, Bijan: ''Anthroposophie und Zivilgesellschaft'', in: Die Drei, 5/2011, [http://www.steinerforschungstage.net/wp-content/uploads/2011/11/06-Kafi-Zivilgesellschaft.pdf PDF]
*[[Hjalmar Hegge]]: ''Freiheit, Individualität und Gesellschaft. Eine philosophische Studie zur menschlichen Existenz'', Reihe Logoi, Bd. 10, 1992, Verlag Freies Geistesleben, ISBN 3772511112 (überarbeitete Fassung der Habilitationsschrift "Frihet, individualitet og samfunn") {{IT|16|http://anthrowiki.at/Datei:Isbn3772511112.jpg|Inhaltsverzeichnis}}
*Roland Kipke: Warum eigentlich freies Geistesleben? Eine Frage an die Idee der sozialen Dreigliederung. In: Anthroposophie, Vierteljahresschrift zur anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Michaeli 2019, Nr. 289, S. 216 - 222
*Valentin Wember: Warum freies Geistesleben? In: Anthroposophie, Vierteljahresschrift zur anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Ostern 2020, Nr. 291, S. 24 - 33
*Michael Heinen(-Anders): Freies Geistesleben und Wissenschaftstheorie. In: Anthroposophie, Vierteljahresschrift zur anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Ostern 2020, Nr. 291, S. 70 - 76
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Kernpunkte der Sozialen Frage'', [[GA 23]] (1976), ISBN 3-7274-0230-X {{Schriften|023}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915 – 1921'', [[GA 24]] (1982), ISBN 3-7274-0240-7; '''Tb 667''' (Teilausgabe unter dem Titel 'Staatspolitik und Menschheitspolitik'), ISBN 978-3-7274-6670-0 {{Schriften|024}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der Goetheanismus, ein Umwandlungsimpuls und Auferstehungsgedanke. Menschenwissenschaft und Sozialwissenschaft'', [[GA 188]] (1982), ISBN 3-7274-1880-X {{Vorträge|188}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Soziales Verständnis aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis'', [[GA 191]] (1989), ISBN 3-7274-1910-5 {{Vorträge|191}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die soziale Frage'', [[GA 328]] (1977), ISBN 3-7274-3280-2 {{Vorträge|328}}


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== Weblinks ==
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*[http://www.nzz.ch/meinung/debatte/die-tyrannei-der-kreativitaet-1.18695374 Jeder Mensch ein Künstler? Die Tyrannei der Kreativität (nzz online 2016)]


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* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/mathematik.html Projekt Mathematik] Website
 
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Version vom 23. März 2018, 06:34 Uhr

Die Mathematik (griech. μαθηματική τέχνη mathēmatikē téchnē: "die Kunst des Lernens, zum Lernen gehörig" oder μανθάνω manthánō: "ich lerne") ist jene Wissenschaft, die die Gesetzmäßigkeiten von Zahlen und geometrischen Figuren durch reines Denken mit innerer, sich selbst tragender Gewissheit zu ergründen sucht.

Nach Rudolf Steiner ist die Mathematik die erste Stufe der übersinnlichen Anschauung. Aus diesem Grund hatten die Gnostiker auch ihre Mystik als Mathesis aufgefasst, weil die selbe Gedankenklarheit wie in der Mathematik auch in der geistigen Erkenntnis herrschen sollte.

"Wer mit der richtigen Gesinnung an Mathematik sich heranbegibt, der wird dazu kommen, gerade in dem Verhalten des Menschen im Mathematisieren das Musterbild zu sehen für alles dasjenige, was dann erreicht werden soll für eine höhere, eine übersinnliche Anschauung. Denn die Mathematik ist einfach die erste Stufe übersinnlicher Anschauung. Dasjenige, was wir als mathematische Strukturen des Raumes schauen, ist übersinnliche Anschauung. Wir geben es nur nicht zu, weil wir gewöhnt sind es hinzunehmen. Derjenige aber, der die eigentliche Natur dieses Mathematisierens kennt, der weiß, daß es zwar zunächst eine uns nicht sonderlich für unsere ewige Menschennatur interessierende Wissenschaft ist, was wir da mit der Raumesstruktur gegeben haben, daß es aber durchaus den Charakter alles dessen vollständig trägt, was man im anthroposophischen Sinne - jetzt ohne nebulose Mystik, ohne verworrenen Okkultismus, sondern einfach mit dem Ziele, in die übersinnlichen Welten auf exakt-wissenschaftliche Weise hinaufzusteigen -, was man im wahren Sinne des Wortes vom Hellsehen verlangen kann.

Was Hellsehen auf höherem Gebiete ist, studieren kann es jeder Mensch am Mathematisieren." (Lit.: GA 082, S. 60f)

Die mathematische Begabung resultiert aus dem inneren Erleben der Knochenmechanik, also des Gliedmaßen-Systems bis in die Knochen hinein:

"Ein Geometer wird einer, weil er das Gehirn deutlich erlebt. Und Mathematiker werden wir dadurch, daß wir unsere Gliedmaßen bis ins Knochensystem erleben. Nicht aus dem Nervensystem kommt die mathematische Begabung, im Hirn ist nur die Spiegelung." (Lit.: GA 217a, S. 229)

Darüber hinaus ist auch der Gleichgewichtssinn von großer Bedeutung für die mathematischen Fähigkeiten:

"Da zeigte sich mir nämlich, daß das mathematische Denken, das ganze mathematische Vorstellen etwas viel Objektiveres ist, als man eigentlich gewöhnlich denkt; daß das ganze mathematische Vorstellen eigentlich etwas ist, was wie eine Art Automat wirkt, und zwar so: die Gründe für dieses mathematische Vorstellen sind, daß das gesamte mathematische Vorstellen in der Konstitution der ganzen Erde liegt. Die Erde ist nämlich nicht jenes undifferenzierte Wesen, als welches die Menschen theoretisch sich die Erde vorstellen. Sie ist außerordentlich fein gegliedert und wirkt von innen heraus auf die Wesen, die sie bewohnen.

Nun hängt beim Menschen die mathematische Begabung vorzugsweise ab von den drei Kanälen im Mittelohr, die mit dem Gleichgewicht etwas zu tun haben, und es besteht für den Menschen eine Art Verbindung zwischen diesem Organ im Ohr und zwischen dem gesamten das Rückenmark konstituierenden Nervensystem. Wenn der Mensch nämlich mathematische Urteile fällt, so können wir sehen, daß er viel mehr, als man gewöhnlich glaubt, Zuschauer ist. Die mathematischen Urteile machen sich viel mehr selber, und der Mensch ist gerade auf dem Gebiete der Mathematik mehr eine Art Automat. Daher gehört es auch zu den Eigentümlichkeiten der Mathematik, daß man wirklich den Drang hat, die ganze Mathematik zu einer Art Automat zu gestalten. Man zählt nur bis zehn in unserem Zahlensystem, dann zählt man die Zehner und so weiter. Dadurch wird das ganze Rechnen innerlich automatisiert. Es besteht wirklich eine innere Gesetzmäßigkeit in den Zahlen, die in einer Art mathematischen Automatismus an die Erde gebunden ist. Beim Menschen wirkt dieser Automatismus nicht so stark, weil der Mensch herausgehoben ist aus diesem Automatismus und die Urteilskraft doch eintritt und niederhält den ganzen mathematischen Automatismus." (Lit.: Beiträge 114/115, S 66)

Mathematische Fähigkeiten, ja die Schlagfertigkeit des Denkens überhaupt, schult man daher am besten über die Geschicklichkeit der Gliedmaßen-Tätigkeit - ein Prinzip, das in der Waldorfpädagogik besondere Beachtung findet:

"Aber man muß wissen, wie eng ein ordentliches Denken nicht bloß mit dem Gehirn und dem Kopf des Menschen zusammenhängt, sondern mit dem ganzen Menschen. Es hängt von der Art und Weise, wie jemand denken gelernt hat, ab, welche Geschicklichkeit er in den Fingern hat. Denn der Mensch denkt ja in Wirklichkeit mit dem ganzen Leibe. Man glaubt nur heute, er denke mit dem Nervensystem, in Wahrheit denkt er mit dem ganzen Organismus. Und auch umgekehrt ist es: Wenn man in richtiger Weise dem Kinde Schlagfertigkeit im Denken, sogar bis zu einem gewissen Grade Geistesgegenwart auf natürliche Weise beibringen kann, arbeitet man für die körperliche Geschicklichkeit, und wenn man bis in die Körperlichkeit hinein diese Denkgeschicklichkeit treibt, dann kommt einem auch die Geschicklichkeit der Kinder zu Hilfe. Es ist viel wichtiger, was wir jetzt in der Waldorfschule eingerichtet haben, daß die Kinder statt des gewöhnlichen Anschauungsunterrichts im Handfertigkeitsunterricht übergehen zum Selbstformen, wodurch sie in die Empfindung hineinbekommen die künstlerische Gestaltung der Fläche. Das leitet dann wiederum hinüber zur mathematischen Auffassung der Fläche in späteren Jahrgängen. Dieses Sich-Hineinleben in die Sachen nicht durch bloßen Anschauungsunterricht für die Sinne, sondern durch einen Zusammenlebe-Unterricht mit der ganzen Umwelt, der für den ganzen Menschen erzielt wird, das ist es, worauf hingearbeitet werden muß." (Lit.: GA 077a, S. 93)

Literatur

  1. Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 114/115, Dornach 1995
  2. Rudolf Steiner: Die Aufgabe der Anthroposophie gegenüber Wissenschaft und Leben, GA 77a (1997), ISBN 3-7274-0771-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Damit der Mensch ganz Mensch werde, GA 82 (1994), ISBN 3-7274-0820-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Die Erkenntnis-Aufgabe der Jugend, GA 217a (1981), ISBN 3-7274-2175-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Ernst Schuberth: Der Anfangsunterricht in der Mathematik an Waldorfschulen. Aufbau, fachliche Grundlagen und menschenkundliche Gesichtspunkte, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7725-2563-6
  6. Ernst Schuberth: Der Mathematikunterricht in der 6. Klasse an Waldorfschulen. Teil 1: Vom Rechnen zur Algebra, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1995, ISBN 978-3772502668
  7. Ernst Schuberth: Der Mathematikunterricht in der 3.Klasse, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7725-2592-6
  8. Arnold Bernhard: Algebra: Für die siebte und achte Klasse an Waldorfschulen, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1996, ISBN 978-3772502521
  9. Bengt Ulin: Der Lösung auf der Spur. Ziele und Methoden des Mathematikunterrichts. Erfahrungen aus der Waldorfpädagogik, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1987, ISBN 978-3772502484
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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
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