Die Vermessung der Welt und Alessandro Volta: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Die Vermessung der Welt''' ist ein 2005 im Rowohlt Verlag auf Deutsch erschienener [[Roman]] von [[Daniel Kehlmann]]. [[Wikipedia:Sujet|Thema]] ist die fiktive Doppelbiografie des [[Mathematik]]ers und [[Wikipedia:Geodät|Geodät]]en [[Wikipedia:Carl Friedrich Gauß|Carl Friedrich Gauß]] (1777–1855) und des Naturforschers [[Alexander von Humboldt]] (1769–1859). Der Roman erreichte in Deutschland schon bald Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und stand für 37 Wochen auf dieser Position. Auch international war er ein großer Erfolg, die ''{{lang|en|New York Times}}'' führte ihn am 15.&nbsp;April 2007 an zweiter Stelle der weltweit meistverkauften Bücher des Jahres 2006. Bis Oktober 2012 wurden allein in Deutschland 2,3 Millionen Exemplare verkauft.<ref>[http://www.bild.de/unterhaltung/kino/kinostarts/die-vermessung-der-welt-26859516.bild.html Zwei Genies erforschen die Welt – in 3D!], bild.de.</ref> Die weltweite Auflage liegt bei etwa 6 Millionen.<ref> {{Webarchiv|text=DIE VERMESSUNG DER WELT |url=http://www.kulturexpress.de/wpo/index.php/kino/1056-die-vermessung-der-welt |wayback=20130722202351 |archiv-bot=2018-04-06 16:13:48 InternetArchiveBot }}, kulturexpress.de.</ref>
[[Datei:Alessandro Volta.jpeg|mini|Alessandro Volta]]
[[Datei:Electrophorus device.png|mini|Elektrophor (um 1840)]]
[[Datei:Pila di Volta 01.jpg|mini|Voltasche Säule]]


== Inhalt ==
'''Alessandro Giuseppe Antonio Anastasio Volta''', ab 1810 ''Graf von Volta'' (* [[Wikipedia:18. Februar|18. Februar]] [[Wikipedia:1745|1745]] in [[Wikipedia:Como|Como]]; † [[Wikipedia:5. März|5. März]] [[Wikipedia:1827|1827]] ebenda) war ein italienischer [[Physiker]] und einer der Begründer der [[Elektrizitätslehre]].
Der Roman beginnt 1828 mit einer Reise Gauß’, des „Fürsten der [[Mathematik]]“, von [[Göttingen]] nach [[Berlin]] zur historisch verbürgten 17. Tagung der [[Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte]],<ref> {{Webarchiv|text=''Wissenschaft zum Anfassen.'' |url=http://www.uni-leipzig.de/campus2009/jubilaeen/2004/weber.html |wayback=20081102081032 |archiv-bot=2018-04-06 16:13:48 InternetArchiveBot }}</ref> wohin ihn Humboldt eingeladen hat. Von dieser Reise an stehen die beiden Wissenschaftler in [[Korrespondenz]] miteinander und tauschen sich über ihre Projekte aus.


In diese Rahmenhandlung eingebunden sind die kapitelweise abwechselnd chronologisch erzählten Lebensläufe von Gauß und Humboldt.
== Leben und Werk ==


Carl Friedrich Gauß wächst unter großer Fürsorge seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen auf. Daher ist sein Frauenbild sehr von seiner Mutter geprägt. Durch seine guten Leistungen in der Schule bekommt Gauß ein Stipendium vom Herzog von Braunschweig. Da er mit weniger intelligenten Menschen kaum zurechtkommt, verbringt er seine Zeit meist allein. Aufgrund seiner Isolation widmet er sich der Mathematik. Seine ärmlichen Verhältnisse nötigen ihn dazu, den Beruf des Landvermessers auszuüben. Dabei lernt er seine zukünftige Frau Johanna kennen. Nebenbei vollendet er sein Lebenswerk, die [[Disquisitiones Arithmeticae]]. Außerdem leitet er eine Sternwarte, was ihn finanziell absichert. Völlig vertieft in seine Arbeit, verpasst er die Geburt seines ersten Sohnes. Als seine Frau Johanna bei der dritten Schwangerschaft stirbt, heiratet Gauß, um seinen Kindern eine Mutter zu geben, Minna, die beste Freundin Johannas.
Alessandro wurde 1745 als eines von neun Kindern von ''Filippo Volta'' und ''Maria Maddalena dei Conti Inzaghi'' in Como geboren. Der Vater sah für ihn eine Laufbahn als [[Jurist]] vor und schickte ihn zur Vorbereitung von 1758 bis 1760 auf eine [[Jesuiten]]schule. Alessandros wahres Interesse galt aber der [[Elektrizität]], mit der er sich im Selbststudium beschäftigte und mit führenden Gelehrten auf diesem Gebiet korrespondierte. Der Turiner Physik-Professor ''Beccaria'' riet ihm, sich auf die [[experiment]]elle Arbeit zu konzentrieren. 1769 veröffentlichte Alessandro Volta seine erste wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel ''De vi attractiva ignis electrici'' („Die Anziehungskraft des elektrischen Feuers“), in der er bereits Kritik an den herrschenden Autoritäten übte. 1778 wurde Volta als Professor für [[Physik]] an die [[Wikipedia:Universität Pavia|Universität Pavia]] berufen und hatte den Lehrstuhl für Experimentalphysik bis 1819 inne. 1791 wurde er zum Mitglied der [[Wikipedia:Royal Society|Royal Society]] in [[Wikipedia:London|London]] berufen.


Mittlerweile ist er mit der Vermessung des Königreichs Westfalen betraut, bei der ihm sein Sohn Eugen zur Seite steht. Während der Arbeit gerät er immer wieder mit Eugen in Konflikt, den er als völlig beschränkten Nichtsnutz ansieht.
=== Elektrophor ===


Bereits in jungen Jahren wird Alexander von Humboldt, der in einem reichen Umfeld ohne seinen Vater aufwächst, in vielen Fächern intensiv unterrichtet. Früh wird klar, dass sein großes Interesse der Forschung gilt, der er sich nach dem Tod seiner Mutter vollständig verschreibt. Er reist nach Frankreich und lernt dort [[Aimé Bonpland]] kennen, mit dem er eine Forschungsreise in die spanischen Kolonien und Lateinamerika unternimmt. Auf der Suche nach dem Verbindungskanal zwischen [[Orinoko]] und [[Amazonas]] entdecken sie eine Höhle in Neuandalusien, in der Humboldts Zweifel an der Theorie des [[Neptunismus]] bekräftigt wird.
1775 verbesserte Volta den seit etwa 1750 bekannten<ref>Einen ersten zufriedenstellend funktionierenden Elektrophor hatte 1762 der deutsch-schwedische Physiker [[Wikipedia:Johan Carl Wilcke|]] (1732-1796) entwickelt.</ref> '''Elektrophor''' zu einem Instrument, das bald weithin in Europa verwendet wurde. Im Prinzip handelte es sich dabei um einen [[Wikipedia:Kondensator (Elektrotechnik)|Kondensator]], mit dem man statische Elektrizät leicht erzeugen und transportieren konnte. Ein Elektophor besteht aus einer Metallplatte mit isoliertem Griff und einer geerdeten metallischen Grundplatte, die mit einem nicht leitenden „Kuchen“ aus [[Wikipedia:Harz (Material)|Harz]], [[Wikipedia:Siegelwachs|Siegelwachs]] und [[Wikipedia:Schellack|Schellack]] versehen war. Der Kuchen wird üblicherweise mit einem [[Katzen]]fell gerieben und wird dadurch elektrisch negativ aufgeladen. Hält man die Metallplatte mit dem isolierten Griff in kurzem Abstand über den Kuchen, wir durch [[Influenz]] eine Ladungstrennung bewirkt, durch die sich die Unterseite positiv, die Oberseite hingegen negativ auflädt. Berührt man nun die Oberseite mit der Hand, fließen die negativen Ladungen ab, die positiven bleiben zurück. Zwischen Kuchen und Metallplatte baut sich so eine elektrische Spannung auf, die mit der Distanz der beiden zunimmt. Dadurch lassen sich hohe Spannungen bis zu einigen Kilovolt erzeugen. [[Wikipedia:Georg Christoph Lichtenberg|Georg Christoph Lichtenberg]] (1742-1799) baute einen Elektrophor mit 2,5 m Durchmesser, der Funken mit bis zu 70 cm Länge erzeugen konnte.


Humboldt macht sich zeit seines Lebens immer wieder selbst zum Versuchsobjekt, um seine Theorien zu verifizieren. So zeigt er etwa durch die Einnahme von [[Curare]], dass dieses Gift nur dann tödlich ist, wenn es direkt in die Blutbahn gelangt. In [[Ecuador]] besteigen die zwei Forscher den höchsten Berg der damals bekannten Welt, den [[Chimborazo]]. Die schlechten Wetterbedingungen verhindern aber den letzten Aufstieg bis zum Gipfel. Vor der Öffentlichkeit wird dieser Misserfolg allerdings verheimlicht, und so gelten die beiden als Weltrekordhalter. Sie reisen nach Mittelamerika weiter. Dort besichtigen sie die Ruinen von [[Teotihuacán]] und Humboldt entdeckt, dass die Anlage der Stadt einen riesigen Kalender darstellt. Die letzte Station der beiden beschreibt das Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten [[Thomas Jefferson]].
=== Voltasche Säule ===


In den restlichen Kapiteln 11–16 knüpft die Handlung des Romans wieder an das erste Kapitel an. In Humboldts Anwesen tauschen Gauß und Humboldt ihre Lebenserfahrungen und Ansichten aus. Dabei erfährt Gauß, dass sein Selbstmordversuch durch das Gift Curare gescheitert wäre.
Angeregt durch [[Luigi Galvani]]s (1737-1798) berühmte Versuche von mit den zuckenden [[Wikipedia:Echte Frösche (Familie)|Froschschenkeln]] studierte Volta in den 1790er Jahren die [[Wikipedia:Spannungsreihe|Spannungsreihe]] verschiedener [[Metalle]] und konstruierte mit seiner nicht weniger berühmten [[Wikipedia:Voltasche Säule|Voltaschen Säule]] die erste funktionstüchtige [[Wikipedia:Batterie (Elektrotechnik)|elektrische Batterie]], die er 1800 in London an der [[Wikipedia:Royal Society|Royal Society]] der Öffentlichkeit präsentierte<ref name="Volta">{{Literatur |Autor=Alexander Volta |Hrsg=Royal Society |Titel=On the Electricity excited by the mere Contact of conducting Substances of different kinds. |TitelErg=In a Letter from Mr. Alexander Volta, F. R. S. Professor of Natural Philosophy in the University of Pavia, to the Rt. Hon. Sir Joseph Banks Bart. K. B. P. R. S. Read June 26, 1800 |Sammelwerk=Philosophical Transactions of the Royal Society of London |Band=90 |Nummer=Nr. 2 (Part II) |Verlag=W. Bulmer |Ort=London |Datum=1800 |ISSN=0261-0523 |Kapitel=XVII: Philosophical Transactions |Seiten=403–431 |Sprache=fr |Kommentar=angegebenes Briefdatum: 20. März 1800 |Online=[https://ia600307.us.archive.org/19/items/philtrans03035960/03035960.pdf ia600307.us.archive.org] |Format=PDF |KBytes=3679 |DOI=10.1098/rstl.1800.0018 |JSTOR=107060 |OCLC=7134330 |Abruf=2016-07-17 |Zitat=mon premier appareil a colonne […] les plateaux métalliques […] l’appareil d'un nombre tres-grand de plateaux, au-dela, par exemple, de 60, 80, 100 […]}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Alexander Volta |Hrsg=Royal Society of London |Titel=On the Electricity excited by the Mere Contact of Conducting Substances of Different Kinds |TitelErg=In a Letter from Mr. Alexander Volta, F.R.S. Professor of Natural Philosophy in the University of Pavia, to the Rt. Hon. Sir Joseph Banks Bart. K.B. P.R.S. Read June 26, 1800 |Sammelwerk=Abstracts of the Papers Printed in the Philosophical Transactions of the Royal Society of London |WerkErg=From 1800 to 1830 inclusive |Band=1 (1800 to 1814) |Verlag=Richard Taylor |Ort=London |Datum=1832 |Seiten=27–29 |Sprache=en |Originaltitel=ds |Originalsprache=fr |Originaljahr=1800 |Online=[http://www.biodiversitylibrary.org/item/60966#page/53/mode/1up biodiversitylibrary.org] |JSTOR=109515 |Abruf=2016-07-17 |Zitat=The object of the present paper is to describe this apparatus […] It consists of a long series of alternate succession of three conducting substances, either copper, tin and water; or, what is much preferable, silver, zinc, and a solution of any neutral or alkaline salt.}}</ref>. Sie bestand aus abwechselnd übereinander geschichteten [[Kupfer]]- und [[Wikipedia:Zink|Zink]]scheiben, die durch [[Wikipedia:elektrolyt|elektrolyt]]getränkte Papp- oder Lederscheiben voneinander getrennt waren. Alternativ verwendete Volta statt Kupfer auch [[Silber]] und statt Zink auch [[Zinn]]. Die elektrochemisch erzeugte [[Kontaktspannung]] ist durch die unterschiedliche [[Wikipedia:Austrittsarbeit|Austrittsarbeit]] der [[Wikipedia:Elektron|Elektron]]en in den verschiedenen [[Metalle]]n bedingt.
Eugen flüchtet aufgrund erneuter Beschimpfungen durch seinen Vater und wird während einer geheimen Studentenversammlung von der Polizei verhaftet.
Den Naturforscherkongress in Berlin verlässt Gauß, der derartige große Gesellschaften nicht gewohnt ist, vorzeitig und noch ehe er dem König vorgestellt werden kann. Anschließend kommt es zwischen ihm und Humboldt zu einem Disput über das wahre Wesen der Wissenschaft, bis man durch die Nachricht von der Verhaftung Eugens unterbrochen wird. Humboldt versucht, den Gendarmeriekommandanten Vogt zur Freilassung Eugens zu überreden, scheitert jedoch durch Gauß’ undiplomatisches Eingreifen. Eugen wird durch Humboldts Zutun später zwar wieder auf freien Fuß gesetzt, muss aber das Land verlassen und wandert nach Amerika aus.


Als die Wege der Forscher sich trennen, nimmt Humboldt die Einladung Russlands zu einer weiteren Forschungsreise an. Mit Gauß, der sich mittlerweile mit dem Magnetismus beschäftigt, steht er in engem Briefkontakt. Beide Männer erkennen, dass mit zunehmendem Alter ihre Lebenskräfte schwinden und sie von einer neuen Generation von Wissenschaftlern abgelöst werden.
{{GZ|Nun wurde, wie ich Ihnen auch nur zu wiederholen brauche, eigentlich
erst um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts
zu dieser Reibungselektrizität hinzugefunden, entdeckt dasjenige, was
man Berührungselektrizität nennt. Und damit wurde für die moderne
Physik ein Gebiet eröffnet, das sich gerade außerordentlich fruchtbar
erwiesen hat für die materialistische Ausgestaltung der Physik. Ich
brauche Sie auch da nur an das Prinzip zu erinnern. ''Galvani'' beobachtete
einen Froschschenkel, der in Verbindung war mit Metallplatten
und der in Zuckungen geriet, und hatte damit eigentlich, man möchte
sagen, etwas außerordentlich Bedeutsames gefunden, hatte zwei Dinge
zugleich gefunden, die nur voneinander abgetrennt werden mußten
und die heute noch nicht ganz sachgemäß voneinander abgetrennt
sind zum Unheil der naturwissenschaftlichen Betrachtungen. Galvani
hatte dasjenige gefunden, was wenig später ''Volta'' eben als die eigentliche
Berührungselektrizität bezeichnen konnte. Er hatte die Tatsache
gefunden, daß, wenn zwei verschiedene Metalle sich so berühren, daß
ihre Berührung vermittelt wird durch entsprechende Flüssigkeiten, so
entsteht eine Wechselwirkung, die in Form einer elektrischen Strömung
von dem einen Metall zu dem andern sich äußern kann. Damit
haben wir die elektrische Strömung, die verläuft rein auf dem Gebiete
des unorganischen Lebens scheinbar, wir haben aber, indem wir hinblicken
auf dasjenige, was Galvani eigentlich bloßlegte, auch noch das,
was man gewissermaßen als physiologische Elektrizität bezeichnen
kann, einen Kraftspannungszustand, der eigentlich immer besteht
zwischen Muskel und Nerv und der geweckt werden kann, wenn
elektrische Ströme durch Muskel und Nerv hindurchgeführt werden.
So daß in der Tat dasjenige, was Galvani damals gesehen hat, zweierlei
enthielt: Dasjenige, das man einfach auf unorganischem Gebiet
nachbilden kann, indem man Metalle durch Vermittlung von Flüssigkeiten
zur Ausbildung der elektrischen Ströme bringt, und dasjenige,
was in jedem Organismus ist, bei gewissen elektrischen Fischen und
anderen Tieren besonders hervortritt als Spannungszustand zwischen
Muskel und Nerv, der sich für den äußeren Anblick ähnlich ausnimmt
in seinem Ausgleich wie strömende Elektrizität und ihre Wirkungen.
Damit war aber alles dasjenige gefunden, was dann zu gewaltigen
wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritten auf materialistischem Gebiete
einerseits geführt hat, was auf der anderen Seite so gewaltige,
epochemachende Grundlagen für die Technik ergeben hat.|320|148f}}


== Erzählweise ==
== Literatur ==
Der Erzählrhythmus wird durch die schnelle Folge der mathematischen und geografischen Entdeckungen bestimmt. Eine [[Biografie]] rekonstruiert Daten, Taten, Aufenthalte – dieser Roman dagegen verzichtet darauf fast vollständig, erzählt aber dennoch sehr übersichtlich und zielstrebig: Sechzehn zwischen acht und vierzig Seiten lange Kapitel tragen treffende Titel (''Die Reise'', ''Das Meer'', usw.), die den Gestus der Transparenz wissenschaftlicher Abhandlungen imitieren.


Der [[lakonisch]]e Stil kurzer Sätze ist die Basis für an das Deutsch des 19.&nbsp;Jahrhunderts erinnernde Wendungen und die ausschließlich in [[Indirekte Rede|indirekter Rede]] geschriebenen Dialoge, die mehr als nur eine historische Distanz des Autors zu seinen Figuren signalisieren.
* [[Aloisius Galvani]]: ''Abhandlung über die Kräfte der Electricität bei der Muskelbewegung'' (Comm. Bonon. Sc. et Art. Inst. et Acad. T. 7; 1791), herausgegeben von A. J. von Oettingen, 2. Aufl., Repr. der Ausg. Leipzig, Engelmann, 1894 und 1900. Deutsch, Thun / Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-8171-3052-X (enthält auch: [[Alessandro Volta]]: ''Untersuchungen über den Galvanismus'' (1796–1800), früher als: ''Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften''; Bände 52 und 118) [https://archive.org/details/bub_gb_jh86AQAAIAAJ archive.org]
* Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, I'', [[GA 320]] (2000), ISBN 3-7274-3200-4 {{Vorträge|320}}


Im Mikrobereich der Abschnittswechsel sorgen z.&nbsp;B. [[Ellipse (Linguistik)|elliptische]] Überblendungen für Dynamik: {{"|Er [Humboldt] müsse Gauß unbedingt sagen, daß er jetzt besser verstehe.}} Und ohne dass Gauß über diesen Gedanken per Post informiert sein könnte, setzt dieser 1800&nbsp;Kilometer weiter westlich im direkt folgenden Absatz fort: {{"|Ich weiß, daß Sie verstehen.}}
{{GA}}


In dieser fiktiven Doppelbiografie haben die Lebensläufe der beiden Hauptfiguren keine weiteren Berührungspunkte außer den nur gelegentlichen Bezugnahmen des fast lebenslang daheim bleibenden Gauß auf Nachrichten von Humboldts Amerikareise lange vor ihrer Bekanntschaft und dem späteren Kontakt in der Rahmenhandlung. Ihre nur punktuellen Interaktionen lassen sie mehr zu Repräsentanten von Einstellungen als zu Trägern einer gemeinsamen Handlung werden. Das Gemeinsame ist ihre auf meist unterschiedlichen Gebieten sich entwickelnde frühe wissenschaftliche Kompetenz, die der Roman jedoch nur skizzenhaft andeutet.
== Einzelnachweise ==
 
Ebenfalls gemeinsam ist ihnen die Behandlung ihres Lebens durch den [[Typologisches Modell der Erzählsituationen#Auktoriale Erzählsituation|auktorialen Erzähler]], der von einem Standpunkt dicht neben seinen beiden Hauptfiguren spricht und dabei Gauß mehr von innen, Humboldt mehr von außen beschreibt. Der Erzähler kennt die Gefühle seiner Hauptfiguren zwar, was er aber von ihnen mitteilt, ist meist nur auf ihre wissenschaftlichen Projekte reduziert. Die Figuren bleiben daher ohne Tiefe: Humboldt und Gauß (der anfangs noch schwört, seine sibirische Prostituierte heiraten zu wollen) scheinen sich ausschließlich auf ein Leben für die [[Wissenschaft]] zu reduzieren. Gauß zum Beispiel springt schon in der Hochzeitsnacht eines mathematischen Einfalls wegen aus dem Bett und vergisst später den Geburtstermin seines ersten Sohnes; für den Kontinentdurchquerer Humboldt bleiben Frauen ein Leben lang ''{{lang|la|terra incognita}}''. In einem Dialog mit seinem Bruder wird die [[Alexander von Humboldt#Anfänge (1769–1790)|beim historischen Humboldt vermutete]] [[Homosexualität]] dargestellt als nicht ausgelebte gleichgeschlechtliche [[Pädophilie]].
 
Der Erzählton ist durchwegs ironisch. Die vielseitigen Einseitigkeiten der Hauptfiguren werden mit Humor vorgeführt und viele anekdotenhafte Ereignisse aus ihren Leben komisch überformt. Gauß erscheint schon auf den ersten Seiten wie ein großes Kind, und als Humboldt mit seinem Bruder Wilhelm (dessen Vorname im gesamten Buch nicht genannt wird) am Totenbett seiner Schwägerin sitzt, vergessen beide, {{"|geradezusitzen und klassische Dinge zu sagen.}} Der junge Eugen Gauß hat einige Schwierigkeiten, sich abends in dem für ihn unüberschaubaren Berlin zu orientieren: {{"|Immer neue Straßen, immer noch eine Kreuzung, und auch der Vorrat an umhergehenden Leuten schien unerschöpflich.}} Die dann folgende Verhaftungsszene der revolutionär-naiv-weinerlichen Studenten steigert noch einmal die durch den Erzählton vermittelte Distanz zu den Figuren.
 
Die Komik des Romans wird einerseits durch seine kontrastierenden Konfigurationen Gauß/Humboldt, Gauß/Eugen, Humboldt/Bonpland, andererseits hauptsächlich durch das weltfremde Auftreten der beiden Protagonisten erzeugt. Gauß wirkt vor allem durch seine geistige Arroganz, sein cholerisches Temperament und seine undiplomatische Direktheit rücksichtslos, ja inhuman. Humboldt dagegen erscheint durch seine kauzige Engstirnigkeit und allzu wissenschaftliche Nüchternheit in zwischenmenschlichen, alltäglichen Situationen unbeholfen – zum Beispiel, als er, nach der Aufforderung seiner südamerikanischen Expeditionskameraden, sie zu unterhalten, Goethes Gedicht ([[Wandrers Nachtlied]]) für sie ins Spanische übersetzt: {{"|Oberhalb aller Bergspitzen sei es still, in den Bäumen kein Wind zu fühlen, auch die Vögel seien ruhig und bald werde man tot sein. Alle sahen ihn an. Fertig, sagte Humboldt.}} Außerdem verwendet Kehlmann viele Übertreibungen und weitet manche Details bis ins Lächerliche aus. Auch der schnelle Wechsel von Scherz zu Ernst trägt zur situationsbedingten Komik bei, was man z.&nbsp;B. deutlich an der „Lehrer-Szene“ erkennt: Der kleine Gauß wird von seinem Lehrer dazu verdonnert, ein Buch über „Höhere Arithmetik“ zu studieren. Als Gauß dem Lehrer das Buch am nächsten Tag zurückgeben will, glaubt ihm dieser nicht, dass er das Buch gelesen hat, und wirft ihm vor, es sei für einen kleinen Jungen unmöglich, so ein schwieriges Buch innerhalb kürzester Zeit zu lesen und zu verstehen. Gauß jedoch bestätigt, er habe das Buch gelesen, worauf sein Lehrer plötzlich ganz „weich“ wird.
 
Unschwer zu erkennen sind auch die Parallelen zu [[Hermann Hesse]]s Roman [[Narziß und Goldmund]]: Auch dort wählen zwei Charaktere, die vieles gemeinsam haben, grundverschiedene Wege. In beiden Werken entscheidet sich der eine (Humboldt bzw. Goldmund) zu reisen, um die Welt kennenzulernen, während der andere (Gauß und Narziß) ausschließlich durch Denken Erfolg erzielen will. Besonders deutlich wird die Ähnlichkeit durch Humboldts letzte Reise nach Russland, wo er die Reise nicht „genießen“ kann und schließlich erkrankt. Die Kontrastierung eines vielreisenden Protagonisten mit einem, der sich nur in engen, heimischen Sphären bewegt, findet sich auch in [[Wilhelm Raabe]]s Roman [[Stopfkuchen]].
 
== Deutung ==
Die ironische Entzauberung deutscher Intelligenzgeschichte ist ''eine'' der immanenten Deutungsmöglichkeiten: Gauß scheitert grandios an seiner Menschenrolle, der ältere Bruder Humboldts wehrt sich haarspalterisch gegen die Vorstellung, die Erfolge der Humboldtbrüder seien lediglich auf ihre Rivalität zurückzuführen: {{"|Weil es Dich gab, mußte ich Lehrer eines Staates, weil ich existierte, hattest Du der Erforscher eines Weltteils zu werden, alles andere wäre nicht angemessen gewesen.}}
 
Eine weitere Bedeutung erschließt sich aus der Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen der Wissenschaft auf die sie tragende Gesellschaft. Gauß’ politisch reaktionäre Einstellung ist auch im Roman deutlich – er wird eine Verbesserung der Lage der Untertanen seines Herrn nicht einmal gewünscht haben. Anders der Franzosenfreund Humboldt, der im Roman Zweifel äußert, ob seine amerikanische Flussreise {{"|Wohlfahrt für den Kontinent gebracht}} habe, und damit anknüpft an [[Diogenes von Sinope]], der schon im 4.&nbsp;Jahrhundert vor Christus gefragt haben soll, ob alle Entdeckungen und Erfindungen etwas an der Mühsal der Mehrheit geändert hätten.
 
Einen dritten Aspekt offenbart das Kapitel, das die Russlandexpedition Humboldts von 1829 schildert. Der alte und schon etwas trottelige Forscher ist während der Reise von Lakaien umgeben, die im Auftrage des Zaren und des preußischen Königs verhindern, dass Humboldt mehr zu sehen bekommt, als er sehen soll. Der Forscher wird unfreiwillig zu einem ''{{lang|en|[[Wikipedia:Embedded Journalist|embedded scientist]]}}'' und die von ihm bereiste Welt zu seinem „[[Wikipedia:Potemkinsches Dorf|potemkinschen Dorf]]“. Was kann ein Wissenschaftler wirklich jenseits der Hauptstraßen der Macht erkennen? Hat Humboldt wirklich mehr von der Welt gesehen als Gauß? Humboldt selbst jedenfalls ist sich da am Ende nicht mehr so sicher, er habe {{"|auf einmal nicht mehr sagen können, wer von ihnen weit herumgekommen war und wer immer zu Hause geblieben.}} Die ''Vermessung'' der Welt darf daher auch als ihre ''Ver-Messung'' gelesen werden.
 
== Charakterisierung der Hauptfiguren ==
<small>Alle Seitenangaben beziehen sich auf die im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienene Ausgabe.</small>
=== Alexander von Humboldt ===
Der Roman umfasst einen großen Teil des Lebens von Alexander von Humboldt, der aus adligem Hause stammt und von Kindesbeinen an in den Studien der Naturwissenschaften unterrichtet wird. Sein Bruder Wilhelm fühlt sich ihm geistig stets überlegen. Daraus entwickelt sich Alexanders Ehrgeiz, seinen Bruder zu übertreffen: „Von nun an wurden seine Noten besser. Er arbeitete konzentriert und nahm die Gewohnheit an, beim Nachdenken die Fäuste zu ballen, als müsse er einen Feind besiegen.“ (S. 25) Ein weiteres einschneidendes Erlebnis in seinem Leben ist der Tod seiner Mutter, weshalb er seine Tätigkeit als Bergwerksassessor beendet und sich der Wissenschaft zuwendet.
 
Humboldts Patriotismus spiegelt sich in seiner Kleidung und in seinem Verhalten wider: „Er sei Preuße, er könne nicht für ein anderes Land Dienst tun.“ (S. 203). Seine Persönlichkeit zeichnet sich durch seine Humorlosigkeit, Geradlinigkeit und sein zielgerichtetes Verhalten aus.
Er handelt meist respektvoll und freundlich. Jedoch kann er gegenüber Personen, die seine Ansichten nicht teilen, auch sehr direkt und unangenehm werden.
 
Zusammen mit seinem Begleiter Aimé Bonpland scheut er keine noch so strapaziösen Mühen, die Natur in allen ihren Erscheinungsformen zu erforschen. Dadurch erhofft er sich den Ruhm und Anerkennung der Öffentlichkeit.
 
Während seiner Reisen deutet sich mehrmals seine Neigung zu gleichgeschlechtlicher Pädophilie an, besonders deutlich bei einer Kutschfahrt mit seinem Bruder: „Immer noch die Knaben? Das hast du gewusst? Immer.“ (S. 264).
 
Bei seiner letzten Expedition durch Russland werden ihm seine körperlichen und geistigen Grenzen klar und ihm wird bewusst, dass er sein Lebenswerk, die Welt vollständig zu vermessen, nicht vollenden kann. So antwortet Humboldt auf die Ankündigung, dass es nun Zeit sei, die Expedition abzubrechen und sich auf den Rückweg zu machen, mit den Worten: „Zurück wohin? Zunächst ans Ufer, sagte Rose, dann nach Moskau, dann nach Berlin. Also sei dies der Abschluß, sagte Humboldt, der Scheitelpunkt, die endgültige Wende? Weiter werde er nicht kommen? Nicht in diesem Leben, sagte Rose.“ (S. 288)
 
=== Carl Friedrich Gauß ===
Carl Friedrich Gauß, der aus der Arbeiterschicht Braunschweigs stammt, ist als Geodät, Astronom und Professor der Mathematik tätig. Seine Begabung bringt ihm Erfolg, beeinträchtigt jedoch seinen Charakter insofern, als er sich Menschen von geringerer mathematischer Intelligenz überlegen fühlt und so eine ausgeprägte Arroganz entwickelt.
 
Trotz seines respektlosen Verhaltens gegenüber Autoritäten macht er Bekanntschaft mit dem Adel und anderen Kapazitäten seiner Zeit. Dabei wird er aber vom gebrechlichen und senilen [[Immanuel Kant]] enttäuscht. Beim Zusammentreffen mit Alexander von Humboldt jedoch stellt er fest, dass sie sich zwar auf geistig gleichem Niveau befinden, aber völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Gauß’ Intention besteht darin, Wissen zu erlangen, sich aber nicht an dem dadurch entstehenden Ruhm zu bereichern. „Die Nächste halbe Stunde war eine Qual. […] [E]ine Hand nach der anderen fasste nach der seinen und gab sie an die nächste weiter, während Humboldt ihm mit Flüsterstimme eine sinnlose Reihe von Namen ins Ohr sagte. […] Er fühle sich nicht wohl, sagte Gauß, er müsse ins Bett.“ (S. 240 f.) Weltfremd zeigt er sich an den Belangen der Gesellschaft desinteressiert und verlässt seine gewohnte Umgebung nur ungern.
 
Zu seinem engen sozialen Umfeld gehört seine Mutter, zu der er eine sehr innige Beziehung pflegt: „Er würde sterben, stieße ihr etwas zu. So war es gewesen, als er drei Jahre alt war, und dreißig Jahre später war es nicht anders.“ (S. 53) Seine erste große Liebe ist Johanna. Nach deren Tod kann er keine neue Bindung mehr eingehen und heiratet Minna, die er im Grunde nicht ausstehen kann, nur aus Eigennutz, um für sich und seine Kinder zu sorgen. Die einzige Person, zu der er noch eine persönliche Verbindung eingeht, ist die Prostituierte Nina, bei der er sich geborgen fühlt. Die Beziehung zu seinem dritten Kind [[Eugen Gauß|Eugen]], das aus der Ehe mit Minna hervorgeht, ist bestimmt von Unverständnis, Strenge und abschätzigen Äußerungen gegenüber Eugens Intelligenz. „Eugen gab ihm das (Anm.: Buch), welches er gerade aufgeschlagen hatte: [[Friedrich Ludwig Jahn|Friedrich Jahns]] Deutsche Turnkunst. Es war eines seiner Lieblingsbücher. […] Der Kerl sei von Sinnen, sagte Gauß, öffnete das Fenster und warf das Buch hinaus.“ (S. 8 f.) Im Gegensatz zu Eugens liberaler politischer Haltung ist Gauß konservativ eingestellt, was sich unter anderem an seinen strikten Prinzipien und an seiner Loyalität gegenüber [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] erkennen lässt.
 
== Leitmotive ==
Alle Seitenangaben beziehen sich auf die im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienene Ausgabe.
 
=== Der Wandel der Wissenschaft ===
Die Kirche und die Bevölkerung sahen die Forschung in der früheren Zeit als Hexerei und Zauberei an. Die Arbeiten von Humboldt und Gauß haben die moderne Wissenschaft stark beeinflusst und entscheidend geprägt. Durch ihre Forschungen konnte das Bild der Wissenschaftler weg von dem Mythischen hin zu einem angesehenen Beruf in der Bevölkerung verändert werden.
 
Humboldt prägte das Prinzip des Forschens durch Sehen und Anfassen. Dies wird deutlich, als Humboldt plant, mit Bonpland eine Höhle zu erkunden (S. 72–75). Die Einheimischen bezeichnen diese Höhle als „Reich der Toten“ und glauben, dass sie etwas Mystisches in sich berge. Doch Humboldt lässt sich von solchen Theorien nicht abschrecken. Er geht ohne die abergläubischen Einwohner in die Höhle, um sich selbst ein Bild zu machen und um zu beweisen, dass ihm nichts Schlimmes widerfahren werde. Ein anderes Beispiel für den Drang, selbst sehen und erfahren zu müssen, ist die Widerlegung des [[Neptunismus]] (S. 29 f.). Diese Theorie wurde von früheren Wissenschaftlern aufgestellt, Humboldt will sich dieser jedoch nicht fügen, sondern stets selbst erfahren, messen und forschen. Ist es nun im Erdinneren kälter, wie es der Neptunismus beschreibt, oder wird es doch wärmer, wie Humboldt vermutet?
 
Gauß ist im Vergleich zu Humboldt das extreme Gegenteil: Er beruft sich auf seine Theorien und Berechnungen, um seine Forschungen zu untermauern.
In seinem Kopf spielen sich stets wissenschaftliche Prozesse und Überlegungen ab. Dies führt dazu, dass er sich sozial isoliert und nicht wahrnimmt, was sich um ihn herum abspielt. So kommt ihm z.&nbsp;B. in der Hochzeitsnacht ein wichtiger Gedanke (S. 150). Der Drang, diesen zu Papier zu bringen, führt so weit, dass er dafür sogar den Liebesakt unterbricht. Gauß bekommt auch nicht mit, dass Krieg in seiner Heimat ausgebrochen ist (S. 151). Dies bestätigt: Interesse und Aufmerksamkeit gelten bei ihm einzig der Wissenschaft.
 
Er ist der Meinung, dass das Forschen mehr auf Theorie basiere als auf Praxis. Er hält strikt an der Erkenntnistheorie von [[Immanuel Kant]] fest. Um zu überleben und finanzielle Unterstützung vom Staat zu erhalten, verschiebt sich sein Arbeitsschwerpunkt von der Mathematik zur Astronomie, da sich diese als lukrativer herausstellt (S. 143). So wird deutlich, dass Gauß, genauso wie heutige Wissenschaftler, auf Geldgeber und Unterstützung angewiesen ist und folglich in deren Interesse forscht.
 
Auch Humboldt ist auf die Hilfe der Wohlhabenden angewiesen und hält stets Kontakt zur Krone, damit diese hinter seiner Arbeit steht.<ref>Johannes Diekhans (Hrsg.): Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt. Unterrichtsmodell. Schöningh Schulbuchverlag, Paderborn 2007, S. 44–59.</ref>
 
=== Alter und Tod ===
Humboldt selbst beschreibt den Tod nicht „als das Verlöschen und die Sekunden des Übergangs“, sondern als „das lange Nachlassen davor, jene sich über Jahre dehnende Erschlaffung […], in der er [der Mensch], ist auch seine Größe lange dahin, noch vorgeben kann, es gäbe ihn.“ (S. 263) Vor diesem Hintergrund ist auch Humboldts spätere Karriere zu betrachten. Seine Indienexpedition ist gescheitert, seine Methoden sind veraltet, „als wäre man in einem Geschichtsbuch versetzt“ (S. 275), und während der Russlandreise habe er stets „bei der Eskorte zu bleiben“ (S. 284). Durch Humboldts wissenschaftlichen Niedergang wird sein Tod metaphorisch vorweggenommen, Humboldt betrachtet sein Lebenswerk als beendet: „Ihm fiel ein, daß Gauß von einer absoluten Länge gesprochen hatte, einer Gerade der nichts mehr hinzugefügt werden konnte […]. Für ein paar Sekunden, im Zwischenreich von Wachen und Schlaf, hatte er das Gefühl, daß diese Gerade etwas mit seinem Leben zu tun hatte.“ (S. 280) Die Gerade, als Analogie zu Humboldts Leben, deckt sich mit seiner resignierenden Lebensbilanz. Auf die Frage, in welche Richtung man fahren müsse, da man drohe, „nie zurück[zu]kehren“ (S. 289), möchte Humboldt „am Höhepunkt des Lebens“ „einfach verschwinden“ (ebd.) und zeigt bewusst in die falsche Richtung (vgl. S. 290).
 
Das Motiv des Todes und des Alterns begegnet an mehreren Stellen und ist für die Protagonisten stets von zentraler Bedeutung. Humboldt ist erst nach dem Tod seiner Mutter (vgl. S. 34 ff.) befreit, kann sich bereit für seine Reise machen und kontrastiert in dieser Hinsicht mit Gauß, der seine Mutter „unsagbar“ (S. 53) liebt. Auch dieser stellt an sich selbst schon früh die Zeichen des Alters fest, seine „Fähigkeit zur Konzentration nachließ“ (S. 155), und die Begegnung mit dem senilen Kant (vgl. S. 96 f.) lässt in Gauß den Wunsch nach einem Entgrenzungsversuch durch [[Suizid]] aufkommen. Letztlich erkennt auch er, dass der ihm einst unterlegene Martin Bartels ihn „überflügelt“ (S. 299) hat, und so gelangt Gauß, ähnlich wie Humboldt, zu einer resignierenden Lebensbilanz und sehnt seinen Tod herbei, denn „der Tod würde kommen, als eine Erkenntnis von Unwirklichkeit. Dann würde er begreifen […]“ (S. 282).
 
Am Sterbebett von Humboldts Schwägerin thematisieren die beiden Brüder ihre Ängste und Gefühle. Wilhelm spielt auf Alexanders latente homosexuelle Pädophilie an (vgl. S. 263 ff.). Dieses Gespräch markiert eine neue Intimität zwischen den beiden Brüdern und eine Abkehr von den Rivalitäten im Jugendalter hin zu einer innigen freundschaftlichen Beziehung, die auf der Anerkennung des Anderen beruht.
 
Nicht weniger wichtig erscheint auch der Tod Johannas (vgl. S. 164), der für Gauß nicht nur bedeutet, „sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er wieder heiraten mußte“ (ebd.), sondern seinen ohnehin schon stark ausgeprägten Hang zur Melancholie verschlimmerte.<ref>Wolfgang Pütz: Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ (= Oldenbourg Interpretationen).</ref>
 
== Die Frage der Authentizität ==
Um das Buch entzündeten sich schon bald nach Erscheinen Debatten um inhaltliche Unstimmigkeiten. Im Roman finden sich zahlreiche Abweichungen von der historischen Realität, die jedoch überwiegend von Kehlmann so beabsichtigt gewesen seien. Er habe sich dabei an der Tatsache orientiert, dass verschiedene deutsche Klassiker in biographischen Dramen sehr frei mit der historischen Wahrheit umgegangen seien (etwa [[Friedrich Schiller|Schiller]] in ''[[Die Jungfrau von Orleans (Schiller)|Die Jungfrau von Orléans]]'', [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] in ''[[Egmont (Goethe)|Egmont]]'' oder [[Heinrich von Kleist|Kleist]] in ''[[Prinz Friedrich von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin|Prinz Friedrich von Homburg]]''). Aus diesem Grund habe er beispielsweise in der ''Vermessung der Welt'' die [[Daguerreotypie]] in die Handlung eingebaut, obwohl diese zu jener Zeit (1828) noch nicht existierte. Obwohl Goethe damals bereits geadelt war, wird er im Roman noch mit seinem bürgerlichen Namen bezeichnet – in der damaligen Zeit ein Faux-pas. Die von Gauß entdeckte [[Gaußsche Osterformel|Osterformel]] zur Berechnung des Osterfestes wird im Roman fälschlicherweise schon in dessen Jugendzeit gelegt und unter falschem Namen veröffentlicht, ein Phänomen, das in der Literaturkritik als ''Brombacher-Effekt'' bekannt wurde, nach der fiktiven Begegnung Humboldts mit einem Deutschen im südamerikanischen Urwald. Dass solche Erfindungen nicht kenntlich gemacht sind, hat bereits dazu geführt, dass Kehlmanns Zitate teilweise als originäre Humboldt-Äußerungen missverstanden wurden.<ref>Gunther Nickel: Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“. Materialien, Dokumente, Interpretationen. Mit Beiträgen von Stephanie Catani, Ulrich Fröschle, Manfred Geier, Ijoma Mangold, Hubert Mania, Friedhelm Marx, Marius Meller, Uwe Wittstock, Klaus Zeyringer u.&nbsp;a. Reinbek bei Hamburg 2008.</ref><ref>[http://www.scienceblogs.de/mathlog/2008/06/materialien-dokumente-interpretationen-zu-die-vermessung-der-welt.php 'Die Vermessung der Welt'] Materialien, Dokumente, Interpretationen auf scienceblogs.de vom 23. Juni 2008.</ref> Selbst der Humboldt-Biograf Thomas Richter hat sich von den Kehlmann’schen Erfindungen in die Irre führen lassen. In seiner 2009 erschienenen Rororo-Monographie schreibt Richter: „Die historischen Ereignisse sind in diesem Roman exakt wiedergegeben“.<ref>Thomas Richter: Alexander von Humboldt. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2009, S. 126.</ref>
 
Sogar in einem seiner nicht-fiktiven Texte vermischt Kehlmann Fiktion und Realität, indem er eines seiner erfundenen Humboldt-Zitate als reales ausgibt. In der Einleitung zu [[Charles Darwin]]s Tagebuch ''Die Fahrt der Beagle'' schreibt Kehlmann: „Die zweitgrößte Beleidigung des Menschen sei die Sklaverei, hatte Humboldt ausgerufen, die größte aber die Behauptung, er stamme vom Affen ab.“<ref>Daniel Kehlmann: Die Finken und die Wilden. Einleitung. In: Charles Darwin: Die Fahrt der Beagle. Tagebuch mit Erforschungen der Naturgeschichte und Geologie der Länder, die auf der Fahrt von HMS Beagle unter dem Kommando von Kapitän Fitz Roy, RN, besucht wurden. Hamburg: marebuchverlag 2006, S. 15.</ref> Das tatsächliche Humboldt-Zitat lautet: „Ohne Zweifel ist die Sklaverei das größte aller Übel, welche die Menschheit gepeinigt haben.“<ref>Alexander von Humboldt: Essai politique sur l’île de Cuba (Politischer Versuch über die Insel Cuba), zit. nach der deutschen Übersetzung: Alexander von Humboldt: Cuba-Werk. Hg. von Hanno Beck. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgemeinschaft 1992, S. 156.</ref> Humboldt, der tatsächlich einmal mit Darwin zusammengetroffen war, aber vor der Publikation von Darwins ''[[Die Entstehung der Arten]]'' starb, konnte weder dessen [[Evolutionstheorie]] kennen (die Humboldt laut dem Publizisten [[Martin Rasper]] vermutlich eher positiv aufgenommen hätte) noch die erst in den 1860er-Jahren aufgekommene Diskussion um die Abstammung des Menschen vom Affen. Sein Engagement gegen die Sklaverei jedoch war Humboldt so wichtig, dass er, als in den USA eine Ausgabe seines Berichts über Kuba ohne das Kapitel über die Sklaverei erschienen war, sowohl in den USA als auch in Deutschland einen scharfen Protest veröffentlichte (er legte darauf, so schrieb er, „eine weit größere Wichtigkeit als auf die mühevollen Arbeiten astronomischer Ortsbestimmungen, magnetischer Intensitäts-Versuche oder statistischer Angaben“). Auch aus diesem Grund wirft Rasper Kehlmann „nicht nur eine Beleidigung Darwins und Humboldts, sondern auch des Lesers“ vor.<ref>Martin Rasper: ''«No Sports» hat Churchill nie gesagt. Das Buch der falschen Zitate.'' Ecowin, Salzburg/München 2017, S. 42–48</ref>
 
Die Widersprüche zwischen der tatsächlichen historischen Person und der Kehlmann’schen Romanfigur hat der Historiker Frank Holl untersucht. Er zieht das Fazit: „Alexander von Humboldt war kein klein gewachsener, roboterhaft in Uniform und mit Degen den Urwald untersuchender, pädophiler, überheblicher, humorloser, fast immer schlecht gelaunter, chauvinistischer Forscher. Er war auch nicht der positivistische Läusezähler, als den Kehlmann ihn hinstellt.“<ref>Frank Holl: „Die zweitgrößte Beleidigung des Menschen sei die Sklaverei …“ Daniel Kehlmanns neu erfundener Alexander von Humboldt. In HiN – Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien XIII, 25 (2012), S. 61, http://www.uni-potsdam.de/u/romanistik/humboldt/hin/hin25/holl.htm</ref> Holl bemängelt besonders, dass der politisch engagierte Humboldt, der sich ein Leben lang für die [[Menschenrechte]] einsetzte, im Roman keine Beachtung finde. Für ihn ist das Buch „nicht mehr als ein sinnfreier historischer Spaß“.<ref>Ebd. S. 61.</ref> Er kommt zu dem Schluss, „dass alle, die etwas für ihre Allgemeinbildung tun möchten, bei ''Die Vermessung der Welt'' an der falschen Adresse sind.“<ref>Ebd. S. 46.</ref>
 
== Rezeption ==
Zwar überwiegt die positive Kritik im Rahmen der deutschsprachigen Rezeption, doch werden auch vereinzelt kritische Töne laut: So schreibt etwa Hubert Winkels (Die Zeit, 3. September 2009): „Die literarische Intelligenz tut sich seit jeher schwer mit Mathematik und theoretischer Physik.“ Trotz dieser Problematik hat Daniel Kehlmann es geschafft, „eine Doppelbiografie in Romanform“ zu verfassen, die „unterhaltsam ist, klug und gut gemacht, aus der man zudem einiges lernt“. Dennoch relativiert Winkels, dass „es ihm an literarischem Mut, an Spiellaune, Erfindungsfreude und Gegenwartsbezug“ fehle.<ref>{{Literatur|Autor=Hubert Winkels|Titel=Daniel Kehlmann: Als die Geister müde wurden|Sammelwerk=Die Zeit|Nummer=42/2005|Online=[https://www.zeit.de/2005/42/L-Kehlmann online]}}</ref>
 
In der Kritik „Doppelleben, einmal anders“ äußert sich Martin Lüdke (Frankfurter Rundschau, 28. September 2005) überwiegend positiv. Kehlmann verfüge „so souverän über seinen Stoff“, dass ihm „genialische Züge kaum abzusprechen sind“. Der Roman „ist nicht nur ein schönes, packendes und spannendes“ Werk, sondern wird von Lüdke augenzwinkernd als „Alterswerk eines jungen Schriftstellers“ bezeichnet. Martin Lüdke lobt außerdem, dass es sich trotz des „eher trockenen Stoff[es]“ um einen spannenden Abenteuerroman handle. Dabei behält Daniel Kehlmann „stets den Blick für die Komik einer Situation“.<ref>http://www.fr-online.de/literatur/doppelleben--einmal-anders,1472266,3209018.html</ref>
 
Der Spiegel (39/2005) beurteilt die Geschichte der beiden Forscher Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt anerkennend als „völlig prunklos“ und „in legendenhafter Schlichtheit“ erzählt. Kehlmann nutze dazu ironische Stilmittel, verzichte „auf große historische Pointen – und setze kleine poetische“, was in der Kritik durchaus positiv aufgenommen werde. Ein Problem der Konzeption sei jedoch, dass er „in der Beiläufigkeit auch dort stecken [bleibt], wo es das Crescendo braucht“.<ref name="spiegel-41939366">{{Der Spiegel|ID=41939366 |Titel=LITERATUR: Giganten unter sich |Autor= |Jahr=2005 |Nr=39 |Datum=26.&nbsp;September 2005 |Seiten=}}</ref>
 
Auch die englischsprachige Presse widmet sich Kehlmanns Roman: Tom LeClaire (New York Times, 5. November 2006) lobt zwar die Grundintention von Kehlmanns Werk, kritisiert aber, dass dessen geschichtliche Ausarbeitung nur unpräzise ausgeführt werde: „The novel is like one of Humboldt’s maps or Gauss’s formulas, the work of a probable prodigy but not prodigious, large-minded but not as large as its materials required.“<ref>http://www.nytimes.com/2006/11/05/books/review/LeClair.t.html</ref>
 
In einer Rezension, die in der Fachzeitschrift der American Mathematical Society im Juli 2008 erschien, kritisierte der Mathematiker Frans Oort die zahlreichen historischen Fehler zu Humboldt und Gauss. Kehlmann reduziere „diese zwei höchst interessanten Figuren zu ziemlich oberflächlichen und einfach zu durchschauenden Charakteren“. Die Charaktere der Protagonisten seien „in einer grob beleidigenden Weise falsch dargestellt“ (''the character of the main protagonists is misrepresented in a most offensive manner'') und der Eindruck, den das Buch von Gauss’ Persönlichkeit vermittle, sei „höchst ungerecht und voreingenommen“ (''… the impression the book gives of Gauss’ personality is highly unjust and biased''). Auch hätten die historischen Personen im Buch wohl kaum in einer solch derben Sprache gesprochen, wie sie der Autor ihnen zum Teil in den Mund lege. Insgesamt sei das Bedenklichste an dem Buch, dass es den falschen Eindruck einer gut recherchierten historischen Erzählung hinterlasse und damit einem breiten Publikum ein falsches Bild der Persönlichkeiten von Gauss und Humboldt vermittle. Der Autor habe wohl einen Lieblingsausspruch von Gauss nicht zu Herzen genommen: ''pauca sed matura'' („Weniges, aber dafür Ausgereiftes“).<ref>Book Review: Measuring the World. Reviewed by Frans Oort. In: Notices of the AMS. Volume 55, Number 6 [http://www.ams.org/notices/200806/tx080600681p.pdf pdf]</ref>
 
== Hörbuch ==
Bereits im September 2005 erschien der Roman als Hörbuch auf 5 CDs (ca. 345 Minuten), gelesen von Ulrich Matthes.
 
== Hörspiel ==
Das Buch wurde 2007 vom Norddeutschen Rundfunk als Hörspiel (ca. 172 Minuten) produziert und ist auch im Handel auf 3 CDs erhältlich.
: Bearbeitung und Regie: Alexander Schuhmacher.
: Musik: Claudio Puntin.
: Darsteller: Michael Rotschopf ''(Humboldt)'', Udo Schenk ''(Gauß)'', Jens Wawrczeck ''(Bonpland)'', Patrick Güldenberg ''(Eugen)'' u.&nbsp;v.&nbsp;a.
 
== Schauspiel ==
Das Staatstheater Braunschweig hat am 26.&nbsp;September 2008 eine Bühnenversion dieses literarischen Werkes in einer Inszenierung von Dirk Engler uraufgeführt. Gauß wirkte selbst lange Jahre in Braunschweig, auch eine Schule in der Stadt wurde nach ihm benannt.
 
In Freiberg feierte das Theaterstück am 19. Oktober 2010 seine Premiere.<ref>[http://tu-freiberg.de/presse/aktuelles/aktuelles_detail.html?Datensatz=1084 Pressemitteilung der TU Bergakademie].</ref> Der Senatsaal der TU Bergakademie gab dabei die Kulisse für das Schauspiel des Mittelsächsischen Theaters. Humboldt selbst hatte sein Diplom und die Berguniform am Ort dieser Aufführung erhalten.
 
2014 wurde das Theaterstück im Stadttheater Fürth aufgeführt.<ref> {{Webarchiv|text=Stadttheater Fürth |url=http://www.stadttheater.fuerth.de/stf/home.nsf/contentview/75A840B26D99A35AC1257B60003EBB9F |wayback=20140407094319 |archiv-bot=2018-04-06 16:13:48 InternetArchiveBot }}.</ref>
 
Am 3. Oktober 2014 kam das Stück am Salzburger Landestheater zu seiner österreichischen Erstaufführung.
 
== Film ==
Die [[Wikipedia:Literaturverfilmung|Romanverfilmung]] ''[[Wikipedia:Die Vermessung der Welt (Film)|Die Vermessung der Welt]]'' unter der Regie von Detlev Buck mit Florian David Fitz und Albrecht Schuch in den Hauptrollen startete am 25. Oktober 2012 in den deutschen Kinos. Kehlmann selbst leiht dem Erzähler seine Stimme und hat ebenso wie Buck einen [[Wikipedia:Cameo-Auftritt|Cameo-Auftritt]].<ref>[http://www.dievermessungderwelt-derfilm.de/ Offizielle Website des Films „Die Vermessung der Welt“].</ref>
 
== Ausgaben ==
* {{Literatur
  |Autor=[[Daniel Kehlmann]]
  |Titel=Die Vermessung der Welt
  |Verlag=Rowohlt
  |Ort=Reinbek bei Hamburg
  |Datum=2005
  |ISBN=3-498-03528-2}} (Gebundene Ausgabe) (37 Wochen lang in den Jahren 2006 und 2007 auf dem [[Wikipedia:Liste der meistverkauften Belletristikbücher in Deutschland#2001 ff|Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste]])
* {{Literatur
  |Autor=[[Daniel Kehlmann]]
  |Titel=Die Vermessung der Welt
  |Verlag=Universal Music
  |Ort=Berlin
  |Datum=2005
  |ISBN=3-8291-1540-7}} (Hörbuch 5 CDs)
* {{Literatur
  |Autor=[[Daniel Kehlmann]]
  |Titel=Die Vermessung der Welt
  |Verlag=Universal Music
  |Ort=Berlin
  |Datum=2005
  |ISBN=3-8291-2270-5}} (Hörbuch 1 mp3-CD)
* {{Literatur
  |Autor=[[Daniel Kehlmann]]
  |Titel=Die Vermessung der Welt
  |Verlag=Rowohlt Taschenbuch Verlag
  |Ort=Reinbek bei Hamburg
  |Datum=2008
  |ISBN=978-3-499-24100-0}} (Taschenbuch)
* {{Literatur
  |Autor=[[Daniel Kehlmann]]
  |Titel=Die Vermessung der Welt
  |Verlag=Rowohlt Taschenbuch Verlag
  |Ort=Reinbek bei Hamburg
  |Datum=2009
  |ISBN=978-3-499-25303-4}} (Gebundene Sonderausgabe)
 
== Literatur ==
* {{Literatur
  |Autor=Wolfgang Pütz
  |Titel=Daniel Kehlmann – Die Vermessung der Welt
  |Verlag=Oldenbourg Interpretationen
  |Ort=München
  |Datum=2008
  |ISBN=978-3-486-00110-5}}
* {{Literatur
  |Autor=Wolfgang Pütz
  |Titel=„Die Vermessung der Welt“ – Ein „Geniestreich“ der Gegenwartsliteratur als Unterrichtsgegenstand
  |Sammelwerk=Deutschmagazin
  |Nummer=1
  |Verlag=Oldenbourg
  |Ort=München
  |Datum=2008
  |ISSN=1613-0693
  |Seiten=53–58}}
* {{Literatur
  |Hrsg=Gunther Nickel
  |Titel=Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“. Materialien, Dokumente, Interpretationen
  |Verlag=Rowohlt Taschenbuch Verlag
  |Ort=Reinbek
  |Datum=2008
  |ISBN=978-3-499-24725-5}}
* {{Literatur
  |Hrsg=Johannes Diekhans
  |Titel=Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt. Unterrichtsmodell
  |Verlag=Schöningh Schulbuchverlag
  |Ort=Paderborn
  |Datum=2007
  |ISBN=978-3-14-022392-8}}
* {{Literatur
  |Autor=Gerhard Kaiser
  |Titel=Zu Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“
  |Sammelwerk=Sinn und Form
  |Nummer=62
  |Verlag=Akademie der Künste
  |Ort=Berlin
  |Datum=2010
  |ISSN=0037-5756
  |Seiten=122-134}}
* Boris Hoge: ''„nicht bloß vermessen, sondern erfunden“: Die Relativierung ‚russischer Weite‘ in Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt".'' In: Ders.: ''Schreiben über Russland. Die Konstruktion von Raum, Geschichte und kultureller Identität in deutschen Erzähltexten seit 1989.'' Heidelberg: Winter 2012, S. 105–120.
* Boris Hoge-Benteler: ''Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt. Roman.'' In: Bönnighausen, Marion; Vogt, Jochen (Hrsg.): ''Literatur für die Schule. Ein Werklexikon zum Deutschunterricht.'' Paderborn: W. Fink 2014, S. 447–448.
* Wolf Dieter Hellberg: ''Lektüreschlüssel. Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt.'' Reclam, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-015435-9.
 
== Weblinks ==
* Interview mit Daniel Kehlmann über den Roman: [http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/bucherfolg-ich-wollte-schreiben-wie-ein-verrueckt-gewordener-historiker-1304944.html ''Ich wollte schreiben wie ein verrückt gewordener Historiker.''] ''FAZ.'' 9. Februar 2006, mit Foto
* [https://www.youtube.com/watch?v=lx4Ono5hslg Trailer zur Verfilmung des Romans (deutsch)] YouTube+


== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{SORTIERUNG:Vermessung Der Welt #Die}}
[[Kategorie:Physiker]]
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{{Wikipedia}}

Version vom 26. Juni 2018, 13:26 Uhr

Alessandro Volta
Elektrophor (um 1840)
Voltasche Säule

Alessandro Giuseppe Antonio Anastasio Volta, ab 1810 Graf von Volta (* 18. Februar 1745 in Como; † 5. März 1827 ebenda) war ein italienischer Physiker und einer der Begründer der Elektrizitätslehre.

Leben und Werk

Alessandro wurde 1745 als eines von neun Kindern von Filippo Volta und Maria Maddalena dei Conti Inzaghi in Como geboren. Der Vater sah für ihn eine Laufbahn als Jurist vor und schickte ihn zur Vorbereitung von 1758 bis 1760 auf eine Jesuitenschule. Alessandros wahres Interesse galt aber der Elektrizität, mit der er sich im Selbststudium beschäftigte und mit führenden Gelehrten auf diesem Gebiet korrespondierte. Der Turiner Physik-Professor Beccaria riet ihm, sich auf die experimentelle Arbeit zu konzentrieren. 1769 veröffentlichte Alessandro Volta seine erste wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel De vi attractiva ignis electrici („Die Anziehungskraft des elektrischen Feuers“), in der er bereits Kritik an den herrschenden Autoritäten übte. 1778 wurde Volta als Professor für Physik an die Universität Pavia berufen und hatte den Lehrstuhl für Experimentalphysik bis 1819 inne. 1791 wurde er zum Mitglied der Royal Society in London berufen.

Elektrophor

1775 verbesserte Volta den seit etwa 1750 bekannten[1] Elektrophor zu einem Instrument, das bald weithin in Europa verwendet wurde. Im Prinzip handelte es sich dabei um einen Kondensator, mit dem man statische Elektrizät leicht erzeugen und transportieren konnte. Ein Elektophor besteht aus einer Metallplatte mit isoliertem Griff und einer geerdeten metallischen Grundplatte, die mit einem nicht leitenden „Kuchen“ aus Harz, Siegelwachs und Schellack versehen war. Der Kuchen wird üblicherweise mit einem Katzenfell gerieben und wird dadurch elektrisch negativ aufgeladen. Hält man die Metallplatte mit dem isolierten Griff in kurzem Abstand über den Kuchen, wir durch Influenz eine Ladungstrennung bewirkt, durch die sich die Unterseite positiv, die Oberseite hingegen negativ auflädt. Berührt man nun die Oberseite mit der Hand, fließen die negativen Ladungen ab, die positiven bleiben zurück. Zwischen Kuchen und Metallplatte baut sich so eine elektrische Spannung auf, die mit der Distanz der beiden zunimmt. Dadurch lassen sich hohe Spannungen bis zu einigen Kilovolt erzeugen. Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) baute einen Elektrophor mit 2,5 m Durchmesser, der Funken mit bis zu 70 cm Länge erzeugen konnte.

Voltasche Säule

Angeregt durch Luigi Galvanis (1737-1798) berühmte Versuche von mit den zuckenden Froschschenkeln studierte Volta in den 1790er Jahren die Spannungsreihe verschiedener Metalle und konstruierte mit seiner nicht weniger berühmten Voltaschen Säule die erste funktionstüchtige elektrische Batterie, die er 1800 in London an der Royal Society der Öffentlichkeit präsentierte[2][3]. Sie bestand aus abwechselnd übereinander geschichteten Kupfer- und Zinkscheiben, die durch elektrolytgetränkte Papp- oder Lederscheiben voneinander getrennt waren. Alternativ verwendete Volta statt Kupfer auch Silber und statt Zink auch Zinn. Die elektrochemisch erzeugte Kontaktspannung ist durch die unterschiedliche Austrittsarbeit der Elektronen in den verschiedenen Metallen bedingt.

„Nun wurde, wie ich Ihnen auch nur zu wiederholen brauche, eigentlich erst um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zu dieser Reibungselektrizität hinzugefunden, entdeckt dasjenige, was man Berührungselektrizität nennt. Und damit wurde für die moderne Physik ein Gebiet eröffnet, das sich gerade außerordentlich fruchtbar erwiesen hat für die materialistische Ausgestaltung der Physik. Ich brauche Sie auch da nur an das Prinzip zu erinnern. Galvani beobachtete einen Froschschenkel, der in Verbindung war mit Metallplatten und der in Zuckungen geriet, und hatte damit eigentlich, man möchte sagen, etwas außerordentlich Bedeutsames gefunden, hatte zwei Dinge zugleich gefunden, die nur voneinander abgetrennt werden mußten und die heute noch nicht ganz sachgemäß voneinander abgetrennt sind zum Unheil der naturwissenschaftlichen Betrachtungen. Galvani hatte dasjenige gefunden, was wenig später Volta eben als die eigentliche Berührungselektrizität bezeichnen konnte. Er hatte die Tatsache gefunden, daß, wenn zwei verschiedene Metalle sich so berühren, daß ihre Berührung vermittelt wird durch entsprechende Flüssigkeiten, so entsteht eine Wechselwirkung, die in Form einer elektrischen Strömung von dem einen Metall zu dem andern sich äußern kann. Damit haben wir die elektrische Strömung, die verläuft rein auf dem Gebiete des unorganischen Lebens scheinbar, wir haben aber, indem wir hinblicken auf dasjenige, was Galvani eigentlich bloßlegte, auch noch das, was man gewissermaßen als physiologische Elektrizität bezeichnen kann, einen Kraftspannungszustand, der eigentlich immer besteht zwischen Muskel und Nerv und der geweckt werden kann, wenn elektrische Ströme durch Muskel und Nerv hindurchgeführt werden. So daß in der Tat dasjenige, was Galvani damals gesehen hat, zweierlei enthielt: Dasjenige, das man einfach auf unorganischem Gebiet nachbilden kann, indem man Metalle durch Vermittlung von Flüssigkeiten zur Ausbildung der elektrischen Ströme bringt, und dasjenige, was in jedem Organismus ist, bei gewissen elektrischen Fischen und anderen Tieren besonders hervortritt als Spannungszustand zwischen Muskel und Nerv, der sich für den äußeren Anblick ähnlich ausnimmt in seinem Ausgleich wie strömende Elektrizität und ihre Wirkungen. Damit war aber alles dasjenige gefunden, was dann zu gewaltigen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritten auf materialistischem Gebiete einerseits geführt hat, was auf der anderen Seite so gewaltige, epochemachende Grundlagen für die Technik ergeben hat.“ (Lit.:GA 320, S. 148f)

Literatur

  • Aloisius Galvani: Abhandlung über die Kräfte der Electricität bei der Muskelbewegung (Comm. Bonon. Sc. et Art. Inst. et Acad. T. 7; 1791), herausgegeben von A. J. von Oettingen, 2. Aufl., Repr. der Ausg. Leipzig, Engelmann, 1894 und 1900. Deutsch, Thun / Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-8171-3052-X (enthält auch: Alessandro Volta: Untersuchungen über den Galvanismus (1796–1800), früher als: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften; Bände 52 und 118) archive.org
  • Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, I, GA 320 (2000), ISBN 3-7274-3200-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Einen ersten zufriedenstellend funktionierenden Elektrophor hatte 1762 der deutsch-schwedische Physiker [[Wikipedia:Johan Carl Wilcke|]] (1732-1796) entwickelt.
  2.  Alexander Volta: On the Electricity excited by the mere Contact of conducting Substances of different kinds.. In a Letter from Mr. Alexander Volta, F. R. S. Professor of Natural Philosophy in the University of Pavia, to the Rt. Hon. Sir Joseph Banks Bart. K. B. P. R. S. Read June 26, 1800. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. 90, Nr. Nr. 2 (Part II), W. Bulmer, London 1800, ISSN 0261-0523, XVII: Philosophical Transactions, S. 403–431, doi:10.1098/rstl.1800.0018, OCLC 7134330 (angegebenes Briefdatum: 20. März 1800, ia600307.us.archive.org).
  3.  Alexander Volta: On the Electricity excited by the Mere Contact of Conducting Substances of Different Kinds. In a Letter from Mr. Alexander Volta, F.R.S. Professor of Natural Philosophy in the University of Pavia, to the Rt. Hon. Sir Joseph Banks Bart. K.B. P.R.S. Read June 26, 1800. In: Abstracts of the Papers Printed in the Philosophical Transactions of the Royal Society of London. From 1800 to 1830 inclusive. 1 (1800 to 1814), Richard Taylor, London 1832 (Originaltitel: ds, 1800), S. 27–29 (biodiversitylibrary.org).