imported>Joachim Stiller |
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| '''Tumbheit''' (auch {{mhd|tumpheit}} „Dumpfheit, [[Einfalt]]“), '''Zwifel''' (auch {{mhd|zwîvel}} „[[Zweifel]]“) und '''Saelde''' ({{mhd|}} „[[Seligkeit]]“) sind drei Stufen der [[Seele|seelischen]] Entwicklung, die auf dem [[Einweihungsweg]] zu erklimmen sind. Sie werden vor allem in den [[mittelalter]]lichen [[Dichtung]]en des 12., 13. und 14. Jahrhunderts in der Morgenröte des nahenden [[Bewusstseinsseelenzeitalter]]s etwa von [[Wikipedia:Hartmann von Aue|Hartmann von Aue]], [[Wikipedia:Gottfried von Straßburg|Gottfried von Straßburg]] und namentlich von [[Wolfram von Eschenbach]] in seinem «[[Parzival]]» beschrieben.
| | [[Kategorie:Tageszeiten]] |
| | | [[Kategorie:Tageskräfte|!]] |
| {{GZ|Das Fragen der Seele
| | [[Kategorie:Okkultismus]] |
| nach dem Höchsten, das sie finden konnte, wurde in den
| |
| späteren Zeiten draußen in der Welt genannt «Das Geheimnis
| |
| vom Heiligen Gral». Und die Gralsage, Parzivalsage, ist
| |
| nichts anderes als ein Ausdruck des Christus-Mysteriums.
| |
| Der Gral ist jene heilige Schale, in »der der Christus das
| |
| Abendmahl genommen hat, in der der Josef von Arimathia
| |
| aufgefangen hat das Blut des Christus, wie es geflossen ist
| |
| auf Golgatha. Von einer solchen Schale umschlossen ist
| |
| das Blut des Christus an einen heiligen Ort gebracht worden.
| |
| Solange die Menschen nicht fragen nach dem Unsichtbaren, geht es ihnen wie Parzival. Erst als er fragt, wird er
| |
| ein Eingeweihter des Christus-Mysteriums.
| |
| | |
| So sehen wir, wie ''Wolfram von Eschenbach'' in seine Darstellung
| |
| hineinverwebt die drei Stufen der Menschenseele,
| |
| die erst ausgeht von der äußeren sinnlichen Wahrnehmung,
| |
| wo sie, im Materiellen befangen, sich sagen läßt vom materiellen
| |
| Geist, was wahr ist. Das ist die Seele in ihrer «Tumbheit», wie Wolfram von Eschenbach sich ausdrückt. Dann
| |
| erkennt die Seele, wie die Außenwelt nur Illusionen gibt.
| |
| Wenn die Seele merkt, daß in dem, was die Naturwissenschaft
| |
| zu geben vermag, nicht Antworten zu finden sind,
| |
| sondern nur Fragen, so verfällt die Seele in das, was Wolfram
| |
| von Eschenbach nennt den «Zwifel». Dann aber steigt
| |
| sie auf zur «Saelde», zur Seligkeit, zum Leben in den geistigen
| |
| Welten. Das sind die drei Stufen der Seele.|57|433f}}
| |
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| {{GZ|Man unterschied bei der Einführung in die Mysterien drei Stufen,
| |
| durch die der Mensch hindurchgehen mußte. Die erste Stufe war die
| |
| Dumpfheit, die zweite Stufe war der «Zwifel», die dritte Stufe war die
| |
| «Saelde». Die erste Stufe war die, auf welcher der Mensch von allem
| |
| Vorurteil der Welt hinweggeführt wurde, hingewiesen wurde auf
| |
| die Kraft seiner eigenen Seele, seine eigene Liebeskraft, damit er das
| |
| innere Licht leuchten sehen konnte. Die zweite Stufe war der Zwifel,
| |
| Zweifel. Dieser Zweifel an allem kommt auf der zweiten Stufe der
| |
| Einweihung, und er wird auf einer höheren Stufe hinaufgehoben in
| |
| die innere Seligkeit = Saelde. Dies war die dritte Stufe, das bewußte
| |
| Zusammenführen mit den Göttern.
| |
| | |
| Perceval - dringe durch das Tal! -, so wurden im Mittelalter solche
| |
| Einzuweihende genannt.|97|266}}
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| {{GZ|Solche Entwickelungsimpulse ruhen tief in den bedeutsamen Kulturergebnissen
| |
| der Menschheit. Und es erweckt in uns gewiß ein tiefes
| |
| Gefühl, wenn in der Zeit, in der sich die europäische Menschheit nähert
| |
| diesem fünften nachatlantischen Kulturzeitraum, solche Dichtungen
| |
| heraufkommen, wie die des ''Wolfram von Eschenbach'', der «Parzival».
| |
| Wir haben die Dichtung als solche oftmals betrachtet, aber wir wollen
| |
| heute ein Auge haben, ein Seelenauge haben für etwas, was uns da als
| |
| ein grandioses Merkzeichen der Zeit entgegentritt. Sehen Sie sich die
| |
| merkwürdige Charakteristik an, die nun, nicht nur bei Wolfram, sondern
| |
| überhaupt bei den Menschen dieser Zeit, indem in ihnen die Dichterkraft
| |
| aufgeht, heraufkommt.
| |
| | |
| Da sieht man, ich möchte sagen, sich beunruhigt durch drei Entwickelungsstadien
| |
| der menschlichen Seele. Das erste, was man an dem
| |
| Menschen wahrnimmt, wenn er in die Welt hereintritt, wenn er sich
| |
| seinem Leben überläßt, wenn er in naiver Weise im Zusammenhang mit
| |
| der Welt lebt, das erste, was man wahrnimmt, ist die Einfältigkeit,
| |
| Dumpfheit.
| |
| | |
| Das zweite aber, das ist der Zweifel. Und gerade in dieser Zeit des
| |
| herannahenden fünften nachatlantischen Zeitraumes wird der Zweifel
| |
| lebendig geschildert. Ist Zweifel des Herzens Angebinde, so muß dem
| |
| Menschen das Leben sauer werden: das ist die Empfindung in jener
| |
| Zeit. Aber die Empfindung ist auch da: Der Mensch muß sich durchringen
| |
| durch den Zweifel zur Saelde, zur Seligkeit. - Und Seligkeit
| |
| nennt man dann dasjenige, wo der Mensch in die ungöttlich gewordenen
| |
| Gedanken, in die ganz irdisch gewordenen, toten Gedanken nun
| |
| wiederum das göttliche Leben hereinbringt. Als den Zustand des Zweifels
| |
| empfindet man dieses Untertauchen des Menschen mit seinen Gedanken
| |
| in den irdischen Bereich. Und die Saelde, die Seligkeit, empfindet
| |
| man wie ein Losreißen von dem Irdischen dadurch, daß man die
| |
| Gedanken wiederum lebendig macht.
| |
| | |
| [[Datei:GA222_120.gif|center|300px|Tafel 10 aus GA 222, S. 120]] | |
| | |
| Das ist gerade als ein Stimmungsgehalt der Dichtungen in diesem
| |
| 12., 13., 14. Jahrhundert vorhanden, wo man sich herauf ringt in den
| |
| fünften nachatlantischen Zeitraum. Ich möchte sagen, die erste Morgenröte
| |
| dieses fünften nachatlantischen Zeitraumes wurde lebendiger
| |
| von den Menschen empfunden als heute, wo die Menschen müde sind,
| |
| über diese Dinge nachzudenken, wo sie zu bequem geworden sind. Aber
| |
| sie werden wieder beginnen müssen, über diese Dinge tief nachzudenken,
| |
| und namentlich nachzufühlen. Sonst würde eben der Aufstieg der
| |
| Menschheit nicht möglich sein.|222|119f}}
| |
| | |
| {{GZ|Wenn nur solche Gedanken
| |
| ausgebildet werden, wie sie heute gang und gäbe sind, wenn
| |
| die Gedanken nicht durchdrungen werden von der Weisheit des
| |
| Spirituellen, dann können sich die Seelen, die sich heute nur in dem
| |
| Materiellen denkend beschäftigen, in den späteren Inkarnationen ihres
| |
| Gehirns nicht mehr ordentlich bedienen, weil die Kräfte das Gehirn
| |
| nicht mehr angreifen können, weil sie zu schwach werden. Das ist
| |
| so, daß eine Seele, die heute bloß, sagen wir, Soll und Haben zusammenaddiert
| |
| oder sich mit den Usancen des kommerziellen oder
| |
| industriellen Lebens beschäftigt oder nur materialistische WissenschaftsbegrifFe
| |
| aufnimmt, sich anfüllt mit Denkgebilden, die nach und
| |
| nach in späteren Inkarnationen das Bewußtsein verdunkeln, weil das
| |
| Gehirn wie eine unplastische Masse - gerade wie heute bei der Gehirnerweichung
| |
| - nicht mehr von den Denkkräften angegriffen werden
| |
| könnte. Daher muß für den, der in diese tieferen Kräfte der menschheitlichen
| |
| Entwickelung hineinschaut, alles, was in der Seele leben
| |
| kann, durchsetzt werden von der spirituellen Erfassung der Welt.
| |
| | |
| So mag denn die Menschennatur in der neueren Zeit noch eine
| |
| Doppelnatur sein. In die Kräfte, die vorzugsweise der Bewußtseinsseele
| |
| angehören, muß der Mensch Wissen aufnehmen, innerliches
| |
| spirituelles Wissen, spirituelle Erkenntnis. Überwinden muß der
| |
| Mensch die zwei Gebiete, die Parzival durchmacht: überwinden muß
| |
| er die «Dumpfheit» und den «Zweifel» in seiner Seele. Denn wenn
| |
| er mitnehmen würde Dumpfheit und Zweifel in die spätere Inkarnation,
| |
| so würde er mit ihnen nicht zurecht kommen. Wissend muß der
| |
| Mensch werden in bezug auf die spirituellen Welten. Nur dadurch,
| |
| daß sich in der Menschenseele das Leben ausbreitet, das Wolfram von
| |
| Eschenbach Saelde nennt und das kein anderes Leben ist als das,
| |
| welches spirituelles Wissen über die Bewußtseinsseele ergießt, nur
| |
| dadurch kann die menschliche Seelenentwickelung von dem fünften
| |
| Zeitraum an in den sechsten wirklich fruchtbar hinüberschreiten.
| |
| Das gehört zu den Ergebnissen der neueren Mysterien; das sind die
| |
| gewichtigen, bedeutsamen Ergebnisse, die aufgenommen werden
| |
| müssen aus den heutigen Mysterien, die eine Nachwirkung des Gralmysteriums
| |
| sind. Das ist aber auch so, daß es - ungleich allem älteren
| |
| Mysterienwissen - wirklich auch allgemein verstanden werden kann.
| |
| Denn nach und nach müssen eben überwunden werden die unbewußten
| |
| und toten Kräfte der Seele und des Organismus durch eine
| |
| starke Durchdringung der Bewußtseinsseele mit spirituellem Wissen,
| |
| das heißt mit verstandenem, begriffenem spirituellen Wissen, nicht
| |
| mit einem auf Autorität gebauten Wissen.|144|77ff}}
| |
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| {{GGZ|Eigentlich kann es eine tiefere moderne Seele gar nicht geben, die
| |
| nicht durch den nagenden Zweifel durchgeht. Kennengelernt sollte
| |
| die moderne Seele diesen nagenden Zweifel haben! Dann wird sie erst
| |
| mit starken Kräften einmünden in jenes spirituelle Wissen, das für die
| |
| Bewußtseinsseele das eigentlich ist, und das sich erst aus der Bewußtseinsseele
| |
| ergießen muß in die Verstandes- oder Gemütsseele, um dort
| |
| Herr zu werden. Daher müssen wir in vernünftiger Weise zu durchdringen
| |
| suchen, was unserer Bewußtseinsseele dargereicht wird aus
| |
| dem okkulten Wissen. Dadurch werden wir in unserem Innern ein
| |
| solches Selbst heranziehen, das innerhalb des Innern ein wirklicher
| |
| Herr und Herrscher ist. Dann stehen wir, wenn wir das moderne
| |
| Mysterienwesen kennenlernen, uns selbst gegenüber.|144|80}}
| |
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| == Der physiologische Hintergrund ==
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| Im Zug der [[Menschheitsentwicklung]] verändert sich auch der [[mensch]]liche [[Organismus]] im Lauf der Jahrhunderte in feiner, aber bedeutsamer Weise hinsichtlich seiner [[Anatomie]] und [[Physiologie]]. Und damit sind auch über den Umweg des zentralen [[Nervensystem]]s ebenso bedeutsame Rückwirkungen auf das [[Seelenleben]] verbunden. Eine wesentliche Veränderung geschah in der Zeit vom 12. bis 14. Jahrhundert kurz vor Anbruch des [[Bewusstseinsseelenzeitalter]]s, als die bis dahin dominierende [[Nieren]]tätigkeit allmählich durch die stärker werdende [[Leber]]- und [[Galle]]ntätigkeit zurückgedrängt wurde. Als noch die Nierentätigkeit überwog, war das [[Bewusstsein]] mit einer gewissen Dumpfheit belastet, die erst durch die stärkere Leber- und Gallentätigkeit überwunden wurde, die die physiologische Basis für die ''Saelde'', für die vollbewusste Vereinigung mit der [[Geistige Welt|göttlich-geistigen Welt]] bildet. Im Übergang tritt der [[Zweifel]] auf, der mit Turbulenzen im [[Herz-Lungen-System]] zusammenhängt.
| |
| | |
| {{GZ|Der Mensch ist eine ungemein
| |
| feine Organisation; aber diese ist nicht immer gleich. Wenn wir nur
| |
| ein paar Jahrhunderte zurückgehen - nicht wahr, für die Gesamtentwickelung
| |
| sind ein paar Jahrhunderte nicht viel —, da kommen wir
| |
| zum Beispiel in die Zeit, in welcher das jetzige Zeitalter, die eigentliche
| |
| Epoche der Bewußtseinsentwickelung begonnen hat. Wir kommen hinter
| |
| das 15., 14., 13. Jahrhundert zurück in der nachchristlichen Zeit.
| |
| Da ist es in der Tat so gewesen, daß gerade in der zivilisierten Welt -
| |
| so grotesk das heute auch für die Menschen erscheint -, ungefähr durch
| |
| die ganze Zeit vom 4. Jahrhundert bis ins 14. Jahrhundert, die Nierentätigkeit
| |
| das Wichtigste war; und seither ist es die Lebertätigkeit geworden
| |
| für die Gesamtmenschennatur.
| |
| | |
| Ich möchte sagen: die Anatomie und Physiologie des Menschen ändert
| |
| sich eben im Laufe der Jahrhunderte, und namentlich der Jahrtausende,
| |
| und man kann Geschichte nicht studieren, wenn man nicht
| |
| auf die feine Struktur des Menschen eingeht und weiß, wie solche Umwandlungen
| |
| der äußeren Zivilisationserscheinungen, wie die vom Mittelalter
| |
| in die neue Zeit, auch verknüpft sind mit einer Umwandlung
| |
| der ganzen Menschheitsorganisation.|218|82}}
| |
| | |
| {{GGZ|Und sehen Sie, es tritt so um die Wende des 12., 13., 14. Jahrhunderts
| |
| in Europa eine Anschauung auf, die ich von den verschiedensten
| |
| Seiten her schon charakterisiert habe, und die sich ausspricht in der
| |
| Gralssage, in der Parzival-Sage, in alldem, was solche Dichter gedichtet
| |
| haben wie Wolfram von Escbenbach, Hartmann von Aue,
| |
| Gottfried von Straßburg und so weiter. Da tauchen die Motive auf. In
| |
| der Parzival-Dlchtung, in der echten Parzival-Dichtung, da taucht
| |
| besonders ein Motiv auf, das besteht darin, daß man plötzlich einmal
| |
| darstellen will, wie der Mensch sich hinentwickeln soll zu demjenigen,
| |
| was man dazumal «saelde» nannte. Das ist das Gefühl eines gewissen
| |
| inneren Glücksempfindens, saelde, verwandt mit unserem Seligkeit,
| |
| aber nicht dasselbe, saelde ist Durchzogensein mit einem gewissen inneren
| |
| Glücksgefühl. Das taucht auf und beherrscht eigentlich die ganze
| |
| Zivilisation des 13. und 14. Jahrhunderts. Alle poetischen Motive, auch
| |
| alle prosaischen Motive, aber insbesondere das Parzival-Motiv, die
| |
| werden durchdrungen von dem, und es strebt alles dahin. Man strebt
| |
| nach dieser saelde, nach diesem innerlichen Glücksgefühl, das aber
| |
| nicht irreligiös, nicht etwa ein innerliches Glücksbehagen sein soll,
| |
| sondern ein Durchseeltsein mit den göttlichen Schöpferkräften.
| |
| | |
| Warum kommt das herauf? Das kommt herauf, weil dieser Übergang
| |
| stattfindet von Nierentätigkeit zur Lebertätigkeit. Sie können
| |
| das begreifen, wenn Sie zur Physiologie Ihre Zuflucht nehmen. Die
| |
| früheren Physiologen waren, in einer gewissen Beziehung natürlich,
| |
| bessere Physiologen als die materialistischen Physiologen der Gegenwart;
| |
| das waren nämlich die Schreiber des Alten Testamentes, wo man
| |
| zum Beispiel sagte, wenn man schlechte Traume gehabt hat - ich habe
| |
| darauf schon aufmerksam gemacht -: Der Herr hat mich durch meine
| |
| Nieren in dieser Nacht gestraft. - Dieses Wissen von gewissen Zusammenhängen
| |
| einer unnormalen Nierentätigkeit mit den schlechten Träumen,
| |
| das setzte sich dann fort, und davon war man zum Beispiel im
| |
| 8., 9., 10. Jahrhundert noch tief durchdrungen, daß man schwer wird
| |
| durch die Nierentätigkeit. Die Nierentätigkeit war allmählich den
| |
| Menschen zu etwas Schwerem geworden. Natürlich redet man im
| |
| Äußeren nur von etwas, was einem schwer geworden war. Man kam
| |
| nicht so recht hinaus. Man klebte an dem Irdischen. Und da empfand
| |
| man dieses Durchsetzen mit Galle von der physischen Seite her, das
| |
| aber verbunden war mit einer Durch-saeld-ung, als eine Erlösung,
| |
| eine innerliche Erlösung - ein innerliches, aber gotterfülltes Glücksgefühl,
| |
| ein Hinwegstreben von dem Dumpfen der Niere. Die Niere
| |
| entwickelt ja auch eine Denktätigkeit; die Niere entwickelt die dumpfe
| |
| Denktätigkeit im Menschen auf dem Umwege durch das Gangliensystem,
| |
| was dann durch Induktion verbunden ist mit dem Rückenmarkssystem
| |
| und mit dem Gehirnsystem, sie entwickelt namentlich
| |
| dasjenige Denken, das gerade auch im Mittelalter eine große Rolle gespielt
| |
| hat. Man nannte es dazumal «tumpheit». Und diese Entwickelung
| |
| von der tumpheit bis zur Erhellung, saelde, das war ja etwas,
| |
| was zum Parzival-Motiv wurde. Der Parzival entwickelt sich von der
| |
| tumpheit bis zur saelde.
| |
| | |
| Man darf das nicht bloß in der abstrakten Weise betrachten, sondern
| |
| man muß das auch anschauen mit etwas Gefühl und Empfindung. Anfangs ist der Parzival so, wie er hervorgeht aus seiner schwer
| |
| gewordenen Kultur. Man kriegt ihn nicht recht in Bewegung. Erst
| |
| später kommt die saelde in ihn, nachdem er durch den Zweifel hindurchgegangen
| |
| ist. Der Zweifel ist in ihm, das Durchrütteltwerden mit
| |
| dem Herz-Lungensystem. Nachdem er da hindurchgegangen ist, findet
| |
| er den Einzug in die saelde.
| |
| | |
| Und es gibt eine solche Möglichkeit, bis in die Glieder des menschlichen
| |
| Organismus hinein zu verfolgen, was an Stimmungen in der
| |
| großen Weltgeschichte vorgeht. Man kann sagen: Bei den tonangebenden
| |
| Menschen, bei denjenigen, die solch ein Parzival-Motiv ausgestaltet
| |
| haben, bei denen ist es so, daß sie die Pioniere, die ersten Vorläufer
| |
| waren dieser neuzeitlichen Menschheitsorganisation, die übergegangen
| |
| ist von der alten Nierentätigkeit zu der neueren Lebertätigkeit.
| |
| Man muß so etwas nicht verachten. Man muß nicht sagen: Das ist
| |
| das niedere Sinnliche. - Gott hat es auch nicht verachtet, die niedere
| |
| Materie zu schaffen, sondern er hat sie eben geschaffen. Ebenso obliegt
| |
| es der Erkenntnis, bis in die äußersten Ausläufer des Materiellen hinein
| |
| die göttliche Schöpfertätigkeit zu verfolgen, und nicht nur ein vornehmer
| |
| Historiker zu sein, der den Parzival schildert und der sagt:
| |
| Wenn man den Parzival schildert, darf man nicht zugleich etwas so
| |
| Niedriges wie die physiologische Tätigkeit des Menschen ins Auge
| |
| fassen.|218|83ff}}
| |
| | |
| {{GZ|Bei
| |
| den Menschen vor dem Mysterium von Golgatha war es so, daß sie wie
| |
| Kinder heranwuchsen: sie lernten gehen, sprechen, und sie lernten
| |
| selbstverständlich, solange die elementaren Kräfte im Sinne des alten
| |
| Hellsehens noch da waren, auch hellsehen. Sie lernten es wie etwas,
| |
| was sich ergab im Umgange mit der Menschheit, so wie es sich ergab
| |
| im Umgange mit der Menschheit, daß man durch die Organisation des
| |
| Kehlkopfes das Sprechen lernte. Man blieb aber nicht beim Sprechenlernen
| |
| stehen, sondern schritt vor zu dem elementaren Hellsehen. Dieses
| |
| elementare Hellsehen war gebunden an die gewöhnliche menschliche
| |
| Organisation so, wie die menschliche Organisation drinnenstand
| |
| in der physischen Welt; es mußte also notwendigerweise das
| |
| Hellsehen auch den Charakter der menschlichen Organisation annehmen.
| |
| Ein Mensch, der ein Wüstling war, konnte nicht eine reine Natur
| |
| in sein Hellsehen hineinschieben; ein reiner Mensch konnte seine reine
| |
| Natur auch in sein Hellsehen hineinschieben. Das ist ganz natürlich,
| |
| denn es war das Hellsehen an die unmittelbare menschliche Organisation
| |
| gebunden.
| |
| | |
| Eine notwendige Folge davon war, daß ein gewisses Geheimnis -
| |
| das Geheimnis des Zusammenhanges zwischen der geistigen Welt und
| |
| der physischen Erdenwelt -, das vor dem Herabstieg des Christus
| |
| Jesus bestand, nicht für diese gewöhnliche menschheitliche Organisation
| |
| enthüllt werden durfte. Es mußte die menschheitliche Organisation erst
| |
| umgestaltet, erst reif gemacht werden. Der Jüngling von Sais durfte
| |
| nicht ohne weiteres, von außen kommend, das Bild der Isis sehen.
| |
| Mit dem vierten nachatlantischen Zeiträume, in welchen das Mysterium
| |
| von Golgatha hineinfiel, war das alte Hellsehen verschwunden.
| |
| Eine neue Organisation der Menschenseele trat auf, eine Organisation
| |
| der Menschenseele, die überhaupt abgeschlossen bleiben muß von der
| |
| geistigen Welt, wenn sie nicht fragt, wenn sie nicht den Trieb hat, der
| |
| in der Frage liegt. Dieselben schädlichen Kräfte, die in alten Zeiten an
| |
| die Menschenseele herangetreten sind, können nicht an sie herantreten,
| |
| wenn man gerade nach dem Geheimnis fragt, das das Geheimnis des
| |
| Heiligen Grales ist. Denn in diesem Geheimnisse birgt sich das, was seit
| |
| dem Mysterium von Golgatha in die Aura der Erde jetzt ausgeflossen
| |
| ist. Was früher nicht in sie ausgeflossen war, was jetzt als das Geheimnis
| |
| des Grales in die Erdenaura ausgeflossen ist, bliebe einem doch
| |
| immer verschlossen, wenn man nicht fragt. Man muß fragen, was aber
| |
| nichts anderes heißt als: man muß den Trieb haben, dasjenige, was
| |
| ohnedies in der Seele lebt, wirklich zu entfalten.
| |
| | |
| Vor dem Mysterium von Golgatha war es nicht in der Seele, denn
| |
| der Christus war nicht in der Erdenaura. Vor dem Mysterium von
| |
| Golgatha würde jemand ohne weiteres, wenn er nur das Bild der Isis
| |
| im rechten Sinne geschaut und ihr Geheimnis ergründet hatte, durch
| |
| das, was in ihm noch an alten hellseherischen Kräften vorhanden war,
| |
| seine ganze Menschennatur da hineingelegt haben, und er würde es
| |
| dann so erkannt haben.
| |
| | |
| In der Zeit nach dem Mysterium von Golgatha wird eine Seele, die
| |
| zum Fragen kommt, im rechten Sinne zum Fragen kommen, und sie
| |
| wird auch im rechten Sinne das neue Isis-Mysterium empfinden können.
| |
| Daher ist es so, daß es heute ankommt auf das richtige Fragen,
| |
| das heißt auf das richtige Sich-Stellen zu dem, was als spirituelle Weltanschauung
| |
| verkündet werden kann. Kommt ein Mensch bloß aus der
| |
| Stimmung des Urteilens, dann kann er alle Bücher und alle Zyklen und
| |
| alles lesen - er erfährt gar nichts, denn ihm fehlt die Parzival-Stimmung.
| |
| Kommt jemand mit der Fragestimmung, dann wird er noch
| |
| etwas ganz anderes erfahren, als was bloß in den Worten liegt. Er wird
| |
| die Worte fruchtbar mit den Quellkräften in seiner eigenen Seele erleben.
| |
| Daß uns das, was uns spirituell verkündet ist, zu einem solchen
| |
| inneren Erleben werde, das ist es, worauf es ankommt.|148|169f}}
| |
| | |
| == Literatur ==
| |
| | |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Wo und wie findet man den Geist?'', [[GA 57]] (1984), ISBN 3-7274-0570-8 {{Vorträge|057}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Die Mysterien des Morgenlandes und des Christentums'', [[GA 144]] (1985), ISBN 3-7274-1440-5 {{Vorträge|144}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium'', [[GA 148]] (1992), ISBN 3-7274-1480-4 {{Vorträge|148}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Geistige Zusammenhänge in der Gestaltung des menschlichen Organismus'', [[GA 218]] (1992), ISBN 3-7274-2180-0 {{Vorträge|218}}
| |
| * [[Rudolf Steiner]]: ''Die Impulsierung des weltgeschichtlichen Geschehens durch geistige Mächte'', [[GA 222]] (1989), ISBN 3-7274-2220-3 {{Vorträge|222}}
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| {{GA}}
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| [[Kategorie:Christentum]] [[Kategorie:Mittelalter]] [[Kategorie:Schulungsweg]] [[Kategorie:Einweihung]] [[Kategorie:Parzival]]
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