imported>Joachim Stiller |
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| Das '''Spielzeug''', wie es in der [[Waldorfpädagogik]] empfohlen wird, soll die [[Sinne]] und die [[Seele]] des [[Kind]]es möglichst allseitig ansprechen und vor allem die [[Phantasie]] anregen und nicht versuchen, einseitig den [[Intellekt]] ausbilden zu wollen. Bloß auf kombinatorische [[Fähigkeit]]en zielende Spielsachen ertöten die Phantasie.
| | [[Kategorie:Philosoph nach Disziplin]] |
| | | [[Kategorie:Technikphilosophie|!101]] |
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| | [[Kategorie:Technikphilosoph|!]] |
| "Die Spielzeuge sollen womöglich der Phantasie freien
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| Spielraum lassen. Und da der Verstand, der Intellekt nicht Phantasie
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| ist, so ist eben das Zusammensetzen von allerlei Dingen nicht gerade
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| dasjenige, was der besonderen Artung der kindlichen Phantasie in diesem
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| Alter entgegenkommt." {{Lit|{{G|303|135}}}}
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| Viel mehr soll der Sinn für [[Schönheit]] geweckt werden; was diesbezüglich in den ersten 7 Lebensjahren versäumt wird, ist kaum mehr aufzuholen, da die sinnlichen und seelischen [[Erfahrung]]en in diesem Alter noch bildend bis in das [[Gehirn]] hinein wirken. Zu bevorzugen sind natürliche Materialien wie etwa Holz, Wolle, Filz und mit [[Pflanzenfarben]] gefärbte Tücher. Grelle [[Farben]] und starke Farbkontraste vergröbern das seelische [[Erleben]] ebenso wie primitive starre geometrische Formen. Alles sollte möglichst lebendig fließend und beweglich gestaltet sein. Bei der Auswahl des Spielzeugs sollte man auch die besondere Eigenart des Kindes, namentlich sein [[Temperament]], berücksichtigen.
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| == Das Spielzeug soll nicht primär den Intellekt ansprechen ==
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| "Dann mache ich darauf aufmerksam, daß man in der Regel gar
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| nicht die Individualität oder gar keine Individualität eines Kindes
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| trifft, wenn man durch die Spiele zu sehr auf das Kombinatorische
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| hinhorcht. Daher muß der Geisteswissenschafter von seinem
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| Standpunkte eigentlich alles dasjenige, was Kombinationsspiele
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| sind, Bausteine und dergleichen, das muß er als geringerwertig
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| ansehen, weil es zu stark an den kindlichen Intellekt heranwill;
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| dagegen wird alles dasjenige, was mehr Leben vor das Kind bringt
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| - entsprechend variiert nach der Individualität -, ein besonders
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| günstiges Spielzeug abgeben. Ich habe mich schon lange bemüht,
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| irgendwie eine Bewegung dafür hervorzubringen - aber es ist ja in
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| der Gegenwart so schwer, die Leute für solche Kleinigkeiten,
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| scheinbare Kleinigkeiten zu begeistern -, daß wieder mehr eingeführt
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| würden die beweglichen Bilderbücher für die Kinder. Es
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| waren da früher solche Bilderbücher, welche Bilder hatten und
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| man konnte unten an Fäden ziehen; da bewegten sich die Bilder, da
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| wurden ganze Geschichten aus den Bildern daraus. Das ist etwas,
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| was in ganz besonders günstiger Weise, wenn es verschieden variiert
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| wird, auf Kinder wirken kann. Dagegen alles, was ruhig bleibt
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| und was namentlich auf Kombination Anspruch macht wie die
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| Baustein-Geschichte, das ist etwas, was für das kindliche Spiel
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| eigentlich nicht geeignet ist, und es sind auch die Bausteine nur ein
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| Ausfluß unserer materialistischen Zeit." {{Lit|{{G|297|269}}}}
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| == Die allseitige Ausbildung der Sinne und des Schönheitssinns ==
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| "Auf den physischen Leib des Menschen einwirken, heißt, dem
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| Kinde äußere Eindrücke zu vermitteln. Durch die äußeren Eindrücke
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| wird der physische Leib herangebildet. Daher ist auch das, was bis
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| zum siebenten Jahre versäumt worden ist, später kaum noch nachzuholen.
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| Bis zum siebenten Jahre ist der physische Leib in einem solchen
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| Stadium begriffen, daß er durch äußere sinnliche Eindrücke
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| herangebildet werden sollte. Wenn das Auge des Kindes bis zum
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| siebenten Jahre nur Schönes sieht, bildet es sich so heran, daß es das
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| ganze Leben hindurch ein Empfinden für das Schöne behält. Später
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| kann der Schönheitssinn nicht mehr auf die gleiche Weise entwickelt
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| werden. Was Sie dem Kinde im ersten Jahrsiebent sagen oder was
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| Sie tun, ist viel weniger wichtig, als die Art, wie man seine Umgebung
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| gestaltet und was das Kind sieht und hört. Die inneren Wachstumskräfte
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| müssen bis dahin durch die äußeren Eindrücke herangefördert
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| werden. Der frei gestaltende Geist des Kindes formt aus
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| einem Stück Holz, das ein paar Punkte und Striche für Augen, Nase
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| und Mund hat, eine menschliche Figur. Wenn das Kind aber eine
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| möglichst schön geformte Puppe bekommt, so hat es etwas, woran
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| es gebunden ist; daher haftet dann die innere Geisteskraft an dem,
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| was schon da ist und wird nicht zur eigenen Tätigkeit herausgefordert
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| - sie ist gebunden -, und damit geht die gestaltende Phantasiekraft
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| für das spätere Leben überhaupt fast verloren.
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| So ist es weitgehend mit allen Eindrücken der Sinneswelt. Was Sie
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| selbst in der Umgebung des Kindes sind, was das Kind unmittelbar
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| sieht oder hört, darauf kommt es an. Es wird ein guter Mensch, wenn
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| es um sich gute Menschen sieht. Es ahmt die Dinge, die es um sich
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| herum wahrnimmt, nach. Gerade auf die Nachahmungskraft, auf die
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| Wirkung des Beispiels muß man den allergrößten Wert legen. Daher
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| wird das richtige sein: möglichst viel vormachen, damit das Kind
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| möglichst viel nachmachen kann. In diesem Sinne muß also auf die
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| Pflege des physischen Leibes in der Zeit vom ersten bis siebenten Jahre
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| der Hauptwert gelegt werden." {{Lit|{{G|096|62f}}}}
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| == Das Spielzeug soll die Phantasie anregen ==
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| "Dann mache ich noch darauf aufmerksam, daß man bei den
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| Spielen vorzugsweise darauf sehen muß, wie weit die kindliche
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| Phantasie wirkt. Sie können die schönsten Kräfte in einem Mensehen
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| dadurch ertöten, daß Sie ihm, dem werdenden Menschen, als
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| Knaben einen «schönen» Bajazzo oder als Mädchen eine sehr
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| «schöne» Puppe geben - sie ist ja doch immer scheußlich vom
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| künstlerischen Standpunkte, aber man strebt nach «schönen Puppen
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| ». Dem Kinde wird am besten gedient, wenn man womöglich
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| der Phantasie selber gerade solchen Spielzeugen gegenüber den
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| allergrößten Spielraum läßt. Das Kind fühlt sich im Grunde genommen
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| am glücklichsten, wenn es aus seinem Taschentuch, das
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| oben zusammengebunden wird und ein kleines Köpfchen hat, eine
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| Puppe machen kann oder einen Bajazzo. Das ist etwas, was man
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| pflegen soll. Es soll im Grunde genommen die Seelentätigkeit in
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| Regsamkeit versetzt werden können. Da wird man durchaus das
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| Richtige treffen, wenn man ein Auge hat für das Temperament,
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| wenn man also zum Beispiel einem besonders aufgeregten Kinde
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| wirklich möglichst komplizierte Spielzeuge in die Hand gibt und
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| einem langsamen Kinde möglichst einfache Spielzeuge in die Hand
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| gibt, und dann, wenn es zu Hantierungen kommt, auch wiederum
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| in dieser Weise vorgeht." {{Lit|{{G|297|269f}}}}
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| == Berücksichtigung des Temperaments ==
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| "Nun wird man, wenn man das Spiel sachgemäß leiten will, vor
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| allen Dingen ein Auge haben müssen für dasjenige, was man die
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| Temperamentsanlagen des Kindes nennt, und andere Dinge, die
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| mit den Temperamentsanlagen zusammenhängen. Da handelt es
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| sich dann darum, daß man gewöhnlich meint, man solle ein Kind,
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| das zum Beispiel einen phlegmatischen Charakter zeigt, durch etwas
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| besonders Lebendiges, das es aufrege, auf den richtigen Weg
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| bringen; oder ein Kind, das Anlage zeigt zu einem mehr in sich
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| geschlossenen Wesen, etwa zu einem melancholischen Temperament
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| - wenn das als solches auch noch nicht bei dem Kinde auftritt,
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| aber es kann in der Anlage da sein -, möchte man wiederum
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| durch etwas Erheiterndes auf den richtigen Weg bringen. Das ist
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| im Grunde genommen, namentlich insoferne es das Spiel betrifft,
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| nicht sehr richtig gedacht, sondern es handelt sich im Gegenteil
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| darum, daß man versuchen soll, den Grundcharakter des Kindes zu
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| studieren - sagen wir, ob es ein langsames oder ein schnelles Kind
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| ist -, und man soll dann auch versuchen, das Spiel dem anzupassen.
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| Man soll also versuchen, für ein Kind, das langsam ist, gewissermaßen
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| auch im Spiel ein langsames Tempo einzuhalten, für ein Kind,
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| das schnell ist, auch im Spiel ein schnelles Tempo einzuhalten und
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| nur einen allmählichen Übergang suchen. Man soll gerade das dem
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| Kinde entgegenbringen, was aus seinem Inneren fließt. Man macht
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| ja die schlimmsten Erziehungsfehler eben dadurch, daß man meint,
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| Gleiches sollte nicht gleich behandelt werden, sondern Entgegengesetztes
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| sollte durch Entgegengesetztes behandelt werden. Es ist
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| auf eines da hinzuweisen, was besonders immer verfehlt wird." {{Lit|{{G|297|267f}}}}
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| Durch die Farbgestaltung, wenn man sie gemäß des Temperaments wählt - und nicht im Gegensatz dazu, wie man fälschlich glauben könnte -, kann man sehr gut die Einseitigkeiten des Temperaments ausgleichen:
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| "Es gibt aufgeregte Kinder. Diese aufgeregten Kinder, die möchte
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| man selbstverständlich abregen, und man glaubt dann, wenn man
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| ihnen etwa Spielzeuge anschafft, die in dunkleren Farben gehalten
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| sind, also in den weniger aufregenden Farben, Blau und dergleichen,
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| oder wenn man ihnen Kleider anschafft in Blau, so würde
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| das gut sein für das Kind. Ich habe in meinem kleinen Büchelchen
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| «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft
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| » darauf hingewiesen, daß das nicht der Fall ist, daß man
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| gerade dem aufgeregten Kinde die Spielzeuge rötlich machen soll,
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| dem lässigen Kinde, dem nicht lebhaften Kinde die Spielzeuge blau
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| und violett machen soll. Durch alle diese Dinge wird man eben
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| herausfinden, was für das Kind gerade nach seiner besonderen
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| individuellen Anlage geeignet ist." {{Lit|{{G|297|268}}}}
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| == Literatur ==
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| #Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
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| #Rudolf Steiner: ''Idee und Praxis der Waldorfschule'', [[GA 297]] (1998), ISBN 3-7274-2970-4 {{Vorträge|297}}
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| #Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik.'', [[GA 303]] (1978), ISBN 3-7274-3031-1 {{Vorträge|303}}
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| # Joachim Stiller: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_kinderspiele_der_welt.pdf Die Kinderspiele der Welt] PDF
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| [[Kategorie:Erziehung]] [[Kategorie:Pädagogik]] [[Kategorie:Waldorfpädagogik]] | |