Spielzeug und Kind: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Spielzeug''', wie es in der [[Waldorfpädagogik]] empfohlen wird, soll die [[Sinne]] und die [[Seele]] des [[Kind]]es möglichst allseitig ansprechen und vor allem die [[Phantasie]] anregen und nicht versuchen, einseitig den [[Intellekt]] ausbilden zu wollen. Bloß auf kombinatorische [[Fähigkeit]]en zielende Spielsachen ertöten die Phantasie.  
Das '''Kind''' bildet bis zum [[Siebentes Lebensjahr|7. Lebensjahr]] vornehmlich seinen [[Physischer Leib|physischen Leib]] und namentlich die [[Sinne]] aus und [[Erziehung|erzieht]] sich in dieser Zeit durch [[Nachahmung]]. Mit dem [[Zahnwechsel]] um das 7. Lebensjahr tritt der [[Ätherleib]] als selbstständiges Wesensglied hervor, der danach verlangt, durch [[liebe]]volle [[Autorität]] gebildet und erzogen zu werden. Mit der [[Geschlechtsreife]] um das [[Vierzehntes Lebensjahr|14. Lebensjahr]] wird der eigenständige [[Astralleib]] geboren. Schon etwas früher, ab dem [[Zwölftes Lebensjahr|12. Lebensjahr]] beginnt die eigene [[Urteilsfähigkeit]] des Kindes zu erwachen, die die [[Jugend|Jugendlichen]] dann bis zum [[Einundzwanzigstes Lebensjahr|21. Lebensjahr]] voll ausbilden sollen, bis schließlich das eigenständige [[Ich]] geboren wird.
 
== Das 1. Lebensjahrsiebent (0 - 7 Jahre) ==
 
Die vier grundlegenden [[Wesensglieder]] des [[Mensch]]en sind in diesem Lebensalter noch gar nicht richtig geschieden voneinander.


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"Die Spielzeuge sollen womöglich der Phantasie freien
"Das Kind, indem es geboren wird, ist ja wirklich das größte Wunder,
Spielraum lassen. Und da der Verstand, der Intellekt nicht Phantasie
das es überhaupt innerhalb des Erdenlebens geben kann. Man muß es als
ist, so ist eben das Zusammensetzen von allerlei Dingen nicht gerade
solches größtes Wunder anerkennen, wenn man unbefangenes Verständnis
dasjenige, was der besonderen Artung der kindlichen Phantasie in diesem
dafür hat. Da tritt das Kind in die Welt mit noch unbestimmten
Alter entgegenkommt." {{Lit|{{G|303|135}}}}
Gesichtszügen, mit der fast noch nichtssagenden Physiognomie, mit den
ungeschickten, unorientierten Bewegungen, und wir sagen uns wohl,
indem wir das mit einiger Geringschätzung tun: der Mensch ist ja noch
nicht von dieser Welt; er paßt noch nicht hinein in diese Welt. Er greift
noch, wenn er irgend etwas ergreifen will, ungeschickt. Er kann sich mit
seinen Augen noch nicht orientieren, kann noch nicht in seinen Gliedern
dasjenige ausdrücken, was in seinem Willen liegt. Aber das ist ja das
Wunderbarste, was der Mensch erleben kann, wenn aus dem Zentrum
der menschlichen Natur nach und nach herauskommt aus den inneren
Kräften dasjenige, was der Physiognomie ihre göttergleichen Züge gibt,
was die Bewegungen sich der Welt gemäß orientieren läßt und so weiter.
Wenn man mit übersinnlichem Auge an das Kind herantritt, so kann
man dem Kinde gegenüber nicht sagen, das Kind besteht aus physischem
Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich, so wie man dem Wasser gegenüber
nicht sagen kann, so wie es ist, es bestehe aus Wasserstoff und Sauerstoff.
Es besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff, aber die beiden sind innig
miteinander verbunden. So sind im kindlichen Organismus bis zum
Zahnwechsel diese vier Glieder der menschlichen Wesenheit so innig
miteinander verbunden, daß man sie zunächst nicht unterscheiden kann.
Erst mit dem Zahnwechsel, dem siebenten Jahre ungefähr, wenn die
Kinder in die Primarschule hereinkommen, tritt deutlich aus der
menschlichen Organisation der Ätherleib auf, den der Mensch als die
Grundlage des Wachstums, der Ernährung und so weiter hat, und
zugleich als die Grundlage für die Phantasie, für die Gemütskräfte, für
die Liebekräfte. Es ist so beim Kinde, daß wenn man es im siebenten
Jahr, mit dem Zahnwechsel, beobachtet, so ist es für den übersinnlichen
Blick, als ob herausträte, ich möchte sagen, eine übersinnlich ätherische
Wolke, welche dieselben Kräfte enthält, die bis zum Zahnwechsel noch
tief eingetaucht waren in den physischen Leib und ungeschickt im Kinde
wirkten, weil sie nicht gewöhnt sind, im physischen Leib zu wirken.
Jetzt, mit dem Zahnwechsel, werden sie gewöhnt, für sich zu wirken
und nur einen Teil herunterzusenden in den physischen Leib. Jetzt
wirken sie auf der einen Seite in Wachstum, Ernährung und so weiter;
aber auch frei wirken sie in der kindlichen Phantasie, noch nicht im
Intellekt, noch nicht im Nachdenken, in Ideen, wollen aber in der Liebe
zu den Dingen, zu den Menschen auf einer höheren Stufe hervortreten.
Die Seele im Ätherleib ist frei geworden im Kinde. Das Kind ist im
Grunde genommen ein anderes Wesen geworden, indem es den Zahnwechsel
durchgemacht hat.
 
Und dann ist eine andere Epoche, vom Zahnwechsel bis zur
Geschlechtsreife. Indem das Kind geschlechtsreif wird, tritt jetzt, was
man bisher wenig unterscheiden konnte, der Astralleib heraus. Man
merkt nun, wie das Kind ein anderes Verhältnis zur Außenwelt gewinnt.
Das ist deshalb, weil, je mehr sein Astralleib erst geboren wird, es ein
anderes wird. Vorher steckte er im Grunde genommen drinnen in der
physischen und ätherischen Organisation.
 
So daß wir sprechen können: Erstens von der physischen Geburt, wo
das Kind den physischen Leib der Mutter verläßt. Zweitens von der
Äthergeburt: da ringt sich los, richtig im Kinde geboren werdend, der
ätherische Leib. Der macht, daß das Kind belehrt werden kann. Drittens,
bei der Geschlechtsreife kommt heraus der astralische Leib. Der macht,
daß es die Liebe nach außen tragen kann, daß es empfindet die Unterschiede
von Menschen; denn es ist die Geschlechtsreife nicht bloß damit
verknüpft, daß sie in die Geschlechtserkenntnis hineinführt, sondern in
die Erkenntnis des Untertauchens in alle Dinge. Viertens, und die Ich-
Erkenntnis wird eigentlich erst mit dem einundzwanzigsten, zweiundzwanzigsten
Jahre geboren. Der Mensch wird nicht früher ein vollständig
selbständiges Ich." {{Lit|{{G|304a|166ff}}}}
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Viel mehr soll der Sinn für [[Schönheit]] geweckt werden; was diesbezüglich in den ersten 7 Lebensjahren versäumt wird, ist kaum mehr aufzuholen, da die sinnlichen und seelischen [[Erfahrung]]en in diesem Alter noch bildend bis in das [[Gehirn]] hinein wirken. Zu bevorzugen sind natürliche Materialien wie etwa Holz, Wolle, Filz und mit [[Pflanzenfarben]] gefärbte Tücher. Grelle [[Farben]] und starke Farbkontraste vergröbern das seelische [[Erleben]] ebenso wie primitive starre geometrische Formen. Alles sollte möglichst lebendig fließend und beweglich gestaltet sein. Bei der Auswahl des Spielzeugs sollte man auch die besondere Eigenart des Kindes, namentlich sein [[Temperament]], berücksichtigen.
Die ganze [[Entwicklung]] geht beim Kind in den ersten Lebensjahren vom [[Kopf]], vom [[Nerven-Sinnes-System]], aus. Das Kind ist da eigentlich noch ganz [[Sinnesorgan]] und bildet in sich durch [[Nachahmung]] das nach, was es mit den Sinnen [[Wahrnehmung|wahrnimmt]] - und am besten wird man für seine Erziehung sorgen, wenn es das, was es wahrnimmt, auch für "[[Wahrheit|wahr]]", [[gut]] und [[richtig]] nehmen darf. Appeliert man zu früh an den [[Intellekt]], wird diese noch sehr lebendige Entwicklung empfindlich gestört und nicht nur das Nerven-Sinnes-System, sondern letzlich der ganze [[Organismus]] nicht ganz richtig ausgebildet.
 
== Das Spielzeug soll nicht primär den Intellekt ansprechen ==


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"Dann mache ich darauf aufmerksam, daß man in der Regel gar
"In dem ersten Lebensalter,
nicht die Individualität oder gar keine Individualität eines Kindes
bis zum Zahnwechsel hin — ich habe es schon ausgesprochen —, ist das
trifft, wenn man durch die Spiele zu sehr auf das Kombinatorische
Kind in einem mehr als sinnbildlichen Sinne ganz Sinnesorgan. Es ist
hinhorcht. Daher muß der Geisteswissenschafter von seinem
gewissermaßen ganz Kopf; und alle seine Entwickelung geht vom Nerven-
Standpunkte eigentlich alles dasjenige, was Kombinationsspiele
Sinnessystem aus. Da liegen die Ursprungsstellen für die formenden
sind, Bausteine und dergleichen, das muß er als geringerwertig
Kräfte des ganzen Organismus. Das Nerven-Sinnessystem durchdringt
ansehen, weil es zu stark an den kindlichen Intellekt heranwill;
als Hauptakteur den ganzen Organismus; und alle Eindrücke der
dagegen wird alles dasjenige, was mehr Leben vor das Kind bringt
Außenwelt wirken durch den ganzen Organismus hindurch, während
- entsprechend variiert nach der Individualität -, ein besonders
sie im späteren Leben nur an der Peripherie des Sinnessystems physisch,
günstiges Spielzeug abgeben. Ich habe mich schon lange bemüht,
aber weiter in den Körper hinein bloß seelisch wirken.
irgendwie eine Bewegung dafür hervorzubringen - aber es ist ja in
der Gegenwart so schwer, die Leute für solche Kleinigkeiten,
scheinbare Kleinigkeiten zu begeistern -, daß wieder mehr eingeführt
würden die beweglichen Bilderbücher für die Kinder. Es
waren da früher solche Bilderbücher, welche Bilder hatten und
man konnte unten an Fäden ziehen; da bewegten sich die Bilder, da
wurden ganze Geschichten aus den Bildern daraus. Das ist etwas,
was in ganz besonders günstiger Weise, wenn es verschieden variiert
wird, auf Kinder wirken kann. Dagegen alles, was ruhig bleibt
und was namentlich auf Kombination Anspruch macht wie die
Baustein-Geschichte, das ist etwas, was für das kindliche Spiel
eigentlich nicht geeignet ist, und es sind auch die Bausteine nur ein
Ausfluß unserer materialistischen Zeit." {{Lit|{{G|297|269}}}}
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== Die allseitige Ausbildung der Sinne und des Schönheitssinns ==
Man möchte sagen: Der reife Mensch ist so organisiert, daß das Licht
mit seinen physischen Wirkungen im Auge halt macht und daß es weiter
hinein in den Organismus nur die vom Gefühl durchdrungene Vorstellung
vom Lichte schickt. Beim Kinde ist es so, daß gewissermaßen
jedes Blutkörperchen innerlich vom Lichte physisch erregt wird. Man
darf diese Wirkungen allerdings nicht so verstehen, als ob sie mit groben
physischen Methoden nachweisbar seien. Das Kind ist noch ganz
den Wirkungen derjenigen ätherischen Essenzen hingegeben, die im
späteren Leben nur an der Oberfläche des Leibes, in den Sinnesorganen
wirken, damit der Mensch innerlich etwas ganz anderes entwickeln
könne. Das Kind bis zum Zahnwechsel ist durch den ganzen Organismus
hindurch Sinn; der mehr erwachsene Mensch ist an seiner Oberfläche
Sinn, im Inneren Seele. Man beachte das in konkreten Einzelheiten.
Derjenige, der als erwachsener Mensch einem ganz jungen
Kinde, einem Säugling zugesellt ist, der wird als Mensch mit seinem
ganzen inneren Erleben zum Erzieher des Kindes. Angenommen, es
befinde sich an der Seite des Kindes ein sorgenvoller Mensch, ein solcher,
der auch Grund hat, Sorgen zu entwickeln. Beim reifen Menschen
kommt nur schwach dasjenige zur Offenbarung, was als physische
Wirkung dieser seelischen Sorgen in Konstitution, Mimik und Bewegung
in seinem Körper ist. Wenn wir Sorge haben, so ist immer unser
Mund etwas trocken. Und wenn bei gewissen Menschen die Sorge habituell
wird, wenn sie dauert, dann gehen diese mit immer trockenem
Munde, mit klebender Zunge, mit einem bitteren Geschmack im Munde
herum; sogar mit leichter Atembeklemmung. Beim erwachsenen
Menschen sind diese physischen Zustände nur leise Untertöne des
Lebens.


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Das Kind, das neben den Erwachsenen heranwächst, ist aber ein
"Auf den physischen Leib des Menschen einwirken, heißt, dem
Imitator auch der schwächsten physischen Zustände des Erziehers. Es
Kinde äußere Eindrücke zu vermitteln. Durch die äußeren Eindrücke
richtet sich ganz nach dem physiognomischen Ausdruck, nach dem,
wird der physische Leib herangebildet. Daher ist auch das, was bis
was es wahrnimmt, nach der Art und Weise, wie der Erwachsene sorgenvoll
zum siebenten Jahre versäumt worden ist, später kaum noch nachzuholen.
spricht, sorgenvoll empfindet, ein, weil es ja ganz Sinnesorgan
Bis zum siebenten Jahre ist der physische Leib in einem solchen
ist. Imponderable Wechselwirkungen spielen sich ab zwischen dem
Stadium begriffen, daß er durch äußere sinnliche Eindrücke
Erwachsenen und dem Kinde. Hat der Erwachsene Sorge, die seelisch
herangebildet werden sollte. Wenn das Auge des Kindes bis zum
ist, aber sich in den physischen Folgezuständen offenbart, so nimmt das
siebenten Jahre nur Schönes sieht, bildet es sich so heran, daß es das
Kind als Imitator die physischen Folgen wahr und gestaltet das eigene
ganze Leben hindurch ein Empfinden für das Schöne behält. Später
Innere darnach, wie sich das Auge mit der Lichtwirkung durchdringt.
kann der Schönheitssinn nicht mehr auf die gleiche Weise entwickelt
Das Kind nimmt eine innerliche Geste, eine innerliche Mimik auf, was
werden. Was Sie dem Kinde im ersten Jahrsiebent sagen oder was
sich durch die klebrige Zunge, den bitteren Geschmack offenbart. Es
Sie tun, ist viel weniger wichtig, als die Art, wie man seine Umgebung
entwickelt sich bei ihm durch den ganzen Organismus hindurch ein
gestaltet und was das Kind sieht und hört. Die inneren Wachstumskräfte
konstitutioneller Abdruck des physischen Erlebens beim Erwachsenen.
müssen bis dahin durch die äußeren Eindrücke herangefördert
Es nimmt das in die Länge gezogene Blaßwerden des Gesichtes an, das
werden. Der frei gestaltende Geist des Kindes formt aus
der sorgenvolle Erwachsene hat, aber es kann den seelischen Inhalt der
einem Stück Holz, das ein paar Punkte und Striche für Augen, Nase
Sorge nicht in sich aufnehmen; es imitiert nur die physische Folge der
und Mund hat, eine menschliche Figur. Wenn das Kind aber eine
Sorge. Und das Ergebnis ist, daß beim Kinde sogleich seine physische
möglichst schön geformte Puppe bekommt, so hat es etwas, woran
Konstitution von den geistigen Formkräften, die im Sinnes-Nervensystem
es gebunden ist; daher haftet dann die innere Geisteskraft an dem,
ihren Sitz haben, ergriffen wird. Die inneren physischen und
was schon da ist und wird nicht zur eigenen Tätigkeit herausgefordert
feineren Organe bauen sich im Sinne dessen auf, was das Kind an
- sie ist gebunden -, und damit geht die gestaltende Phantasiekraft
physischem Abbild der Sorge in sich aufgenommen hat. Es bekommt
für das spätere Leben überhaupt fast verloren.
einen zur Sorge disponierten Organismus, der später auch leicht Lebenseindrücke
in Sorge aufnimmt, die eine andere Konstitution nicht dazu
treiben.


So ist es weitgehend mit allen Eindrücken der Sinneswelt. Was Sie
Das Kind wird auf diese Art zu einem sorgenvollen Menschen durch
selbst in der Umgebung des Kindes sind, was das Kind unmittelbar
seinen physischen Organismus erzogen. Solche Erkenntnisse von feineren
sieht oder hört, darauf kommt es an. Es wird ein guter Mensch, wenn
Lebenswirkungen muß man haben, wenn man im richtigen Sinne
es um sich gute Menschen sieht. Es ahmt die Dinge, die es um sich
Erzieher sein will. Es sind dies für Lehrer und Erzieher Vorbedingungen
herum wahrnimmt, nach. Gerade auf die Nachahmungskraft, auf die
wie für den Maler die Beobachtungsgabe für Farbenwirkungen." {{Lit|{{G|305|58ff}}}}
Wirkung des Beispiels muß man den allergrößten Wert legen. Daher
wird das richtige sein: möglichst viel vormachen, damit das Kind
möglichst viel nachmachen kann. In diesem Sinne muß also auf die
Pflege des physischen Leibes in der Zeit vom ersten bis siebenten Jahre
der Hauptwert gelegt werden." {{Lit|{{G|096|62f}}}}
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== Das Spielzeug soll die Phantasie anregen ==
== Das 2. Lebensjahrsiebent (7 - 14 Jahre) ==
 
Mit dem [[Zahnwechsel]] um das [[7. Lebensjahr]], wenn die grundlegende Ausbildung des [[Physischer Leib|physischen Leibes]] abgeschlossen ist und der [[Ätherleib]] geboren wird, ist die [[Schulreife]] erreicht. Der Ätherleib kann nun durch die grundlegende [[Bildung]] während der [[Wikipedia:Schulpflicht|Pflichtschulzeit]], zu Steiners Zeiten auch einfach als Volksschulzeit bezeichnet, weiter ausgebildet werden. Das zweite Lebensjahrsiebent gliedert sich dabei in drei deutlich voneinander unterschiedene Perioden.


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"Dann mache ich noch darauf aufmerksam, daß man bei den
"Nun müssen wir uns aber klar sein darüber, daß die Tatsache, daß
Spielen vorzugsweise darauf sehen muß, wie weit die kindliche
wir gerade die Volksschulzeit einteilen müssen in drei Epochen, uns ja
Phantasie wirkt. Sie können die schönsten Kräfte in einem Mensehen
die Grundlage für das Ablesen des Lehrplanes und das Ablesen der
dadurch ertöten, daß Sie ihm, dem werdenden Menschen, als
Lehrziele gibt. Erste Volksschuljahre: die Nachahmung wird durchwirkt
Knaben einen «schönen» Bajazzo oder als Mädchen eine sehr
vom Autoritätsprinzip, 9. bis 12. Lebensjahr: das Autoritätsprinzip
«schöne» Puppe geben - sie ist ja doch immer scheußlich vom
greift immer mehr über, die bloße Nachahmung tritt zurück.
künstlerischen Standpunkte, aber man strebt nach «schönen Puppen
12. Lebensjahr: die Urteilskraft erwacht. Im 9. Lebensjahr beginnt das
». Dem Kinde wird am besten gedient, wenn man womöglich
Kind schon auch im eigenen inneren Erleben das Ich abzulösen von der
der Phantasie selber gerade solchen Spielzeugen gegenüber den
Umgebung. Aber dieses Ich ruft es vom 12. Jahre an zum eigenen Urteilen
allergrößten Spielraum läßt. Das Kind fühlt sich im Grunde genommen
auf." {{Lit|{{G|301|83}}}}
am glücklichsten, wenn es aus seinem Taschentuch, das
oben zusammengebunden wird und ein kleines Köpfchen hat, eine
Puppe machen kann oder einen Bajazzo. Das ist etwas, was man
pflegen soll. Es soll im Grunde genommen die Seelentätigkeit in
Regsamkeit versetzt werden können. Da wird man durchaus das
Richtige treffen, wenn man ein Auge hat für das Temperament,
wenn man also zum Beispiel einem besonders aufgeregten Kinde
wirklich möglichst komplizierte Spielzeuge in die Hand gibt und
einem langsamen Kinde möglichst einfache Spielzeuge in die Hand
gibt, und dann, wenn es zu Hantierungen kommt, auch wiederum
in dieser Weise vorgeht." {{Lit|{{G|297|269f}}}}
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== Berücksichtigung des Temperaments ==
Der ganze Unterricht muss in diesem [[Lebensjahrsiebent]] auf die [[liebe]]volle [[Autorität]] des [[Lehrer]]s gegründet sein, wobei dann ab dem 12. Lebensjahr der Übergang zum eigenen [[Urteil]] des Kindes stattfinden soll.


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"Nun wird man, wenn man das Spiel sachgemäß leiten will, vor
"Vom 7. Jahre bis zur Geschlechtsreife, bis zum
allen Dingen ein Auge haben müssen für dasjenige, was man die
14., 15. Jahre lebt im Kinde die Kraft, die man nennen kann das
Temperamentsanlagen des Kindes nennt, und andere Dinge, die
Tun auf Autorität hin. Es kann dem Kinde kein größeres Heil
mit den Temperamentsanlagen zusammenhängen. Da handelt es
widerfahren, als wenn es dasjenige, was es unternimmt, deshalb tut,
sich dann darum, daß man gewöhnlich meint, man solle ein Kind,
weil verehrte Menschen in seiner Umgebung sagen: Das ist richtig,
das zum Beispiel einen phlegmatischen Charakter zeigt, durch etwas
das soll getan werden. - Es ist nichts schlimmer für das Kind, als wenn
besonders Lebendiges, das es aufrege, auf den richtigen Weg
man es zu früh vor der Geschlechtsreife an sogenanntes eigenes Urteil
bringen; oder ein Kind, das Anlage zeigt zu einem mehr in sich
gewohnt. Das Autoritätsfühlen zwischen dem 7. und 14.
geschlossenen Wesen, etwa zu einem melancholischen Temperament
Jahre wird in der Zukunft in erhöhtem und intensiverem Maße ausgebildet
- wenn das als solches auch noch nicht bei dem Kinde auftritt,
werden müssen, als es in der Vergangenheit ausgebildet war.
aber es kann in der Anlage da sein -, möchte man wiederum
Bewußter und bewußter wird alle Erziehung in diesen Jahren geleitet
durch etwas Erheiterndes auf den richtigen Weg bringen. Das ist
werden müssen im Sinne eines reinen schönen Autoritätsgefühles,
im Grunde genommen, namentlich insoferne es das Spiel betrifft,
das im Kinde erwacht; denn dasjenige, was in diesen Jahren in
nicht sehr richtig gedacht, sondern es handelt sich im Gegenteil
das Kind hineingepflanzt werden soll, es soll die Grundlage bilden
darum, daß man versuchen soll, den Grundcharakter des Kindes zu
für das, was die Erwachsenen im sozialen Organismus erleben sollen
studieren - sagen wir, ob es ein langsames oder ein schnelles Kind
als das gleiche Recht der Menschen. Das gleiche Recht der Menschen
ist -, und man soll dann auch versuchen, das Spiel dem anzupassen.
wird nicht anders da sein, denn die Menschen werden nie reif werden
Man soll also versuchen, für ein Kind, das langsam ist, gewissermaßen
als Erwachsene für das gleiche Recht der Menschen, wenn sie
auch im Spiel ein langsames Tempo einzuhalten, für ein Kind,
nicht in der Kindheit das Autoritätsgefühl eingepflanzt erhalten. In
das schnell ist, auch im Spiel ein schnelles Tempo einzuhalten und
der Vergangenheit mag ein viel geringerer Grad von Autoritätsgefühl
nur einen allmählichen Übergang suchen. Man soll gerade das dem
genügt haben; in der Zukunft wird er nicht genügen." {{Lit|{{G|296|19}}}}
Kinde entgegenbringen, was aus seinem Inneren fließt. Man macht
ja die schlimmsten Erziehungsfehler eben dadurch, daß man meint,
Gleiches sollte nicht gleich behandelt werden, sondern Entgegengesetztes
sollte durch Entgegengesetztes behandelt werden. Es ist
auf eines da hinzuweisen, was besonders immer verfehlt wird." {{Lit|{{G|297|267f}}}}
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Durch die Farbgestaltung, wenn man sie gemäß des Temperaments wählt - und nicht im Gegensatz dazu, wie man fälschlich glauben könnte -, kann man sehr gut die Einseitigkeiten des Temperaments ausgleichen:
== Das 3. Lebensjahrsiebent (14 - 21 Jahre) ==


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"Es gibt aufgeregte Kinder. Diese aufgeregten Kinder, die möchte
"Jetzt bei der Geschlechtsreife, kommt etwas zu freier seelischer Tätigkeit, das vorher in den Rhythmus der Atmung hineingegangen ist, was sich von da aus noch bestrebte, Rhythmus in das Muskelsystem, sogar in das Knochensystem hineinzubringen. Dieses Rhythmische wird nun frei als Empfänglichkeit des Jünglings oder der Jungfrau für ideale Gebilde, für das Phantasiemäßige. Die eigentliche Phantasie wird im Grunde mit der Geschlechtsreife erst aus dem Menschen herausgeboren, wenn der von Zeit und Raum freie astralische Leib geboren wird, der ebenso wie die Träume Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nach inneren Gesichtspunkten durcheinander gruppieren kann. Der Mensch wird mit der Geschlechtsreife aus dem geistig-seelischen Leben der Welt herausgeworfen und hineingeworfen in die äußerliche Welt, die er nun mit seinem physischen Leib, mit seinem Ätherleib wahrnehmen kann. Und wenn das auch durchaus nicht klar in das Bewußtsein herauftritt, im Unterbewußten spielt es eine um so größere Rolle. Eine solche Rolle, daß nun der Mensch – wie gesagt, unterbewußt oder halbbewußt – die Welt, die er betritt, vergleicht mit der Welt, die er früher in sich gehabt hat. Er hat sie früher in sich nicht vollbewußt wahrgenommen, aber er fand die Möglichkeit in sich, mit ihr zu arbeiten. Das Innere des Menschen gibt die Möglichkeit, frei mit einer Überwelt zu arbeiten, frei mit einem Geistig-Seelischen zu arbeiten. Die äußere Welt gibt das nicht. Da gibt es alle möglichen Hemmungen zu überwinden. Da gibt es den ganzen Tumult, der in dem Verkehre zwischen Mensch und Welt zwischen dem vierzehnten und dem Beginn der Zwanzigerjahre eintritt." (Lit.: [[GA 303]], Seite 238f)
man selbstverständlich abregen, und man glaubt dann, wenn man
ihnen etwa Spielzeuge anschafft, die in dunkleren Farben gehalten
sind, also in den weniger aufregenden Farben, Blau und dergleichen,
oder wenn man ihnen Kleider anschafft in Blau, so würde
das gut sein für das Kind. Ich habe in meinem kleinen Büchelchen
«Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft
» darauf hingewiesen, daß das nicht der Fall ist, daß man
gerade dem aufgeregten Kinde die Spielzeuge rötlich machen soll,
dem lässigen Kinde, dem nicht lebhaften Kinde die Spielzeuge blau
und violett machen soll. Durch alle diese Dinge wird man eben
herausfinden, was für das Kind gerade nach seiner besonderen
individuellen Anlage geeignet ist." {{Lit|{{G|297|268}}}}
</div>
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==


#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
#Rudolf Steiner: ''Die Erziehungsfrage als soziale Frage'', [[GA 296]] (1991), ISBN 3-7274-2960-7 {{Vorträge|296}}
#Rudolf Steiner: ''Idee und Praxis der Waldorfschule'', [[GA 297]] (1998), ISBN 3-7274-2970-4 {{Vorträge|297}}
#Rudolf Steiner: ''Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft'', [[GA 301]] (1991), ISBN 3-7274-3010-9 {{Vorträge|301}}
#Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik.'', [[GA 303]] (1978), ISBN 3-7274-3031-1 {{Vorträge|303}}
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Menschenkunde und Pädagogik'', [[GA 304a]] (1979), ISBN 3-7274-3045-1 {{Vorträge|304a}}
# Joachim Stiller: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_kinderspiele_der_welt.pdf Die Kinderspiele der Welt] PDF
#Rudolf Steiner: ''Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben.'', [[GA 305]] (1991), ISBN 3-7274-3050-8 {{Vorträge|305}}
#Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik'', [[GA 303]] (1978) {{Vorträge|303}}
#Karl König: ''Die ersten drei Jahre des Kindes'', Fischer TB, Frankfurt a.M. 1981
#Werner Christian Simonis: ''Die ersten sieben Jahre'', Fischer TB, Frankfurt a.M. 1986
#Hans Müller-Wiedemann: ''Mitte der Kindheit'', Fischer TB, Frankfurt a.M. 1984
#Henning Köhler: ''Jugend im Zwiespalt: Eine Psychologie der Pubertät für Eltern und Erzieher'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2009


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Erziehung]] [[Kategorie:Pädagogik]] [[Kategorie:Waldorfpädagogik]]
[[Kategorie:Kind|!]] [[Kategorie:Erziehung]][[Kategorie:Pädagogik]][[Kategorie:Waldorfpädagogik]] [[Kategorie:Familie]]

Version vom 24. Mai 2018, 14:33 Uhr

Das Kind bildet bis zum 7. Lebensjahr vornehmlich seinen physischen Leib und namentlich die Sinne aus und erzieht sich in dieser Zeit durch Nachahmung. Mit dem Zahnwechsel um das 7. Lebensjahr tritt der Ätherleib als selbstständiges Wesensglied hervor, der danach verlangt, durch liebevolle Autorität gebildet und erzogen zu werden. Mit der Geschlechtsreife um das 14. Lebensjahr wird der eigenständige Astralleib geboren. Schon etwas früher, ab dem 12. Lebensjahr beginnt die eigene Urteilsfähigkeit des Kindes zu erwachen, die die Jugendlichen dann bis zum 21. Lebensjahr voll ausbilden sollen, bis schließlich das eigenständige Ich geboren wird.

Das 1. Lebensjahrsiebent (0 - 7 Jahre)

Die vier grundlegenden Wesensglieder des Menschen sind in diesem Lebensalter noch gar nicht richtig geschieden voneinander.

"Das Kind, indem es geboren wird, ist ja wirklich das größte Wunder, das es überhaupt innerhalb des Erdenlebens geben kann. Man muß es als solches größtes Wunder anerkennen, wenn man unbefangenes Verständnis dafür hat. Da tritt das Kind in die Welt mit noch unbestimmten Gesichtszügen, mit der fast noch nichtssagenden Physiognomie, mit den ungeschickten, unorientierten Bewegungen, und wir sagen uns wohl, indem wir das mit einiger Geringschätzung tun: der Mensch ist ja noch nicht von dieser Welt; er paßt noch nicht hinein in diese Welt. Er greift noch, wenn er irgend etwas ergreifen will, ungeschickt. Er kann sich mit seinen Augen noch nicht orientieren, kann noch nicht in seinen Gliedern dasjenige ausdrücken, was in seinem Willen liegt. Aber das ist ja das Wunderbarste, was der Mensch erleben kann, wenn aus dem Zentrum der menschlichen Natur nach und nach herauskommt aus den inneren Kräften dasjenige, was der Physiognomie ihre göttergleichen Züge gibt, was die Bewegungen sich der Welt gemäß orientieren läßt und so weiter. Wenn man mit übersinnlichem Auge an das Kind herantritt, so kann man dem Kinde gegenüber nicht sagen, das Kind besteht aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich, so wie man dem Wasser gegenüber nicht sagen kann, so wie es ist, es bestehe aus Wasserstoff und Sauerstoff. Es besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff, aber die beiden sind innig miteinander verbunden. So sind im kindlichen Organismus bis zum Zahnwechsel diese vier Glieder der menschlichen Wesenheit so innig miteinander verbunden, daß man sie zunächst nicht unterscheiden kann. Erst mit dem Zahnwechsel, dem siebenten Jahre ungefähr, wenn die Kinder in die Primarschule hereinkommen, tritt deutlich aus der menschlichen Organisation der Ätherleib auf, den der Mensch als die Grundlage des Wachstums, der Ernährung und so weiter hat, und zugleich als die Grundlage für die Phantasie, für die Gemütskräfte, für die Liebekräfte. Es ist so beim Kinde, daß wenn man es im siebenten Jahr, mit dem Zahnwechsel, beobachtet, so ist es für den übersinnlichen Blick, als ob herausträte, ich möchte sagen, eine übersinnlich ätherische Wolke, welche dieselben Kräfte enthält, die bis zum Zahnwechsel noch tief eingetaucht waren in den physischen Leib und ungeschickt im Kinde wirkten, weil sie nicht gewöhnt sind, im physischen Leib zu wirken. Jetzt, mit dem Zahnwechsel, werden sie gewöhnt, für sich zu wirken und nur einen Teil herunterzusenden in den physischen Leib. Jetzt wirken sie auf der einen Seite in Wachstum, Ernährung und so weiter; aber auch frei wirken sie in der kindlichen Phantasie, noch nicht im Intellekt, noch nicht im Nachdenken, in Ideen, wollen aber in der Liebe zu den Dingen, zu den Menschen auf einer höheren Stufe hervortreten. Die Seele im Ätherleib ist frei geworden im Kinde. Das Kind ist im Grunde genommen ein anderes Wesen geworden, indem es den Zahnwechsel durchgemacht hat.

Und dann ist eine andere Epoche, vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife. Indem das Kind geschlechtsreif wird, tritt jetzt, was man bisher wenig unterscheiden konnte, der Astralleib heraus. Man merkt nun, wie das Kind ein anderes Verhältnis zur Außenwelt gewinnt. Das ist deshalb, weil, je mehr sein Astralleib erst geboren wird, es ein anderes wird. Vorher steckte er im Grunde genommen drinnen in der physischen und ätherischen Organisation.

So daß wir sprechen können: Erstens von der physischen Geburt, wo das Kind den physischen Leib der Mutter verläßt. Zweitens von der Äthergeburt: da ringt sich los, richtig im Kinde geboren werdend, der ätherische Leib. Der macht, daß das Kind belehrt werden kann. Drittens, bei der Geschlechtsreife kommt heraus der astralische Leib. Der macht, daß es die Liebe nach außen tragen kann, daß es empfindet die Unterschiede von Menschen; denn es ist die Geschlechtsreife nicht bloß damit verknüpft, daß sie in die Geschlechtserkenntnis hineinführt, sondern in die Erkenntnis des Untertauchens in alle Dinge. Viertens, und die Ich- Erkenntnis wird eigentlich erst mit dem einundzwanzigsten, zweiundzwanzigsten Jahre geboren. Der Mensch wird nicht früher ein vollständig selbständiges Ich." (Lit.: GA 304a, S. 166ff)

Die ganze Entwicklung geht beim Kind in den ersten Lebensjahren vom Kopf, vom Nerven-Sinnes-System, aus. Das Kind ist da eigentlich noch ganz Sinnesorgan und bildet in sich durch Nachahmung das nach, was es mit den Sinnen wahrnimmt - und am besten wird man für seine Erziehung sorgen, wenn es das, was es wahrnimmt, auch für "wahr", gut und richtig nehmen darf. Appeliert man zu früh an den Intellekt, wird diese noch sehr lebendige Entwicklung empfindlich gestört und nicht nur das Nerven-Sinnes-System, sondern letzlich der ganze Organismus nicht ganz richtig ausgebildet.

"In dem ersten Lebensalter, bis zum Zahnwechsel hin — ich habe es schon ausgesprochen —, ist das Kind in einem mehr als sinnbildlichen Sinne ganz Sinnesorgan. Es ist gewissermaßen ganz Kopf; und alle seine Entwickelung geht vom Nerven- Sinnessystem aus. Da liegen die Ursprungsstellen für die formenden Kräfte des ganzen Organismus. Das Nerven-Sinnessystem durchdringt als Hauptakteur den ganzen Organismus; und alle Eindrücke der Außenwelt wirken durch den ganzen Organismus hindurch, während sie im späteren Leben nur an der Peripherie des Sinnessystems physisch, aber weiter in den Körper hinein bloß seelisch wirken.

Man möchte sagen: Der reife Mensch ist so organisiert, daß das Licht mit seinen physischen Wirkungen im Auge halt macht und daß es weiter hinein in den Organismus nur die vom Gefühl durchdrungene Vorstellung vom Lichte schickt. Beim Kinde ist es so, daß gewissermaßen jedes Blutkörperchen innerlich vom Lichte physisch erregt wird. Man darf diese Wirkungen allerdings nicht so verstehen, als ob sie mit groben physischen Methoden nachweisbar seien. Das Kind ist noch ganz den Wirkungen derjenigen ätherischen Essenzen hingegeben, die im späteren Leben nur an der Oberfläche des Leibes, in den Sinnesorganen wirken, damit der Mensch innerlich etwas ganz anderes entwickeln könne. Das Kind bis zum Zahnwechsel ist durch den ganzen Organismus hindurch Sinn; der mehr erwachsene Mensch ist an seiner Oberfläche Sinn, im Inneren Seele. Man beachte das in konkreten Einzelheiten. Derjenige, der als erwachsener Mensch einem ganz jungen Kinde, einem Säugling zugesellt ist, der wird als Mensch mit seinem ganzen inneren Erleben zum Erzieher des Kindes. Angenommen, es befinde sich an der Seite des Kindes ein sorgenvoller Mensch, ein solcher, der auch Grund hat, Sorgen zu entwickeln. Beim reifen Menschen kommt nur schwach dasjenige zur Offenbarung, was als physische Wirkung dieser seelischen Sorgen in Konstitution, Mimik und Bewegung in seinem Körper ist. Wenn wir Sorge haben, so ist immer unser Mund etwas trocken. Und wenn bei gewissen Menschen die Sorge habituell wird, wenn sie dauert, dann gehen diese mit immer trockenem Munde, mit klebender Zunge, mit einem bitteren Geschmack im Munde herum; sogar mit leichter Atembeklemmung. Beim erwachsenen Menschen sind diese physischen Zustände nur leise Untertöne des Lebens.

Das Kind, das neben den Erwachsenen heranwächst, ist aber ein Imitator auch der schwächsten physischen Zustände des Erziehers. Es richtet sich ganz nach dem physiognomischen Ausdruck, nach dem, was es wahrnimmt, nach der Art und Weise, wie der Erwachsene sorgenvoll spricht, sorgenvoll empfindet, ein, weil es ja ganz Sinnesorgan ist. Imponderable Wechselwirkungen spielen sich ab zwischen dem Erwachsenen und dem Kinde. Hat der Erwachsene Sorge, die seelisch ist, aber sich in den physischen Folgezuständen offenbart, so nimmt das Kind als Imitator die physischen Folgen wahr und gestaltet das eigene Innere darnach, wie sich das Auge mit der Lichtwirkung durchdringt. Das Kind nimmt eine innerliche Geste, eine innerliche Mimik auf, was sich durch die klebrige Zunge, den bitteren Geschmack offenbart. Es entwickelt sich bei ihm durch den ganzen Organismus hindurch ein konstitutioneller Abdruck des physischen Erlebens beim Erwachsenen. Es nimmt das in die Länge gezogene Blaßwerden des Gesichtes an, das der sorgenvolle Erwachsene hat, aber es kann den seelischen Inhalt der Sorge nicht in sich aufnehmen; es imitiert nur die physische Folge der Sorge. Und das Ergebnis ist, daß beim Kinde sogleich seine physische Konstitution von den geistigen Formkräften, die im Sinnes-Nervensystem ihren Sitz haben, ergriffen wird. Die inneren physischen und feineren Organe bauen sich im Sinne dessen auf, was das Kind an physischem Abbild der Sorge in sich aufgenommen hat. Es bekommt einen zur Sorge disponierten Organismus, der später auch leicht Lebenseindrücke in Sorge aufnimmt, die eine andere Konstitution nicht dazu treiben.

Das Kind wird auf diese Art zu einem sorgenvollen Menschen durch seinen physischen Organismus erzogen. Solche Erkenntnisse von feineren Lebenswirkungen muß man haben, wenn man im richtigen Sinne Erzieher sein will. Es sind dies für Lehrer und Erzieher Vorbedingungen wie für den Maler die Beobachtungsgabe für Farbenwirkungen." (Lit.: GA 305, S. 58ff)

Das 2. Lebensjahrsiebent (7 - 14 Jahre)

Mit dem Zahnwechsel um das 7. Lebensjahr, wenn die grundlegende Ausbildung des physischen Leibes abgeschlossen ist und der Ätherleib geboren wird, ist die Schulreife erreicht. Der Ätherleib kann nun durch die grundlegende Bildung während der Pflichtschulzeit, zu Steiners Zeiten auch einfach als Volksschulzeit bezeichnet, weiter ausgebildet werden. Das zweite Lebensjahrsiebent gliedert sich dabei in drei deutlich voneinander unterschiedene Perioden.

"Nun müssen wir uns aber klar sein darüber, daß die Tatsache, daß wir gerade die Volksschulzeit einteilen müssen in drei Epochen, uns ja die Grundlage für das Ablesen des Lehrplanes und das Ablesen der Lehrziele gibt. Erste Volksschuljahre: die Nachahmung wird durchwirkt vom Autoritätsprinzip, 9. bis 12. Lebensjahr: das Autoritätsprinzip greift immer mehr über, die bloße Nachahmung tritt zurück. 12. Lebensjahr: die Urteilskraft erwacht. Im 9. Lebensjahr beginnt das Kind schon auch im eigenen inneren Erleben das Ich abzulösen von der Umgebung. Aber dieses Ich ruft es vom 12. Jahre an zum eigenen Urteilen auf." (Lit.: GA 301, S. 83)

Der ganze Unterricht muss in diesem Lebensjahrsiebent auf die liebevolle Autorität des Lehrers gegründet sein, wobei dann ab dem 12. Lebensjahr der Übergang zum eigenen Urteil des Kindes stattfinden soll.

"Vom 7. Jahre bis zur Geschlechtsreife, bis zum 14., 15. Jahre lebt im Kinde die Kraft, die man nennen kann das Tun auf Autorität hin. Es kann dem Kinde kein größeres Heil widerfahren, als wenn es dasjenige, was es unternimmt, deshalb tut, weil verehrte Menschen in seiner Umgebung sagen: Das ist richtig, das soll getan werden. - Es ist nichts schlimmer für das Kind, als wenn man es zu früh vor der Geschlechtsreife an sogenanntes eigenes Urteil gewohnt. Das Autoritätsfühlen zwischen dem 7. und 14. Jahre wird in der Zukunft in erhöhtem und intensiverem Maße ausgebildet werden müssen, als es in der Vergangenheit ausgebildet war. Bewußter und bewußter wird alle Erziehung in diesen Jahren geleitet werden müssen im Sinne eines reinen schönen Autoritätsgefühles, das im Kinde erwacht; denn dasjenige, was in diesen Jahren in das Kind hineingepflanzt werden soll, es soll die Grundlage bilden für das, was die Erwachsenen im sozialen Organismus erleben sollen als das gleiche Recht der Menschen. Das gleiche Recht der Menschen wird nicht anders da sein, denn die Menschen werden nie reif werden als Erwachsene für das gleiche Recht der Menschen, wenn sie nicht in der Kindheit das Autoritätsgefühl eingepflanzt erhalten. In der Vergangenheit mag ein viel geringerer Grad von Autoritätsgefühl genügt haben; in der Zukunft wird er nicht genügen." (Lit.: GA 296, S. 19)

Das 3. Lebensjahrsiebent (14 - 21 Jahre)

"Jetzt bei der Geschlechtsreife, kommt etwas zu freier seelischer Tätigkeit, das vorher in den Rhythmus der Atmung hineingegangen ist, was sich von da aus noch bestrebte, Rhythmus in das Muskelsystem, sogar in das Knochensystem hineinzubringen. Dieses Rhythmische wird nun frei als Empfänglichkeit des Jünglings oder der Jungfrau für ideale Gebilde, für das Phantasiemäßige. Die eigentliche Phantasie wird im Grunde mit der Geschlechtsreife erst aus dem Menschen herausgeboren, wenn der von Zeit und Raum freie astralische Leib geboren wird, der ebenso wie die Träume Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nach inneren Gesichtspunkten durcheinander gruppieren kann. Der Mensch wird mit der Geschlechtsreife aus dem geistig-seelischen Leben der Welt herausgeworfen und hineingeworfen in die äußerliche Welt, die er nun mit seinem physischen Leib, mit seinem Ätherleib wahrnehmen kann. Und wenn das auch durchaus nicht klar in das Bewußtsein herauftritt, im Unterbewußten spielt es eine um so größere Rolle. Eine solche Rolle, daß nun der Mensch – wie gesagt, unterbewußt oder halbbewußt – die Welt, die er betritt, vergleicht mit der Welt, die er früher in sich gehabt hat. Er hat sie früher in sich nicht vollbewußt wahrgenommen, aber er fand die Möglichkeit in sich, mit ihr zu arbeiten. Das Innere des Menschen gibt die Möglichkeit, frei mit einer Überwelt zu arbeiten, frei mit einem Geistig-Seelischen zu arbeiten. Die äußere Welt gibt das nicht. Da gibt es alle möglichen Hemmungen zu überwinden. Da gibt es den ganzen Tumult, der in dem Verkehre zwischen Mensch und Welt zwischen dem vierzehnten und dem Beginn der Zwanzigerjahre eintritt." (Lit.: GA 303, Seite 238f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Die Erziehungsfrage als soziale Frage, GA 296 (1991), ISBN 3-7274-2960-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft, GA 301 (1991), ISBN 3-7274-3010-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Anthroposophische Menschenkunde und Pädagogik, GA 304a (1979), ISBN 3-7274-3045-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben., GA 305 (1991), ISBN 3-7274-3050-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik, GA 303 (1978) pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  6. Karl König: Die ersten drei Jahre des Kindes, Fischer TB, Frankfurt a.M. 1981
  7. Werner Christian Simonis: Die ersten sieben Jahre, Fischer TB, Frankfurt a.M. 1986
  8. Hans Müller-Wiedemann: Mitte der Kindheit, Fischer TB, Frankfurt a.M. 1984
  9. Henning Köhler: Jugend im Zwiespalt: Eine Psychologie der Pubertät für Eltern und Erzieher, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2009
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