Kind und Qualia: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Kind''' bildet bis zum [[Siebentes Lebensjahr|7. Lebensjahr]] vornehmlich seinen [[Physischer Leib|physischen Leib]] und namentlich die [[Sinne]] aus und [[Erziehung|erzieht]] sich in dieser Zeit durch [[Nachahmung]]. Mit dem [[Zahnwechsel]] um das 7. Lebensjahr tritt der [[Ätherleib]] als selbstständiges Wesensglied hervor, der danach verlangt, durch [[liebe]]volle [[Autorität]] gebildet und erzogen zu werden. Mit der [[Geschlechtsreife]] um das [[Vierzehntes Lebensjahr|14. Lebensjahr]] wird der eigenständige [[Astralleib]] geboren. Schon etwas früher, ab dem [[Zwölftes Lebensjahr|12. Lebensjahr]] beginnt die eigene [[Urteilsfähigkeit]] des Kindes zu erwachen, die die [[Jugend|Jugendlichen]] dann bis zum [[Einundzwanzigstes Lebensjahr|21. Lebensjahr]] voll ausbilden sollen, bis schließlich das eigenständige [[Ich]] geboren wird.
[[Datei:Spectrum.2400.1800.S.G.png|thumb|upright=1.5|Farben sind ein klassisches Problem der Qualiadebatte: Wie kommt es, dass bei der Verarbeitung von bestimmten Lichtwellen Farberlebnisse entstehen?]]
[[Datei:Big-eared-townsend-fledermaus.jpg|thumb|upright=1.5|''Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?'' Mit dieser Frage regte der Philosoph [[Thomas Nagel (Philosoph)|Thomas Nagel]] die Debatte um die Qualia neu an.]]
[[Bild:Goethes Farbenkreis.jpg|thumb|upright=1.5|[[Farbkreis]], Zeichnung von [[Johann Wolfgang von Goethe]].]]
Als '''Qualia''' (von [[Latein|lat.]] ''qualis'' „wie beschaffen“) werden die zunächst [[subjektiv]] erscheinenden [[Erlebnis]]inhalte des '''phänomenalen Bewusstseins''' bezeichnet. Zu den [[Phänomen|phänomenalen]] '''Bewusstseinsinhalten''' zählen die erlebten [[Sinnesqualitäten]], die auf die Außenwelt verweisen, aber auch rein auf die Innenwelt bezogene Erlebnisse wie [[Gefühl]]e, [[Gedanke]]n, [[Schmerz]]en usw.


== Das 1. Lebensjahrsiebent (0 - 7 Jahre) ==
== Das ungelöste Rätsel der Qualia ==
Der Begriff der "Qualia" wurde [[Wikipedia:1866|1866]] von dem amerikanischen [[Philosoph]]en [[Charles S. Peirce|Charles S. Peirce]]<ref>[[Charles S. Peirce|Charles S. Peirce]]: ''Collected Papers''. Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge [1866] 1958-1966 (Nachdr.), § 223.</ref> geprägt, aber erst [[Wikipedia:1929|1929]] durch [[Wikipedia:Clarence Irving Lewis|C. I. Lewis]] in dem Buch ''Mind and the World Order''<ref>[[Wikipedia:Clarence Irving Lewis|Clarence Irving Lewis]]: ''Mind and the World Order. Outline of a Theory of Knowledge.'' Charles Scribner's sons, New York 1929, Dover, New York 1991 (Nachdr.). ISBN 0-486-26564-1.</ref> im heute gebräuchlichen Sinn verwendet. Das Problem der Qualia steht im Zentrum der modernen [[Philosophie des Geistes]], die sich damit an eine [[Erkenntnis]]grenze gestellt sieht und vielfach davon ausgeht, dass dieses Problem grundsätzlich nicht mit den Mitteln der [[Neurowissenschaften|Neuro-]] und [[Kognitionswissenschaft]]en gelöst werden kann. Tatsächlich muss für eine rein [[materialistisch]]e Weltsicht das Phänomen der Qualia rätselhaft bleiben. Darauf hatte schon [[Wikipedia:1872|1872]] der [[Wikipedia:Physiologe|Physiologe]] [[Emil Heinrich Du Bois-Reymond]] in seiner berühmten [[Ignoramus et ignorabimus|Ignorabimus-Rede]] hingewiesen:


Die vier grundlegenden [[Wesensglieder]] des [[Mensch]]en sind in diesem Lebensalter noch gar nicht richtig geschieden voneinander.
{{Zitat|Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: "Ich fühle Schmerz, ruhte Lust; ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot," und der ebenso unmittelbar daraus fließenden Gewißheit: "Also bin ich"? Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, daß es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammensein Bewußtsein entstehen könne.|Emil Du Bois-Reymond|''Über die Grenzen des Naturerkennens'', S 458}}


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Der Philosoph [[Thomas Nagel (Philosoph)|Thomas Nagel]] trat mit seinem 1974 veröffentlichten Aufsatz ''"What is it like to be a bat?"''<ref>[[Thomas Nagel (Philosoph)|Thomas Nagel]]: ''[http://web.archive.org/web/20071024145103/http://members.aol.com/NeoNoetics/Nagel_Bat.html What is it like to be a bat?]'' In: ''The Philosophical Review.'' Cornell University, Ithaca 83/1974, S.&nbsp;435–450. {{ISSN|0031-8108}}</ref> (''Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?'') allen [[reduktionistisch]]en Bestrebungen zur Erklärung der Qualia energisch entgegen. Die [[Naturwissenschaft]] sei [[Methode|methodisch]] auf die [[objektiv]]e ''Außenperspektive'' festgelegt und könne daher das [[subjektiv]]e Erleben niemals erfassen. So mögen wir etwa noch so genau die [[Prozess]]e studieren, die im [[Gehirn]] einer [[Wikipedia:Fledermmäuse|Fledermaus]] ablaufen, wenn sie sich im [[Raum]] mit HIlfe der [[Wikipedia:Echoortung (Tiere)|Echolotung]] orientiert. Wie es sich aber im subjektiven Erleben der Fledermaus ''anfühlt'', ein Objekt auf diese Weise wahrzunehmen, werden wir dadurch niemals erfahren.
"Das Kind, indem es geboren wird, ist ja wirklich das größte Wunder,
 
das es überhaupt innerhalb des Erdenlebens geben kann. Man muß es als
=== Qualia-Rätsel - nur ein Scheinproblem? ===
solches größtes Wunder anerkennen, wenn man unbefangenes Verständnis
Eine Argumentation in der heutigen Qualia-Diskussion im Rahmen der Philosophie des Geistes ist, daß das Qualia-Problem ein künstlich erzeugtes Pseudo-Problem der Philosophie sei, dem nichts Reales entspreche. Ein Vertreter der Nichtexistenz des Qualiaproblems ist [[Daniel Dennett]]. Eine Schiene dieser Argumentation sieht die Quelle des angeblichen Qualia-Problems in dem cartesianischen Dualismus, der unbefragt vorausgesetzt werde. Als Alternative zu dem [[Descartes|cartesischen Dualismus]] werden die Ansichten [[Wittgenstein]]s ins Feld geführt, der die Innen-Aussen-Differenz des Bewußtseins verneint habe.
dafür hat. Da tritt das Kind in die Welt mit noch unbestimmten
 
Gesichtszügen, mit der fast noch nichtssagenden Physiognomie, mit den
== [[Goethes Farbenlehre]] ==
ungeschickten, unorientierten Bewegungen, und wir sagen uns wohl,
 
indem wir das mit einiger Geringschätzung tun: der Mensch ist ja noch
Einen ganz anderen und auch heute noch wenig verstandenen Weg ging [[Goethe]] mit seiner [[Farbenlehre (Goethe)|Farbenlehre]]. Er hat damit die Grundlage für den [[Goetheanismus]] geschaffen, einer wissenschaftlich exakten Betrachtung der Natur, die sich vom herkömmlichen naturwissenschaftlichen Ansatz in wesentlichen Punkten unterscheidet. Bei diesem steht die  quantitative Erfassung der Naturerscheinung im Vordergrund. ''"Messen, was messbar ist, und messbar machen, was nicht messbar ist"'', war hier seit Galilei der oberste Grundsatz. Goethe strebte demgegenüber nach einer systematischen reinen [[Phänomenologie]] der [[sinnlich]] erfahrbaren Erscheinungen. Das qualitative Element steht im Vordergrund. Die Qualia selbst, die bei der [[Farbwahrnehmung]] unmittelbar erlebten [[Sinnesqualitäten]], die bei der herkömmlichen naturwissenschaftlichen Methode als vorgeblich rein subjektive Erscheinungen aus der wissenschaftlichen Theorienbildung völlig ausgeklammert werden, rücken bei Goethe gerade in den Mittelpunkt der  durchaus [[objektiv]]en naturwissenschaftlichen Betrachtung.
nicht von dieser Welt; er paßt noch nicht hinein in diese Welt. Er greift
 
noch, wenn er irgend etwas ergreifen will, ungeschickt. Er kann sich mit
== Die seelische Realität der Qualia ==
seinen Augen noch nicht orientieren, kann noch nicht in seinen Gliedern
 
dasjenige ausdrücken, was in seinem Willen liegt. Aber das ist ja das
{{Siehe auch|Wahrnehmung#Über die vermeintliche Subjektivität der Wahrnehmung|titel1=Über die vermeintliche Subjektivität der Wahrnehmung}}
Wunderbarste, was der Mensch erleben kann, wenn aus dem Zentrum
der menschlichen Natur nach und nach herauskommt aus den inneren
Kräften dasjenige, was der Physiognomie ihre göttergleichen Züge gibt,
was die Bewegungen sich der Welt gemäß orientieren läßt und so weiter.
Wenn man mit übersinnlichem Auge an das Kind herantritt, so kann
man dem Kinde gegenüber nicht sagen, das Kind besteht aus physischem
Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich, so wie man dem Wasser gegenüber
nicht sagen kann, so wie es ist, es bestehe aus Wasserstoff und Sauerstoff.
Es besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff, aber die beiden sind innig
miteinander verbunden. So sind im kindlichen Organismus bis zum
Zahnwechsel diese vier Glieder der menschlichen Wesenheit so innig
miteinander verbunden, daß man sie zunächst nicht unterscheiden kann.
Erst mit dem Zahnwechsel, dem siebenten Jahre ungefähr, wenn die
Kinder in die Primarschule hereinkommen, tritt deutlich aus der
menschlichen Organisation der Ätherleib auf, den der Mensch als die
Grundlage des Wachstums, der Ernährung und so weiter hat, und
zugleich als die Grundlage für die Phantasie, für die Gemütskräfte, für
die Liebekräfte. Es ist so beim Kinde, daß wenn man es im siebenten
Jahr, mit dem Zahnwechsel, beobachtet, so ist es für den übersinnlichen
Blick, als ob herausträte, ich möchte sagen, eine übersinnlich ätherische
Wolke, welche dieselben Kräfte enthält, die bis zum Zahnwechsel noch
tief eingetaucht waren in den physischen Leib und ungeschickt im Kinde
wirkten, weil sie nicht gewöhnt sind, im physischen Leib zu wirken.
Jetzt, mit dem Zahnwechsel, werden sie gewöhnt, für sich zu wirken
und nur einen Teil herunterzusenden in den physischen Leib. Jetzt
wirken sie auf der einen Seite in Wachstum, Ernährung und so weiter;
aber auch frei wirken sie in der kindlichen Phantasie, noch nicht im
Intellekt, noch nicht im Nachdenken, in Ideen, wollen aber in der Liebe
zu den Dingen, zu den Menschen auf einer höheren Stufe hervortreten.
Die Seele im Ätherleib ist frei geworden im Kinde. Das Kind ist im
Grunde genommen ein anderes Wesen geworden, indem es den Zahnwechsel
durchgemacht hat.


Und dann ist eine andere Epoche, vom Zahnwechsel bis zur
Aus [[anthroposophisch]]er Sicht liegt die [[objektiv]]e [[Realität]] der Qualia in der [[Astralwelt]] begründet. Sie sind grundlegende [[seelisch]]e [[Substanz]]en, die diese [[Seelenwelt]] aufbauen, so wie die [[physisch]]en Substanzen die [[physische Welt]] aufbauen. Indem die Qualia vom [[mensch]]lichen [[Astralleib]] aufgenommen werden, treten sie in den [[subjektiv]]en Erlebnishorizont des Bewusstseins ein.
Geschlechtsreife. Indem das Kind geschlechtsreif wird, tritt jetzt, was
man bisher wenig unterscheiden konnte, der Astralleib heraus. Man
merkt nun, wie das Kind ein anderes Verhältnis zur Außenwelt gewinnt.
Das ist deshalb, weil, je mehr sein Astralleib erst geboren wird, es ein
anderes wird. Vorher steckte er im Grunde genommen drinnen in der
physischen und ätherischen Organisation.


So daß wir sprechen können: Erstens von der physischen Geburt, wo
{{GZ|Was ist also die Wahrnehmung? Diese Frage ist, im allgemeinen
das Kind den physischen Leib der Mutter verläßt. Zweitens von der
gestellt, absurd. Die Wahrnehmung tritt immer
Äthergeburt: da ringt sich los, richtig im Kinde geboren werdend, der
als eine ganz bestimmte, als konkreter Inhalt auf. Dieser
ätherische Leib. Der macht, daß das Kind belehrt werden kann. Drittens,
Inhalt ist unmittelbar gegeben, und erschöpft sich in dem
bei der Geschlechtsreife kommt heraus der astralische Leib. Der macht,
Gegebenen. Man kann in bezug auf dieses Gegebene nur
daß es die Liebe nach außen tragen kann, daß es empfindet die Unterschiede
fragen, was es außerhalb der Wahrnehmung, das ist: für
von Menschen; denn es ist die Geschlechtsreife nicht bloß damit
das Denken ist. Die Frage nach dem «Was» einer Wahrnehmung
verknüpft, daß sie in die Geschlechtserkenntnis hineinführt, sondern in
kann also nur auf die begriffliche Intuition gehen, die
die Erkenntnis des Untertauchens in alle Dinge. Viertens, und die Ich-
ihr entspricht. Unter diesem Gesichtspunkte kann die Frage
Erkenntnis wird eigentlich erst mit dem einundzwanzigsten, zweiundzwanzigsten
nach der Subjektivität der Wahrnehmung im Sinne des
Jahre geboren. Der Mensch wird nicht früher ein vollständig
kritischen Idealismus gar nicht aufgeworfen werden. Als
selbständiges Ich." {{Lit|{{G|304a|166ff}}}}
subjektiv darf nur bezeichnet werden, was als zum Subjekte
</div>
gehörig wahrgenommen wird. Das Band zu bilden zwischen
Subjektivem und Objektivem kommt keinem im naiven
Sinn realen Prozeß, das heißt einem wahrnehmbaren Geschehen
zu, sondern allein dem Denken. Es ist also für uns
objektiv, was sich für die Wahrnehmung als außerhalb des
Wahrnehmungssubjektes gelegen darstellt.|4|98f}}


Die ganze [[Entwicklung]] geht beim Kind in den ersten Lebensjahren vom [[Kopf]], vom [[Nerven-Sinnes-System]], aus. Das Kind ist da eigentlich noch ganz [[Sinnesorgan]] und bildet in sich durch [[Nachahmung]] das nach, was es mit den Sinnen [[Wahrnehmung|wahrnimmt]] - und am besten wird man für seine Erziehung sorgen, wenn es das, was es wahrnimmt, auch für "[[Wahrheit|wahr]]", [[gut]] und [[richtig]] nehmen darf. Appeliert man zu früh an den [[Intellekt]], wird diese noch sehr lebendige Entwicklung empfindlich gestört und nicht nur das Nerven-Sinnes-System, sondern letzlich der ganze [[Organismus]] nicht ganz richtig ausgebildet.
Die [[Sinnesqualitäten]] sind rein seelischer und ''nicht'' [[physisch]]er Natur, aber wir erfahren sie zunächst nicht in ihrer reinen Gestalt, sondern nur abgeschattet ''an'' der Materie. Tatsächlich eröffnet sich der Blick für die [[Wirklichkeit]] der Qualia erst der [[Imagination|imaginativen]] [[Anschauung]], die durch entsprechende [[Schulungsweg|geistige Übungen]] erreicht werden kann.


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<div style="margin-left:20px">
"In dem ersten Lebensalter,
"Mit Bezug auf die Sinneswahrnehmungen ist man
bis zum Zahnwechsel hin — ich habe es schon ausgesprochen —, ist das
aber in eine wahre wissenschaftliche Verwirrung gekommen.
Kind in einem mehr als sinnbildlichen Sinne ganz Sinnesorgan. Es ist
Die Menschen meinen vielfach - die Physiologen
gewissermaßen ganz Kopf; und alle seine Entwickelung geht vom Nerven-
haben sich in dieser Beziehung sogar den Erkenntnistheoretikern
Sinnessystem aus. Da liegen die Ursprungsstellen für die formenden
und Philosophen im 19. Jahrhundert angeschlossen
Kräfte des ganzen Organismus. Das Nerven-Sinnessystem durchdringt
-, wenn wir zum Beispiel Rot sehen, so ist
als Hauptakteur den ganzen Organismus; und alle Eindrücke der
der äußere Vorgang irgendein Schwingungsvorgang, der
Außenwelt wirken durch den ganzen Organismus hindurch, während
sich fortpflanzt bis zu unserem Sehorgan, bis zum Gehirn.
sie im späteren Leben nur an der Peripherie des Sinnessystems physisch,
Dann wird ausgelöst das eigentliche Rot-Erlebnis.
aber weiter in den Körper hinein bloß seelisch wirken.
Oder es wird durch den äußeren Schwingungsvorgang
ausgelöst der Ton Cis auf dieselbe Weise. Hier ist man in
Verwirrung geraten, weil man dasjenige, was in uns, in
unserer Körperbegrenzung lebt, gar nicht mehr von dem
Äußeren unterscheiden kann. Hier spricht man durchaus
davon, daß alle Sinnesqualitäten, Farben, Töne, Wärmequalitäten,
eigentlich nur subjektiv seien; daß das äußere
Objektive etwas ganz anderes sei.


Man möchte sagen: Der reife Mensch ist so organisiert, daß das Licht
Wenn wir nun geradeso, wie wir die drei Raumesdimensionen
mit seinen physischen Wirkungen im Auge halt macht und daß es weiter
zunächst aus uns heraus bilden, um sie an
hinein in den Organismus nur die vom Gefühl durchdrungene Vorstellung
und in den Dingen wieder zu finden, wenn wir ebenso
vom Lichte schickt. Beim Kinde ist es so, daß gewissermaßen
dasjenige, was in uns sonst als Sinnesempfindung auftritt,
jedes Blutkörperchen innerlich vom Lichte physisch erregt wird. Man
aus uns selbst schöpfen und dann außer uns versetzen
darf diese Wirkungen allerdings nicht so verstehen, als ob sie mit groben
könnten, dann würden wir das erst in uns Gefundene
physischen Methoden nachweisbar seien. Das Kind ist noch ganz
in den Dingen ebenso finden, ja, auf uns zurückschauend,
den Wirkungen derjenigen ätherischen Essenzen hingegeben, die im
es wiederfinden, wie wir das als Raum in uns
späteren Leben nur an der Oberfläche des Leibes, in den Sinnesorganen
Erlebte in der Außenwelt finden und auf uns zurückschauend,
wirken, damit der Mensch innerlich etwas ganz anderes entwickeln
uns selbst diesem Raume angehörend finden.
könne. Das Kind bis zum Zahnwechsel ist durch den ganzen Organismus
Wir würden, wie wir die Raumeswelt um uns haben, eine
hindurch Sinn; der mehr erwachsene Mensch ist an seiner Oberfläche
Welt von ineinanderfließenden Farben und Tönen um
Sinn, im Inneren Seele. Man beachte das in konkreten Einzelheiten.
uns haben. Wir würden sprechen von einer objektivierten
Derjenige, der als erwachsener Mensch einem ganz jungen
farbigen, tönenden Welt, einer flutenden, farbigen,
Kinde, einem Säugling zugesellt ist, der wird als Mensch mit seinem
tönenden Welt, so wie wir von dem Raume um uns
ganzen inneren Erleben zum Erzieher des Kindes. Angenommen, es
herum sprechen.
befinde sich an der Seite des Kindes ein sorgenvoller Mensch, ein solcher,
der auch Grund hat, Sorgen zu entwickeln. Beim reifen Menschen
kommt nur schwach dasjenige zur Offenbarung, was als physische
Wirkung dieser seelischen Sorgen in Konstitution, Mimik und Bewegung
in seinem Körper ist. Wenn wir Sorge haben, so ist immer unser
Mund etwas trocken. Und wenn bei gewissen Menschen die Sorge habituell
wird, wenn sie dauert, dann gehen diese mit immer trockenem
Munde, mit klebender Zunge, mit einem bitteren Geschmack im Munde
herum; sogar mit leichter Atembeklemmung. Beim erwachsenen
Menschen sind diese physischen Zustände nur leise Untertöne des
Lebens.


Das Kind, das neben den Erwachsenen heranwächst, ist aber ein
Das kann der Mensch aber durchaus erreichen, daß
Imitator auch der schwächsten physischen Zustände des Erziehers. Es
er diese Welt, die sonst für ihn nur vorliegt als die Welt
richtet sich ganz nach dem physiognomischen Ausdruck, nach dem,
der Wirkungen, kennenlernt als die Welt seiner eigenen
was es wahrnimmt, nach der Art und Weise, wie der Erwachsene sorgenvoll
Bildung. Wie wir unbewußt, einfach aus unserer
spricht, sorgenvoll empfindet, ein, weil es ja ganz Sinnesorgan
menschlichen Natur heraus, uns die Raumesgestalt ausbilden,
ist. Imponderable Wechselwirkungen spielen sich ab zwischen dem
um sie dann in der Welt wiederzufinden, indem
Erwachsenen und dem Kinde. Hat der Erwachsene Sorge, die seelisch
wir sie erst metamorphosiert haben, so kann der Mensch
ist, aber sich in den physischen Folgezuständen offenbart, so nimmt das
durch gewisse Übung - das muß er jetzt bewußt ausführen
Kind als Imitator die physischen Folgen wahr und gestaltet das eigene
- dazu kommen, aus sich heraus den gesamten
Innere darnach, wie sich das Auge mit der Lichtwirkung durchdringt.
Umfang der Qualitäten enthaltenden Welt zu finden, um
Das Kind nimmt eine innerliche Geste, eine innerliche Mimik auf, was
sie dann wiederzufinden in den Dingen, wiederzufinden
sich durch die klebrige Zunge, den bitteren Geschmack offenbart. Es
zurückschauend auf sich selbst.
entwickelt sich bei ihm durch den ganzen Organismus hindurch ein
konstitutioneller Abdruck des physischen Erlebens beim Erwachsenen.
Es nimmt das in die Länge gezogene Blaßwerden des Gesichtes an, das
der sorgenvolle Erwachsene hat, aber es kann den seelischen Inhalt der
Sorge nicht in sich aufnehmen; es imitiert nur die physische Folge der
Sorge. Und das Ergebnis ist, daß beim Kinde sogleich seine physische
Konstitution von den geistigen Formkräften, die im Sinnes-Nervensystem
ihren Sitz haben, ergriffen wird. Die inneren physischen und
feineren Organe bauen sich im Sinne dessen auf, was das Kind an
physischem Abbild der Sorge in sich aufgenommen hat. Es bekommt
einen zur Sorge disponierten Organismus, der später auch leicht Lebenseindrücke
in Sorge aufnimmt, die eine andere Konstitution nicht dazu
treiben.


Das Kind wird auf diese Art zu einem sorgenvollen Menschen durch
Was ich Ihnen hier schildere, das ist das Aufsteigen zu
seinen physischen Organismus erzogen. Solche Erkenntnisse von feineren
der sogenannten imaginativen Anschauung." {{Lit|{{G|82|58f}}}}
Lebenswirkungen muß man haben, wenn man im richtigen Sinne
Erzieher sein will. Es sind dies für Lehrer und Erzieher Vorbedingungen
wie für den Maler die Beobachtungsgabe für Farbenwirkungen." {{Lit|{{G|305|58ff}}}}
</div>
</div>


== Das 2. Lebensjahrsiebent (7 - 14 Jahre) ==
== Trivia ==
[[Thomas Metzinger]], einer der wenigen deutschsprachigen Philosophen, die auf dem Gebiet der ansonsten angel-sächsisch dominierten Philosophie des Geistes heute hervorragen, glaubt nicht an die Existenz eines [[Ich]], sondern hält dieses für eine [[Modell]]konstruktion des [[Gehirn]]s, und hat eine entsprechende Theorie entworfen, soll aber angeblich selbst [[luzider Traum|luzider Träumer]] sein.


Mit dem [[Zahnwechsel]] um das [[7. Lebensjahr]], wenn die grundlegende Ausbildung des [[Physischer Leib|physischen Leibes]] abgeschlossen ist und der [[Ätherleib]] geboren wird, ist die [[Schulreife]] erreicht. Der Ätherleib kann nun durch die grundlegende [[Bildung]] während der [[Wikipedia:Schulpflicht|Pflichtschulzeit]], zu Steiners Zeiten auch einfach als Volksschulzeit bezeichnet, weiter ausgebildet werden. Das zweite Lebensjahrsiebent gliedert sich dabei in drei deutlich voneinander unterschiedene Perioden.
== Anmerkungen ==


<div style="margin-left:20px">
<references/>
"Nun müssen wir uns aber klar sein darüber, daß die Tatsache, daß
wir gerade die Volksschulzeit einteilen müssen in drei Epochen, uns ja
die Grundlage für das Ablesen des Lehrplanes und das Ablesen der
Lehrziele gibt. Erste Volksschuljahre: die Nachahmung wird durchwirkt
vom Autoritätsprinzip, 9. bis 12. Lebensjahr: das Autoritätsprinzip
greift immer mehr über, die bloße Nachahmung tritt zurück.
12. Lebensjahr: die Urteilskraft erwacht. Im 9. Lebensjahr beginnt das
Kind schon auch im eigenen inneren Erleben das Ich abzulösen von der
Umgebung. Aber dieses Ich ruft es vom 12. Jahre an zum eigenen Urteilen
auf." {{Lit|{{G|301|83}}}}
</div>


Der ganze Unterricht muss in diesem [[Lebensjahrsiebent]] auf die [[liebe]]volle [[Autorität]] des [[Lehrer]]s gegründet sein, wobei dann ab dem 12. Lebensjahr der Übergang zum eigenen [[Urteil]] des Kindes stattfinden soll.
== Siehe auch ==
[[Sinnesqualitäten]]


<div style="margin-left:20px">
[[Farben]]
"Vom 7. Jahre bis zur Geschlechtsreife, bis zum
14., 15. Jahre lebt im Kinde die Kraft, die man nennen kann das
Tun auf Autorität hin. Es kann dem Kinde kein größeres Heil
widerfahren, als wenn es dasjenige, was es unternimmt, deshalb tut,
weil verehrte Menschen in seiner Umgebung sagen: Das ist richtig,
das soll getan werden. - Es ist nichts schlimmer für das Kind, als wenn
man es zu früh vor der Geschlechtsreife an sogenanntes eigenes Urteil
gewohnt. Das Autoritätsfühlen zwischen dem 7. und 14.
Jahre wird in der Zukunft in erhöhtem und intensiverem Maße ausgebildet
werden müssen, als es in der Vergangenheit ausgebildet war.
Bewußter und bewußter wird alle Erziehung in diesen Jahren geleitet
werden müssen im Sinne eines reinen schönen Autoritätsgefühles,
das im Kinde erwacht; denn dasjenige, was in diesen Jahren in
das Kind hineingepflanzt werden soll, es soll die Grundlage bilden
für das, was die Erwachsenen im sozialen Organismus erleben sollen
als das gleiche Recht der Menschen. Das gleiche Recht der Menschen
wird nicht anders da sein, denn die Menschen werden nie reif werden
als Erwachsene für das gleiche Recht der Menschen, wenn sie
nicht in der Kindheit das Autoritätsgefühl eingepflanzt erhalten. In
der Vergangenheit mag ein viel geringerer Grad von Autoritätsgefühl
genügt haben; in der Zukunft wird er nicht genügen." {{Lit|{{G|296|19}}}}
</div>


== Das 3. Lebensjahrsiebent (14 - 21 Jahre) ==
[[Farbwahrnehmungsprozeß]]


<div style="margin-left:20px">
[[Schmerzsinn]]
"Jetzt bei der Geschlechtsreife, kommt etwas zu freier seelischer Tätigkeit, das vorher in den Rhythmus der Atmung hineingegangen ist, was sich von da aus noch bestrebte, Rhythmus in das Muskelsystem, sogar in das Knochensystem hineinzubringen. Dieses Rhythmische wird nun frei als Empfänglichkeit des Jünglings oder der Jungfrau für ideale Gebilde, für das Phantasiemäßige. Die eigentliche Phantasie wird im Grunde mit der Geschlechtsreife erst aus dem Menschen herausgeboren, wenn der von Zeit und Raum freie astralische Leib geboren wird, der ebenso wie die Träume Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nach inneren Gesichtspunkten durcheinander gruppieren kann. Der Mensch wird mit der Geschlechtsreife aus dem geistig-seelischen Leben der Welt herausgeworfen und hineingeworfen in die äußerliche Welt, die er nun mit seinem physischen Leib, mit seinem Ätherleib wahrnehmen kann. Und wenn das auch durchaus nicht klar in das Bewußtsein herauftritt, im Unterbewußten spielt es eine um so größere Rolle. Eine solche Rolle, daß nun der Mensch – wie gesagt, unterbewußt oder halbbewußt – die Welt, die er betritt, vergleicht mit der Welt, die er früher in sich gehabt hat. Er hat sie früher in sich nicht vollbewußt wahrgenommen, aber er fand die Möglichkeit in sich, mit ihr zu arbeiten. Das Innere des Menschen gibt die Möglichkeit, frei mit einer Überwelt zu arbeiten, frei mit einem Geistig-Seelischen zu arbeiten. Die äußere Welt gibt das nicht. Da gibt es alle möglichen Hemmungen zu überwinden. Da gibt es den ganzen Tumult, der in dem Verkehre zwischen Mensch und Welt zwischen dem vierzehnten und dem Beginn der Zwanzigerjahre eintritt." (Lit.: [[GA 303]], Seite 238f)
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==


#Rudolf Steiner: ''Die Erziehungsfrage als soziale Frage'', [[GA 296]] (1991), ISBN 3-7274-2960-7 {{Vorträge|296}}
* Emil du Bois-Reymond: ''Über die Grenzen des Naturerkennens'', 1872, Nachdruck u.a. in: Emil du Bois-Reymond: ''Vorträge über Philosophie und Gesellschaft'', Hamburg, Meiner, 1974.
#Rudolf Steiner: ''Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft'', [[GA 301]] (1991), ISBN 3-7274-3010-9 {{Vorträge|301}}
* [[Thomas Metzinger]]: ''Grundkurs Philosophie des Geistes 1: Phänomenales Bewusstsein'', Mentis-Verlag, Paderborn 2006, ISBN 3-89785-551-8
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Menschenkunde und Pädagogik'', [[GA 304a]] (1979), ISBN 3-7274-3045-1 {{Vorträge|304a}}
* Thomas Metzinger: ''Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik'', Piper Taschenbuch 2014, ISBN 978-3492305334, eBook ASIN B00GZL6ZT8
#Rudolf Steiner: ''Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben.'', [[GA 305]] (1991), ISBN 3-7274-3050-8 {{Vorträge|305}}
* Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4 {{Schriften|004}}
#Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik'', [[GA 303]] (1978) {{Vorträge|303}}
* Rudolf Steiner: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
#Karl König: ''Die ersten drei Jahre des Kindes'', Fischer TB, Frankfurt a.M. 1981
#Werner Christian Simonis: ''Die ersten sieben Jahre'', Fischer TB, Frankfurt a.M. 1986
#Hans Müller-Wiedemann: ''Mitte der Kindheit'', Fischer TB, Frankfurt a.M. 1984
#Henning Köhler: ''Jugend im Zwiespalt: Eine Psychologie der Pubertät für Eltern und Erzieher'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2009


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Kind|!]] [[Kategorie:Erziehung]][[Kategorie:Pädagogik]][[Kategorie:Waldorfpädagogik]] [[Kategorie:Familie]] [[Kategorie:Kindheit und Jugend]]
=== DVD-Set ===
*2009: ''Philosophie des Bewusstseins - 15 Vorlesungen an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz vom Wintersemester 2007/8'', Auditorium-Netzwerk, 5 DVDs (Video) ''(enthält zu einem Gutteil die Einführung in die Qualia-Forschung und -Diskussion in der Philosophie des Geistes, mit besonderem Bezug zu den Neurowissenschaften, sehr zu empfehlen. In dieser Vorlesung gibt es auch den Tipp von Metzinger, den Auffassungen [[wikipedia:Martine Nida-Rümelin|Martine Nida-Rümelin]]s Aufmerksamkeit zu widmen, denn sie nehme konträre Positionen zu den eigenen Ansichten ein.'')
 
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]] [[Kategorie:Bewusstsein]][[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Philosophie des Geistes]]

Version vom 22. Mai 2018, 00:43 Uhr

Farben sind ein klassisches Problem der Qualiadebatte: Wie kommt es, dass bei der Verarbeitung von bestimmten Lichtwellen Farberlebnisse entstehen?
Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? Mit dieser Frage regte der Philosoph Thomas Nagel die Debatte um die Qualia neu an.
Farbkreis, Zeichnung von Johann Wolfgang von Goethe.

Als Qualia (von lat. qualis „wie beschaffen“) werden die zunächst subjektiv erscheinenden Erlebnisinhalte des phänomenalen Bewusstseins bezeichnet. Zu den phänomenalen Bewusstseinsinhalten zählen die erlebten Sinnesqualitäten, die auf die Außenwelt verweisen, aber auch rein auf die Innenwelt bezogene Erlebnisse wie Gefühle, Gedanken, Schmerzen usw.

Das ungelöste Rätsel der Qualia

Der Begriff der "Qualia" wurde 1866 von dem amerikanischen Philosophen Charles S. Peirce[1] geprägt, aber erst 1929 durch C. I. Lewis in dem Buch Mind and the World Order[2] im heute gebräuchlichen Sinn verwendet. Das Problem der Qualia steht im Zentrum der modernen Philosophie des Geistes, die sich damit an eine Erkenntnisgrenze gestellt sieht und vielfach davon ausgeht, dass dieses Problem grundsätzlich nicht mit den Mitteln der Neuro- und Kognitionswissenschaften gelöst werden kann. Tatsächlich muss für eine rein materialistische Weltsicht das Phänomen der Qualia rätselhaft bleiben. Darauf hatte schon 1872 der Physiologe Emil Heinrich Du Bois-Reymond in seiner berühmten Ignorabimus-Rede hingewiesen:

„Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: "Ich fühle Schmerz, ruhte Lust; ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot," und der ebenso unmittelbar daraus fließenden Gewißheit: "Also bin ich"? Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, daß es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammensein Bewußtsein entstehen könne.“

Emil Du Bois-Reymond: Über die Grenzen des Naturerkennens, S 458

Der Philosoph Thomas Nagel trat mit seinem 1974 veröffentlichten Aufsatz "What is it like to be a bat?"[3] (Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?) allen reduktionistischen Bestrebungen zur Erklärung der Qualia energisch entgegen. Die Naturwissenschaft sei methodisch auf die objektive Außenperspektive festgelegt und könne daher das subjektive Erleben niemals erfassen. So mögen wir etwa noch so genau die Prozesse studieren, die im Gehirn einer Fledermaus ablaufen, wenn sie sich im Raum mit HIlfe der Echolotung orientiert. Wie es sich aber im subjektiven Erleben der Fledermaus anfühlt, ein Objekt auf diese Weise wahrzunehmen, werden wir dadurch niemals erfahren.

Qualia-Rätsel - nur ein Scheinproblem?

Eine Argumentation in der heutigen Qualia-Diskussion im Rahmen der Philosophie des Geistes ist, daß das Qualia-Problem ein künstlich erzeugtes Pseudo-Problem der Philosophie sei, dem nichts Reales entspreche. Ein Vertreter der Nichtexistenz des Qualiaproblems ist Daniel Dennett. Eine Schiene dieser Argumentation sieht die Quelle des angeblichen Qualia-Problems in dem cartesianischen Dualismus, der unbefragt vorausgesetzt werde. Als Alternative zu dem cartesischen Dualismus werden die Ansichten Wittgensteins ins Feld geführt, der die Innen-Aussen-Differenz des Bewußtseins verneint habe.

Goethes Farbenlehre

Einen ganz anderen und auch heute noch wenig verstandenen Weg ging Goethe mit seiner Farbenlehre. Er hat damit die Grundlage für den Goetheanismus geschaffen, einer wissenschaftlich exakten Betrachtung der Natur, die sich vom herkömmlichen naturwissenschaftlichen Ansatz in wesentlichen Punkten unterscheidet. Bei diesem steht die quantitative Erfassung der Naturerscheinung im Vordergrund. "Messen, was messbar ist, und messbar machen, was nicht messbar ist", war hier seit Galilei der oberste Grundsatz. Goethe strebte demgegenüber nach einer systematischen reinen Phänomenologie der sinnlich erfahrbaren Erscheinungen. Das qualitative Element steht im Vordergrund. Die Qualia selbst, die bei der Farbwahrnehmung unmittelbar erlebten Sinnesqualitäten, die bei der herkömmlichen naturwissenschaftlichen Methode als vorgeblich rein subjektive Erscheinungen aus der wissenschaftlichen Theorienbildung völlig ausgeklammert werden, rücken bei Goethe gerade in den Mittelpunkt der durchaus objektiven naturwissenschaftlichen Betrachtung.

Die seelische Realität der Qualia

Aus anthroposophischer Sicht liegt die objektive Realität der Qualia in der Astralwelt begründet. Sie sind grundlegende seelische Substanzen, die diese Seelenwelt aufbauen, so wie die physischen Substanzen die physische Welt aufbauen. Indem die Qualia vom menschlichen Astralleib aufgenommen werden, treten sie in den subjektiven Erlebnishorizont des Bewusstseins ein.

„Was ist also die Wahrnehmung? Diese Frage ist, im allgemeinen gestellt, absurd. Die Wahrnehmung tritt immer als eine ganz bestimmte, als konkreter Inhalt auf. Dieser Inhalt ist unmittelbar gegeben, und erschöpft sich in dem Gegebenen. Man kann in bezug auf dieses Gegebene nur fragen, was es außerhalb der Wahrnehmung, das ist: für das Denken ist. Die Frage nach dem «Was» einer Wahrnehmung kann also nur auf die begriffliche Intuition gehen, die ihr entspricht. Unter diesem Gesichtspunkte kann die Frage nach der Subjektivität der Wahrnehmung im Sinne des kritischen Idealismus gar nicht aufgeworfen werden. Als subjektiv darf nur bezeichnet werden, was als zum Subjekte gehörig wahrgenommen wird. Das Band zu bilden zwischen Subjektivem und Objektivem kommt keinem im naiven Sinn realen Prozeß, das heißt einem wahrnehmbaren Geschehen zu, sondern allein dem Denken. Es ist also für uns objektiv, was sich für die Wahrnehmung als außerhalb des Wahrnehmungssubjektes gelegen darstellt.“ (Lit.:GA 4, S. 98f)

Die Sinnesqualitäten sind rein seelischer und nicht physischer Natur, aber wir erfahren sie zunächst nicht in ihrer reinen Gestalt, sondern nur abgeschattet an der Materie. Tatsächlich eröffnet sich der Blick für die Wirklichkeit der Qualia erst der imaginativen Anschauung, die durch entsprechende geistige Übungen erreicht werden kann.

"Mit Bezug auf die Sinneswahrnehmungen ist man aber in eine wahre wissenschaftliche Verwirrung gekommen. Die Menschen meinen vielfach - die Physiologen haben sich in dieser Beziehung sogar den Erkenntnistheoretikern und Philosophen im 19. Jahrhundert angeschlossen -, wenn wir zum Beispiel Rot sehen, so ist der äußere Vorgang irgendein Schwingungsvorgang, der sich fortpflanzt bis zu unserem Sehorgan, bis zum Gehirn. Dann wird ausgelöst das eigentliche Rot-Erlebnis. Oder es wird durch den äußeren Schwingungsvorgang ausgelöst der Ton Cis auf dieselbe Weise. Hier ist man in Verwirrung geraten, weil man dasjenige, was in uns, in unserer Körperbegrenzung lebt, gar nicht mehr von dem Äußeren unterscheiden kann. Hier spricht man durchaus davon, daß alle Sinnesqualitäten, Farben, Töne, Wärmequalitäten, eigentlich nur subjektiv seien; daß das äußere Objektive etwas ganz anderes sei.

Wenn wir nun geradeso, wie wir die drei Raumesdimensionen zunächst aus uns heraus bilden, um sie an und in den Dingen wieder zu finden, wenn wir ebenso dasjenige, was in uns sonst als Sinnesempfindung auftritt, aus uns selbst schöpfen und dann außer uns versetzen könnten, dann würden wir das erst in uns Gefundene in den Dingen ebenso finden, ja, auf uns zurückschauend, es wiederfinden, wie wir das als Raum in uns Erlebte in der Außenwelt finden und auf uns zurückschauend, uns selbst diesem Raume angehörend finden. Wir würden, wie wir die Raumeswelt um uns haben, eine Welt von ineinanderfließenden Farben und Tönen um uns haben. Wir würden sprechen von einer objektivierten farbigen, tönenden Welt, einer flutenden, farbigen, tönenden Welt, so wie wir von dem Raume um uns herum sprechen.

Das kann der Mensch aber durchaus erreichen, daß er diese Welt, die sonst für ihn nur vorliegt als die Welt der Wirkungen, kennenlernt als die Welt seiner eigenen Bildung. Wie wir unbewußt, einfach aus unserer menschlichen Natur heraus, uns die Raumesgestalt ausbilden, um sie dann in der Welt wiederzufinden, indem wir sie erst metamorphosiert haben, so kann der Mensch durch gewisse Übung - das muß er jetzt bewußt ausführen - dazu kommen, aus sich heraus den gesamten Umfang der Qualitäten enthaltenden Welt zu finden, um sie dann wiederzufinden in den Dingen, wiederzufinden zurückschauend auf sich selbst.

Was ich Ihnen hier schildere, das ist das Aufsteigen zu der sogenannten imaginativen Anschauung." (Lit.: GA 82, S. 58f)

Trivia

Thomas Metzinger, einer der wenigen deutschsprachigen Philosophen, die auf dem Gebiet der ansonsten angel-sächsisch dominierten Philosophie des Geistes heute hervorragen, glaubt nicht an die Existenz eines Ich, sondern hält dieses für eine Modellkonstruktion des Gehirns, und hat eine entsprechende Theorie entworfen, soll aber angeblich selbst luzider Träumer sein.

Anmerkungen

  1. Charles S. Peirce: Collected Papers. Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge [1866] 1958-1966 (Nachdr.), § 223.
  2. Clarence Irving Lewis: Mind and the World Order. Outline of a Theory of Knowledge. Charles Scribner's sons, New York 1929, Dover, New York 1991 (Nachdr.). ISBN 0-486-26564-1.
  3. Thomas Nagel: What is it like to be a bat? In: The Philosophical Review. Cornell University, Ithaca 83/1974, S. 435–450. ISSN 0031-8108

Siehe auch

Sinnesqualitäten

Farben

Farbwahrnehmungsprozeß

Schmerzsinn

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

DVD-Set

  • 2009: Philosophie des Bewusstseins - 15 Vorlesungen an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz vom Wintersemester 2007/8, Auditorium-Netzwerk, 5 DVDs (Video) (enthält zu einem Gutteil die Einführung in die Qualia-Forschung und -Diskussion in der Philosophie des Geistes, mit besonderem Bezug zu den Neurowissenschaften, sehr zu empfehlen. In dieser Vorlesung gibt es auch den Tipp von Metzinger, den Auffassungen Martine Nida-Rümelins Aufmerksamkeit zu widmen, denn sie nehme konträre Positionen zu den eigenen Ansichten ein.)