Karl König

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Karl König

Karl König (* 25. September 1902 in Wien; † 17. März 1966 in Brachenreuthe bei Überlingen) war Kinderarzt, Heilpädagoge, Anthroposoph und Begründer der internationalen Camphill-Bewegung.

Leben und Arbeit

Karl König wuchs als einziges Kind eines jüdischen Schuhhändler-Ehepaars in Wien auf. Dort ging er zur Schule und studierte Medizin mit dem Interessenschwerpunkt Embryologie. Nach seinem Abschluss traf er 1927 die anthroposophische Ärztin Ita Wegman, die ihn an ihr Klinisch-Therapeutisches Institut in Arlesheim (Schweiz) einlud und mit der Heilpädagogik in Kontakt brachte. So schloss er sich 1929 als Kinderarzt dem heilpädagogischen Heim Schloß Pilgramsheim bei Striegau in Schlesien an. Im selben Jahr heiratete er Mathilde Elisabeth (Tilla) Maasberg aus der Herrnhuter Brüdergemeine (aus der Ehe gingen vier Kinder hervor). 1936 kehrte die Familie nach Wien zurück, wo Dr. König eine eigene Kinderarztpraxis eröffnete.

Karl König hatte in Wien eine heilpädagogische Einrichtung aus dem anthroposophischen Menschenbild heraus geplant und in einer Jugendgruppe[1] intensiv diskutiert. Der Einmarsch Hitlers 1938 vereitelte dieses Vorhaben: Familie König emigrierte, verfolgt als „Nicht-Arier“, über die Schweiz und Italien nach Schottland, wo sie im März 1939 ankam. Nach dem Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurde Karl König mit den übrigen Männern interniert; die Frauen bezogen das für die spätere Bewegung namengebende Haus in Camphill bei Aberdeen. Nach seiner Freilassung entstand dort im Juni 1940 die erste Camphill Community for Children in Need of Special Care, für „seelenpflegebedürftige“ Kinder als Arbeits- und Lebensgemeinschaft. Ab 1955 entstand mit Karl Königs Hilfe die erste Camphill-Dorfgemeinschaft Botton Village im nordenglischen Yorkshire für zu Betreuende jenseits des Schulalters.

Viele aus der Wiener Jugendgruppe arbeiteten in Schottland oder im Umkreis mit. Dr. Karl König entfaltete eine rege wissenschaftliche Publikations- und Vortragstätigkeit und führte eine weltweite Fachkorrespondenz. Er koordinierte die frühen Gemeinschaftsgründungen und die Verselbständigung der Einrichtungen in Regionen und dem Camphill Village Trust, führte basisdemokratische Entscheidungsfindung und Ansätze der sozialen Dreigliederung ein, initiierte Ausbildungsgänge für Mitarbeiter/innen und pflegte ein strukturiertes, von einfachen christlichen Ritualen geprägtes Zusammenleben. Sein besonderes Engagement galt den Menschen mit Down-Syndrom, von deren heilsamem Einfluss auf ihr Umfeld er überzeugt war.

Wegbegleiter beschreiben Doktor König als sehr klein gewachsen, mit lebhaftem, zugewandtem Blick, anteilnehmend, aber auch streitbar und eigenwillig. 1964 übersiedelte er von Schottland in die Dorfgemeinschaft Brachenreuthe bei Überlingen am Bodensee, wo er zwei Jahre später starb. Dort kam es aufgrund der autoritären Struktur der dortigen Camphill-Siedlung zu Streitigkeiten, u.a. auch mit Willi Seiß, der daraufhin die Einrichtung verließ.

Die für ein Camphill village typische, von Karl König beförderte Lebensform basiert auf dem engen Bezug zur Natur über die gemeinsame Arbeit in Landwirtschaft, Garten, Bäckerei und Küche sowie weiteren Werkstätten. Das Wohnen in Wahlfamilien und das gemeinsame kulturelle Leben sind Teil des therapeutischen Programms. Die „Dörfler“ gelten dabei trotz ihrer meist mehrfachen, schweren Handicaps grundsätzlich als fähig, ihren realen, ernstzunehmenden Beitrag am gesellschaftlichen Leben zu leisten. Die erbrachte Arbeit soll so hochwertig sein, dass sie auf dem Markt bestehen kann.

Die ideale Haltung der heilpädagogisch Tätigen, so Karl König, „kommt erst dort zustande, wo eine neue Demut im Herzen zu wachsen beginnt, die in jedem Menschenantlitz den Bruder sieht.“[2]

Kritik

Kritische Einwände gegen Königs Arbeit gehen in verschiedene Richtungen.

Zum einen wirft ihm der Schweizer Theologe Ekkehard Stegemann vor, in einem (unbelegten) Vortrag (1965) Juden eine dem Christentum untergeordnete Rolle zugewiesen zu haben: Die im Holocaust Umgekommenen hätten „durch ihren Opfertod Zeugenschaft“ abgelegt „für das Kommen des Christus […] im Ätherraum der Erde.“ [3] Zum anderen werden Königs anthropologische Ausführungen, die sich auf Goethes naturwissenschaftliche Schriften stützen, aus der Sicht neodarwinistischer oder biologistischer Autoren als unhaltbar kritisiert. Weitere Kontroversen finden sich im Kontext der evidenzbasierten Medizin, die Königs anthroposophische und homöopathische Diagnose- und Therapieansätze meistenteils nicht anerkennt.

Als „profilierte“ (autoritäre) Persönlichkeit war König auch in anthroposophischen Kreisen umstritten: Er wurde beispielsweise bereits 1935 vorübergehend wegen interner Querelen aus der Anthroposophischen Gesellschaft ausgeschlossen.

Werke (auf deutsch)

  • Karl König Werkausgabe, 2008- , bisher 15 Bände erschienen, Angaben der DNB

Einzelausgaben:

  • Die ersten drei Jahre des Kindes, Stuttgart 1957
  • Embryologie und Weltentstehung. 6 Vorträge, Freiburg i. Br. 1958
  • Der Mongolismus, Stuttgart 1959
  • Die Schicksale Sigmund Freuds und Josef Breuers, Stuttgart 1962
  • Die beiden Jünger Johannes, Stuttgart 1963
  • Die Contergan-Katastrophe, Freiburg i. Br. 1963
  • Brüder und Schwestern. Geburtenfolge als Schicksal, Stuttgart 1964
  • Heilpädagogische Diagnostik, Arlesheim 1965
  • Bruder Tier, Stuttgart 1967
  • Über Rudolf Steiners Seelenkalender, Stuttgart 1970
  • Sinnesentwicklung und Leiberfahrung, Stuttgart 1971
  • Geister unter dem Zeitgeist, Stuttgart 1973
  • Sprachverständnis und Sprachbehandlung (mit Georg von Arnim und Ursula Herberg), Stuttgart 1978
  • Epilepsie und Hysterie. Heilpädagogische Diagnostik – zweiter Teil, Arlesheim 1978
  • Über die menschliche Seele, Stuttgart (2. A.) 1989
  • Die Mission des Gewissens. Fünf Vorträge, Stuttgart 1992
  • Der Impuls der Dorfgemeinschaft. Menschenkundliche Grundlagen für das Zusammenleben von Erwachsenen mit und ohne Behinderung, Stuttgart 1994
  • Der innere Pfad. Sieben Vorträge über Meditation und geistige Schulung, Stuttgart 1995
  • Auferweckung und Auferstehung. Vier Ostervorträge, Stuttgart 1997
  • Auch eine Weihnachtsgeschichte, Stuttgart 1998
  • Der Kreis der zwölf Sinne und die sieben Lebensprozesse, Stuttgart 1999
  • Vorträge und Aufzeichnungen zum „Heilpädagogischen Kurs“, Stuttgart 2000

Literatur

  • Frieda Margarete Reuschle: Karl König, in: Im Zeichen der Menschlichkeit, Zehn Lebensbilder, Urachhaus, Stuttgart 1968, S. 152ff
  • Godhard M. Husemann: Der Heilpädagoge Karl König, Hippokrates, Stuttgart 1971
  • Hans Müller-Wiedemann: Karl König. Eine mitteleuropäische Biographie im 20. Jahrhundert, Freies Geistesleben, Stuttgart 1992, ISBN 3-7725-1153-8
  • Peter Selg: Anfänge anthroposophischer Heilkunst. Ita Wegman, Friedrich Husemann, Eugen Kolisko, Frederik Willem Zeylmans van Emmichoven, Karl König, Gerhard Kienle, Verlag am Goetheanum (Pioniere der Anthroposophie 18), Dornach 2000, ISBN 3-7235-1088-4
  • Bernhard Schmalenbach: König, Karl. In: Plato, Bodo von (Hrsg.): Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biografischen Porträts, Verlag am Goetheanum, Dornach 2003, ISBN 3-7235-1199-6
  • Peter Selg: Karl König und die Anthroposophie. Zur Spiritualität eines esoterischen Christen im 20. Jahrhundert, Verlag am Goetheanum, Dornach 2006, ISBN 3-7235-1270-4
  • Peter Selg: Ita Wegman und Karl König. Eine biographische Dokumentation, Verlag am Goetheanum, Dornach 2007, ISBN 3-7235-1293-3

Einzelnachweise

  1. u.a. Alix und Peter Roth, Hans Schauder, Rudi Lissau, Bronja Hüttner, Carlo Pietzner, Edi Weissberg. Sali Gerstler(-Lipsker), Lisl Schwalb(-Schauder), Trude Blau(-Amann), Alex Baum
  2. Camphill-Brief 1965
  3. Reformierte Nachrichten (Schweiz), 8. September 1999

Weblinks

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