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[[Karl Rössel-Majdan]]
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'''Bardo''' ([[Wikipedia:Tibetische Sprache|tibetisch]] für „Lücke, [[Zwischenzustand|Zwischenzustand]], Einbeziehung, Versetzung, innewohnende Gegebenheit des Geistes“<ref>http://www.nitartha.org</ref>; [[sanskrit]] अन्तर्भाव, [[Wikipedia:IAST|IAST]]-Transliteration ''antarābhava'' <ref>http://www.spokensanskrit.de</ref>) ist die Bezeichnung für das u.a. im [[Tibetisches Totenbuch|Tibetischen Totenbuch]] beschriebene, [[Esoterik|esoterische]] Lehrverständnis der für das [[Bewusstsein]] möglichen [[Sein|Seinszustände]] im [[Diesseits]] wie im [[Jenseits]]. Als theoretischer Bestandteil der [[Wikipedia:Sechs Yogas von Naropa|Sechs Yogas von Naropa]] bildet es die wesentliche Grundlage der assoziierten [[Meditation]]stechniken. Es ist für den innerhalb des [[Wikipedia:Vajrayana|Vajrayana]]-[[Buddhismus]] auf höchster Stufe, also [[Tantra|tantrisch]] Praktizierenden sowohl „[[Wikipedia:Logbuch|Logbuch]]“, als auch individuelles Instrument der Positions- bzw. Richtungsbestimmung.
 
''Äußeres Ziel'' dieses [[Yoga]]s ist die [[Wikipedia:Kognition|kognitive]] Erfassung der dialogischen Beschreibungen vorübergehender [[Bewusstseinszustand|Zustände bzw. Stufen des Bewusstseins]]. Die Erlangung von [[Siddhi]]s genannten, [[Magie|magischen]] Kräften ist dabei ein möglicher, aber nicht zum Ziel führender Nebeneffekt.
''Inneres Ziel'' dieser [[Mystik|mystischen]] Geistesübung ist der unbedingte Erhalt des uns als Tagesbewusstsein bekannten Status Quos des [[Geist]]es über alle möglichen Dimensionen hinaus, um so durch Gewahrwerdung der höchsten Wahrheit durch [[Erleuchtung]] sich ggf. dem [[Wikipedia:Periodizität|Kreislauf]] von [[Geburt]], [[Leben]], [[Tod]] und [[Reinkarnation|Wiedergeburt]] dauerhaft entziehen zu können.
 
== Herkunft ==
Die inhaltlichen Wurzeln des Begriffes „Bardo“ finden sich in zahlreichen spirituellen Traditionen des mittleren und fernen Ostens. Die Unterscheidung verschiedener Stufen des Seins im Leben und im Tode finden sich u.a. im sog. [[Ägyptisches Totenbuch|Ägyptischen Totenbuch]], welches in seinen frühesten Teilen ca. 2.500 v.Chr. entstand, in den [[Upanischaden]], die als Teil der [[Wikipedia:Hinduismus|hinduistischen]] [[Veda|Veden]] auf ca. 800–500 v.Chr. datiert werden und im sog. [[Wikipedia:Kanjur|Kanjur]], einem wesentlichen Teil des buddhistischen Schriften-Kanons.
 
Im buddhistischen Kontext geht die Bardo-Idee – abseits von kulturellen, tibetischen Wurzeln – zurück auf interschulische Diskussionen, die bis in die Zeit wenige hundert Jahre nach dem Tod des Buddha zurückverfolgt werden können. Im wesentlichen drehte sich die Diskussion um den in Majjhima Nikaya (mn38) zu findenden Gantabba (sic), den „zu kommenden“, welcher zusammen mit zeugungsfähigen Eltern die drei notwendigen Ursachen für die Entstehung eines menschlichen Wesens bildet. Von den Unterstützern der antarabhava-Theorie (Theorie der Zwischenexistenz), wurde diese Textstelle als Hinweis auf die Notwendigkeit eben dieses antarabhava gedeutet.
 
Begrifflich nachweisbar sind die „Bardos“ zuerst bei dem buddhistischen Philosophen [[Wikipedia:Nagarjuna|Nagarjuna]] (ca. [[Wikipedia:2. Jahrhundert|2. Jahrhundert]]). Der  [[Wikipedia:Heiliger|Volksheilige]] der Tibeter, [[Wikipedia:Padmasambhava|Padmasambhava]] (8. bis 9. Jahrhundert), brachte der Legende nach das Wissen erstmals nach Tibet. In einen systematischen, erfahrungsreligiösen Zusammenhang wurden sie jedoch von dem tibetischen Meister [[Wikipedia:Naropa|Nāropa]] (11. Jahrhundert) gebracht. In seinen [[Wikipedia:Sechs Yogas von Naropa|Sechs Yogas von Naropa]] dokumentierte er das Lehrkonstrukt von den Stufen des Bewusstseins im Zusammenhang mit begleitenden Meditationstechniken.
 
Auch die [[Wikipedia:Dzogchen|Dzogchen-Tradition]] hat die Kenntnisse um mögliche Aufenthaltsorte bzw. Verfassungen des menschlichen Geistes in eigenen Übertragungslinien erhalten und weitergegeben.
 
== Systematik ==
Die Bardos werden üblicherweise in sechs übergeordnete Kategorien unterteilt. Daneben gibt es auch weniger differenzierende Systematisierungen mit nur drei bis vier unterschiedlichen Zuständen.
#'''Shinay-Bardo''', der ''natürliche Zustand des Geburtsortes'' (tibetisch རང་བཞིན་སྐྱེ་གནས་ཀྱི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration ''rang bzhin skye gnas kyi bar do'', sanskrit चण्ड अन्तर्भाव, IAST-Transliteration ''jāti-antarābhava'') <br/>Hier ist der Zustand des „normalen“ Wachbewusstseins gemeint, welcher dem Menschen gemeinhin als der bekannteste gilt. Die diesem Bardo zugeordnete, erwünschte Haltung erwirbt der Praktizierende durch [[Achtsamkeit]]s-Übungen, die ein geschärftes Seinsgefühl hervorrufen sollen. In dieser Stufe ist das Unbedingt-Sein von allem äußeren Materiellen notwendig.
#'''Milam-Bardo''', der ''Zustand des [[Traum|Träumens]]'' (tibetisch རྨི་ལམ་གྱི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration ''rmi lam gyi bar do'', sanskrit स्वप्नअन्तर्भाव, IAST-Transliteration ''svapnāntarābhava'')<br/>Der den meisten Menschen zweit-geläufigste Bewusstseinszustand ist der des Träumens. Er tritt üblicherweise während der sog. [[Wikipedia:REM-Schlaf|REM-Schlaf]]phasen auf. Durch spezielles [[Wikipedia:Training|Training]] soll erreicht werden, dass [[Denken]] und „[[Handeln]]“ auch im Traum bewusst gesteuert werden können. Das Loslassen des Konzepts eines eigenen [[Körper|Körpers]] mit den durch [[Wahrnehmung|Rezeption]] und [[Wikipedia:Motorik|Motorik]] einhergehenden Beschränkungen zu Gunsten einer Fokussierung auf Kognition und [[Wikipedia:Assoziation (Psychologie)|Assoziation]] lassen im Geist die Dreiheit von [[Subjekt]], [[Objekt]] und [[Wikipedia:Tätigkeit|Aktivität]] verschmelzen.
#'''Samten-Bardo''', der ''Zustand des ekstatischen Gleichgewichtes während tiefer Meditation'' (tibetisch ཏིང་ངེ་འཛིན་བསམ་གཏན་གྱི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration ''ting nge ’dzin bsam gtan gyi bar do'', sanskrit समाधि अन्तर्भाव, IAST-Transliteration ''samādhi-antarābhava'')<br/>Dieser Zustand ist am ehesten vergleichbar mit einer formlosen Seins-Erfahrung klaren Gewahrseins. Gegenüber dem zweiten Bardo soll nur ein reines ''Bezeugen'' übrig bleiben.
#'''Tschikhai-Bardo''', der (schmerzvolle) ''Zustand im Augenblick des [[Tod|Todes]]'' (tibetisch འཆི་ཁའི་བར་དོ་ (འཆི་ཁ་སྡུག་བསྔལ་གྱི་བར་དོ་), Wylie-Transliteration ''’chi kha’i bar do'', sanskrit IAST-Transliteration ''mumūrṣāntarābhava'')<br/>Bei diesem Zustand geht es um die Zeit kurz vor, während und kurz nach dem medizinischen Tod. Die unterschiedliche Erfahrbarkeit dieser Periode ist wesentlich determiniert durch die Festigkeit des vorab verinnerlichten Wissens darüber. Sehr weitgehende, [[Wikipedia:Simulation|simulative]] und dadurch für das leibliche Wohlbefinden nicht ungefährliche Meditationstechniken erlauben es, sich schon während der Lebensspanne mit den Umständen dieses Bardos vertraut zu machen. Schwerpunkte dabei sind zum einen die Fähigkeit zur angemessenen, eigenen Vorbereitung auf den unmittelbar bevorstehenden Tod, zum zweifelsfreien Erkennen (Todesanzeichen) des Eintretens desselben, sowie die „richtige“ Verhaltensweise danach.
#'''Tschönyi-Bardo''', der ''Zustand des Erlebens der Wirklichkeit'' (tibetisch ཆོས་ཉིད་བར་དོ་, Wylie-Transliteration ''chos nyid bar do'', sanskrit धर्मअन्तर्भाव, IAST-Transliteration ''dharmatāntarābhava'')<br/>Endgültig vom lebenden, menschlichen Körper getrennt, sieht sich die verbleibende [[Entität]] innerhalb von 14 Tagen zahlreichen Herausforderungen der Konfrontation mit vom eigenen Geist geschaffenen positiven sowie negativen Aspekten bzw. Archetypen (im Tibetischen Totenbuch: 42 friedvolle und 58 zornige Gottheiten) seiner selbst gegenübergestellt. Diese als selbstgeschaffene Illusion zu erkennen, ist ein wesentliches Ziel dieses Bardos.
#'''Sipai-Bardo''', der ''Moment der Wiederverkörperung im [[Samsara|saṃsāra]]'' (tibetisch སྲིད་པའི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration ''’srid pa’i bar do'', sanskrit भावअन्तर्भाव ''bhavāntarābhava'')<br/>Vergleichbar mit dem Moment des Todes, als eine von zwei Schnittstellen zwischen Diesseits und Jenseits, verkörpert (im doppeldeutigen Sinne) diese Stufe die erneute Fleischwerdung der „[[Gott|göttlichen]] [[Seele]]“. Nach einem initialen Totengericht durchläuft die Seele in [[Hierarchie|hierarchischer]] Abstufung innerhalb der folgenden fünf Wochen immer minderwertigere Qualitäten dieser Dimension als einen Spiegel ihres [[Karma]]s. In der letzten Woche dieses Abschnittes stellt sich der „technische Ablauf“ dabei als eine exakt spiegelverkehrte Wiederholung des Sterbens dar. Das Ergebnis hierbei ist jedoch das unmittelbare Einbezogenwerden in eine neue, existenzielle [[Empfängnis]]. Der Verlockung zu widerstehen, seinen Geist erneut in einen vergänglichen Körper pflanzen zu wollen, ist hierbei die größte Herausforderung.
 
Allen Bardos gemeinsam ist der Lehre nach, dass sie mehr oder weniger offensichtliche und unterschiedliche Möglichkeiten der Befreiung bieten, die jedoch aktiv vom Individuum ergriffen werden müssen.
 
== Forschung ==
Die verschiedenen Stufen von Bardos erfahren in den [[Wissenschaft|Natur- und Geisteswissenschaften]] unterschiedliche Beachtung. Während die materiellen Vorgänge des Lebens – Traum- und meditative Zustände eingeschlossen – durch [[Medizin]], [[Psychologie]], [[Physik]] und [[Chemie]] heute schon z.T. sehr weit erfasst sind, werfen Fragen bezüglich eines wie auch immer gearteten außerexistenziellen [[Dasein]]s zumindest aus heutiger Sicht unüberwindliche, [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretische]] Hürden auf, die u.a. auch in fehlenden, geeigneten, [[Methodologie|methodologischen]] Ansätzen begründet sind. Das systematische Sammeln und Auswerten von authentischen Berichten und historischen Niederschriften über [[Nahtod-Erfahrung]]en und [[außerkörperliche Erfahrung]]en ist eine erste Auseinandersetzung mit der Thematik, die grundsätzlich an der Nähe zur umstrittenen [[Wikipedia:Parapsychologie|Parapsychologie]] krankt.
 
Bekannte Wissenschaftler, wie der Schweizer [[Arzt|Mediziner]] und [[Psychologe]] [[Carl Gustav Jung]] (* [[Wikipedia:26. Juli|26. Juli]] [[Wikipedia:1875|1875]] in [[Wikipedia:Kesswil|Kesswil]]; † [[Wikipedia:6. Juni|6. Juni]] [[Wikipedia:1961|1961]] in [[Wikipedia:Küsnacht ZH|Küsnacht]]), der amerikanische [[Philosoph]] [[Ken Wilber]] (* [[Wikipedia:31. Januar|31. Januar]] [[Wikipedia:1949|1949]] in [[Wikipedia:Oklahoma City|Oklahoma City]], [[Wikipedia:Oklahoma|Oklahoma]]) und der tschechische [[Philosoph|Medizinphilosoph]], [[Wikipedia:Psychotherapeut|Psychotherapeut]] und [[Wikipedia:Psychiater|Psychiater]] [[Wikipedia:Stanislav Grof|Stanislav Grof]] (* [[Wikipedia:1931|1931]] in [[Wikipedia:Prag|Prag]]) haben sich mit einzelnen oder auch allen Bardos auseinandergesetzt und durch ihre z.T. umfangreiche Arbeit daran, wertvolle Dienste zum Verständnis derselben geleistet.
 
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Portal:Geist und Gehirn|Portal:Geist und Gehirn]] – verweist auf eine breite Palette von Themen nahen Informationen
* [[Wikipedia:Kognitionswissenschaft|Kognitionswissenschaft]] – beschäftigt sich mit der interdisziplinären Forschung zum Thema „Bewusstsein“
* [[Wikipedia:Philosophie des Geistes|Philosophie des Geistes]] – beschäftigt sich mit der Natur geistiger oder mentaler Zustände
* [[Wikipedia:Existentialismus|Existentialismus]] – beschäftigt sich philosophisch mit Fragen der Existenz an sich
 
== Quellen ==
=== Deutsche Bücher ===
* [[Wikipedia:Dalai Lama|Dalai Lama]] ''Der Weg zum sinnvollen Leben: Das Buch vom Leben und Sterben''. Herder, Freiburg, 1. Auflage, September 2006. ISBN 3-451-05642-9
* [[Wikipedia:Alexandra David-Néel|David-Néel, Alexandra]] ''Heilige und Hexer. Glaube und Aberglaube im Lande des Lamaismus''. W.A. Brockhaus, Leipzig, 1931. Keine ISBN
* David-Néel, Alexandra ''Mein Weg durch Himmel und Höllen''. Fischer, Frankfurt/Main, 2007. ISBN 978-3-596-16458-5
* [[Wikipedia:Walter Yeeling Evans-Wentz|Evans-Wentz, Walter Y.]] ''Milarepa, Tibets großer Yogi''. O.W. Barth, Frankfurt/Main 1998. ISBN 3-502-65191-4
* Evans-Wentz, Walter Y. ''Das tibetanische Totenbuch oder Die Nach-Tod-Erfahrung auf der Bardo-Stufe''. Artemis & Winkler, Düsseldorf, 2003. ISBN 3-53807173-X
* Fischer-Schreiber, Ingrid; Ehrhard, Franz-Karl; Diener, Michael S. ''Lexikon der östlichen Weisheitslehren''. O.W. Barth, Frankfurt/Main, 4. Auflage 1997. ISBN 3-502-67403-5
* Fremantle, Francesca ''Das Totenbuch der Tibeter – Diederichs Gelbe Reihe, Band 6''. Diederichs, München 2002. ISBN 3-42400506-1
* Grof, Stanislaw ''Das Abenteuer der Selbstentdeckung: Heilung durch veränderte Bewußtseinszustände. Ein Leitfaden''. Rowohlt, Hamburg, 2001. ISBN 3-499-19640-9
* Grof, Stanislaw ''Topographie des Unbewussten''. Klett-Cotta, Stuttgart, 7. Auflage, 1998. ISBN 3-608-95232-2
* Hauf, Monika ''Das Tibetanische Totenbuch''. Piper, München, 4. Auflage, 2005. ISBN 3-492-23694-4
* [[Wikipedia:Jolande Jacobi|Jacobi, Jolande]] ''Die Psychologie von C. G. Jung: Eine Einführung in das Gesamtwerk''. Fischer, Frankfurt/Main, 21. Auflage, 2006. ISBN 3-596-26365-4
* Kapleau, Philip ''Das Zen-Buch vom Leben und vom Sterben''. O. W. Barth bei Scherz, Frankfurt/Main 2001. ISBN 3-502-61057-6
* Kolpaktchy, Gregoire ''Das Ägyptische Totenbuch''. O. W. Barth bei Scherz, Frankfurt/Main, 6. Auflage, 1979. Keine ISBN
* Rinpoche, Chökyi Nyima ''Das Bardo-Buch: Ein Führer durch Leben, Tod und Wiedergeburt''. Schirner, Darmstadt, 2008. ISBN 3-89767-618-4
* [[Wikipedia:Sogyal Rinpoche|Rinpoche, Sogyal]] ''Das tibetische Buch vom Leben und Sterben. Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod''. O. W. Barth bei Scherz, Frankfurt/Main 1999. ISBN 3-502-67008-0
* Wilber, Ken ''Das Spektrum des Bewußtseins''. Rowohlt, Hamburg, 6. Auflage: 6, 2003. ISBN 3-499-18593-8
* Wilber, Ken ''Integrale Psychologie: Geist, Bewußtsein, Psychologie, Therapie''. Arbor, Freiburg, 2001. ISBN 3-92419569-2
 
=== Anderssprachige Bücher ===
* Brennan, J.H. ''Tibetan magic and mysticism''. Llewellyn Worldwide, Woodbury, MN/USA 2006. ISBN 0-7387-0713-9
* Mullin, Glenn H. ''The Practice of the Six Yogas of Naropa''. Snow Lion Publications, Ithaca, NY/USA 2006. ISBN 1-55939-256-8
* Mullin, Glenn H. ''The Six Yogas of Naropa: Tsongkhapa’s Commentary''. Snow Lion Publications, Ithaca, NY/USA 2005. ISBN 1-55939-234-7
 
=== Internet ===
* [http://www.buddhismus-heute.de/archive.issue__29.position__5.de.html http://www.buddhismus-heute.de/archive.issue__29.position__5.de.html] – Erläuterungen zu den Bardos von [[Wikipedia:Lopön Tsechu|Lopön Tsechu]] Rinpoche auf ''Buddhismus heute''
* [http://www.bardo.org http://www.bardo.org] – ''The Bardo of Death Studies'', eine Seite, die sich dem Thema systematisch zu nähern versucht
* [http://www.iol.ie/~taeger/bardotea/bardotea.html http://www.iol.ie/~taeger/bardotea/bardotea.html] – ''The six bardos'', die Niederschrift einer 1982 erfolgten Belehrung von [[Wikipedia:Kalu Rinpoche|Kalu Rinpoche]]
* [http://www.kheper.net/topics/bardo/tibetan.html http://www.kheper.net/topics/bardo/tibetan.html] – ''Chapter 6: The Tibetan After-Life'', Teil einer Website zum vergleichenden Verständnis verschiedener spiritueller Traditionen zum Thema „Tod“
 
== Fußnoten ==
<references/>
 
[[Kategorie:Meditation]]
[[Kategorie:Yoga]]
[[Kategorie:Buddhismus]][[Kategorie:Buddhismus in Tibet]]
[[Kategorie:Vajrayana]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 31. März 2016, 21:16 Uhr

Tibetische Bezeichnung
Tibetische Schrift:
བར་དོ་
Wylie-Transliteration:
bar do
Aussprache in IPA:
[pʰàrtò]
Offizielle Transkription der VRCh:
Pardo
Andere Schreibweisen:
Pardo
Chinesische Bezeichnung
Traditionell:
中有
Vereinfacht:
中有

Bardo (tibetisch für „Lücke, Zwischenzustand, Einbeziehung, Versetzung, innewohnende Gegebenheit des Geistes“[1]; sanskrit अन्तर्भाव, IAST-Transliteration antarābhava [2]) ist die Bezeichnung für das u.a. im Tibetischen Totenbuch beschriebene, esoterische Lehrverständnis der für das Bewusstsein möglichen Seinszustände im Diesseits wie im Jenseits. Als theoretischer Bestandteil der Sechs Yogas von Naropa bildet es die wesentliche Grundlage der assoziierten Meditationstechniken. Es ist für den innerhalb des Vajrayana-Buddhismus auf höchster Stufe, also tantrisch Praktizierenden sowohl „Logbuch“, als auch individuelles Instrument der Positions- bzw. Richtungsbestimmung.

Äußeres Ziel dieses Yogas ist die kognitive Erfassung der dialogischen Beschreibungen vorübergehender Zustände bzw. Stufen des Bewusstseins. Die Erlangung von Siddhis genannten, magischen Kräften ist dabei ein möglicher, aber nicht zum Ziel führender Nebeneffekt. Inneres Ziel dieser mystischen Geistesübung ist der unbedingte Erhalt des uns als Tagesbewusstsein bekannten Status Quos des Geistes über alle möglichen Dimensionen hinaus, um so durch Gewahrwerdung der höchsten Wahrheit durch Erleuchtung sich ggf. dem Kreislauf von Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt dauerhaft entziehen zu können.

Herkunft

Die inhaltlichen Wurzeln des Begriffes „Bardo“ finden sich in zahlreichen spirituellen Traditionen des mittleren und fernen Ostens. Die Unterscheidung verschiedener Stufen des Seins im Leben und im Tode finden sich u.a. im sog. Ägyptischen Totenbuch, welches in seinen frühesten Teilen ca. 2.500 v.Chr. entstand, in den Upanischaden, die als Teil der hinduistischen Veden auf ca. 800–500 v.Chr. datiert werden und im sog. Kanjur, einem wesentlichen Teil des buddhistischen Schriften-Kanons.

Im buddhistischen Kontext geht die Bardo-Idee – abseits von kulturellen, tibetischen Wurzeln – zurück auf interschulische Diskussionen, die bis in die Zeit wenige hundert Jahre nach dem Tod des Buddha zurückverfolgt werden können. Im wesentlichen drehte sich die Diskussion um den in Majjhima Nikaya (mn38) zu findenden Gantabba (sic), den „zu kommenden“, welcher zusammen mit zeugungsfähigen Eltern die drei notwendigen Ursachen für die Entstehung eines menschlichen Wesens bildet. Von den Unterstützern der antarabhava-Theorie (Theorie der Zwischenexistenz), wurde diese Textstelle als Hinweis auf die Notwendigkeit eben dieses antarabhava gedeutet.

Begrifflich nachweisbar sind die „Bardos“ zuerst bei dem buddhistischen Philosophen Nagarjuna (ca. 2. Jahrhundert). Der Volksheilige der Tibeter, Padmasambhava (8. bis 9. Jahrhundert), brachte der Legende nach das Wissen erstmals nach Tibet. In einen systematischen, erfahrungsreligiösen Zusammenhang wurden sie jedoch von dem tibetischen Meister Nāropa (11. Jahrhundert) gebracht. In seinen Sechs Yogas von Naropa dokumentierte er das Lehrkonstrukt von den Stufen des Bewusstseins im Zusammenhang mit begleitenden Meditationstechniken.

Auch die Dzogchen-Tradition hat die Kenntnisse um mögliche Aufenthaltsorte bzw. Verfassungen des menschlichen Geistes in eigenen Übertragungslinien erhalten und weitergegeben.

Systematik

Die Bardos werden üblicherweise in sechs übergeordnete Kategorien unterteilt. Daneben gibt es auch weniger differenzierende Systematisierungen mit nur drei bis vier unterschiedlichen Zuständen.

  1. Shinay-Bardo, der natürliche Zustand des Geburtsortes (tibetisch རང་བཞིན་སྐྱེ་གནས་ཀྱི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration rang bzhin skye gnas kyi bar do, sanskrit चण्ड अन्तर्भाव, IAST-Transliteration jāti-antarābhava)
    Hier ist der Zustand des „normalen“ Wachbewusstseins gemeint, welcher dem Menschen gemeinhin als der bekannteste gilt. Die diesem Bardo zugeordnete, erwünschte Haltung erwirbt der Praktizierende durch Achtsamkeits-Übungen, die ein geschärftes Seinsgefühl hervorrufen sollen. In dieser Stufe ist das Unbedingt-Sein von allem äußeren Materiellen notwendig.
  2. Milam-Bardo, der Zustand des Träumens (tibetisch རྨི་ལམ་གྱི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration rmi lam gyi bar do, sanskrit स्वप्नअन्तर्भाव, IAST-Transliteration svapnāntarābhava)
    Der den meisten Menschen zweit-geläufigste Bewusstseinszustand ist der des Träumens. Er tritt üblicherweise während der sog. REM-Schlafphasen auf. Durch spezielles Training soll erreicht werden, dass Denken und „Handeln“ auch im Traum bewusst gesteuert werden können. Das Loslassen des Konzepts eines eigenen Körpers mit den durch Rezeption und Motorik einhergehenden Beschränkungen zu Gunsten einer Fokussierung auf Kognition und Assoziation lassen im Geist die Dreiheit von Subjekt, Objekt und Aktivität verschmelzen.
  3. Samten-Bardo, der Zustand des ekstatischen Gleichgewichtes während tiefer Meditation (tibetisch ཏིང་ངེ་འཛིན་བསམ་གཏན་གྱི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration ting nge ’dzin bsam gtan gyi bar do, sanskrit समाधि अन्तर्भाव, IAST-Transliteration samādhi-antarābhava)
    Dieser Zustand ist am ehesten vergleichbar mit einer formlosen Seins-Erfahrung klaren Gewahrseins. Gegenüber dem zweiten Bardo soll nur ein reines Bezeugen übrig bleiben.
  4. Tschikhai-Bardo, der (schmerzvolle) Zustand im Augenblick des Todes (tibetisch འཆི་ཁའི་བར་དོ་ (འཆི་ཁ་སྡུག་བསྔལ་གྱི་བར་དོ་), Wylie-Transliteration ’chi kha’i bar do, sanskrit IAST-Transliteration mumūrṣāntarābhava)
    Bei diesem Zustand geht es um die Zeit kurz vor, während und kurz nach dem medizinischen Tod. Die unterschiedliche Erfahrbarkeit dieser Periode ist wesentlich determiniert durch die Festigkeit des vorab verinnerlichten Wissens darüber. Sehr weitgehende, simulative und dadurch für das leibliche Wohlbefinden nicht ungefährliche Meditationstechniken erlauben es, sich schon während der Lebensspanne mit den Umständen dieses Bardos vertraut zu machen. Schwerpunkte dabei sind zum einen die Fähigkeit zur angemessenen, eigenen Vorbereitung auf den unmittelbar bevorstehenden Tod, zum zweifelsfreien Erkennen (Todesanzeichen) des Eintretens desselben, sowie die „richtige“ Verhaltensweise danach.
  5. Tschönyi-Bardo, der Zustand des Erlebens der Wirklichkeit (tibetisch ཆོས་ཉིད་བར་དོ་, Wylie-Transliteration chos nyid bar do, sanskrit धर्मअन्तर्भाव, IAST-Transliteration dharmatāntarābhava)
    Endgültig vom lebenden, menschlichen Körper getrennt, sieht sich die verbleibende Entität innerhalb von 14 Tagen zahlreichen Herausforderungen der Konfrontation mit vom eigenen Geist geschaffenen positiven sowie negativen Aspekten bzw. Archetypen (im Tibetischen Totenbuch: 42 friedvolle und 58 zornige Gottheiten) seiner selbst gegenübergestellt. Diese als selbstgeschaffene Illusion zu erkennen, ist ein wesentliches Ziel dieses Bardos.
  6. Sipai-Bardo, der Moment der Wiederverkörperung im saṃsāra (tibetisch སྲིད་པའི་བར་དོ་, Wylie-Transliteration ’srid pa’i bar do, sanskrit भावअन्तर्भाव bhavāntarābhava)
    Vergleichbar mit dem Moment des Todes, als eine von zwei Schnittstellen zwischen Diesseits und Jenseits, verkörpert (im doppeldeutigen Sinne) diese Stufe die erneute Fleischwerdung der „göttlichen Seele“. Nach einem initialen Totengericht durchläuft die Seele in hierarchischer Abstufung innerhalb der folgenden fünf Wochen immer minderwertigere Qualitäten dieser Dimension als einen Spiegel ihres Karmas. In der letzten Woche dieses Abschnittes stellt sich der „technische Ablauf“ dabei als eine exakt spiegelverkehrte Wiederholung des Sterbens dar. Das Ergebnis hierbei ist jedoch das unmittelbare Einbezogenwerden in eine neue, existenzielle Empfängnis. Der Verlockung zu widerstehen, seinen Geist erneut in einen vergänglichen Körper pflanzen zu wollen, ist hierbei die größte Herausforderung.

Allen Bardos gemeinsam ist der Lehre nach, dass sie mehr oder weniger offensichtliche und unterschiedliche Möglichkeiten der Befreiung bieten, die jedoch aktiv vom Individuum ergriffen werden müssen.

Forschung

Die verschiedenen Stufen von Bardos erfahren in den Natur- und Geisteswissenschaften unterschiedliche Beachtung. Während die materiellen Vorgänge des Lebens – Traum- und meditative Zustände eingeschlossen – durch Medizin, Psychologie, Physik und Chemie heute schon z.T. sehr weit erfasst sind, werfen Fragen bezüglich eines wie auch immer gearteten außerexistenziellen Daseins zumindest aus heutiger Sicht unüberwindliche, erkenntnistheoretische Hürden auf, die u.a. auch in fehlenden, geeigneten, methodologischen Ansätzen begründet sind. Das systematische Sammeln und Auswerten von authentischen Berichten und historischen Niederschriften über Nahtod-Erfahrungen und außerkörperliche Erfahrungen ist eine erste Auseinandersetzung mit der Thematik, die grundsätzlich an der Nähe zur umstrittenen Parapsychologie krankt.

Bekannte Wissenschaftler, wie der Schweizer Mediziner und Psychologe Carl Gustav Jung (* 26. Juli 1875 in Kesswil; † 6. Juni 1961 in Küsnacht), der amerikanische Philosoph Ken Wilber (* 31. Januar 1949 in Oklahoma City, Oklahoma) und der tschechische Medizinphilosoph, Psychotherapeut und Psychiater Stanislav Grof (* 1931 in Prag) haben sich mit einzelnen oder auch allen Bardos auseinandergesetzt und durch ihre z.T. umfangreiche Arbeit daran, wertvolle Dienste zum Verständnis derselben geleistet.

Siehe auch

Quellen

Deutsche Bücher

  • Dalai Lama Der Weg zum sinnvollen Leben: Das Buch vom Leben und Sterben. Herder, Freiburg, 1. Auflage, September 2006. ISBN 3-451-05642-9
  • David-Néel, Alexandra Heilige und Hexer. Glaube und Aberglaube im Lande des Lamaismus. W.A. Brockhaus, Leipzig, 1931. Keine ISBN
  • David-Néel, Alexandra Mein Weg durch Himmel und Höllen. Fischer, Frankfurt/Main, 2007. ISBN 978-3-596-16458-5
  • Evans-Wentz, Walter Y. Milarepa, Tibets großer Yogi. O.W. Barth, Frankfurt/Main 1998. ISBN 3-502-65191-4
  • Evans-Wentz, Walter Y. Das tibetanische Totenbuch oder Die Nach-Tod-Erfahrung auf der Bardo-Stufe. Artemis & Winkler, Düsseldorf, 2003. ISBN 3-53807173-X
  • Fischer-Schreiber, Ingrid; Ehrhard, Franz-Karl; Diener, Michael S. Lexikon der östlichen Weisheitslehren. O.W. Barth, Frankfurt/Main, 4. Auflage 1997. ISBN 3-502-67403-5
  • Fremantle, Francesca Das Totenbuch der Tibeter – Diederichs Gelbe Reihe, Band 6. Diederichs, München 2002. ISBN 3-42400506-1
  • Grof, Stanislaw Das Abenteuer der Selbstentdeckung: Heilung durch veränderte Bewußtseinszustände. Ein Leitfaden. Rowohlt, Hamburg, 2001. ISBN 3-499-19640-9
  • Grof, Stanislaw Topographie des Unbewussten. Klett-Cotta, Stuttgart, 7. Auflage, 1998. ISBN 3-608-95232-2
  • Hauf, Monika Das Tibetanische Totenbuch. Piper, München, 4. Auflage, 2005. ISBN 3-492-23694-4
  • Jacobi, Jolande Die Psychologie von C. G. Jung: Eine Einführung in das Gesamtwerk. Fischer, Frankfurt/Main, 21. Auflage, 2006. ISBN 3-596-26365-4
  • Kapleau, Philip Das Zen-Buch vom Leben und vom Sterben. O. W. Barth bei Scherz, Frankfurt/Main 2001. ISBN 3-502-61057-6
  • Kolpaktchy, Gregoire Das Ägyptische Totenbuch. O. W. Barth bei Scherz, Frankfurt/Main, 6. Auflage, 1979. Keine ISBN
  • Rinpoche, Chökyi Nyima Das Bardo-Buch: Ein Führer durch Leben, Tod und Wiedergeburt. Schirner, Darmstadt, 2008. ISBN 3-89767-618-4
  • Rinpoche, Sogyal Das tibetische Buch vom Leben und Sterben. Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod. O. W. Barth bei Scherz, Frankfurt/Main 1999. ISBN 3-502-67008-0
  • Wilber, Ken Das Spektrum des Bewußtseins. Rowohlt, Hamburg, 6. Auflage: 6, 2003. ISBN 3-499-18593-8
  • Wilber, Ken Integrale Psychologie: Geist, Bewußtsein, Psychologie, Therapie. Arbor, Freiburg, 2001. ISBN 3-92419569-2

Anderssprachige Bücher

  • Brennan, J.H. Tibetan magic and mysticism. Llewellyn Worldwide, Woodbury, MN/USA 2006. ISBN 0-7387-0713-9
  • Mullin, Glenn H. The Practice of the Six Yogas of Naropa. Snow Lion Publications, Ithaca, NY/USA 2006. ISBN 1-55939-256-8
  • Mullin, Glenn H. The Six Yogas of Naropa: Tsongkhapa’s Commentary. Snow Lion Publications, Ithaca, NY/USA 2005. ISBN 1-55939-234-7

Internet

Fußnoten


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Bardo (Yoga) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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aktuell11:00, 11. Aug. 2022Vorschaubild der Version vom 11:00, 11. Aug. 20221.428 × 2.005 (1,37 MB)Odyssee (Diskussion | Beiträge)== Beschreibung == Importing file

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