Ramon Llull

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Raimundus Lullus (Ramon Llull)[1]
Ars magna, Fig. 1

Ramon Llull (manchmal auch nur Lull, latinisiert Raimundus Lullus; * 1232 in Palma de Mallorca; † Anfang 1316 auf der Fahrt von Tunis nach Mallorca) war ein katalanischer Philosoph, Logiker und Theologe. Er lebte lange Zeit im mallorquinischen Kloster Santuario de Cura. Seine Grabstätte befindet sich in der Basilika Sant Francesc in Palma.

Leben

Ramon Llull war der Sohn eines katalanischen Ritters, der unter Jakob I. von Aragón für die Eroberung der sarazenisch regierten Balearen gekämpft hatte. So wuchs er bei Hofe auf und wurde früh zum Erzieher der Prinzen ernannt. Er führte ein höfisches, weltliches Leben und widmete sich als Troubadour der Dichtkunst. 1257 heiratete er. Aus der Ehe mit Blanca entstammten zwei Kinder. 1263 veranlasste eine Vision, in der er den gekreuzigten Christus neben sich sah, Llull zu einer radikalen Änderung seines Lebens. Er unternahm Pilger- und Bildungsreisen, auch in die arabische Welt, bildete sich weiter, lernte Arabisch und stellte seine Dichtkunst in den Dienst des katholischen Glaubens. Llull wurde bald ein berühmter Gelehrter und Vertrauter des von ihm erzogenen Jakob II., er unterrichtete an der Pariser Sorbonne und nahm am Konzil von Vienne teil. Dort setzte er sich für die Einrichtung von Lehrstühlen für Hebräisch, Arabisch und Chaldäisch (= Alt-Kirchen-Syrisch) an den Universitäten Paris, Oxford, Bologna und Salamanca ein, was ihn zu einem Begründer der westeuropäischen Orientalistik machte. 1314 begab er sich im Auftrag Jakobs II. auf eine Reise nach Tunis. Auf dieser Reise wurde er 1315 von einer aufgebrachten Menge Moslems in Bougier (Algerien) gesteinigt. Ihm gelang die Flucht. Llull starb ein Jahr später auf Mallorca.

Die katholische Kirche wertet dies als Märtyrertod: Papst Pius IX. sprach Ramon Llull selig.

Werk

Llull war aufgrund seiner Christusvisionen als Missionar im gesamten Mittelmeerraum tätig. Daneben lehrte er auch an den Hochschulen von Paris und Montpellier. Er war beeinflusst durch drei Kulturen - die christliche, die islamische und die jüdische. Er schrieb einen großen Teil seiner über 280 Werke auf lateinisch und katalanisch. Damit wurde Llull zum Begründer der Katalanischen Literatur. Seine arabischen Werke sind verloren gegangen.

Als Logik bezeichnete Lullus die Kunst und die Wissenschaft, mit Hilfe des Verstandes Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, Wahrheit zu akzeptieren und Lüge von sich zu weisen.

Diese Kunst, die gleichzeitig der Titel für sein Werk Ars magna (dt.: "Große Kunst") wurde, lief auf die Idee des mechanischen Kombinierens von Begriffen mit Hilfe einer logischen Maschine hinaus und erschuf gleichzeitig damit die algorithmische Traditionslinie der Heuristik.

Lullus selbst konstruierte eine solche "logische Maschine", die aus sieben um ein Zentrum drehbaren Scheiben bestand. Auf jeder dieser Scheiben waren Wörter notiert, die verschiedene Begriffe, z.B. Mensch, Wissen, Wahrheit, Ruhm, Wohl und Quantität, logische Operationen, z.B. Unterschied, Übereinstimmung, Widerspruch und Gleichheit, bezeichneten. Durch das Drehen dieser konzentrischen Scheiben ergaben sich verschiedene Verknüpfungen von Begriffen, die Schlussformen des syllogistischen Prinzips entsprachen. Wenn man so will, kann die Llullsche Maschine als erster Computer der Welt bezeichnet werden.

Ramon Llull schrieb weit über 265 Werke in lateinischer, arabischer und altkatalanischer Sprache.

  • Llibre de contemplació en Déu
  • Llibre d'amic e amat (Das Buch vom Freunde und vom Geliebten) - Vieles in diesem Werk rührt heute homoerotisch an, gleichwohl ist der „Liebhaber“ der gläubige Christ, der Mystiker, der „Geliebte“ jedoch Jesus Christus. Dieses Werk Llulls ist stark vom islamischen Sufismus beeinflusst.

Bedeutung

Zu Lulls Lebzeiten und auch in der folgenden Zeit wurden seine Ideen mit Misstrauen aufgenommen. Seine Ars beruhte auf einem neuplatonischen System, was dem Mainstream der zeitgenössischen Scholastik widersprach. Durch seine Sprachkenntnisse hatte Lull einen direkten Zugang zur arabischen Gedankenwelt und nahm eine für seine Zeit ungewöhnlich tolerante Haltung gegenüber dem Islam ein. Gegen Ende seines Lebens vertrat Lull aber durchaus eine "Mission mit dem Schwert" (missio per gladium)[2].

Trotzdem haben seine Werke eine große Wirkungsgeschichte und in den Jahrhunderten, in denen Lullus offiziell verboten war, wurden seine Werke heimlich studiert und kopiert. Die Anhänger Lulls' werden Lullisten genannt. Auch der Philosoph Nikolaus Cusanus kann dazu gezählt werden. Es gibt auch einige pseudo-lullistische Schriften, die sich hauptsächlich mit Alchemie beschäftigen.

Im 17. Jahrhundert gewannen seine Werke Ars magna und Ars brevis durch das darin beschriebene System einer perfekten philosophischen, universalen Sprache größeren Einfluss.

Dieses System baut auf der Kombination von philosophischen Grundbegriffen auf. Die Gedanken von Lullus wurden von Leibniz, dem Begründer der mathematischen Logik, aufgegriffen. Im 19. Jahrhundert versuchte Jevons, die Idee einer logischen Maschine zu realisieren.

Lull untersuchte sowohl den Syllogismus als auch die Induktion. Er widmete sich als erster dem systematischen Studium der materiellen Implikation, die eine der grundlegenden Operationen der mathematischen Logik ist, analysierte logische Operationen mit der Kopula "und" (Konjunktion) und der Kopula "oder" (Disjunktion).

Die Arbeiten hatten einen großen Einfluss auf die Logiker des Jansenistenklosters von Port-Royal.

Lull gliederte die Wissenschaften in L'arbre de ciència (um 1295/96, veröffentlicht in lateinischer Sprache 1482) systematisch, wofür er die Allegorie des Baumes nutzte; diese Metapher wurde erstmals durch Petrus Hispanus († 1277) unter dem Begriff Arbor porphyriana in die Wissenschaftsgeschichte eingeführt (vgl. Baum des Wissens und Stammbaum der Wissenschaft).

Bei Lull repräsentieren vierzehn Bäume die Seinsbereiche wie Elemente, Botanik, Tiere, Sinnesempfindung, Imagination, Moral, Gesellschaftslehre usw.; in zwei weiteren Bäumen werden diese Bereiche durch Beispiele (Exempla) und Sprichworte (Bonmots) veranschaulicht. Jeder Baum hat wiederum eine siebenteilige Binnengliederung, bestehend aus Wurzel, Stamm, Ästen, Zweigen, Blättern, Blüten und Früchten.

Zitat

„Der Freund sehnte sich nach Einsamkeit.
Um allein zu sein, suchte er die Gesellschaft
seines Geliebten. Mit ihm ist er allein
inmitten der Leute.“

– Das Buch vom Freunde und vom Geliebten, Abschnitt 46

Wirkung

Schon zu seinen Lebzeiten waren die Lehren des Lullus umstritten. Später entstand um seine Schüler die Bewegung des Lullismus. Die offizielle Kirche hat ihn jedoch lange auf den Index gesetzt und erst später rehabilitiert.

Zu den bekanntesten Philosophen, die Llull rezipierten, zählen Agrippa von Nettesheim, der neben anderen einen Kommentar „In Artem brevem Raymundi Lulli“ (1533) verfasste, Nikolaus Cusanus, der auch Llulls Versuche des interreligiösen Dialogs aufgegriffen hat, sowie Giordano Bruno, der mehrere kleine Schriften zu Llull verfasste.

Das katalanische Äquivalent zum Goethe-Institut ist nach ihm Institut Ramon Llull benannt.

Werke

  • Das Buch vom Freunde und vom Geliebten (Libre de Amic e Amat). Übersetzt und herausgegeben von Erika Lorenz. Herder, Freiburg 1992, ISBN 3-451-04094-8
  • Das Buch über die heilige Maria = Libre de sancta Maria: katalanisch-deutsch. Hrsg. von Fernando Domínguez Reboiras. Mit einer Einführung von Fernando Domínguez Reboiras und Blanca Garí. Übersetzt von Elisenda Padrós Wolff. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 2005 ISBN 3-7728-2216-9
  • Die neue Logik. Lateinisch-Deutsch. Übersetzt von Vittorio Hösle und Walburga Büchel. Hrsg. von Charles Lohr. Meiner, Hamburg 1985, ISBN 978-3-7873-0635-0
  • Ars brevis. Lateinisch-Deutsch. Übersetzt und hrsg. von Alexander Fidora. Meiner, Hamburg 2001, ISBN 978-3-7873-1570-3
  • Das Buch vom Heiden und den drei Weisen. Reclam, Stuttgart, ISBN 3-15-009693-6
  • Felix oder Das Buch der Wunder (Llibre de Meravelles). Übersetzt von Gret Schib Torra. Schwabe, Basel 2007, ISBN 978-3-7965-2236-9
  • Doctrina pueril - Was Kinder wissen müssen, Eingeleitet von Joan Santanach i Sunol, Übersetzt von Elisenda Padrós Wolff, Katalanische Literatur des Mittelalters Bd. 4, Lit Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10522-6

Literatur

  • Linda Báez-Rubí: Die Rezeption der Lehre des Ramon Llull in der "Rhetorica christiana" (Perugia, 1579) des Franziskaners Fray Diego de Valadés., Lang, Frankfurt am Main u.a. 2004, ISBN 3-631-53401-9 Online-Ressource
  • Ermenegildo Bidese, Alexander Fidora, Paul Renner (Hgg.): Ramon Llull und Nikolaus von Kues: Eine Begegnung im Zeichen der Toleranz, Brepols, Turnhout 2005, ISBN 2-503-51846-X
  • Roger Friedlein: Der Dialog bei Ramon Llull, Max Niemeyer, Tübingen 2004, ISBN 3-484-52318-2
  • E. W. Platzeck: Raimund Lull. Sein Leben - seine Werke - die Grundlagen seines Denkens, 2 Bde., Düsseldorf 1962-1964.
  • Robert Pring-Mill: Der Mikrokosmos Ramon Llulls: eine Einführung in das mittelalterliche Weltbild, Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 2000 (Bibliographie R. Llull und Literaturverz. S. 137 - 141) ISBN 3-7728-2002-6
  • Detlef Schäfer: Ramon Lull: zwischen Bibel und Koran; Roman-Biographie., Imhof, Petersberg 2002, ISBN 3-935590-29-6
  • Frances A. Yates: Lull and Bruno: Collected Essays, Selected Works of Frances Yates, Routledge / Kegan Paul, London-Bosten 1982, ISBN 978-0-7100-0952-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Inhalt der Sprechblase: Lux mea est ipse Dominus, Mein Licht ist der Herr selbst (nach Mi 7,8 VUL).
  2. siehe: Anne Müller: Bettelorden in islamischer Fremde. Institutionelle Rahmenbedingungen franziskanischer und dominikanischer Mission in muslimischen Räumen des 13. Jahrhunderts, Münster 2002, S. 274ff.


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