Neues Testament und Neomarxismus: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
{{Linkbox Neues Testament}}
Mit der Bezeichnung '''Neomarxismus''' werden unterschiedliche, sich ab den 1920er Jahren bildende wissenschaftliche Denkschulen und davon ausgehend auch vereinzelte politische Strömungen zusammengefasst, die an das Werk von [[Karl Marx]] anknüpfen, sich aber von einer [[Dogma|dogmatisierenden]] Auslegung (z. B. der „[[Wissenschaftlicher Sozialismus|Wissenschaftliche Sozialismus]]“, die von [[Karl Kautsky]] formulierte „[[Orthodoxer Marxismus|Marxistische Orthodoxie]], Marxismus als „[[Proletariat|Proletarische]] [[Weltanschauung]]“ usw.) abgrenzen.
Das '''Neue Testament''', abgekürzt '''NT''', ist eine Sammlung von 27 Schriften des [[Urchristentum]]s in griechischer Sprache, die [[Jesus Christus]] als den zur Rettung [[Israeliten|Israels]] und des [[Universum|Kosmos]] gekommenen [[Messias]] und [[Sohn Gottes]] verkünden. Diese neutestamentlichen Schriften beziehen sich oft auf das [[Altes Testament|Alte Testament]], die [[Heilige Schrift|heiligen Schriften]] der [[Judentum|Juden]]. Die Schriften des Alten und Neuen Testaments bilden insgesamt die [[Bibel]]; diese wird von allen Richtungen des [[Christentum]]s als [[Wort Gottes]] und Grundlage des Glaubens betrachtet.


Der Begriff ''Testament'' ist abgeleitet von {{laS|testamentum}}; das ist eine Übersetzung von [[Hebräische Sprache|hebr.]] בְּרִית (berît) bzw. {{grcS|διαθήκη|diathēkē}}, Deutsch „[[Bund (Bibel)|Bund]]“. Anstelle vom „Neuen Testament“ wird daher gelegentlich auch von den „Schriften des Neuen Bundes“ gesprochen.
== Überblick ==
Hintergrund für die Entstehung des Neomarxismus waren verschiedene politische Entwicklungen und Probleme, für die der „Wissenschaftliche Sozialismus“ keine hinreichenden Erklärungen bzw. Antworten zu haben schien: die Auflösung der ''[[Sozialistische Internationale|Zweiten Internationalen]]'' als Folge der Unterstützung der national organisierten sozialistischen/sozialdemokratischen Parteien für ihren jeweiligen Staat im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]; das Scheitern bzw. völlige Ausbleiben der Revolution, obwohl eine „[[revolutionäre Situation]]“ diagnostiziert wurde; der Aufstieg [[Faschismus|faschistischer]] Bewegungen. Hinzu kamen Probleme innerhalb der marxistischen Theorie. Eine neue Sicht auf das Werk von Marx wurde auch angestoßen durch die Veröffentlichung bisher nicht zugänglicher Frühschriften wie ''[[Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844]]'' (1932). Eindringliche Kommentare schrieb dazu seinerzeit [[Herbert Marcuse]].


Die Schriften des NT lassen sich in vier Textgattungen unterscheiden: Erstens die vier [[Evangelium (Buch)|Evangelien]], die Jesu Leben, Sterben und Auferstehen erzählend entfalten, zweitens die [[Apostelgeschichte]], drittens 21 Briefe an christliche Gemeinden und Mitarbeiter sowie viertens eine [[Apokalypse]], die [[Johannesoffenbarung]]. Insgesamt enthält das NT rund 140.000 Wörter.<ref>Robert Morgenthaler: ''Statistik des neutestamentlichen Wortschatzes'', Gotthelf: Zürich 3. Auflage 1982, S. 8.</ref>
[[Datei:AdornoHorkheimerHabermasbyJeremyJShapiro2.png|thumb|[[Frankfurter Schule]] [[Max Horkheimer]] (vorne links) und [[Theodor W. Adorno]] (vorne rechts)]]


== Begriff ==
Da es keine geschlossene neomarxistische Bewegung, keine Organisationen und nur selten Personen, die sich neomarxistisch nennen, gibt, ist eine eindeutige Eingrenzung der Zugehörigkeit zum Neomarxismus schwierig, bisweilen ist die Verwendung des Begriffs willkürlich; in der tagespolitischen Debatte werden auch oft allgemein gesellschafts- oder kapitalismuskritische Positionen unspezifisch dann meist als negative Wertung gemeint als neomarxistisch bezeichnet. Auch eine einheitliche Theorie existiert nicht, man kann nur allgemeine Merkmale angeben. Eine dauerhafte Strömung im neomarxistischen Umkreis bildet der praxisphilosophische Marxismus, dessen Bezeichnung bis auf den italienischen, marxistischen Philosophen [[Antonio Labriola]] zurückverweist.
Der Begriff entwickelte sich aus dem griechischen „καινὴ διαθήκη“ (kainē diathēkē), was „neuer Bund“ heißt und ins Lateinische mit „Novum Testamentum“ übersetzt wurde. Der Bund zwischen Gott und seinem [[Israel (Volk)|Volk Israel]] ist ein zentrales Thema des [[Tanach]] {{Bibel|Ex|19|5}}. Nach dem Lukasevangelium verwendet [[Jesus Christus]] den Ausdruck beim letzten [[Abendmahl Jesu|Abendmahl]] {{Bibel|Lk|22|20}}. Der Begriff erscheint dort wahrscheinlich in Anlehnung an das Wort des Propheten [[Jeremia]]: „Seht, es werden Tage kommen Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus [[Juda (Reich)|Juda]] einen neuen Bund schließen werde.“ {{Bibel|Jer|31|31}}


Die Schriften des Neuen Testaments wurden in [[Griechische Sprache|griechischer]] Sprache aufgezeichnet („[[Novum Testamentum Graece]]“). Dabei handelt es sich um das sogenannte [[Koine]]-Griechisch. Die Semitismen der eingeflossenen griechischen Sprache der biblischen [[Septuaginta]] nennt man [[Bibelgriechisch]]. Manchmal wird diskutiert, ob Teile des Neuen Testaments ursprünglich in [[Aramäische Sprache|Aramäisch]] verfasst seien, der Sprache Jesu und der ersten Christen. Es gibt für solche Annahmen jedoch keine antiken Textzeugnisse; alle neutestamentlichen Handschriften, auch die ältesten, sind in griechischer Sprache verfasst.<ref>Thomas Söding: ''„Kannst Du Griechisch?(Apg 21,37). Die Sprache des Neuen Testaments in seiner Zeit'', Vortrag am 9. November 2009, S. 1</ref>
Der Neomarxismus verwirft das als [[Determinismus|deterministisch]] missverstandene Geschichtsbild des „traditionellen Marxismus“, nach dem eine quasi naturgesetzliche Entwicklung zu [[Revolution]] und [[Sozialismus]] führe. Betont wird hingegen die Bedeutung des sozialen Handelns der realen Menschen (''[[Subjekt (Philosophie)|Subjekte]]''), die gesellschaftliche Praxis, sowie das besondere Verhältnis zum philosophischen Erbe des deutschen Idealismus, besonders das von [[Hegel]]. Damit weicht auch die Auffassung, dass alle Erscheinungen schematisch aus wirtschaftlichen Faktoren abgeleitet werden können („[[Ökonomismus]]“), einer differenzierteren Betrachtungsweise. Einige neomarxistische Richtungen greifen weniger auf die Ergebnisse der Marx’schen Analyse als auf seine Methoden zurück, um die veränderten sozioökonomischen Verhältnisse entwickelter kapitalistischer Gesellschaften zu analysieren.  


Gemäß dem [[Brief an die Hebräer|Hebräerbrief]] beginnt der neue Bund zwischen Gott und den Menschen mit dem Tod von [[Jesus von Nazaret]]:
Wichtige theoretische Anstöße für den Neomarxismus kamen nach dem Ersten Weltkrieg von [[Georg Lukács]], [[Karl Korsch]] und [[Antonio Gramsci]]. Aus dem 1923 gegründeten [[Institut für Sozialforschung]] in Frankfurt ging als eine wichtige [[Gesellschaftswissenschaft|gesellschaftswissenschaftliche]] Forschergruppe die [[Frankfurter Schule]] von [[Max Horkheimer]] und [[Theodor W. Adorno]] hervor, deren [[Kritische Theorie]] besonders nach dem Ende der Emigration des Instituts während der Zeit des [[Nationalsozialismus]] in Westdeutschland Einfluss gewann.  
{{Zitat|Und darum ist er [Jesus] der Mittler eines neuen Bundes; sein Tod hat die Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt, damit die Berufenen das verheißene ewige Erbe erhalten. Wo nämlich ein Testament vorliegt, muss der Tod des Erblassers nachgewiesen werden; denn ein Testament wird erst im Todesfall rechtskräftig und gilt nicht, solange der Erblasser noch lebt.|{{B|Hebr|9|15–17}}}}
In dieser Übersetzung wird der griechische Begriff διαθήκη zunächst als „Bund“, dann als „Testament“ wiedergegeben. Die Übersetzung reflektiert so die zwei Bedeutungsebenen des christlichen Begriffs. Jesus wird in den Schriften des Neuen Testaments als praktizierender und [[Zirkumzision|beschnittener]] Jude dargestellt, der die Gebote und die Weisheiten des [[Tanach]] lehrt. Der Neue Bund beginnt somit nach der Erzählung von Tod und Auferstehung Jesu Christi zum Ende der christlichen [[Evangelium (Buch)|Evangelien]].


Die Beziehung von „Altem“ zu „Neuem“ Bund bzw. Testament ist ein wichtiges Thema im [[Christlich-jüdischer Dialog|christlich-jüdischen Dialog]]. Von jüdischer Seite werden die Begriffe teilweise als wertend empfunden. Daher wird das Alte Testament auch als „Erstes Testament“ bezeichnet, um dem Verständnis der Ablösung des Alten Testaments durch das Neue entgegenzuwirken. Eine analoge Bezeichnung des Neuen Testaments als „Zweites Testament“ erfolgt jedoch eher selten.
Herbert Marcuse setzte seine wissenschaftliche Tätigkeit in Amerika fort. Durch seine theoretische Orientierung und die Suche nach einer Verbindung mit den neuen sozialen Bewegungen steht er eher dem praxisphilosophischen Ansatz und dem Philosophen [[Ernst Bloch]] nahe.  


== Bibelkundlicher Überblick über das NT ==
Weiter dem Neomarxismus zugerechnet werden der französische Theoretiker [[Henri Lefebvre]] und der Philosoph und Historiker [[Lucien Febvre]]. Mit seinem Versuch, Marxismus und [[Existenzialismus]] zu verbinden, schloss sich auch [[Jean-Paul Sartre]] dem neomarxistischen [[Diskurs]] an.


=== Die vier Evangelien ===
In Großbritannien formierte sich eine Gruppe von Marxisten, die nach der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn aus der Kommunistischen Partei Großbritanniens ausgetreten war, um die Zeitschrift ''[[New Left Review]]'' (unter ihnen [[Edward P. Thompson|E. P. Thompson]], [[Perry Anderson (Historiker)|Perry Anderson]]).
Das NT beginnt mit den vier [[Bibelkanon|kanonischen]] [[Evangelien]] nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Obwohl die Evangelien am Anfang moderner Bibelausgaben stehen, sind sie doch erst nach den Paulusbriefen entstanden. Inhaltlich wollen sie der guten Nachricht (εὐαγγέλιον, [[Evangelium (Glaube)|Evangelium]]) von der Versöhnung der Menschen mit Gott in Jesus Christus Ausdruck geben. Dazu sammeln sie Reden und Begebenheiten hauptsächlich aus der Zeitspanne vom ersten öffentlichen Auftreten Jesu bis zu seinem Tod und der [[Auferstehung Jesu Christi|Auferstehung]]. Die [[Passion|Darstellung der letzten Tage]] bis zu seiner [[Kreuzigung Jesu|Kreuzigung]] ist besonders ausführlich. Enthalten sind viele Sprüche und zusammengefasste Reden sowie Wundergeschichten, theologische Deutungen, Parabeln und Dialoge zwischen Jesus, seinen Anhängern und seinen Gegnern und Geschichten über seine Auferstehung von den Toten.


=== Die Apostelgeschichte ===
[[Datei:Herbert Marcuse in Newton, Massachusetts 1955.jpeg|thumb|[[Herbert Marcuse]] (1898–1979)]]
Die [[Apostelgeschichte des Lukas]] (auch „Acta Apostolorum“) ist die Fortsetzung des Evangeliums nach Lukas vom selben Verfasser. Zentrale Punkte sind das [[Pfingsten|Pfingstereignis]] und die Aussendung der [[Jünger]]. Die „Taten der [[Apostel]]“, wie der griechische Titel übersetzt lautet, enthalten Geschichten über die ersten Märtyrer [[Stephanus]] und [[Jakobus (Bruder Jesu)|Jakobus den Gerechten]], einen Bruder Jesu. Darüber hinaus vermittelt der Text Informationen über die Urgemeinde in Jerusalem ([[Jerusalemer Urgemeinde]]) und über das Leben der ersten Christen. Die zweite Hälfte beschäftigt sich hauptsächlich mit dem [[Apostel Paulus]]. Berichtet wird seine Anfangszeit als Verfolger der Christengemeinde, seine Bekehrung und seine Missionsarbeit in Kleinasien und Europa. Die Apostelgeschichte endet mit der letzten Station des Paulus in Rom. Das Ende des Paulus wird vorausgesetzt, jedoch nicht mitgeteilt. Die handschriftliche Überlieferung kombinierte die Apostelgeschichte häufig mit den katholischen Briefen zu einem gemeinsamen Textcorpus.


=== Die Briefe ===
Da in den Ländern des „[[Real existierender Sozialismus|real existierenden Sozialismus]]“ die Staatsparteien das Interpretationsmonopol am Marxschen Werk beanspruchten, konnte sich der Neomarxismus zunächst nur in den westlich-kapitalistischen Ländern entwickeln („[[Westlicher Marxismus]]“), hauptsächlich als akademische Disziplin an Universitäten außerhalb der westlichen kommunistischen Parteien.  
Von den 27 Schriften des NT sind 21 selbständige Briefe, die üblicherweise nach tatsächlicher bzw. vermeintlicher Verfasserschaft, Funktion oder Adressatenkreis klassifiziert werden.<ref>Vgl. {{WiBiLex|Brief %2F Briefformular (NT)|Brief / Briefformular (NT)|Autoren=Hanna Roose}}</ref>
Mit der [[Jugoslawien|jugoslawischen]] [[Praxis-Gruppe]] bildete sich in der Mitte der 1960er Jahre eine offen neomarxistische [[Schule (Wissenschaft)|Theorieschule]] in einem sozialistischen Land. Deren internationale Tagungen und die Zeitschrift ''Praxis'' (1965–1974) wurden zu einem Kristallisationspunkt unorthodoxen Marxismusdenkens in Europa.


==== Die Paulusbriefe ====
Über die ''Kritische Theorie'' sowie Ernst Bloch und Herbert Marcuse hatte neomarxistisches Denken nachhaltigen Einfluss auf die 68er [[Deutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre|Studentenbewegung in Deutschland]].
Im Neuen Testament finden sich eine Reihe von Schriften, die als Verfasser den Apostel [[Paulus von Tarsus|Paulus]] angeben, die Paulusbriefe ([[Corpus Paulinum]]). Mindestens sieben dieser Briefe gelten als mit Sicherheit von Paulus verfasst, für die anderen wird mit unterschiedlich gewichtigen Gründen eine spätere Verfasserschaft von Schülern des Paulus angenommen.
 
Zu den „echten“ Paulusbriefen zählen der Römerbrief, beide Korintherbriefe, der Galaterbrief, Philipperbrief, erster Thessalonicherbrief und der Brief an Philemon. Als „Deuteropaulinen“ gelten der zweite Thessalonicherbrief, Epheserbrief, beide Briefe an Timotheus und der Brief an Titus. Die paulinische Verfasserschaft des Kolosserbriefes ist umstritten. Die protopaulinischen Briefe sind die frühesten Schriften des Neuen Testaments.
 
Oftmals ordnet man die Briefe in Kategorien ein. Die „Gefangenschaftsbriefe“ wurden nach den Angaben in den Briefen des Paulus aus dem Gefängnis geschrieben. Die drei sogenannten [[Pastoralbrief]]e geben Antworten auf Leitungs- und Gemeindefragen. Inhaltlich befassen sich die Paulusbriefe mit theologischen Fragen, mit den Zuständen in den Gemeinden, mit ethischen Fragen, mit inhaltlichen Differenzen der ersten christlichen Gruppen und mit der Abwehr von Irrlehren.
 
{{Siehe auch|Paulusbriefe|Paulinismus}}
 
==== Der Brief an die Hebräer ====
Der [[Brief an die Hebräer|Hebräerbrief]] spielt eine Sonderrolle unter den Briefen des Neuen Testaments. Er nennt selbst keinen Verfasser. Die [[Alte Kirche]] nahm an, Paulus sei der Verfasser. Diese Vorstellung wurde jedoch in der modernen Bibelwissenschaft weitgehend aufgegeben. Der Verfasser ist anonym, was aber nicht bedeutet, dass der Brief inhaltlich weniger bedeutsam ist. Da der Hebräerbrief als Paulusbrief betrachtet wurde, findet er sich daher in älteren Handschriften im Corpus Paulinum integriert. Aus textkritischer Betrachtung gehört daher der Hebräerbrief nach wie vor zum Corpus Paulinum, während die darin vertretene Theologie sich in ihrer Ausrichtung deutlich von Paulus unterscheidet.
 
==== Die katholischen Briefe ====
Die so genannten „[[Katholische Briefe|katholischen Briefe]]“ sind nicht an eine bestimmte Person oder Gemeinde gerichtet, sondern an viele Christen oder an die Christenheit allgemein. Die Bezeichnung „[[Katholizität|katholisch]]“ bezieht sich hier nicht auf die [[römisch-katholische Kirche]], sondern das griechische Wort ''[[katholikos]]'' bedeutet „allgemein, umfassend“. Die katholischen Briefe nennen Petrus oder Johannes (also die bekanntesten der zwölf Apostel) sowie Jakobus oder Judas (wohl [[Geschwister Jesu|Brüder/Verwandte Jesu]]) als Verfasser. Die meisten Theologen halten diese Verfasserangaben jedoch für unzutreffend, und betrachten diese Briefe als  [[Pseudepigraphie (Bibel)|Pseudepigraphen]].
 
=== Die Offenbarung des Johannes ===
Die [[Offenbarung des Johannes]] enthält die Visionen des Verfassers Johannes in Form eines Briefes.
 
== Geschichte und Kanonisierung des Neuen Testaments ==
{{Hauptartikel|Bibelkanon}}
 
Zu Beginn waren die einzelnen Schriften des Neuen Testaments in christlichen Gemeinden unabhängig voneinander im Umlauf. Eine erste Sammlung stellt vermutlich das [[Corpus Paulinum]] dar, denn es ist bekannt, dass gegen Ende des 1. Jahrhunderts paulinische Briefe zusammengefasst worden sind, um sie zu erhalten. Diese Zusammenfassungen zirkulierten in einigen Gemeinden. Aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert sind verschiedene Zusammenstellungen der kanonischen Schriften erhalten, der [[Kanon Muratori]] sowie Kanonlisten von [[Irenäus von Lyon|Irenäus]], [[Origenes]], [[Eusebius von Caesarea]], [[Cyril von Jerusalem]] und [[Gregor von Nazianz]].
 
Die formale [[Bibelkanon|Kanonisierung]] des Neuen Testaments fand im vierten Jahrhundert statt. Als wichtigstes Schreiben in der Geschichte des neutestamentlichen Kanon gilt dabei der 39. Osterfestbrief des Bischofs [[Athanasius von Alexandria]] aus dem Jahr 367, der die bis heute in allen christlichen Kirchen anerkannten 27 Schriften des Neuen Testaments aufzählt und als für die Kirche verbindlich einstuft. Bestätigt wird dieses durch das [[Decretum Gelasianum]], das außerdem bestimmte Schriften anerkennt, sie aber nicht zum Kanon zählt und andere definitiv ausscheidet.
 
Unumstritten waren immer die vier kanonischen [[Evangelium (Buch)|Evangelien]], die [[Apostelgeschichte des Lukas|Apostelgeschichte]], die [[Paulusbriefe]], die [[Pastoralbrief]]e und der [[1. Brief des Johannes]]. Teilweise angezweifelt, aber schließlich anerkannt wurden der [[Brief an die Hebräer|Hebräerbrief]], der [[Brief des Jakobus]], der [[1. Brief des Petrus|1.]] und [[2. Brief des Petrus]], der [[2. Brief des Johannes|2.]] und [[3. Brief des Johannes]], der [[Brief des Judas]] und die [[Offenbarung des Johannes]].
 
Einige Schriften wurden teilweise anerkannt, aber schließlich nicht ins Neue Testament aufgenommen: der [[Erster Klemensbrief|1.]] und [[Zweiter Clemensbrief|2. Clemensbrief]], die [[Didache]], der [[Barnabasbrief]], der [[Der Hirte des Hermas|Hirte des Hermas]], das [[Hebräerevangelium]], die [[Offenbarung des Petrus]]. Die übrigen [[Apokryphen#Apokryphen zum Neuen Testament|neutestamentlichen Apokryphen]] sind in keiner Kanonliste aufgeführt.
 
== Bedeutung ==
Das Neue Testament gehört zu den einflussreichsten Werken der [[Weltliteratur]]; es prägte insbesondere die europäische und die amerikanische Kultur. Zahlreiche Kunst- und Musikwerke verarbeiten Motive und Texte aus dem Neuen Testament.
 
Als Bestandteil der Bibel ist das Neue Testament die Grundlage für den christlichen Glauben in den unterschiedlichen Ausprägungen. Texte aus dem Neuen Testament werden regelmäßig im christlichen [[Gottesdienst]] gelesen und sind wesentlicher Bestandteil der [[Liturgie]]. Auch für den persönlichen Glauben der Christen spielt es eine wichtige Rolle.
 
== Neutestamentliche Wissenschaft ==
Die neutestamentliche Wissenschaft ist ein Teil der [[Bibelwissenschaft]] und hat einige Untergebiete:
* Die [[Textkritik des Neuen Testaments]] und die [[Textgeschichte des Neuen Testaments]]
* Die [[Biblische Einleitungswissenschaft|Einleitungswissenschaft]] / Neutestamentliche Literaturgeschichte
* Die [[Biblische Exegese|Exegese]] (Auslegung)
* Die Neutestamentliche Zeitgeschichte bzw. Geschichte des [[Urchristentum]]s
* Die [[Theologie des Neuen Testaments]] und
* Die Neutestamentliche [[Biblische Hermeneutik|Hermeneutik]]
 
Neutestamentliche Fachwissenschaftler ('''Neutestamentler''') arbeiten im deutschen Sprachraum größtenteils an evangelischen und katholischen [[Theologie|theologischen]] Fakultäten. Üblicherweise hat jede Theologische Fakultät mindestens einen Lehrstuhl für Neues Testament. An katholischen Fakultäten unterrichteten Gelehrte mit Priesterweihe. Wer als evangelischer Theologe zum Katholizismus konvertierte, erlitt wegen der ihm fehlenden Priesterweihe einen „Karriere-Knick“ (etwa der 1953 konvertierende [[Heinrich Schlier]]). Erst 1973 wurde [[Norbert Brox]] als „Laie“ Professor in [[Universität Regensburg|Regensburg]].<ref>Breytenbach, Hoppe: ''Neutestamentliche Wissenschaft'', 2008, S. 402.</ref> Im katholischen Bereich wurden manche Priester armer Herkunft zu neutestamentlichen Forschern; im evangelischen Bereich waren die Neutestamentler oft Söhne von Pfarrern oder Lehrern.<ref>So Franz Graf-Stuhlhofer in seiner Rezension des Buches von Breytenbach, Hoppe: ''Neutestamentliche Wissenschaft'', 2008; in Jahrbuch für Evangelikale Theologie 23, 2009, S. 298–301. In jenem Buch geht es um insgesamt 28 Neutestamentler, die in der Mitte und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiv waren.</ref> Nur ausnahmsweise wurden Neutestamentler ohne Habilitation Universitätsprofessoren. So wurde [[Werner Georg Kümmel]] 1932 mit knapp 27 Jahren zum außerordentlichen Professor an die [[Universität Zürich]] berufen.
 
Die Verbindung mit ihrer Kirche bedeutete für die Neutestamentler eine gewisse Einschränkung in der Meinungsfreiheit. 1952 sprach die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche [[Rudolf Bultmann]] das Recht ab, lutherischer Theologe zu sein; das wurde 1973 zurückgenommen.<ref>Breytenbach, Hoppe: ''Neutestamentliche Wissenschaft'', 2008, S. 7&nbsp;ff.</ref> Die Einengung durch kirchliche Vorgaben war im katholischen Bereich noch deutlich größer, vor allem bis zum [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikanischen Konzil]]. Die ursprünglich eher konservative NT-Einleitung von [[Alfred Wikenhauser]] wurde in der 1973 von [[Josef Schmid (Theologe)|Josef Schmid]] überarbeiteten 6. Auflage stärker dem historisch-kritischen Trend angenähert.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
{{Portal|Bibel}}
* Weitere thematisch verwandte Artikel: [[Marxistische Philosophie]], [[Analytischer Marxismus]], [[Eurokommunismus]], [[Marburger Schule (Politikwissenschaft)|Marburger Schule]], [[Neue Linke]], [[Operaismus]], [[Postmarxismus]], [[Rätekommunismus]], [[Sozialphilosophie]], [[Strukturalistischer Marxismus]], [[Trotzkismus]], [[Wertkritik]], [[Neue Marx-Lektüre]]
* {{WikipediaDE|Kategorie:Neues Testament}}
* Personen: [[Wolfgang Abendroth]], [[Louis Althusser]], [[André Gorz]], [[Leo Kofler]], [[Leszek Kołakowski]], [[Adolfo Sánchez Vázquez]], [[Alfred Schmidt (Philosoph)|Alfred Schmidt]], [[Alfred Sohn-Rethel]], [[Immanuel Wallerstein]]
* {{WikipediaDE|Neues Testament}}
* {{WikipediaDE|Neomarxismus}}
* {{WikipediaDE|Einleitung in das Neue Testament}}
* {{WikipediaDE|Bibelkunde}}
* {{WikipediaDE|Historisch-kritische Methode}}


== Literatur ==
== Literatur ==
;Einführende Fachliteratur
* Perry Anderson: ''Über den westlichen Marxismus.'' Frankfurt/Main 1978, ISBN 3-8108-0074-0
* Stefan Alkier: ''Neues Testament''. A. Francke Verlag (UTB für Wissenschaft), Tübingen 2010, ISBN 978-3-8252-3404-1
* Hans Heinz Holz: ''Strömungen und Tendenzen im Neomarxismus.'' Carl Hanser Verlag, München 1972, ISBN 3-446-11650-8
* David C. Bienert: ''Bibelkunde des Neuen Testaments''. Gütersloh 2010, ISBN 978-3-579-08043-7
* Stefan Gandler: ''Marx in Mexiko.'' In: ''Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung'', Frankfurt am Main, Nr. 47, Sept. 2001. S. 167–180. {{ISSN|0940-0648}}.
* Hans Conzelmann, Andreas Lindemann: ''Arbeitsbuch zum Neuen Testament''. UTB Bd. 52, Stuttgart. Zahlreiche Auflagen.
* Horst Müller: ''Praxis und Hoffnung. Studien zur Philosophie und Wissenschaft gesellschaftlicher Praxis von Marx bis Bloch und Lefebvre.'' Germinal Verlag, Bochum 1986, ISBN 3-88663-509-0
* Klaus Dorn: ''Basiswissen Bibel: Das Neue Testament'' (UTB 4384). Paderborn 2015, ISBN 978-3-8252-4384-5
* Andreas von Weiss: ''Neomarxismus. Die Problemdiskussion im Nachfolgemarxismus der Jahre 1945 bis 1970.'' Karl-Alber-Verlag, Freiburg/München 1970, ISBN 3-495-47212-6
* Karl Jaroš: ''Das Neue Testament und seine Autoren.'' Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar 2008, ISBN 978-3-8252-3087-6
* Helmut Köster: ''Einführung in das Neue Testament''. Berlin 1980.
* Erich Mauerhofer: ''Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments''. VTR; RVB, Nürnberg; Hamburg 2004 (3. Aufl.) ISBN 3-937965-11-4 (VTR), ISBN 3-928936-80-8 (RVB)
* Peter Pilhofer: ''Das Neue Testament und seine Welt.'' Eine Einführung, UTB 3363, Tübingen 2010. ISBN 978-3-8252-3363-1
* Jürgen Roloff: ''Einführung in das Neue Testament''. Reclam, Ditzingen 1995, ISBN 3-15-009413-5
* Udo Schnelle: ''Einleitung in das Neue Testament''. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2005 (5. Aufl.), ISBN 3-525-03238-2
* Peter Stuhlmacher, Gerhard Friedrich, Paul Althaus: ''Das Neue Testament deutsch.'' Teilband 1: Die Entstehung und der Wortlaut des Neuen Testaments. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1963 (10. Auflage).
* Gerd Theißen: ''Das Neue Testament.'' C.H.Beck, München 2002, ISBN 3-406-47992-8
* Jens Schröter, Jürgen Zangenberg (Hrsg.): ''Texte zur Umwelt des Neuen Testaments.'' Tübingen 2013, ISBN 978-3-8252-3663-2
* Philipp Vielhauer: ''Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter.'' De Gruyter Lehrbuch, Walter de Gruyter, Berlin / New York 1975, ISBN 3-11007763-9
 
;Literaturgeschichte des Neuen Testaments
* Detlev Dormeyer: ''Das Neue Testament im Rahmen der Literaturgeschichte''. Darmstadt 1993, ISBN 3-534-06830-0
* Marius Reiser: ''Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments. Eine Einführung''. UTB 2197. Schöningh, Paderborn u.&nbsp;a. 2001, ISBN 3-8252-2197-0
* Thomas Schmeller (Hrsg.): ''Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt'', Novum Testamentum et Orbis Antiquus: Studien zur Umwelt des Neuen Testaments; 69. Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-53968-2
* Georg Strecker: ''Literaturgeschichte des Neuen Testaments.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992.
 
;Weiterführende Fachliteratur
* Cilliers Breytenbach, Rudolf Hoppe (Hrsg.): ''Neutestamentliche Wissenschaft nach 1945. Hauptvertreter der deutschsprachigen Exegese in der Darstellung ihrer Schüler''. Neukirchener, o.&nbsp;O. o.&nbsp;J. (Neukirchen-Vluyn 2008).
;Philosophische und kulturwissenschaftliche Literatur
* René Girard: ''Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses''. Herder, Freiburg 1983 (''Des choses cachées depuis la fondation du monde.'' 1978, ISBN 2-253-03244-1), ISBN 3-451-19017-6
* René Girard: ''Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums''. Hanser, München 2002, ISBN 3-446-20230-7 (''Je vois Satan tomber comme l'éclair''. 1999.)
 
;Populärwissenschaftliche und sonstige Literatur
* F. F. Bruce: ''Die Glaubwürdigkeit der Schriften des Neuen Testamentes: eine Überprüfung des historischen Befundes''. Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell 1976, ISBN 3-88002-031-0
* William MacDonald: ''{{Webarchiv | url=http://clv.dyndns.info/pdf/255378.pdf | wayback=20070928004107 | text=Kommentar zum Neuen Testament (PDF, 6&nbsp;MB)}}''. CLV, Bielefeld 1997 (2. Aufl.), ISBN 3-89397-378-8.
* Stefan Schreiber: ''Begleiter durch das Neue Testament''. Patmos, Düsseldorf 2006, ISBN 3-491-70391-3


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
* [http://www.maranat.de/sir_03_03.html Anatoli Sirota: ''Neo-Marxism: An Attempt at Reformation''] (englisch)
;Ausgaben und Übersetzungen
* {{Wikisource|el:Βιβλίο:The New Testament in the original Greek - 1881.djvu|The New Testament in the original Greek|lang=}} Ausgabe von Brooke Foss Westcott und Fenton John Anthony Hort, 1881.
*[https://archive.org/stream/newtestamentinor82west?ref=ol#page/n7 The New Testament in the original Greek:] introduction and appendix [to] the text revised by Brooke Foss Westcott and Fenton John Anthony Hort, 1882.
*[http://www.greekbible.com/index.php Das Griechische Neue Testament] Novum Testamentum Graece, Nestle-Aland 26. Auflage mit online-Suche und grammatischen Infos (englische Erläuterungen)
*[http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/novum-testamentum-graece-na-28/lesen-im-bibeltext/ Griechischer Urtext] (Nestle-Aland 28. A.) und Übersetzungen
*[http://www-ct.informatik.uni-tuebingen.de/Comon/www/ Konkordanz (korpuslinguistisch: automatische Überprüfung eines definierten Einzeltextes auf sein Verhältnis zum Gesamttext) zur griechischen Ausgabe des Neuen Testaments]
 
;Bibelkunde
* Martin Meiser: {{Webarchiv | url=http://www.reformiert-online.net:8080/t/de/bildung/bibelkunde/nt/index.jsp | wayback=20120521084404 | text=Bibelkunde des NT}} (auf reformiert-online.de)
* Jörg Sieger: [http://www.joerg-sieger.de/einleit.htm Einleitung ins Neue Testament]
* Peter Philhofer: [http://www.neutestamentliches-repetitorium.de/inhalt/vorlesungen.html Einführung in das NT], Vorlesungsskript, Erlangen 2008.
 
;Sonstiges
* [http://users.tpg.com.au/csdv/SocSciBiblio/SSList.html Sozialwissenschaftliche Interpretation des NT] – Forschungsbibliographie (engl.)
*  Mark Goodacre: [http://www.ntgateway.com/ NT Gateway], Sammlung von online verfügbaren Materialien und Werkzeugen.
 
== Einzelnachweise ==
<references />


{{Normdaten|TYP=w|GND=4041771-2}}
[[Kategorie:Marxismus]]
[[Kategorie:Neomarxismus|!]]
[[Kategorie:Philosophie des 20. Jahrhunderts]]


[[Kategorie:Neues Testament| ]]
{{Normdaten|TYP=s|GND=4126126-4}}
[[Kategorie:Heilige Schriften]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 22. Juli 2018, 14:13 Uhr

Mit der Bezeichnung Neomarxismus werden unterschiedliche, sich ab den 1920er Jahren bildende wissenschaftliche Denkschulen und davon ausgehend auch vereinzelte politische Strömungen zusammengefasst, die an das Werk von Karl Marx anknüpfen, sich aber von einer dogmatisierenden Auslegung (z. B. der „Wissenschaftliche Sozialismus“, die von Karl Kautsky formulierte „Marxistische Orthodoxie“, Marxismus als „Proletarische Weltanschauung“ usw.) abgrenzen.

Überblick

Hintergrund für die Entstehung des Neomarxismus waren verschiedene politische Entwicklungen und Probleme, für die der „Wissenschaftliche Sozialismus“ keine hinreichenden Erklärungen bzw. Antworten zu haben schien: die Auflösung der Zweiten Internationalen als Folge der Unterstützung der national organisierten sozialistischen/sozialdemokratischen Parteien für ihren jeweiligen Staat im Ersten Weltkrieg; das Scheitern bzw. völlige Ausbleiben der Revolution, obwohl eine „revolutionäre Situation“ diagnostiziert wurde; der Aufstieg faschistischer Bewegungen. Hinzu kamen Probleme innerhalb der marxistischen Theorie. Eine neue Sicht auf das Werk von Marx wurde auch angestoßen durch die Veröffentlichung bisher nicht zugänglicher Frühschriften wie Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844 (1932). Eindringliche Kommentare schrieb dazu seinerzeit Herbert Marcuse.

Frankfurter SchuleMax Horkheimer (vorne links) und Theodor W. Adorno (vorne rechts)

Da es keine geschlossene neomarxistische Bewegung, keine Organisationen und nur selten Personen, die sich neomarxistisch nennen, gibt, ist eine eindeutige Eingrenzung der Zugehörigkeit zum Neomarxismus schwierig, bisweilen ist die Verwendung des Begriffs willkürlich; in der tagespolitischen Debatte werden auch oft allgemein gesellschafts- oder kapitalismuskritische Positionen unspezifisch – dann meist als negative Wertung gemeint – als neomarxistisch bezeichnet. Auch eine einheitliche Theorie existiert nicht, man kann nur allgemeine Merkmale angeben. Eine dauerhafte Strömung im neomarxistischen Umkreis bildet der praxisphilosophische Marxismus, dessen Bezeichnung bis auf den italienischen, marxistischen Philosophen Antonio Labriola zurückverweist.

Der Neomarxismus verwirft das als deterministisch missverstandene Geschichtsbild des „traditionellen Marxismus“, nach dem eine quasi naturgesetzliche Entwicklung zu Revolution und Sozialismus führe. Betont wird hingegen die Bedeutung des sozialen Handelns der realen Menschen (Subjekte), die gesellschaftliche Praxis, sowie das besondere Verhältnis zum philosophischen Erbe des deutschen Idealismus, besonders das von Hegel. Damit weicht auch die Auffassung, dass alle Erscheinungen schematisch aus wirtschaftlichen Faktoren abgeleitet werden können („Ökonomismus“), einer differenzierteren Betrachtungsweise. Einige neomarxistische Richtungen greifen weniger auf die Ergebnisse der Marx’schen Analyse als auf seine Methoden zurück, um die veränderten sozioökonomischen Verhältnisse entwickelter kapitalistischer Gesellschaften zu analysieren.

Wichtige theoretische Anstöße für den Neomarxismus kamen nach dem Ersten Weltkrieg von Georg Lukács, Karl Korsch und Antonio Gramsci. Aus dem 1923 gegründeten Institut für Sozialforschung in Frankfurt ging als eine wichtige gesellschaftswissenschaftliche Forschergruppe die Frankfurter Schule von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno hervor, deren Kritische Theorie besonders nach dem Ende der Emigration des Instituts während der Zeit des Nationalsozialismus in Westdeutschland Einfluss gewann.

Herbert Marcuse setzte seine wissenschaftliche Tätigkeit in Amerika fort. Durch seine theoretische Orientierung und die Suche nach einer Verbindung mit den neuen sozialen Bewegungen steht er eher dem praxisphilosophischen Ansatz und dem Philosophen Ernst Bloch nahe.

Weiter dem Neomarxismus zugerechnet werden der französische Theoretiker Henri Lefebvre und der Philosoph und Historiker Lucien Febvre. Mit seinem Versuch, Marxismus und Existenzialismus zu verbinden, schloss sich auch Jean-Paul Sartre dem neomarxistischen Diskurs an.

In Großbritannien formierte sich eine Gruppe von Marxisten, die nach der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn aus der Kommunistischen Partei Großbritanniens ausgetreten war, um die Zeitschrift New Left Review (unter ihnen E. P. Thompson, Perry Anderson).

Herbert Marcuse (1898–1979)

Da in den Ländern des „real existierenden Sozialismus“ die Staatsparteien das Interpretationsmonopol am Marxschen Werk beanspruchten, konnte sich der Neomarxismus zunächst nur in den westlich-kapitalistischen Ländern entwickeln („Westlicher Marxismus“), hauptsächlich als akademische Disziplin an Universitäten außerhalb der westlichen kommunistischen Parteien. Mit der jugoslawischen Praxis-Gruppe bildete sich in der Mitte der 1960er Jahre eine offen neomarxistische Theorieschule in einem sozialistischen Land. Deren internationale Tagungen und die Zeitschrift Praxis (1965–1974) wurden zu einem Kristallisationspunkt unorthodoxen Marxismusdenkens in Europa.

Über die Kritische Theorie sowie Ernst Bloch und Herbert Marcuse hatte neomarxistisches Denken nachhaltigen Einfluss auf die 68er Studentenbewegung in Deutschland.

Siehe auch

Literatur

  • Perry Anderson: Über den westlichen Marxismus. Frankfurt/Main 1978, ISBN 3-8108-0074-0
  • Hans Heinz Holz: Strömungen und Tendenzen im Neomarxismus. Carl Hanser Verlag, München 1972, ISBN 3-446-11650-8
  • Stefan Gandler: Marx in Mexiko. In: Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung, Frankfurt am Main, Nr. 47, Sept. 2001. S. 167–180. ISSN 0940-0648.
  • Horst Müller: Praxis und Hoffnung. Studien zur Philosophie und Wissenschaft gesellschaftlicher Praxis von Marx bis Bloch und Lefebvre. Germinal Verlag, Bochum 1986, ISBN 3-88663-509-0
  • Andreas von Weiss: Neomarxismus. Die Problemdiskussion im Nachfolgemarxismus der Jahre 1945 bis 1970. Karl-Alber-Verlag, Freiburg/München 1970, ISBN 3-495-47212-6

Weblinks


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Neomarxismus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.