Jürgen Habermas

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Habermas 2007 an der Hochschule für Philosophie München

Jürgen Habermas (* 18. Juni 1929 in Düsseldorf) ist einer der weltweit meistrezipierten Philosophen und Soziologen der Gegenwart. In der philosophischen Fachwelt wurde er bekannt durch Arbeiten zur Sozialphilosophie mit diskurs-, handlungs- und rationalitätstheoretischen Beiträgen, mit denen er die Kritische Theorie auf einer neuen Basis weiterführte. Für Habermas bilden kommunikative Interaktionen, in denen rationale Geltungsgründe erhoben und anerkannt werden, die Grundlage der Gesellschaft.

Überblick

Habermas ist der bekannteste Vertreter der nachfolgenden Generation der Kritischen Theorie. Vom hegelianisch-marxistischen Ursprung der Frankfurter Schule hat er sich durch die Rezeption und Integration eines breiten Spektrums neuerer Theorien gelöst. Nicht zuletzt durch regelmäßige Lehrtätigkeiten an ausländischen Universitäten, vor allem in den USA, sowie aufgrund von Übersetzungen seiner wichtigsten Arbeiten werden seine Theorien weltweit diskutiert.

Wegen der Vielfalt seiner philosophischen und sozialwissenschaftlichen Aktivitäten gilt Habermas als ein produktiver und engagierter Intellektueller.[1] Er verband den historischen Materialismus von Marx mit dem amerikanischen Pragmatismus, der Entwicklungstheorie von Piaget und Kohlberg und der Psychoanalyse von Freud. Zudem beeinflusste er maßgeblich die deutschen Sozialwissenschaften, die Moral- und Sozialphilosophie. Meilensteine waren vor allem seine Theorie des kommunikativen Handelns und, wiederholt inspiriert durch die diskurstheoretische Auseinandersetzung mit Karl-Otto Apel, seine Diskurstheorie der Moral und des Rechts.

Als übergeordnetes Motiv seines multidisziplinären Werks gilt ihm „die Versöhnung der mit sich selber zerfallenden Moderne“.[2] Dazu verfolgt er die Strategie, anders als Apel generell auf Letztbegründungen zu verzichten und „die universalistischen Fragestellungen der Transzendentalphilosophie, bei gleichzeitiger Detranszendentalisierung des Vorgehens und der Beweisziele, aufzunehmen“.[3] Habermas war an allen großen theoretischen Debatten der Bundesrepublik beteiligt und bezog zu gesellschaftspolitischen Kontroversen, wie Historikerstreit, Bioethik, deutsche Vereinigung, Europäische Verfassung und Irak-Krieg, mit dem Engagement eines „öffentlichen Intellektuellen“[4] prononciert Stellung.

Obwohl er sich selbst als "religiös unmusikalisch" bezeichnete, vertritt Habermas in der Gentechnikdebatte eine Position, die sich explizit auf die religiös notwendige Bewahrung der Schöpfung beruft.

"Dass der Menschen-Gott, der die Liebe ist, in Adam und Eva freie Wesen schafft, die ihm gleichen, muss man nicht glauben, um zu verstehen, was mit Ebenbildlichkeit gemeint ist. Liebe kann es ohne Erkenntnis in einem anderen, Freiheit ohne gegenseitige Anerkennung nicht geben. Dieses Gegenüber in Menschgestalt muss einerseits frei sein, um die Zuwendung Gottes erwidern zu können. Trotz seiner Ebenbildlichkeit wird freilich auch dieser Andere als Geschöpf Gottes vorgestellt. Hinsichtlich seiner Herkunft kann er Gott nicht ebenbürtig sein. Diese Geschöpflichkeit des Ebenbildes drückt eine Intuition aus, die in unserem Zusammenhang auch dem religiös Unmusikalischen etwas sagen kann. Hegel hatte ein Gespür für den Unterschied zwischen göttlicher 'Schöpfung' und dem bloßen 'Hervorgehen' aus Gott. Gott bleibt nur solange ein "Gott freier Menschen", wie wir die absolute Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf nicht einebenen. Nur so lange bedeutet nämlich die göttliche Formgebung keine Determinierung, die der Selbstbestimmung des Menschen in den Arm fällt."[5]

Einzelnachweise

  1. Laut Michael Funken ist er „der meistzitierte deutsche Philosoph der Gegenwart, und zwar mit Abstand“ und Ralf Dahrendorf sieht in ihm „den bedeutendsten Intellektuellen meiner Generation“. In: Michael Funken (Hrsg.): Über Habermas. Gespräche mit Zeitgenossen, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 7 und 124.
  2. Habermas: Die neue Unübersichtlichkeit, S. 202.
  3. Habermas: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, S. 505 f.
  4. Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, S. 130.
  5. Jürgen Habermas "Dank", In: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001 Jürgen Habermas, ISBN 3-7657-2447-5, S. 54

Werke

Kritische Literatur

  • Mosmuller-Crull, Mieke: Ethisch individualisme versus kommunikatief handelen. Kritiek op Habermas' theorie. Deel 1, Den Haag, Occident Verlag, 1998 (2007), 245 pp., ISBN 90-75240-06-6 Klappentext u. Rezension (Klappentext und Rezension auf niederländisch)

Sekundärliteratur

  • GESIS Habermas-Bibliographie "Literatur zu Jürgen Habermas aus fünf Jahrzehnten", mit Inhaltsangaben, bearbeitet von Maria Zens, 2009 Volltext

Weitere Literatur siehe Jürgen Habermas - Artikel in der deutschen Wikipedia

Weblinks


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