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Die '''basische Ernährung''' ist eine [[Wikipedia:Diätetik|Ernährungslehre]]. Sie ist seit etwa 1913 in der [[Alternativmedizin]] bekannt.
== Beschreibung ==
 
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Beim Abbau schwefelhaltiger [[Aminosäuren]] ([[Methionin]] und [[Cystein]]) entsteht im Körper [[Schwefelsäure]], die über den [[Urin]] ausgeschieden wird und diesen folglich ansäuert. Während die [[Azidose]] (zu niedriger Blut-[[pH-Wert|pH]]) ein anerkanntes (oft intensivmedizinisches) Krankheitsbild darstellt, sprechen Anhänger der basischen Ernährung auch völlig gesunden Menschen die Fähigkeit dazu ab, ihren [[Säure-Basen-Haushalt]] über die [[Niere]] zu regulieren. Zum Beweis werden mitunter pH-Tests des Urins durchgeführt, obwohl ein niedriger Harn-pH gerade Ausdruck einer funktionierenden Säureausscheidung ist. Damit der Körper nicht „übersäuert“, müsse der Anteil [[Basen (Chemie)|basenbildender]] Nahrungsmittel gesteigert werden; als [[Nahrungsergänzungsmittel]] werden dafür [[Citrate|Citratsalze]] („Basenpulver“) verkauft.<ref name="Vormann">Vormann, Jürgen. Säure-Basen-Balance: Der Kompass für mehr Vitalität und Wohlbefinden. Gräfe und Unzer, 3. Auflage, 2018.</ref> Während die Säurebildung bei [[Protein|eiweißreicher]] Ernährung [[Physiologie|physiologisch]] erklärbar ist, werden in der Alternativmedizin viele Lebens- und Genussmittel, die ungesund erscheinen oder es tatsächlich sind, auch ohne derartige Begründung als [[Säuren|säurebildend]] tituliert.
 
== Theorie ==
Begründung für die basische Ernährung ist die [[Hypothese]], der Körper werde durch zu viele säureproduzierende Anteile in den Nahrungsmitteln der üblichen „Zivilisationskost“ „übersäuert“, was den [[Säure-Basen-Haushalt]] des Körpers in ein gesundheitsschädliches Ungleichgewicht bringe. Eine derartige Übersäuerung (siehe [[Azidose]]) habe auf die Dauer gesundheitsschädigende Folgen, die sich in Form von diversen Krankheiten und chronischen Leiden äußert, wie zum Beispiel [[Gicht]], [[Arthrose]], Erkrankungen des [[rheuma]]tischen Formenkreises, [[Neurodermitis]], [[Osteoporose]], Muskelschmerzen, chronische Müdigkeit, Schlafstörungen, [[Herzrhythmusstörung]]en, [[Allergie]]n und auch [[Krebs (Medizin)|Krebs]].
 
Die genannten Folgen einer dieser Hypothese entsprechenden ernährungsbedingten Übersäuerung werden damit begründet, dass die überschüssigen Säuren im Körper, welche überwiegend im [[Bindegewebe]] gespeichert würden, basische Mineralien des Körpers z.&nbsp;B. aus den Knochen an sich binden und [[Salzbildungsreaktion|Salze bilden]] würden, was schließlich unter anderem zur [[Demineralisation (Medizin)|Demineralisation]] des [[Knochengewebe]]s führe. Außerdem lagerten sich die entstehenden Salze und auch die Säuren selbst in Zellen und Geweben ab, insbesondere in dem Bindegewebe aller Organe. Solchen als pathologisch bezeichneten Prozessen beuge die basische Ernährung vor. Außerdem könne sie bereits vorhandene Krankheiten heilen.<ref>Hans Krautstein: [http://www.schrotundkorn.de/1999/sk9909e2.htm Wieviel Säure verträgt der Mensch?] Schrot & Korn September 1999, abgerufen am 13. August 2012.</ref>
 
Die Krankheitsbilder einer akuten Azidose und als Gegenteil davon [[Alkalose]] sind in der [[Evidenzbasierte Medizin|evidenzbasierten Medizin]] bekannt und treten bei gesunden Menschen nur kurzfristig auf. Der Körper reguliert das Säure-Basen-Gleichgewicht selbstständig. Überschüssige Säuren werden über die [[Niere]]n [[Exkretion|ausgeschieden]], beim Ausatmen wird [[Kohlendioxid]] ausgeschieden; auch der [[Schweiß]] enthält Säuren, ebenso der ausgeschiedene [[Kot]]. Dauerhafte Azidosen sind nur bei [[Stoffwechsel]]erkrankungen wie [[Diabetes mellitus]] und Funktionsstörungen der Nieren bekannt. Sind permanent zu viele Säuren im Blut, wird zum Ausgleich nach einiger Zeit [[Kalzium]] aus den Knochen abgebaut, was [[Osteoporose]] begünstigt.
 
Im Konzept der basischen Ernährung ist nicht die akute Azidose des (arteriellen) Blutes gemeint, die als ''Blutazidose'' bezeichnet wird und auch nicht der Harnsäurespiegel, sondern eine angebliche [[chronisch]]e Übersäuerung des Körpergewebes. Da sie ernährungsbedingt sei, wird sie auch seit einigen Jahren als ''alimentäre chronische Gewebeazidose'' bezeichnet ([[Latein|lat.]] ''alimentum'' ‚Nahrung‘). Es wird davon ausgegangen, dass auch gesunde Menschen überschüssige Säuren auf Dauer nicht ausscheiden können, was krankheitsfördernd wirke.
 
Die Hypothesen zur Übersäuerung des Körpers wurden Anfang des 20. Jahrhunderts populär und von mehreren Diät-Begründern vertreten, darunter [[Howard Hay]] ([[Trennkost]]), [[Maximilian Bircher-Benner]] und Are Waerland ([[Waerland-Kost]]). Bircher-Benner machte die [[Harnsäure]] für die Entstehung von [[Krebs (Medizin)|Krebs]] verantwortlich. [[Otto Warburg (Biochemiker)|Otto Warburg]] beobachtete, dass Krebszellen Traubenzucker vergären statt ihn zu verbrennen, sodass der [[Tumor]] seine Umgebung durch [[Milchsäure]] ansäuert ([[Warburg-Effekt]]). Anhänger der basischen Ernährung behaupten dagegen gerne, Warburg habe die Übersäuerung als Ursache des Tumorwachstums identifiziert.
 
=== Geschichte ===
Die These, dass ein Ungleichgewicht von Säuren und Basen im Körper Krankheiten verursache, wurde vermutlich zum ersten Mal von [[Francis de la Boe Sylvius]] im 17.&nbsp;Jahrhundert aufgestellt, damals noch bezogen auf die „Körpersäfte“ gemäß den Vorstellungen der [[Humoralpathologie]]. Die Empfehlung lautete, die Patienten entsprechend mit Säuren oder mit Laugen zu behandeln. Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts griffen zunächst Howard Hay und [[Franz Xaver Mayr (Mediziner)|Franz Xaver Mayr]] diese Theorie auf. Von Mayr stammt der Ausspruch „die Säure ist das Zellgift schlechthin“.<ref name="pollmer">[http://www.deutschlandfunkkultur.de/die-geschichte-der-basenkost.993.de.html?dram:article_id=154339 Deutschlandfunk Kultur; Andrea Fock und Udo Pollmer: ''Die Geschichte der Basenkost''], abgerufen am 23. März 2018</ref>
 
Populär wurde die Säure-Basen-Theorie vor allem durch den schwedischen Biochemiker [[Ragnar Berg]], der den angeblichen Säure- und Basengehalt in vielen Lebensmitteln durch Analysierung der Asche nach der Verbrennung ermittelte. Er setzte [[Kationen]] mit Basen und [[Anion]]en mit Säuren gleich. Diese Befunde korrelierten mit ermittelten Harnwerten nach vorwiegend pflanzlicher und überwiegend fleischlicher Kost. Berg formulierte daraufhin die Theorie vom Säureüberschuss im Körper, die schließlich sogar zum „Säuretod“ führen könne, da er die [[Ketoazidose]] bei [[Diabetiker]]n mit Übersäuerung in Verbindung brachte.<ref name="pollmer" /> Diese Theorie wurde von Bircher-Benner aufgegriffen: „Wächst der Säureüberschuss so hoch an, dass die Nahrungsbasen nicht mehr hinreichen (…) so gerät der Organismus nach und nach in Säurenot, bis sich schließlich die Acidose, ein Zustand lebensgefährlicher Säurevergiftung, einstellt.“<ref name="pollmer" />
 
1927 erschien ein Buch des amerikanischen Arztes [[Alfred McCann]] auf Deutsch unter dem Titel ''Kultursiechtum und Säuretod'', in der ebenfalls die Übersäuerungstheorie vertreten wird. Ein Zitat:
 
„Wir wissen, daß die Fleischdiät das Blut ansäuert und daß des Menschen einzige Verteidigungsmöglichkeit gegen die Angriffe von Krankheiten auf der normalen Alkalinität des Blutes beruht.“
 
Weil die Säuren über die Nieren ausgeschieden werden, bezeichnete McCann Fleischesser als „Nierenmörder“.<ref name="pollmer" />
 
== Lebensmittel ==
Zu den basenbildend genannten Lebensmitteln gehören zum Beispiel [[Kartoffel]]n, [[Gemüse]], Blattsalate, [[Obst]] und [[Trockenfrüchte]]. Zu den säurebildend genannten Lebensmitteln zählen Eiweißlieferanten wie [[Fleisch]], [[Wurst]], [[Fische|Fisch]], [[Käse]], [[Hühnerei|Eier]].
 
Vollkornmehl wird häufig als basenbildend genannt, wirkt aber ebenso wie weißes Mehl säurebildend. Kaffee wird oft als säurebildend genannt, wirkt aber leicht basisch. Milch wird oft ebenfalls als säurebildend geannt, wirkt aber wohl tatsächlich eher basisch wegen der neutralisierenden Wirkung auf die Magensäure. Außerdem hilft sie bei Schlickauf und Sodbrennen. Joghurt und fertge Quarkzubereiungen wirken mitunter umso särebildender. Frische Quarkzubereitung kann, je nach Zutaten, ebenfalls basisch wirken. Fertige Quarkspeisen und frische Speisequarkzubereitungen sind somit ein himmelweiter Unterschied.
 
== Zur Säuregradtabelle ausgesuchter Lebensmittel siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Basische Ernährung}}
 
== Bewertung und Kritik ==
* Die Eignung als dauerhafte Ernährungsform ist umstritten.
* Eine Wirksamkeit der basischen Ernährung bezüglich der Vermeidung von Krankheiten konnte nicht nachgewiesen werden, abgesehen von Nebeneffekten durch eine insgesamt gesündere Ernährung.
* Einen wissenschaftlich anerkannten Nachweis für die Übersäuerungstheorie gibt es nicht.
* Die hessische [[Verbraucherzentrale]] bezeichnet basische Ernährung und entsprechende Nahrungsergänzungsmittel als überflüssig. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Die natürlichen [[Puffersystem]]e des Körpers, eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Gemüse und Obst, mäßig tierischen Lebensmitteln, viel Trinken sowie Bewegung schützen ausreichend vor Übersäuerung.“<ref>{{webarchiv| url    = http://www.verbraucher.de/ernaehrung/presse/pm079-06.pdf| wayback= 20071008103554| text  = Geschäfte mit der „Übersäuerung“ durch Lebensmittel – Verbraucherzentrale Hessen klärt auf}} 8. August 2006</ref>
* Aus einer Stellungnahme der ''[[Deutsche Gesellschaft für Ernährung|Deutschen Gesellschaft für Ernährung]]'': „Eine basenüberschüssige Kost bringt keine nachweisbaren gesundheitlichen Vorteile. Eine Übersäuerung des Körpers ist beim Gesunden nicht zu befürchten, da Puffersysteme den Säure-Basen-Spiegel im Blut und Gewebe konstant halten. Zu einer Azidose (Übersäuerung) kann es z.&nbsp;B. bei einer [[Diabetes mellitus#Akutkomplikationen|Stoffwechselentgleisung]] beim Diabetes mellitus kommen.“
* Ein saurer [[pH-Wert]] des [[Urin]]s ist vor allem ein Beweis dafür, dass die Nieren tatsächlich überschüssige Säuren ausscheiden. Er schwankt im Laufe des Tages ständig. Dieser Wert ist kein sicherer Anhaltspunkt dafür, dass im Körper eine Übersäuerung vorliegt, dafür müsste der pH-Wert des Blutes ermittelt werden.
* Ganz unterschiedliche Erkrankungen und Symptome prinzipiell [[monokausal]] auf die Ernährung zurückzuführen, entspricht nicht dem aktuellen Kenntnisstand von Medizin und Ernährungswissenschaften.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Basische Ernährung}}
 
== Literatur ==
* Philippe-Gaston Besson: ''Dynamisch Leben durch Säure-Basen-Gleichgewicht.'' Waldthausen Verlag, 1997.
* H. Knophius: ''Säure-Basen-Balance.'' Verlag Gräfe & Unzer, 2003.
* E.-M. Kraske: ''Säure-Basen-Balance.'' Verlag Gräfe & Unzer, 1999.
* Hans-Helmut Martin und Stefan Weigt: [http://www.ugb.de/ernaehrungsplan-praevention/saeure-basen-haushalt/druckansicht.pdf Essen wir uns sauer?] In: ''UGB-Forum'' 6, 2005, S.&nbsp;296–299. (pdf 93&nbsp;kB)
* Christian Rummel: Ragnar Berg. Leben und Werk des schwedischen Ernährungsforschers und Begründers der basischen Kost. Bern, Verlag Peter Lang, 2003
 
== Weblinks ==
* [https://www.marina-groepper.de/images/groepper15/saeurebasentabelle.pdf Nahrungsmitteltabelle] (IPEV Institut für Prävention und Ernährung, Ismaning; PDF; 87&nbsp;kB)
* Verbraucherzentrale Bayern: [http://www.verbraucherzentrale-bayern.de/UNIQ122986280923730/link250322A Krank durch Übersäuerung?] 9. August 2006. Abgerufen am 13. August 2012.
* Andrea Fock und Udo Pollmer: {{webarchiv| url    = http://www.das-eule.de/html/eu_l_e_n-spiegel_ausgabe_3-4_2.html |text=Die Geschichte der Basenkost| wayback= 20100504124703}}
* ÖAZ Aktuell: {{webarchiv| url    = http://www.oeaz.at/zeitung/3aktuell/2003/23/haupt/haupt23_2003kons.html| wayback= 20090408075457| text  = Zum sauer werden: Der Streit ums Basenpulver}}
* {{Literatur |Titel=Basische Ernährung: Wenn Heilpraktiker die Chemie kapern {{!}} Der Chemische Reporter |Sammelwerk=Der Chemische Reporter |Datum=2017-10-16 |Online=http://chemreporter.de/2017/10/16/basische-ernaehrung-wenn-heilpraktiker-die-chemie-kapern/ |Abruf=2017-12-11}}
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{SORTIERUNG:Basische Ernahrung}}
[[Kategorie:Ernährungsweise]]
[[Kategorie:Alternativmedizin]]
[[Kategorie:Therapeutisches Verfahren in der Medizin]]
[[Kategorie:Therapeutisches Verfahren in der Alternativmedizin]]
 
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 11. August 2022, 12:23 Uhr

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