Django Reinhardt

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Django Reinhardt im New Yorker Jazzclub Aquarium, Ende Oktober 1946.

Jean „Django“ Reinhardt, getauft auf den Namen Jean Reinhar(d)t[1] (* 23. Januar 1910[2] in Liberchies, Belgien; † 16. Mai 1953 in Samois-sur-Seine), war ein französischer Gitarrist, Komponist und Bandleader. Er gilt als ein Begründer bzw. Vorreiter des europäischen Jazz.

Zum Leben von Reinhard siehe auch

Musik

Musikstil

Das Neue und Besondere an der Musik Reinhardts war die Mischung aus drei verschiedenen Musikstilen: er schuf aus dem schon gängigen New-Orleans-Jazz der 1920er Jahre, den französischen Walzern (valses musettes) und der traditionellen Spielweise der Sinti (Sintimusik) einen neuen Musikstil, den Zigeuner- oder Gypsy Swing, der neben der jazzgemäßen Rhythmik durch Akkordeffekte und Stimmungen gekennzeichnet ist, wie sie in der moderneren Klassik etwa für Claude Debussy oder Maurice Ravel typisch sind. Ab 1937, seit der Aufnahme von Chicago, war er ohne Zweifel der beste europäische Jazzmusiker. Sein harmonisches Verständnis, seine bemerkenswerte Technik und sein rhythmischer Sinn machten ihn schon zu Beginn seiner Karriere zu einem ausgezeichneten Begleiter. Er entwickelte sich aber auch zu einem einzigartigen Solisten mit einem besonderen Flair für die variierte Gestaltung eines Konzerts, ohne dessen stilistische Einheit zu gefährden.

Reinhardts Gitarrenspiel hat einen großen Wiedererkennungswert; dies liegt u. a. an einer Reihe von immer wiederkehrenden Spieltechniken, die besonders in seinen Soli deutlich hervortreten. Diese Techniken sind zum Teil durch die Behinderung seiner Greifhand bedingt; hier gelang es Reinhardt also, aus der Not eine Tugend zu machen.

  • Reinhardts Handicap brachte ihn dazu, das Griffbrett eher vertikal als horizontal zu nutzen.[3] Außerdem verwendete er die Technik des Downstroke-Sweepings, bei der Töne auf benachbarten Saiten mit einer einzigen schnellen Bewegung angeschlagen werden.[4] Sweeping ist in der Gitarrenmusik der letzten Jahre gerade wieder sehr modern geworden (im Jazz z. B. bei Frank Gambale).
  • Daneben hat Reinhardt Läufe aus Oktav-Doppelgriffen in den Jazz eingeführt.[3] Dabei werden Tonbewegungen mit dem ganzen linken Arm ausgeführt, insofern war auch hier Reinhardts Behinderung kein Nachteil. Ein weiterer für oktavierte Läufe bekannter Jazzmusiker ist Wes Montgomery; da dieser aber die Saiten mit dem Daumen anschlägt, klingen sie bei ihm sehr viel sanfter als beim Plektrum-Spieler Reinhardt.
  • Ein weiteres Markenzeichen Reinhardts ist das Tremolo-Picking, das in einer schnellen Auf- und Abwärtsbewegung der Anschlagshand besteht. Reinhardt setzte diese Technik sowohl bei Akkorden als auch bei Single Notes ein.[5] Letzteres realisierte Reinhardt meist als schnellen chromatischen Lauf, indem er synchron zur Bewegung der rechten Hand mit der linken über das Griffbrett rutschte („Tremolo-Glissando“).[3] Auch dies ist wiederum eine Technik, bei der die Verkrüppelung seiner linken Hand keine Behinderung darstellte.

Einen guten Eindruck von Django Reinhardts technischen Fähigkeiten bzw. seiner Virtuosität vermittelt die 1937 aufgenommene Improvisation No. 1,[6] eine Improvisation für Sologitarre.

Obwohl Django selbst keine Noten lesen konnte, komponierte er – teils in Zusammenarbeit mit Grappelli – eine Reihe von Stücken, die zu Jazzstandards wurden: etwa Nuages, Daphné, Manoir de mes rêves oder Minor Swing. Auch heute noch wird seine Musik von zahlreichen Sinti und Nicht-Zigeunern gehört und gespielt. Seine nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstandene verjazzte Fassung der Marseillaise, Echos of France, wurde vom französischen Kultusministerium zensiert und „als Beleidigung der französischen Nation“ für zehn Jahre verboten.[7]

Das von John Lewis komponierte Stück Django des Modern Jazz Quartet, eine Hommage an Django Reinhardt, baut in seinen ersten Takten auf dem Anfang von Django Reinhardts Improvisation No. 5 auf.

Akustische Gitarren

Reinhardt verwendete bis 1947 vorwiegend von dem italienischen Gitarrenbauer Mario Maccaferri konstruierte Gitarren[8] der französischen Firma Selmer. Diese Gitarren zeichnen sich auch dank eines zusätzlich eingebauten Resonanzkörpers[9] im Inneren durch eine große Lautstärke aus. Nachdem Maccaferri Selmer 1933 verlassen hatte, wurden die Gitarren in einigen Details verändert: Der zusätzliche Resonanzkörper wurde weggelassen und der Übergang zwischen Korpus und Hals wird von dem 12. auf den 14. Bund verschoben. Außerdem war das – bisher D-förmige («grande bouche») – Schallloch nunmehr oval («petite bouche»). Diese modifizierte Maccaferri-Konstruktion wurde zu Reinhardts Hauptinstrument. Ab 1947 spielte er vorwiegend elektrisch verstärkt, nahm aber verschiedentlich noch mit seiner unverstärkten Selmer auf, so anlässlich einer Session 1947 mit Stéphane Grappelli und – wieder mit Grappelli und einer italienischen Rhythmusgruppe – 1949 in Rom.

Django Reinhardts letzte Selmer-Gitarre – ein Modell von 1940 mit der Seriennummer 503 – befindet sich inzwischen in der Instrumentensammlung der Cité de la musique in Paris.[10]

Die berühmten Fotos von William P. Gottlieb, die Django Reinhardt mit einer Archtop-Gitarre zeigen, entstanden 1946 während der USA-Tournee.[11] Diese Gitarre ist eine unverstärkte schwedische Levin Deluxe. Sie gehörte Fred Guy, dem damaligen Gitarristen des Duke Ellington Orchestra.[12]

Elektrische Gitarren

Nach seiner US-Tournee, auf der er (ob erstmals, ist nicht ganz sicher) verschiedene elektrisch verstärkte Archtops benutzt hatte, spielte Django Reinhardt ab 1947 hauptsächlich elektrisch verstärkt. An Gitarren ist hier vor allem seine Epiphone[13] mit der Seriennummer 3442 zu erwähnen, die er aus den USA mit nach Frankreich gebracht hatte (dem amerikanischen Gitarristen Joe Sinacore zufolge[14] hat er sie von Epiphone geschenkt bekommen). Diese Epiphone „Zephyr“ wurde 1967 von Babik Reinhardt, Djangos zweitem Sohn, dem amerikanischen Gitarristen Fred Sharp geschenkt, der sie restaurierte und teilweise umbaute (u. a. Cutaway).

Neben der Epiphone ist Django Reinhardt auf Fotos mit folgenden elektrisch verstärkten Archtops zu sehen:

  • Gretsch Synchromatic 400, die dem amerikanischen Gitarristen Artie Narvaez vom Artie Shaw Orchestra gehörte
  • Gibson ES-300
  • einer Archtop der Schweizer Marke „RIO“[15]
  • einer italienischen Mogar mit Pick-up (bei den Sessions in Rom 1950)[16]

Daneben spielte Django Reinhardt seine akustische Selmer Modell 807 teilweise mit einem Stimer-Pick-up.

Als Verstärker benutzte Django Reinhardt (Fotos nach zu schließen):

  • einen Stimer M10-Verstärker
  • einen Electar-Verstärker von Epiphone
  • einen Gibson EH150-Verstärker (Club St. Germain)

Zum Thema "Nachleben" siehe auch

Diskographische Hinweise

Siehe auch

Literatur

  • Noël Balen: Django Reinhardt. Le génie vagabond. éditions du Rocher 2015
  • Charles Delaunay: Django Reinhardt: Souvenirs. Paris 1954
  • Michael Dregni: Django. The Life and Music of a Gypsy Legend. Oxford University Press; Oxford, New York 2004 (engl.)
  • Michael Dregni: Django Reinhardt and the Illustrated History of Gypsy Jazz. Speck Press, Denver 2006 (engl.)
  • Michael Dregni: Gypsy Jazz. In Search of Django Reinhardt and the Soul of Gypsy Swing. Oxford. University Press; Oxford, New York 2008 (engl.)
  • Benjamin Givan: The Music of Django Reinhardt. University of Michigan Press, 2009. ISBN 978-0-472-03408-6
  • Patrick Williams: Django Reinhardt. Editions Parenthèses, Marseille 1998 (franz.)
  • Patrick Williams: Les quatre vies posthumes de Dj. R.: Trois fictions et une chronique. Parenthèses, Marseille 2010 (In Franz.)
  • Francois Billard: Django Reinhardt. Un géant sur son nuage. Lieu Commun, Paris 1993 (franz.)
  • Roger Spautz: Django Reinhardt. Mythos und Realität. RTL Edition, Luxemburg 1983
  • Dietrich Schulz-Köhn: Django Reinhardt. Ein Porträt. Pegasus, Jazz-Bücherei, Wetzlar 1960
  • derselbe: Django. In: Gitarre & Laute 5, 1983, Heft 6, S. 439–444.
  • Alexander Schmitz, Peter Maier: Django Reinhardt. Sein Leben Seine Musik Seine Schallplatten. Oreos Verlag (Collection Jazz), Gauting-Buchendorf 1985, ISBN 3-923657-08-0.
  • Paul Vernon: Jean ‘Django’ Reinhardt: a contextual bio-discography 1910–1953. Ashgate Publ., Hampshire 2003 (Google Books)
  • Victorine Martin und Philipe Doudou Cuillerier: Django Reinhardt – Voyage en Guitare (2011)

Weblinks

Commons: Django Reinhardt - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Geburtsurkunde
  2. Balen, Noël: Django Reinhardt: Le génie vagabond, 2015, ISBN 978-2268-07759-8.
  3. 3,0 3,1 3,2 David McCarty: Gypsy Jazz. Django Reinhardt: His Enduring Legacy. Flatpicking Guitar Magazine (englisch), siehe Abschnitt Django’s Playing.
  4. about-django.com: Klangbeispiel aus „Swing for Ninine“, (.mp3; 14 kB).
  5. about-django.com: Klangbeispiel „Mystery Pacific“, (.mp3; 27 kB)
  6. siehe das entsprechende Video bei YouTube
  7. Ekkehard Jost Jazzgeschichten aus Europa. Wolke, Hofheim am Taunus 2012.
  8. rfcharle.com
  9. lutherie.net
  10. Guitare "Django Reinhardt" – Henri Selmer Reinhardts letzte Selmer-Gitarre in der Cité de la musique
  11. Bild 1, Bild 2, Bild 3 William P. Gottlieb Collection in der Library of Congress
  12. Foto von Fred Guy mit seiner Gitarre William P. Gottlieb Collection in der Library of Congress
  13. „Zephyr“
  14. Artikel (Memento vom 31. Januar 2017 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis) auf der Website von Paul Vernon Chester
  15. RIO-Gitarren
  16. Django in Rome (Memento vom 26. Mai 2012 im Webarchiv archive.is) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)


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