Plateauscher Versuch

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Der Plateausche Versuch ist ein von Joseph Antoine Ferdinand Plateau (1801-1883) durchgeführter Versuch, der die durch die Fliehkräfte bedingte Abplattung einer rotierenden flüssigen Kugel zu einem Rotationsellipsoid veranschaulicht. Das Grundprinzip des Versuchs erläutert der Physiker Arnold Berliner in seinem Lehrbuch der Physik in elementarer Darstellung (1928) so:

Illustration des Plateauschen Versuchs, der die Abplattung einer rotierenden Kugel durch die Wirkung der Fliehkräfte veranschaulicht (Berliner, S. 83, Abb. 100).

„Eine Flüssigkeit, die dem Einfluß der Schwerkraft entzogen ist und sich vollkommen in Ruhe und Gleichgewicht befindet, bildet eine Kugel... Läßt man sie um eine ihrer Achsen rotieren, Abb. 100, z. B. eine Kugel aus Olivenöl, die (PLATEAUscher Versuch) in einem Gemisch aus Alkohol und Wasser schwebt, so verwandelt sich die Kugel in ein Ellipsoid. Die aus der Rotation entspringenden Zentrifugalkräfte treten in Wettbewerb mit den sehr geringen Kohäsionskräften, die die Flüssigkeit zusammenhalten, und bringen die Umformung zustande, indem sie die einzelnen Massenpunkte von der Achse weg nach außen treiben. Unter den Punkten, die auf einem Meridian liegen — jeder verwandelt sich während des Rotierens aus einem Kreise in eine Ellipse — werden die am Äquator liegenden am weitesten nach außen getrieben, die an den Polen liegenden gar nicht, die zwischen Äquator und Pol liegenden je ihrem Abstände von der Achse entsprechend weit (das hängt mit der Größe der Zentrifugalkraft an den einzelnen Punkten zusammen). Die Kugel wird also senkrecht zur Achse auseinandergezerrt. Infolgedessen nähern sich die Pole einander, die Kugel plattet sich an den Polen ab und geht in das Rotationsellipsoid über (Erde, Mond, Planeten sind fast kugelförmig, aber an den Polen abgeplattet. Man schließt daraus, daß sie früher plastisch gewesen sind.)“ (Lit.: Berliner, S. 83)

Mit diesem Versuch lässt sich auch als einfaches Schulexperiment die Entstehung des Planetensystems gemäß der Kant-Laplace-Theorie demonstrieren:

„Eines der hübschesten physikalischen Experimente ist der Plateau'sche Versuch. Es wird eine Mischung aus Wasser und Alkohol bereitet, die genau das specifische Gewicht des reinen Olivenöles hat, und in diese Mischung dann ein ziemlich starker Tropfen Oel gegossen. Dieser schwimmt nicht auf der Flüssigkeit, sondern sinkt bis in die Mitte derselben, und zwar in Gestalt einer Kugel. Um diese nun in Bewegung zu setzen, wird ein Scheibchen aus Kartenpapier im Centrum mit einer langen Nadel durchstochen und vorsichtig in die Mitte der Oelkugel gesenkt, so dass der äusserste Rand des Scheibchens den Aequator der Kugel bildet. Dieses Scheibchen nun wird in Drehung versetzt, anfangs langsam, dann immer schneller und schneller. Natürlich theilt die Bewegung sich der Oelkugel mit, und in Folge der Fliehkraft lösen von dieser sich Theile ab, welche nach ihrer Absonderung noch geraume Zeit die Drehung mitmachen, zuerst Kreise, dann Kügelchen. Auf diese Weise entsteht ein unserem Planeten-System oft überraschend ähnliches Gebilde: in der Mitte nämlich die grösste, unsere Sonne vorstellende Kugel, und um sie hemm sich bewegend kleinere Kugeln und Ringe, welche uns die Planeten sammt ihren Monden versinnlichen können.“ (Lit.: Knauer, S. 281)

Rudolf Steiner hat den Plateauschen Versuch wiederholt erwähnt und darauf hingewiesen, dass man dabei nicht auf den großen „Herrn Lehrer“ vergessen sollte, der eigenhändig die Kugel in Bewegung setzt:

„Ich habe neulich in anderen Zusammenhängen angeführt, wie man die Kant-Laplacesche Theorie beweisen will: Einstmals war der Weltennebel da. Dieser kam durch irgendeine Ursache in Rotation; dadurch teilten sich allmählich die einzelnen Planeten des Sonnensystems ab und erhielten die Bewegung, die sie noch heute innehaben. Man macht das sehr deutlich klar an einem Schulexperiment, dem sogenannten Plateauschen Versuch: Man läßt ein ölkügelchen in einem Gefäße in Wasser schweben. Es wird dann ein Äquator aus einem Kartonblatt ausgeschnitten. Diesen legt man unter das Ölkügelchen. Dann wird eine Nadel durch dieses hindurchgesteckt, gedreht — und es teilen sich in der Äquatorgegend kleine ölkügelchen ab, wie Planeten, und sie bewegen sich um das größere Kügelchen. Man hat dabei in denkerischer Beziehung etwas sehr Unpraktisches begangen: Man hat sich selbst vergessen, was ja sonst manchmal recht gut ist; man hat vergessen, daß man selber die Sache gedreht hat. Das darf man natürlich nicht tun, daß man das Wichtigste bei einer Sache vergißt. Will man einen Versuch erläutern, dann muß man aber alle Dinge ins Feld führen, auf die es dabei ankommt; das ist das Wesentliche.“ (Lit.:GA 57, S. 250f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.