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Spontanzeugung (griech. γένεσις αὐτόματος génesis autómatos; lat. generatio spontanea)oder Urzeugung, auch Abiogenese oder Archigenese genannt, bezeichnet die Hypothese einer Entstehung von Lebewesen aus unbelebter Materie.

Begriffsentwicklung

Antike

In der Antike nahm man an, dass es sich bei der Urzeugung um einen normalen biologischen Vorgang handle, der sich ständig überall abspiele. In diesem Sinne betrachtete Aristoteles die „spontane Erzeugung“ (griech. γένεσις αὐτόματος) als die dritte Art der Entstehung von Lebewesen neben der sexuellen und der vegetativen Fortpflanzung, die man vor allem in der vermeintlichen Entstehung von Insektenlarven und anderen Gliederfüßern aus fauliger oder schmutziger Materie bestätigt sah. An seine Lehre knüpfte die mittelalterliche Biologie an, die meist von einer generatio ex putrefactione (lat., „Entstehung aus Fäulnis“) sprach.

Mittelalter

Avicenna ging im 11. Jahrhundert davon aus, dass die Materie unablässig von einem immateriellen „Geber der Formen“ geformt werde. Dieser Vorgang könne sich auch außerhalb eines Lebewesens als Spontanzeugung abspielen. Im 12. Jahrhundert sah Averroes die Ursache der spontanen Erzeugung im Einfluss der Gestirne. Da er an dem aristotelische Grundsatz festhielt, dass in der Natur Gleiches nur aus Gleichem entstehen könne, sah er diesen Vorgang aber als widernatürlich an. Im 13. Jahrhundert schloss sich Thomas von Aquin dieser Theorie an und meinte, dass bei der Spontanzeugung die Kraft der Sonne und der anderen Himmelskörper an die Stelle der formenden Kraft trete, deren Träger bei geschlechtlicher Fortpflanzung der Same sei. Im Gegensatz zu Averroes hielt er aber die so entstandenen Lebewesen nicht für widernatürlich.

Neuzeit

In der frühen Neuzeit wurde die Spontanzeugung sogar als Alternative zum biblischen Bericht von der Erschaffung des ersten Menschen Adam in Betracht gezogen. So vertrat Tiberio Russiliano im frühen 16. Jahrhundert die Ansicht, dass die Ureinwohner Amerikas durch Urzeugung entstanden sein müssten, da sie ihre Siedlungsgebiete nicht auf Booten hätten erreichen können. Wenn man die Frage naturphilosophisch (phisice, also nicht theologisch) betrachte, sei dies auch für den ersten Menschen auf der Erde anzunehmen.[1]

Im 17. Jahrhundert erklärte Pierre Gassendi die Spontanzeugung im Rahmen seines materialistischen Atomismus. Er führte die Existenz von Lebewesen auf das Vorliegen einer für das Leben geeigneten Atomkombination zurück; eine solche Kombination sei nicht nur im Körper eines bereits existierenden, sich fortpflanzenden Wesens möglich, sondern grundsätzlich auch außerhalb. Daher könne neues Leben auch in der Erde aus unbelebter Materie entstehen.[2]

Im Gegensatz dazu stand der ebenfalls im 17. Jahrhundert entwickelte Grundsatz „Omne animal ex ovo“ (deutsch: „Jedes Tier ist aus einem Ei entstanden“). Hauptvertreter dieser Anschuung war Francesco Redi (1626–1697). Mittels eines Experiments widerlegte er 1668 die verbreitete Ansicht, dass Maden in verfaulendem Fleisch spontan entstehen. Er nahm drei Töpfe und füllte sie mit Fleisch. Einen Topf schloss er vollständig ab. Den zweiten Topf ließ er offen und den dritten Topf bedeckte er mit Gaze. Maden erschienen nur in dem offenen, aber nicht in dem verschlossenen Topf. Auf der Gaze des dritten Topfs fand er sich entwickelnde Maden. Die Eier der Fliegen waren wegen ihrer Kleinheit mit bloßem Auge nicht erkennbar. Im selben Jahr publizierte Redi die Abhandlung Esperienze intorno alla generazione degli insetti.[3]

Nach der Entdeckung verschiedener Mikroorganismen wurde die Urzeugungstheorie neu belebt. Johann Gottfried Herder verwendete in seiner Schrift Aelteste Urkunde des Menschengeschlechts (1774) die Bezeichnung „Urerzeugung“. Als Fachbegriff wurde die „Urzeugung“ von Samuel Thomas von Soemmerring und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling eingeführt.

Seit dem späten 18. Jahrhundert gilt die Theorie der Urzeugung als widerlegt. Im 19. Jahrhundert zeigte u. a. Experimente von Louis Pasteur 1861, dass auch Mikroorganismen keine Spontanzeugung zeigen und veröffentlichte 1864 den Grundsatz Omne vivum e vivo (lat. für ‚Alles Lebende entsteht aus Lebendem‘).

Einen Sonderfall bildet die moderne Hypothese der chemischen Evolution, die sich auf die spontane Entstehung des Lebens vor Beginn der biologischen Evolution bezieht. Als Voraussetzung dafür gilt die vor ca. 4 Milliarden Jahren vorhandene, reduzierende Erdatmosphäre. Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich dabei um einen Prozess der Emergenz und Selbstorganisation. Das berühmte Miller-Urey-Experiment zeigte erste Schritte der Erzeugung der Aminosäuren, die als „Lebensbausteine“ gelten. In der heutigen sauerstoffreichen Atmosphäre ist eine solche Spontanzeugung nicht mehr möglich.

Siehe auch

Literatur

  • John Farley: The Spontaneous Generation Controversy from Descartes to Oparin. Johns Hopkins University Press, Baltimore MD u. a. 1977, ISBN 0-8018-1902-4.
  • Dag Nikolaus Hasse: Urzeugung und Weltbild. Aristoteles – Ibn Ruschd – Pasteur. Olms, Hildesheim u. a. 2006, ISBN 3-487-13306-7.
  • Werner Köhler: Entwicklung der Mikrobiologie mit besonderer Berücksichtigung der medizinischen Aspekte. In: Ilse Jahn (Hrsg.): Geschichte der Biologie. Theorien, Methoden, Institutionen, Kurzbiographien. 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Spektrum – Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2000, ISBN 3-8274-1023-1, S. 620–641.
  • Sven P. Thoms: Ursprung des Lebens (= Fischer 16128 Fischer kompakt). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16128-2.
  • Richard Toellner: Urzeugung. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 11: U–V. Lizenzausgabe, völlig neubearbeitete Ausgabe. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, ISBN 3-7965-0115-X, Sp. 490–496.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hasse: Urzeugung und Weltbild. 2006, S. 8 f., 34.
  2. Hasse: Urzeugung und Weltbild. 2006, S. 9.
  3. Francesco Redi: Esperienze intorno alla generazione degli insetti in der italienischsprachigen Wikisource.


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