Drei-Welten-Lehre und Common-Sense-Philosophie: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Drei-Welten-Lehre''' beruht auf der [[Ontologie|ontologischen]] Annahme von drei Welten und ist bereits in der klassischen [[Wikipedia:Griechische Philosophie|griechischen Philosophie]] vorgebildet, wo schon zwischen [[Physis]] ([[Leib]]), [[Psyche]] ([[Seele]]) und [[Logos]] ([[Geist]]) unterschieden wurde. Dem entspricht auch die von [[Rudolf Steiner]] formulierte [[Anthroposophie|anthroposophische]] Auffassung, wonach der [[Mensch]] eine [[Wesensglieder#Leib, Seele und Geist|dreigliedrige Wesenheit]] aus Leib, Seele und Geist sei:
[[Datei:ThomasReid.jpg|mini|[[Thomas Reid]] (1710-1796), Porträt von Sir Henry Raeburn (1796)]]
[[Datei:Five men; Robert Burns, Richard Baxter, Francis Bacon, Wellcome L0038353.jpg|mini|[[Wikipedia:James Beattie (Schriftsteller)|James Beattie]] (1735–1803)]]
[[Datei:Portrait of Thomas Paine.jpg|mini|[[Wikipedia:Thomas Paine|] (1737-1809)]]]
[[Datei:William Hamilton b1788.jpg|mini|[[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]] (1788–1856)]]
Die '''Common-Sense-Philosophie''' ging als Frucht der [[Aufklärung]] im [[Wikipedia:18. Jahrhundert|18.]] und [[Wikipedia:19. Jahrhundert|19. Jahrhundert]] von [[Wikipedia:Schottland|Schottland]] aus, weshalb auch die Bezeichnung '''Schottische Schule''' ({{EnS|}} '''Scottish Common Sense Realism''', '''Scottish School of Common Sense''') gebräuchlich ist. Sie vertrat einen [[Naiver Realismus|naiven Realismus]] und sah den „[[common sense]]“ als natürliche Grundlage des [[Philosophie|philosophischen]] [[Denken]]s an. Dem ''common sense'' entspricht dabei im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] in etwa der [[Gesunder Menschenverstand|gesundene Menschenverstand]], verbunden mit einem auf das [[Gemeinwohl]] gerichteten Denken, Fühlen und Handeln ([[Gemeinsinn]]).


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Die Common-Sense-Philosophie richtete sich vor allem gegen den von [[David Hume]] vertretenen [[England|englichen]] [[Skeptizismus]] und gegen den [[Frankreich|französischen]] [[Materialismus]]. Als ihr eigentlicher Begründer gilt der schottische [[Philosoph]] [[Thomas Reid]] (1710-1796), der mit seiner [[Wikipedia:1764|1764]] veröffentlichten Schrift „''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense''“ (''Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes'') seinem Zeitgenossen Hume entschlossen entgegentrat.
"Durch seinen Leib vermag sich der Mensch für den Augenblick mit den Dingen in
Verbindung zu setzen. Durch seine Seele bewahrt er in sich die Eindrücke, die sie
auf ihn machen; und durch seinen Geist offenbart sich ihm das, was sich die Dinge
selbst bewahren. Nur wenn man den Menschen nach diesen drei Seiten betrachtet,
kann man hoffen, Aufschluß über seine Wesenheit zu erhalten. Denn diese drei
Seiten zeigen ihn in dreifach verschiedener Art mit der übrigen Welt verwandt.
Durch seinen Leib ist er mit den Dingen verwandt, die sich seinen Sinnen von außen
darbieten. Die Stoffe der Außenwelt setzen diesen seinen Leib zusammen; die
Kräfte der Außenwelt wirken auch in ihm. Und wie er die Dinge der Außenwelt mit
seinen Sinnen betrachtet, so kann er auch sein eigenes leibliches Dasein
beobachten. Aber unmöglich ist es, in derselben Art das seelische Dasein zu
betrachten. Alles, was an mir leibliche Vorgänge sind, kann auch mit den leiblichen
Sinnen wahrgenommen werden. Mein Gefallen und Mißfallen, meine Freude und
meinen Schmerz kann weder ich noch ein anderer mit leiblichen Sinnen
wahrnehmen. Das Seelische ist ein Gebiet, das der leiblichen Anschauung
unzugänglich ist. Das leibliche Dasein des Menschen ist vor aller Augen offenbar;
das seelische trägt er als seine Welt in sich. Durch den Geist aber wird ihm die
Außenwelt in einer höheren Art offenbar. In seinem Innern enthüllen sich zwar die
Geheimnisse der Außenwelt; aber er tritt im Geiste aus sich heraus und läßt die
Dinge über sich selbst sprechen, über dasjenige, was nicht für ihn, sondern für sie
Bedeutung hat. Der Mensch blickt zum gestirnten Himmel auf: das Entzücken, das
seine Seele erlebt, gehört ihm an; die ewigen Gesetze der Sterne, die er im
Gedanken, im Geiste erfaßt, gehören nicht ihm, sondern den Sternen selbst an.
So ist der Mensch Bürger dreier Welten. Durch seinen Leib gehört er der Welt an,
die er auch mit seinem Leibe wahrnimmt; durch seine Seele baut er sich seine
eigene Welt auf; durch seinen Geist offenbart sich ihm eine Welt, die über die
beiden anderen erhaben ist." {{Lit|{{G|009|27f|10}}}}
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Der [[Wikipedia:Deutschland|deutsche]] [[Logik]]er, [[Mathematiker]] und [[Philosoph]] [[Gottlob Frege]] unterschied in seiner [[Wikipedia:1918|1918]] veröffentlichten Schrift ''«Der Gedanke»'' die Welt der objektiven [[physisch]]en Gegenstände, die Welt des (menschlichen) [[Bewusstsein]]s, in der wir es mit subjektiven [[Vorstellung]]en zu tun hätten, und die Welt der [[an sich]] existierenden objektiven Gedankeninhalte, wie z.B. logische und mathematische Sätze. Diese objektiven Gedankeninhalte seien weder Dinge der Außenwelt, noch bloße Vorstellungen, wenngleich sie auch als solche im Bewusstsein erscheinen. Dennoch hätten sie eine eigenständige, vom Träger des Bewusstseins unanhängige Wirklichkeit:
{{Zitat|Der moderne Skeptizismus ist der natürliche Nachwuchs des neues System; und obwohl das System dieses Monster bis zum Jahr 1739 nicht geboren hat, als Humes „Abhandlung über die menschliche Natur“ veröffentlicht wurde, kann man sagen, dass sie in seinem Schoß von Anfang getragen wurde.  


{{Zitat|Ein drittes Reich muß anerkannt werden. Was zu diesem gehört, stimmt mit den Vorstellungen darin überein,
Das alte System akzeptierte alle Prinzipien des Common Sense als erste Prinzipien, ohne dass sie nachgewiesen werden müssen; und deshalb, obwohl seine Argumentation häufig vage war, analog und dunkel, wurde es auf einem breiten Fundament gebaut und hatte keine Neigung zur Skeptizismus.|Thomas Reid|''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense'' (1764), Kapitel 7|ref=<ref>„Modern scepticism is the natural offspring of the new system; and although the system didn’t give birth to this monster until the year 1739 when Hume’s Treatise of Human Nature was published, it can be said to have carried it in its womb from the beginning.<br />
daß es nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden kann, mit den Dingen aber darin, daß es keines Trägers
The old system accepted all the principles of common sense as first principles, without requiring any proof of them; and therefore, though its reasoning was commonly vague, analogical and dark, it was built on a broad foundation and had no tendency to scepticism.<br />
bedarf, zu dessen Bewußtseinsinhalte es gehört. So ist z. B. der Gedanke, den wir im pythagoreischen Lehrsatz
[[Thomas Reid]]: [http://www.earlymoderntexts.com/authors/reid ''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense''], Glasgow & London 1764  [http://www.earlymoderntexts.com/assets/pdfs/reid1764.pdf pdf] [https://archive.org/details/inquiryintohuman00reidiala archive.org]
aussprachen, zeitlos wahr, unabhängig davon wahr, ob irgendjemand ihn für wahr hält. Er bedarf keines Trägers.
(deutsch: ''Thomas Reid's Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes''. Aus d. Engl., nach d. 3.&nbsp;Aufl. übers., Leipzig, im Schwickertschen Verlage, 1782 [https://books.google.at/books?id=js0AAAAAcAAJ google])</ref>}}
Er ist wahr nicht erst, seitdem er entdeckt worden ist, wie ein Planet, schon bevor jemand ihn gesehen hat, mit
andern Planeten in Wechselwirkung gewesen ist.<ref>Man sieht ein Ding, man hat eine Vorstellung, man faßt oder denkt einen Gedanken. Wenn man einen Gedanken faßt oder denkt, so schafft man ihn nicht, sondern tritt nur zu ihm, der schon vorher bestand, in eine gewisse Beziehung, die verschieden ist von der des Sehens eines Dinges und von der des Habens einer Vorstellung.</ref>|Gottlob Frege|''Der Gedanke'', S 69 }}


Eine Drei-Welten-Lehre vertrat insbesondere auch Sir [[Wikipedia:Karl Raimund Popper|Karl Raimund Popper]]. Die Welt der objektiven Gedankeninhalte, die er schlicht „Welt 3“ nennt, werde zwar vom [[Mensch]]en hervorgebracht, habe aber in der Folge eine eigene, von ihm unabhängige, objektive Existenz, wie es ähnlich auch [[Wikipedia:Charles S. Peirce|Charles S. Peirce]] behauptet hatte. Das Bewusstsein vermittelt zwischen der physikalischen Welt und der „Welt 3“.
[[Rudolf Steiner]] schreibt über Reid:


Für den [[Wikipedia:England|englischen]] Mathematiker und [[Wikipedia:Theoretische Physik|theoretischen Physiker]] Sir [[Wikipedia:Roger Penrose|Roger Penrose]] (* 1931) ist die primäre und höchste [[Wirklichkeit]] der platonisch-mathematische [[Logos]], von dem die Welt der uns gegebenen [[physikalisch]]en [[Realität]] nur eine kleine Teilmenge sei, da auch noch ganz andere Naturgesetze denkbar wären. Die Entstehung des Bewusstsein, das zwischen diesen beiden, sehr komplex miteinander verwobenen Welten vermittelt, versucht Penrose durch [[Wikipedia:Quantenphysisk|quantenmechanische]] Prozesse im hochentwickelten [[Nervensystem]] des [[Mensch]]en zu erklären. Für diese dritte Welt, die Welt des bewussten menschlichen Geistes, erscheint Penrose dabei die prinzipielle Möglichkeit, den Logos erkennen zu können, von besonderer Bedeutung.
{{GZ|Vor dem Eingange der Weltanschauungsentwickelung
des neunzehnten Jahrhunderts steht in England ''Thomas Reid'' (1710—1796). Es bildet den Grundzug der Überzeugung
dieses Mannes, was auch Goethe als seine Anschauung
mit den Worten ausspricht: «Es sind am Ende
doch nur, wie mich dünkt, die praktischen und sich selbst
rektifizierenden Operationen des gemeinen Menschenverstandes,
der sich in einer höheren Sphäre zu üben wagt.»
(Vgl. Goethes Werke, Band 36, S. 595 in Kürschners
Deutscher National-Literatur.) Dieser gemeine Menschenverstand
zweifelt nicht daran, daß er es mit wirklichen,
wesenhaften Dingen und Vorgängen zu tun habe, wenn
er die Tatsachen der Welt betrachtet. Reid sieht nur eine
solche Weltanschauung für lebensfähig an, die an dieser
Grundansicht des gesunden Menschenverstandes festhält.
Wenn man selbst zugäbe, daß uns unsere Beobachtung
täuschen könne, und das wahre Wesen der Dinge ein ganz
anderes wäre als uns Sinne und Verstand sagen, so brauchten
wir uns um eine solche Möglichkeit nicht zu kümmern.
Wir kommen im Leben nur zurecht, wenn wir unserer Beobachtung
glauben; alles weitere geht uns nichts an. Von
diesem Gesichtspunkte aus glaubt Reid zu wirklich befriedigenden
Wahrheiten zu kommen. Er sucht nicht durch
komplizierte Denkverrichtungen zu einer Anschauung über
die Dinge zu kommen, sondern durch Zurückgehen auf
die von der Seele instinktiv angenommenen Ansichten.
Und instinktiv, unbewußt, besitzt die Seele schon das
Richtige, bevor sie es unternimmt, mit der Fackel des Bewußtseins
in ihre eigene Wesenheit hineinzuleuchten. Instinktiv
weiß sie, was sie von den Eigenschaften und Vorgängen
in der Körperwelt zu halten hat; instinktiv ist ihr
aber auch die Richtung ihres moralischen Verhaltens, ein
Urteil über Gut und Böse eigen. Reid lenkt das Denken,
durch seine Berufung auf die dem gesunden Menschenverstand
eingeborenen Wahrheiten, auf die Beobachtung der
Seele hin. Dieser Zug nach Seelenbeobachtung bleibt fortan
der englischen Weltanschauungsentwickelung eigen.|18|445f}}


== Anmerkungen ==
Der schottische Dichter und [[Moralphilosoph]] [[Wikipedia:James Beattie (Schriftsteller)|James Beattie]] (1735–1803) beschrieb 1770 in seinem Hauptwerk „''Ein Essay über die Natur und Unveränderlichkeit der Wahrheit''“<ref>James Beattie: ''An Essay on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticism'', 1770 [https://books.google.at/books?id=xDj74ukDEh8C google]</ref> (''An Essay on the Nature and Immutability of Truth'') den ''common sense'' als instinktive und durch Erziehung nicht veränderbare Fähigkeit, selbstevidente Wahrheiten wahrzunehmen. Auch er wandte sich entschieden gegen den Skeptizismus David Humes und kritisierte insbesondere auch den in dessen Essay „''Of National Characters''“ vertretenen [[Rassismus]] und argumentierte in „''Elements of Moral Science''“<ref>James Beattie: ''Elements of Moral Science'', 2 Bände, 1790–1793 [https://archive.org/details/elementsmoralsci01beatiala Volume 1] [https://archive.org/details/elementsofmoral02beat Volume 2]</ref> gegen die Sklaverei - auch die Briten und Franzosen seien vor 2000 Jahren noch „Wilde“ gewesen.


<references/>
[[Wikipedia:Thomas Paine|Thomas Paine]] (1737-1809), einer der [[Wikipedia:Gründerväter der Vereinigten Staaten|Gründerväter der Vereinigten Staaten]], verurteilte in seiner 1775 veröffentlichten  Schrift „''African Slavery In America''“ wie Beattie die Sklaverei. 1776 griff er während des [[Wikipedia:Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs]] (1775-1783) in seiner Schrift „''Common Sense''“ die Kolonialpolitik des englischen Königs Georg III. mit scharfen Worten an.


== Literatur ==
[[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]] (1788–1856) knüpfte die ''Common-Sense-Philosophie'' an die [[Transzendentalphilosophie]] [[Immanuel Kant]]s (1724-1804) an, der in seinem [[Wikipedia:1784|1784]] verfassten Aufsatz „''[[Wikipedia:Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung|Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung]]''“ den Leitgedanken der Aufklärung so charakterisiert hatte: „''Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!''“ Sinngemäß findet sich dieser Ausspruch als „[[sapere aude!]]“ („Wage es, weise zu sein!“<ref>[[Wikipedia:Georg Büchmann|Georg Büchmann]]: ''Geflügelte Worte. Der klassische Zitatenschatz''. 39. Auflage, neu bearbeitet von Winfried Hofmann. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1993, S. 330.</ref>) schon 20 v. Chr. bei dem römischen Dichter [[Wikipedia:Horaz|Horaz]]. In seiner [[Wikipedia:1790|1790]] erschienen „[[Wikipedia:Kritik der Urteilskraft|Kritik der Urteilskraft]]“ formulierte [[Kant]] drei Maximen des ''gesunden Menschenverstands'': „''1. Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes andern denken; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken.''“<ref>Immanuel Kant: ''Kritik der Urteilskraft''. Akademieausgabe von Immanuel Kants Gesammelten Werken, Band V, [https://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/Kant/aa05/294.html S.294f]</ref> Für seine Anknüpfung an die deutsche Philosophie wurde Hamilton später vielfach kritisiert, insbesonder von [[John Stuart Mill]] (1806-1873).


* Gottlob Frege: ''Der Gedanke: eine logische Untersuchung'', in: ''Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus'' I, 2 (1918), S. 58 (69), in: Gottlob Frege: ''Logische Untersuchungen'', 3. Aufl. (1986) - ISBN 3-525-33518-0, S. 30 (43) ([http://www.gavagai.de/texte/Frege.pdf online]; PDF; 49&nbsp;kB)
Im [[angelsächsisch]]en Sprachraum genießt der ''common sense'' hohe Anerkennung, namentlich im amerikanischen [[Pragmatismus]] und im ''Critical Commonsensism'' von [[Charles Sanders Peirce]] und in der [[Ordinary Language Philosophy]]. Der britische Philosoph [[George Edward Moore]], einer der Väter der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]], verteidigte ihn insbesondere in seiner [[Wikipedia:1925|1925]] erschienen Schrift „''A Defence of Common Sense''(''Eine Verteidigung des Common Sense''):
* Karl R. Popper: ''Objektive Erkenntnis'', (1972)
 
* Karl R. Popper, John C. Eccles: ''Das Ich und sein Gehirn'' (1977)
{{Zitat|Ich bin einer jener Philosophen, die dafürhalten, dass die ‚Common Sense Sicht der Welt‘ - bezüglich bestimmter grundlegender Eigenschaften - ''vollkommen'' wahr ist. Aber es muss daran erinnert werden, wie ich meine, dass alle Philosophen, ohne Ausnahme, darin mit mir übereinstimmen: Und dass die reale Differenz, die gemeinhin auf diese Weise ausgedrückt wird, nur eine Differenz zu solchen Philosophen ist, die darüber hinaus ''auch'' Ansichten vertreten haben, die mit diesen Eigenschaften der ‚Common Sense Sicht der Welt‘ nicht vereinbar sind. |George E. Moore|''A Defence of Common Sense''|ref=<ref>„I am one of those philosophers who have held that the 'Common Sense view of the world' is, in certain fundamental features, wholly true. But it must be remembered that, according to me, all philosophers, without exception, have agreed with me in holding this: and that the real difference, which is commonly expressed in this way, is only a difference between those philosophers, who have also held views inconsistent with these features in 'the Common Sense view of the world', and those who have not.“<br />George Edward Moore: [http://selfpace.uconn.edu/class/ana/MooreDefense.pdf ''A Defence of Common Sense''], 1925</ref>}}
* Karl R. Popper: [http://www.tannerlectures.utah.edu/lectures/documents/popper80.pdf Three Worlds: The Tanner Lecture on Human Values at the University of Michigan, April 7, 1978] (PDF; 177&nbsp;kB).
 
* Karl R. Popper: ''Das offene Universum'' (1982)
==Literatur==
* Karl R. Popper: ''Knowledge and the Body-Mind Problem'' (1994), dt. siehe Popper (2012)
 
* Karl R. Popper: ''Gesammelte Werke'', Band 12, ''Wissen und das Leib-Seele-Problem'', Tübingen, Mohr Siebeck (2012). Das Buch enthält in neuer Übersetzung ''Knowledge and the Body-Mind Problem'' (1994) und den Popperteil aus Karl R. Popper, John C. Eccles: ''Das Ich und sein Gehirn'' (1977), editorische Bemerkungen und ein Nachwort des Herausgebers mit einer Übersicht über ca. 40 weitere Arbeiten zur Dreiweltenlehre.
* [[Thomas Reid]]: ''Untersuchung des menschlichen Geistes entsprechend den Prinzipien des gesunden Menschenverstandes''. Hg. [[Wikipedia:Hans-Peter Schütt|Hans-Peter Schütt]]. [[Wikipedia:Manutius Verlag|Manutius Verlag]], Heidelberg 1992 ISBN 3-925678-27-1 (Zuerst 1764)
* Roger Penrose: ''The Emperor's New Mind. Concerning Computers, Minds, and the Laws of Physics.'' Oxford University Press, 1989, ISBN 0-14-014534-6.
* [[Wikipedia:Paul Henri Thiry d’Holbach|Paul Henri Thiry d’Holbach]]: ''Der gesunde Menschenverstand.'' Nach der Übers. von [[Wikipedia:Samuel Ludvigh|Samuel Ludvigh]], Hg. und Kommentar Gottfried Beyvers, Angelika Penzkofer-Beyvers. [[Wikipedia:Alibri Verlag|Alibri Verlag]], Aschaffenburg 2016 ISBN 3865692346 (Zuerst 1772)
** dt. Ausgabe: ''Computerdenken. Des Kaisers neue Kleider oder Die Debatte um Künstliche Intelligenz, Bewusstsein und die Gesetze der Natur.'' Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1991, ISBN 3-8274-1332-X.
* [[George Edward Moore]]: ''Eine Verteidigung des Common Sense. Fünf Aufsätze aus den Jahren 1903–1941'' (Orig. „A Defense of Common Sense“, 1925). Suhrkamp, Frankfurt 1969
* ''Shadows of the Mind. A Search for the Missing Science of Consciousness.'' Oxford University Press, 1994, ISBN 0-19-853978-9.
*Rudolf Steiner: ''Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt'', [[GA 18]] (1985), ISBN 3-7274-0180-X {{Schriften|018}}
** dt. Ausgabe: ''Schatten des Geistes. Wege zu einer neuen Physik des Bewusstseins.'' Spektrum, Heidelberg/ Berlin/ Oxford 1995, ISBN 3-86025-260-7.
* ''The Large, the Small and the Human Mind.'' Cambridge University Press, 1997, ISBN 0-521-56330-5.
** dt. Ausgabe: ''Das Große, das Kleine und der menschliche Geist.'' Spektrum, Heidelberg/ Berlin 2002
* Rudolf Steiner: ''Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung '', [[GA 9]] (2003), ISBN 3-7274-0090-0 {{Schriften|009}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Ontologie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
[[Kategorie:Philosophie]]
[[Kategorie:Naiver Realismus]]

Version vom 15. Juli 2018, 22:53 Uhr

Thomas Reid (1710-1796), Porträt von Sir Henry Raeburn (1796)
James Beattie (1735–1803)

[[Datei:Portrait of Thomas Paine.jpg|mini|] (1737-1809)] [[Datei:William Hamilton b1788.jpg|mini|William Hamilton (1788–1856)]] Die Common-Sense-Philosophie ging als Frucht der Aufklärung im 18. und 19. Jahrhundert von Schottland aus, weshalb auch die Bezeichnung Schottische Schule (eng. Scottish Common Sense Realism, Scottish School of Common Sense) gebräuchlich ist. Sie vertrat einen naiven Realismus und sah den „common sense“ als natürliche Grundlage des philosophischen Denkens an. Dem common sense entspricht dabei im Deutschen in etwa der gesundene Menschenverstand, verbunden mit einem auf das Gemeinwohl gerichteten Denken, Fühlen und Handeln (Gemeinsinn).

Die Common-Sense-Philosophie richtete sich vor allem gegen den von David Hume vertretenen englichen Skeptizismus und gegen den französischen Materialismus. Als ihr eigentlicher Begründer gilt der schottische Philosoph Thomas Reid (1710-1796), der mit seiner 1764 veröffentlichten Schrift „Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense“ (Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes) seinem Zeitgenossen Hume entschlossen entgegentrat.

„Der moderne Skeptizismus ist der natürliche Nachwuchs des neues System; und obwohl das System dieses Monster bis zum Jahr 1739 nicht geboren hat, als Humes „Abhandlung über die menschliche Natur“ veröffentlicht wurde, kann man sagen, dass sie in seinem Schoß von Anfang getragen wurde.

Das alte System akzeptierte alle Prinzipien des Common Sense als erste Prinzipien, ohne dass sie nachgewiesen werden müssen; und deshalb, obwohl seine Argumentation häufig vage war, analog und dunkel, wurde es auf einem breiten Fundament gebaut und hatte keine Neigung zur Skeptizismus.“

Thomas Reid: Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense (1764), Kapitel 7[1]

Rudolf Steiner schreibt über Reid:

„Vor dem Eingange der Weltanschauungsentwickelung des neunzehnten Jahrhunderts steht in England Thomas Reid (1710—1796). Es bildet den Grundzug der Überzeugung dieses Mannes, was auch Goethe als seine Anschauung mit den Worten ausspricht: «Es sind am Ende doch nur, wie mich dünkt, die praktischen und sich selbst rektifizierenden Operationen des gemeinen Menschenverstandes, der sich in einer höheren Sphäre zu üben wagt.» (Vgl. Goethes Werke, Band 36, S. 595 in Kürschners Deutscher National-Literatur.) Dieser gemeine Menschenverstand zweifelt nicht daran, daß er es mit wirklichen, wesenhaften Dingen und Vorgängen zu tun habe, wenn er die Tatsachen der Welt betrachtet. Reid sieht nur eine solche Weltanschauung für lebensfähig an, die an dieser Grundansicht des gesunden Menschenverstandes festhält. Wenn man selbst zugäbe, daß uns unsere Beobachtung täuschen könne, und das wahre Wesen der Dinge ein ganz anderes wäre als uns Sinne und Verstand sagen, so brauchten wir uns um eine solche Möglichkeit nicht zu kümmern. Wir kommen im Leben nur zurecht, wenn wir unserer Beobachtung glauben; alles weitere geht uns nichts an. Von diesem Gesichtspunkte aus glaubt Reid zu wirklich befriedigenden Wahrheiten zu kommen. Er sucht nicht durch komplizierte Denkverrichtungen zu einer Anschauung über die Dinge zu kommen, sondern durch Zurückgehen auf die von der Seele instinktiv angenommenen Ansichten. Und instinktiv, unbewußt, besitzt die Seele schon das Richtige, bevor sie es unternimmt, mit der Fackel des Bewußtseins in ihre eigene Wesenheit hineinzuleuchten. Instinktiv weiß sie, was sie von den Eigenschaften und Vorgängen in der Körperwelt zu halten hat; instinktiv ist ihr aber auch die Richtung ihres moralischen Verhaltens, ein Urteil über Gut und Böse eigen. Reid lenkt das Denken, durch seine Berufung auf die dem gesunden Menschenverstand eingeborenen Wahrheiten, auf die Beobachtung der Seele hin. Dieser Zug nach Seelenbeobachtung bleibt fortan der englischen Weltanschauungsentwickelung eigen.“ (Lit.:GA 18, S. 445f)

Der schottische Dichter und Moralphilosoph James Beattie (1735–1803) beschrieb 1770 in seinem Hauptwerk „Ein Essay über die Natur und Unveränderlichkeit der Wahrheit[2] (An Essay on the Nature and Immutability of Truth) den common sense als instinktive und durch Erziehung nicht veränderbare Fähigkeit, selbstevidente Wahrheiten wahrzunehmen. Auch er wandte sich entschieden gegen den Skeptizismus David Humes und kritisierte insbesondere auch den in dessen Essay „Of National Characters“ vertretenen Rassismus und argumentierte in „Elements of Moral Science[3] gegen die Sklaverei - auch die Briten und Franzosen seien vor 2000 Jahren noch „Wilde“ gewesen.

Thomas Paine (1737-1809), einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, verurteilte in seiner 1775 veröffentlichten Schrift „African Slavery In America“ wie Beattie die Sklaverei. 1776 griff er während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1775-1783) in seiner Schrift „Common Sense“ die Kolonialpolitik des englischen Königs Georg III. mit scharfen Worten an.

William Hamilton (1788–1856) knüpfte die Common-Sense-Philosophie an die Transzendentalphilosophie Immanuel Kants (1724-1804) an, der in seinem 1784 verfassten Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung“ den Leitgedanken der Aufklärung so charakterisiert hatte: „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Sinngemäß findet sich dieser Ausspruch als „sapere aude!“ („Wage es, weise zu sein!“[4]) schon 20 v. Chr. bei dem römischen Dichter Horaz. In seiner 1790 erschienen „Kritik der Urteilskraft“ formulierte Kant drei Maximen des gesunden Menschenverstands: „1. Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes andern denken; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken.[5] Für seine Anknüpfung an die deutsche Philosophie wurde Hamilton später vielfach kritisiert, insbesonder von John Stuart Mill (1806-1873).

Im angelsächsischen Sprachraum genießt der common sense hohe Anerkennung, namentlich im amerikanischen Pragmatismus und im Critical Commonsensism von Charles Sanders Peirce und in der Ordinary Language Philosophy. Der britische Philosoph George Edward Moore, einer der Väter der analytischen Philosophie, verteidigte ihn insbesondere in seiner 1925 erschienen Schrift „A Defence of Common Sense“ („Eine Verteidigung des Common Sense“):

„Ich bin einer jener Philosophen, die dafürhalten, dass die ‚Common Sense Sicht der Welt‘ - bezüglich bestimmter grundlegender Eigenschaften - vollkommen wahr ist. Aber es muss daran erinnert werden, wie ich meine, dass alle Philosophen, ohne Ausnahme, darin mit mir übereinstimmen: Und dass die reale Differenz, die gemeinhin auf diese Weise ausgedrückt wird, nur eine Differenz zu solchen Philosophen ist, die darüber hinaus auch Ansichten vertreten haben, die mit diesen Eigenschaften der ‚Common Sense Sicht der Welt‘ nicht vereinbar sind.“

George E. Moore: A Defence of Common Sense[6]

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. „Modern scepticism is the natural offspring of the new system; and although the system didn’t give birth to this monster until the year 1739 when Hume’s Treatise of Human Nature was published, it can be said to have carried it in its womb from the beginning.
    The old system accepted all the principles of common sense as first principles, without requiring any proof of them; and therefore, though its reasoning was commonly vague, analogical and dark, it was built on a broad foundation and had no tendency to scepticism.“
    Thomas Reid: Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense, Glasgow & London 1764 pdf archive.org (deutsch: Thomas Reid's Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes. Aus d. Engl., nach d. 3. Aufl. übers., Leipzig, im Schwickertschen Verlage, 1782 google)
  2. James Beattie: An Essay on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticism, 1770 google
  3. James Beattie: Elements of Moral Science, 2 Bände, 1790–1793 Volume 1 Volume 2
  4. Georg Büchmann: Geflügelte Worte. Der klassische Zitatenschatz. 39. Auflage, neu bearbeitet von Winfried Hofmann. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1993, S. 330.
  5. Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Akademieausgabe von Immanuel Kants Gesammelten Werken, Band V, S.294f
  6. „I am one of those philosophers who have held that the 'Common Sense view of the world' is, in certain fundamental features, wholly true. But it must be remembered that, according to me, all philosophers, without exception, have agreed with me in holding this: and that the real difference, which is commonly expressed in this way, is only a difference between those philosophers, who have also held views inconsistent with these features in 'the Common Sense view of the world', and those who have not.“
    George Edward Moore: A Defence of Common Sense, 1925