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'''Umlaufgesichertes Geld''' ist ein Konzept der [[Freiwirtschaft]]. Es soll dafür sorgen, dass sich der [[w:Umlaufgeschwindigkeit (Geld)|Umlauf]] des ''freiwirtschaftlichen Geldes'' verstetigt. Diese ''Umlaufsicherung'' steht, ebenso wie [[w:Negativzinsen|Negativzinsen]] der EZB oder der Bundesbank, im Widerspruch zur [[Geldfunktion#Wertaufbewahrung|Wertaufbewahrungsfunktion]] des Geldes.
== Beschreibung ==
 
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Umlaufsicherung wird erreicht, indem die Kosten der Geldhaltung gegenüber konventionellem [[Geld]] erhöht sind. In der etablierten [[Volkswirtschaftslehre]] findet das Konzept allgemein kaum Beachtung.
 
== Prinzip ==
[[Datei:Physiokratischer Geldschein 2.gif|mini|300px|[[Physiokratie|Physiokratisches]] Geld mit Entwertungsfeldern]]
Ziel ist es, den Wert von Geld in irgendeiner Form und Fassung gegenüber anderen Gütern zu reduzieren, um eine Investition des Geldvermögens anzuregen. Die Umlaufbesicherung versucht man dadurch herzustellen, dass planmäßig eine zeitabhängige Mengenminderung oder eine Kostenbelastung des Geldes vorgenommen wird.
 
Dabei soll die Geldmenge über den Preisindex gesteuert werden. Dadurch soll sich zugleich die [[Kaufkraft (Währung)|Kaufkraft]] des Geldes stabil halten lassen. Es soll also unterschieden werden können zwischen einer Wertminderung des Geldes (des physischen Besitzes von Banknoten) und einer Wertminderung der Währung bzw. in dieser Währung ausgedrückte Geldwerte wie z. B. [[Schuldschein]]e.
 
Damit die Banknoten ständig im Umlauf bleiben und nicht gehortet werden, verlieren sie (nicht die Währung!) an Wert. Dieser Wertverlust wurde in Freigeld-Experimenten der Vergangenheit auf unterschiedliche Weise dokumentiert – so zum Beispiel durch Entwertungsmarken, die auf der Rückseite des Geldscheines von Zeit zu Zeit eingeklebt werden mussten, oder durch Ausschneiden eines Wertabschnitts (siehe Bild: ''Physiokratisches Geld'').
 
== Geschichte ==
[[Datei:Charles Fourier.jpg|mini|links|[[Pierre-Joseph Proudhon]]]]
 
Der französische Ökonom und Soziologe [[Pierre-Joseph Proudhon]], einer der ersten Vertreter des [[Libertarismus]], stellte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts folgende Hypothese auf: Durch den [[Wertminderung|Wertverfall]] von Waren und Gütern, von dem das Geld nicht betroffen sei, erhalte Geld ein Privileg und könne einen zusätzlichen Preis erzwingen. Dadurch würde der Geldbesitzer den Warenbesitzer schließlich ausbeuten. Proudhons Lösung für dieses Dilemma bestand darin, Waren dem verfallsfreien Geld durch ''Warenbanken'' gleichzusetzen. In diesen Warenbanken könnte ein Fahrradeigentümer beispielsweise ein Fahrrad anlegen und nach 20 Jahren ein nagelneues Fahrrad zurückerhalten, das gleichwertig wäre, und so durch verbesserten [[Tauschhandel]] dem Effekt des Warenzerfalls vorbeugen.
 
[[Datei:Silvio Gesell (1895).jpg|mini|[[Silvio Gesell]]]]
[[Silvio Gesell]] griff die Idee des Unterschiedes zwischen Waren und Geld später auf. Anders als Proudhon lautete sein Vorschlag jedoch, die [[Diskrepanz]] zwischen Warenzerfall und [[Geldwertstabilität|Währungsstabilität]] nicht bei den Waren zu lösen, sondern stattdessen dem Geld selbst eine begrenzte Lebensdauer zu geben, indem also bei der [[Hortung]] von Geld eine ''Demurrage'' ähnlich den [[Durchhaltekosten]] bei der Hortung von Waren auftreten würden. So hat gehortetes Geld beispielsweise dadurch einen ökonomischen Vorteil, dass es [[Fluktuation]]en am Markt abwarten kann und entsprechend billig einkaufen oder selbst Marktfluktuationen erzeugen und künstlich Preise in die Höhe treiben kann, was Gesell als [[Spekulation (Wirtschaft)|Spekulation]] bezeichnet.
 
Als Alternative für das [[Bretton-Woods-System]], welches die [[Wechselkurs]]e westlicher Währungen vom Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] bis zum Zusammenbruch des Systems 1973 festlegte, schlug [[John Maynard Keynes|Keynes]] 1944 den ''[[Bancor]]'' vor, welcher als internationale zwischenstaatliche Verrechnungswährung ab einer gewissen Ansammlung mit einer Umlaufsicherung behaftet hätte sein sollen (ähnlich wie es die [[Europäische Zentralbank]] zur Zeit praktiziert<ref>''[http://www.focus.de/finanzen/banken/negativzins-so-funktioniert-der-strafzins_id_5436979.html Negativzins - So funktioniert der Strafzins]'' auf Focus.de (vom 15. April 2016)</ref>). Das Ziel des Bancors wäre gewesen, zum einen der Vormachtstellung des [[US-Dollar]]s im Bretton-Woods-System vorzubeugen, und zum anderen durch die stetige Verkleinerung von [[Handelsüberschuss|Handelsüberschüssen]] bzw. [[Handelsdefizit]]en die Weltwirtschaft durch bessere Anreize zu stabilisieren.
 
=== Beispiele von umlaufgesichertem Geld ===
Gesell führte in seinem Standardwerk ''Die Natürliche Wirtschaftsordnung'' und weiteren Schriften eine Reihe von historischen Beispielen an, die als umlaufgesicherte Währungen gelten können. Der volksökonomische und exemplarische Wert vieler dieser Beispiele ist aber umstritten.
 
Beispiele für derartige Geldsysteme mit Demurrage sind der „[[Korngiro]]“ im Ägypten des ersten Jahrhundert v. Chr. Im [[Ptolomäus|ptolemäischen]] Ägypten wurde Getreide als Geld verwendet, das in Speichern eingelagert wurde, wobei Tonscherben als Besitznachweis ausgegeben wurden. Diese wurden dann als Geld im Wirtschaftsleben verwendet. Das Getreide konnte man sich mit einem gewissen Verfalls- und Lagerabschlag pro Jahr wieder bei Bedarf abholen. Dieses System kam zwischen 322 und 30 v. Chr. auf.<ref>Bernard Lietaer datiert Korngiro allerdings viel eher, auf mindestens 1600 v. Chr. Allerdings gibt es für diese These keine Belege. Bernard A. Lietaer: ''Mysterium Geld'', S. 153f., S. 219. Riemann Verlag GmbH München, 2000, 2. Auflage. ISBN 3-570-50009-8.</ref> Nach der Eroberung Ägyptens durch die Römer wurde das römische [[Münzgeld]] eingeführt.
 
Im [[Mittelalter]] wurde in Europa von den lokalen Herrschern und Klöstern das Münzgeld (z.&nbsp;B. [[Brakteat]]en) in bestimmten Situationen durch „[[Münzverruf]]“ für ungültig erklärt und mit einem Abschlag gegen Neuprägungen umgetauscht. Diese Abstände variierten – von mehrfach jährlich bis zu alle 7 Jahre; bei den Abschlägen gab es Schwankungen zwischen etwa 15 % und 40 %. Die Differenz fiel jeweils an den Herrscher bzw. an das Kloster. Dies war hauptsächlich zwischen den Jahren 1075 und 1400 gebräuchlich. Aufgrund von Handhabungsproblemen mit der angewachsenen Geldmenge, dem Silberschmelzverlust beim Umprägen und auf Drängen von Kaufleuten, die ein dauerhaftes, weitreichendes Geld wollten, wurde die sogenannte „Münzverrufung“ aufgegeben und durch Handels- und Verbrauchssteuern ersetzt.
 
Nach der Entdeckung Amerikas floss wieder reichlich Silber und Gold über Spanien nach Europa und verursachte neuen monetären Wohlstand (aber auch Kriege), jedoch keine florierende Volkswirtschaft.
 
=== Freiwirtschaftliche Deutung ===
Befürworter eines freiwirtschaftlichen Geldsystems mit Demurrage behaupten, dass während dieser Zeitperioden in beiden Wirtschaftsräumen große kulturelle Leistungen entstanden. Fast alle Kathedralbauten entstanden zu jener Zeit, Gold, Silber, Geld kam durch die Plünderungen der Kreuzzüge mit neuer Kontrolle des (Gewürz-)Fernhandels nach Europa. Nach der Änderung des Geldsystems soll es in beiden Fällen zu einem Niedergang gekommen sein. Freiwirtschaftler führen die Wirtschaftsblüte auf das Geldsystem zurück,<ref>Karl Walker: ''Das Geld in der Geschichte''. Lauf bei Nürnberg 1959, S. 29ff.; Hans Weitkamp: ''Das Hochmittelalter – ein Geschenk des Geldwesens''. Hilterfingen 1984/85, S. 27–53; Bernard A. Lietaer: Mysterium Geld, Riemann Verlag München, 2000, S. 172ff.; zur Kritik von Paul C. Martin siehe auch [http://www.brainworker.ch/Geldtheorie/brakteaten.htm Replik auf das „Brakteaten-Märchen“ von Dr. Paul C. Martin]</ref>
 
=== Etablierte Deutung ===
Kritiker dieser Thesen der Freiwirtschaft bezweifeln den Einfluss und Umfang der Auswirkung dieses Geldsystems,<ref>[http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/brakteatmaer.html ausführliche Kritik zur Brakteatentheorie]</ref> die Münzverrufungen seien nur in 10 % des mittelalterlichen Deutschlands gebräuchlich gewesen. Ummünzungen waren schon zur Zeit der Antike z.&nbsp;B. beim [[Solidus]] üblich und auch notwendig, da insbesondere Gold- und Silbergeld durch den Gebrauch und im Mittelalter durch [[Kipper- und Wipperzeit|Kipper und Wipper]] an Münzgewicht mit der Zeit verloren. Die Kathedralbauten seien durch die Templerorden finanziert worden. Der Niedergang im Mittelalter wurde allerdings auch durch den Abfluss des Silbers in den Orient aufgrund des Gewürz- und Weihrauchhandels verursacht. Deutlich verstärkt wurde dieser Abfluss noch durch die [[Arbitrage]]geschäfte der Venezianer (Silber gegen Gold).<ref>Zarlenga, ''Der Mythos vom Geld''</ref> Der [[Schwazer Bergbau| Schwazer Silberbergbau]] in Tirol brachte ab 1450 eine gewisse Erleichterung (7.400 Knappen, zweitgrößte Stadt im Habsburgerreich). [[Paul C. Martin (Wirtschaftswissenschaftler)|Paul C. Martin]] spricht deshalb auch von einem ''Brakteatenmärchen''.
 
=== Guernsey Experiment 1815 ===
Im Jahre 1815 gab es auf der britischen [[Kanalinsel]] [[Guernsey]] ein Geldexperiment. Die Folgen der Napoleonischen Kriege machten sich in ganz Europa bemerkbar, auch auf dieser Insel. Die Inselbewohner produzierten Lebensmittel weit über den Eigenbedarf hinaus, doch die eingetriebenen Steuern und Zinszahlungen an Londoner Banken brachten den Zahlungsverkehr schließlich ganz zum Erliegen. Der in dieser Zeit amtierende Gouverneur von Guernsey, [[Daniel de Lisle Brock]], schlug den Bau einer Markthalle für 4.000 Pfund Sterling vor, die der Wirtschaft neuen Auftrieb geben würde. Diese 4.000 Pfund sollten einfach selber gedruckt und als eine Art Zweitwährung im Umlauf gebracht werden. Nach fünf Jahren hatte sich die Halle voll amortisiert, das heißt, sie hatte ihre Abschreibungen voll verdient und die 4000&nbsp;Pfund, die inzwischen auf der ganzen Insel in Umlauf gewesen waren und Umsätze aller Art bewirkt hatten, standen dem Investor der Markthalle wieder vollständig bar zur Verfügung, wurden nicht mehr benötigt und verbrannt. Nach diesem Prinzip wurden so nacheinander mehrere Bauvorhaben mit selbstgedrucktem und später wieder vernichtetem Geld verwirklicht. Jedoch kam bis 1835 durch den Eingriff fremder Banken und eine reduzierte Geldmenge die Geldwirtschaft wieder zum Erliegen. Manche Anhänger der [[Freiwirtschaft]], darunter [[Hermann Benjes]], betrachten das „Mirakel von Guernsey“ als Vorläufer umlaufgesicherten Geldes<ref>{{Internetquelle |url=http://www.sffo.de/sffo/Guernsey_freigeld.pdf |titel=Das Mirakel von Guernsey |zugriff=2015-02-11 |autor=Hermann Benjes |format=PDF}}</ref> nach [[Silvio Gesell]], der einen Artikel über das Experiment schrieb.<ref>Silvio Gesell: ''Die Guernsey-Markthalle''. In: ''Die Freiwirtschaft durch Freiland und Freigeld'', Nr. 6/1922. (Enthalten in Silvio Gesell: ''Gesammelte Werke'', ''Gauke Verlag für Sozialökonomie'', Kiel 1988–2009, Band 14.)</ref>
 
=== Umlaufgesichertes Geld in der Neuzeit und Gegenwart ===
 
In der Neuzeit wurden einige Projekte mit umlaufgesichertem Geld unternommen, z.&nbsp;B. das [[WÄRA]]-Experiment von [[Schwanenkirchen]] (1929/1930). Als erfolgreiches lokales Freigeldexperiment gilt das von [[Michael Unterguggenberger]], dem Bürgermeister der Tiroler Stadt [[Wörgl]], initiierte Projekt von 1932/33, das auch als ''[[Wörgl#Wörgler Schwundgeld (Freigeld)|Wunder von Wörgl]]'' rezipiert wurde.<ref>Vgl. [http://www.zeit.de/2010/52/Woergl Weblink Die ZEIT zum Thema]</ref>
 
Eine Vielzahl historischer und aktueller Aktivitäten rund um [[Regiogeld]] wird von dem in Wörgl residierenden ''Unterguggenberger Institut''<ref>[http://www.unterguggenberger.org/ Website] des ''Unterguggenberger Instituts''</ref> beobachtet und zusammengetragen. Insbesondere unter den [[Regiogeld|Regionalgeldinitiativen]], die im deutschsprachigen Raum im Verband ''Regiogeld e. V.''<ref>[http://www.regionetzwerk.org/ Website] von ''Regiogeld e. V.''</ref> vernetzt sind, gibt es viele, die auf dem Prinzip der Umlaufsicherung basieren. Das aktuell bekannteste Beispiel ist das Freigeld [[Chiemgauer]].
 
Das erfolglose Kryptogeld Freicoin, das die Technologie des [[Bitcoin]] nutze, sieht zusätzlich eine eingebaute Umlaufsicherung vor.
 
Für eine Einführung von umlaufgesichertem Geld engagiert sich auch die ''[[Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung]]'' (INWO).<ref>[http://www.inwo.de/ Website] der ''Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung''</ref>
 
Die Einführung von umlaufgesichertem Geld in Deutschland fordert auf politischem Wege die ''[[Humanwirtschaftspartei]]''.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.humanwirtschaftspartei.de/ |wayback=20130310233948 |text=Website |archiv-bot=2019-05-20 05:51:29 InternetArchiveBot }} der ''Humanwirtschaftspartei''</ref>
 
Eine literarische Bearbeitung des Freigeldthemas findet sich in [[Michael Ende]]s Roman ''[[Momo (Roman)|Momo]].''<ref>Robert Mittelstaedt: ''{{Webarchiv |url=http://www.equilibrismus.de/de/themen/wirtschaftsordnung/rm-michael_ende.htm |text=Michael Endes letzte Worte an die Japaner |wayback=20030705020823}}.'' In: Jacek Rzeszotnik (Hrsg.): ''Zwischen Phantasie und Realität. Michael Ende Gedächtnisband 2000.'' Erster Deutscher Fantasy-Club, Passau 2000, ISBN 3-932621-29-8</ref>
 
Über die 2011 gegründeten sogenannten [[BGE-Kreise]]<ref>Siehe dazu den Internetauftritt der [http://www.BGE-Kreise.de BGE-Kreise]; eingesehen am 1. Dezember 2016.</ref> wird u.&nbsp;a. durch Umlaufsicherung ein [[bedingungsloses Grundeinkommen]] real ermöglicht. Weitere Merkmale sind die Vernetzung der im Grundsatz regional wirtschaftenden Kreise, die vollständige Transparenz der Kontostände innerhalb der regionalen Kreise und ein [[eBay]]-ähnlicher Marktplatz.
 
== Kritik ==
Der von Befürwortern des Freigeldansatzes angestrebte niedrige Finanzkapital-Zinssatz führt laut Kritikern zu einer Steigerung von [[Immobilie]]npreisen. Dem steht entgegen, dass zum Freiwirtschaftsmodell auch die [[Landreform#Freiwirtschaftliche Bodenreformbewegung|freiwirtschaftliche Bodenreform]] gehört, wodurch [[Grundrententheorie|Bodenrente]] und Geld-Zins dem [[Sozialpflichtigkeit des Eigentums|Wohle der Allgemeinheit]] zugeführt werden, und Immobilien und Boden somit keine attraktiven Anlageobjekte mehr darstellen.
 
Ein weiteres Problem könnte entstehen, wenn am Ende des Jahres Menschen ihr Geld in Güter tauschen wollen, damit sie keinen Verlust machen. Das Problem ist, dass das Warenangebot zurückgehalten würde, da kein Händler das Geld will, weil es ja zum nächsten Jahr an Wert verliert. Das Geld könnte dann als Zahlungsmittel unter den Menschen abgeschafft werden, da es klüger wäre, einfach Waren gegen Waren zu tauschen. Dem werden Varianten des Konzepts der Umlaufsicherung entgegengehalten, die nicht 1 Abschlag, sondern z.&nbsp;B. 4 geviertelte Abschläge pro Jahr vorsehen, um die problematisierten wirtschaftlichen Diskontinuitäten zu verkleinern. Außerdem sind Gewinnspannen im Einzelhandel üblicherweise deutlich höher als die Abschläge durch Umlaufsicherung; die Einzelhändler müssten sich folglich zwischen keinem Umsatz oder einem Umsatz mit verringertem Gewinn entscheiden, und für die Schwere des geschilderten Problems ist es entscheidend, ob sie ''alle'' in der Lage sind zumindest vorübergehend gleich zu handeln. Und schließlich ist die Naturalwirtschaft (Ware gegen Ware) der Geldwirtschaft dramatisch an Effizienz unterlegen; die resultierenden Tauschnachteile wären weitaus größer als die durch die Umlaufgebühr.
 
Auch würden Wirtschaftsteilnehmer wegen der ihnen durch eine Umlaufsicherung entstehenden Kosten dazu tendieren, die Nutzung von Freigeld zu vermeiden. Nach Möglichkeit würden sie bei der Erhebung einer Gebühr zur Umlaufsicherung auf eine Alternativwährung ohne eine solche Gebühr ausweichen. Freigeldbefürworter wenden ein, dem widerspräche das [[Greshamsches Gesetz|Greshamsche Gesetz]]: „Schlechtes Geld verdrängt gutes aus dem Umlauf“ – wertminderndes Geld laufe schneller um als wertstabiles und verdränge dieses dadurch. Dem entgegnen Kritiker, dass dies zwar für den Umlauf von Geld gelte, nicht aber für [[Greshamsches Gesetz#Funktionsweise|gespartes Geld]]. Demzufolge träfe eine Umlaufsicherung vor allem Konsumenten und nicht Sparer und Investoren.
 
Zudem sei das Argument, eine Umlaufsicherung sei notwendig, damit Geld nicht dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird, obsolet: Geldbesitzer entzögen ihr Geld nicht dem Wirtschaftskreislauf, sondern finanzierten damit ihren Konsum oder investierten es. Weiterhin hätte Geld auf Girokonten nicht die von Gesell beschriebenen negativen Effekte, da durch die Vergabe von Krediten ein Ausgleich geschaffen würde. Einige Freigeldbefürworter sehen die Umlaufsicherung nicht nur als Notwendigkeit, das Entziehen von Geld aus dem Wirtschaftskreislauf zu verhindern, sondern auch als einen Ersatz für das Zinssystem als Investitionsmotivator. So könne die [[Zins#Zinskritik|Herbeiführung]] von [[Deflation|deflationären Zuständen]] vermieden werden.
 
[[Libertarismus|Libertäre]] vertreten die Auffassung, eine höhere Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes reiche nicht aus, um den allgemeinen Wohlstand zu erhöhen. Eine Gruppe von Menschen könne nicht allein dadurch ihren Wohlstand erhöhen, indem sie eine Münze mit zunehmender Geschwindigkeit im Kreis laufen lasse. Freiwirtschaftler konzentrierten sich zu sehr auf den Konsum – dieser habe mit wachsendem Wohlstand jedoch nichts zu tun, er sei Ziel und nicht Ursache der Wohlstandsmehrung.<ref>Siehe Rahim Taghizadegan: ''Eine kritische Überprüfung von Freiwirtschaft, Zinskritik und Schwundgeld nach Silvio Gesell.'' Institut für Wertewirtschaft, Wien 2008, ISBN 3-902639-09-1, S. 36. ({{Webarchiv|url=http://www.wertewirtschaft.org/analysen/Freiwirtschaft.pdf |wayback=20100705045251 |text=PDF |archiv-bot=2019-05-20 05:51:29 InternetArchiveBot }})</ref>
 
[[Jutta Ditfurth]] kritisiert Silvio Gesell und unterstellt ihm Rassismus, insbesondere Antisemitismus, und folgert, Freigeld stünde in Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Parole „[[Brechung der Zinsknechtschaft]]“.<ref>[[Jutta Ditfurth]]: ''Entspannt in die Barbarei - Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus'', Kapitel ''Silvio Gesell, die Freiwirtschaftslehre und ihre AnhängerInnen'', 1996. ISBN 3-8945-8148-4</ref><ref>Vgl. Klaus Schmitt: [http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/schmitt/entditfurth/ ''Entspannen Sie sich, Frau Ditfurth!''], Espero & Editions Achtacht3, 1998, S. 33. Abgerufen am 18. Juni 2012.</ref> Allerdings hatte sich deren Urheber [[Gottfried Feder]] schon 1923 scharf gegen Silvio Gesell und dessen Freigeld-Ideen geäußert.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.silvio-gesell.de/html/onken__igdr-lexikon.html | wayback=20160607212339 | text=Silvio Gesell im IDGR-Lexikon gegen Rechtsextremismus}}. Website der ''Stiftung für Reform der Geld- und Bodenordnung,'' 4. Januar 2006</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Umlaufgesichtertes Geld}}
 
== Literatur ==
* {{Literatur
| Autor=Oskar Stillich
| Titel=Freigeld. Eine Kritik
| Verlag=Industriebeamten-Verlag
| Datum=1923
| Ort=Berlin
}}
* {{Literatur
| Autor=Wolfgang Broer
| Titel=Schwundgeld. Bürgermeister Michael Unterguggenberger und das Wörgler Währungsexperiment 1932/33
| Sammelwerk=
| Band=
| Nummer=
| Seiten=
| Verlag=Studien-Verlag
| Auflage=
| Datum=2007
| Ort=Innsbruck, Wien, Bozen
| ISBN=978-3-7065-4472-6
| Online=
}}
* {{Literatur
| Autor=Helmut Creutz
| Titel=Das Geld Syndrom 2012: Wege zu einer krisenfreieren Wirtschaftsordnung
| Sammelwerk=
| Band=
| Nummer=
| Seiten=
| Verlag=Wissenschaftsverlag
| Auflage=aktualisierte
| Datum=2012
| Ort=Mainz, Aachen
| ISBN=978-3-8107-0140-4
| Online=
}}
* {{Literatur
| Autor=[[Margrit Kennedy]]
| Titel=Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel das jedem dient
| Sammelwerk=
| Band=
| Nummer=
| Seiten=
| Verlag=Permakultur Publ.
| Auflage=
| Datum=1990
| Ort=Steyerberg
| ISBN=3-9802184-2-2
| Online=[http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/ webseite]
}}
* {{Literatur
| Autor=[[Margrit Kennedy]]
| Titel=Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel das jedem dient
| Sammelwerk=
| Band=
| Nummer=
| Seiten=
| Verlag=Goldmann-Verlag
| Auflage=überarbeitete und erweiterte
| Datum=1991
| Ort=München
| ISBN=3-442-12341-0
| Online=[http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/ webseite]
}}
* {{Literatur
| Autor=Peter Knauer
| Titel=Arbeitslosigkeit durch einen Systemfehler unseres Geldes?
| Sammelwerk=Johannes Hoffmann: ''Irrationale Technikadaptation als Herausforderung an Ethik, Recht und Kultur. Interdisziplinäre Studien''
| Band=
| Nummer=
| Seiten=244–264
| Verlag=IKO – Verlag für Interkulturelle Kommunikation
| Auflage=
| Datum=1997
| Ort=Frankfurt
| ISBN=3-88939-250-4
| Online={{Webarchiv | url=http://www.jesuiten.org/peter.knauer/08.html | wayback=20121107032058 | text=webseite}}
}}
* {{Literatur
| Autor=Bernard Lietaer
| Titel=Das Geld der Zukunft
| Sammelwerk=
| Band=
| Nummer=
| Verlag=Riemann-Verlag
| Auflage=
| Datum=2002
| Ort=München
| ISBN=3-570-50035-7
| Online=
}}
 
* {{Literatur
| Autor=[[Bernd Senf]]
| Titel=Silvio Gesell: Freiwirtschaftslehre und natürliche Wirtschaftsordnung – weder Kapitalismus noch Sozialismus
| Sammelwerk=Die blinden Flecken der Ökonomie. Wirtschaftstheorien in der Krise
| Band=
| Nummer=
| Verlag=Verlag für Sozialökonomie
| Auflage=5
| Datum=2007
| Ort=
| ISBN=978-3-87998-452-7
| Online=
}}
* {{Literatur
| Autor=Thomas Wendel
| Titel=Das Wörgler Schwundgeldexperiment 1932–1933
| Sammelwerk=Kontext Scripten
| Band=
| Nummer=4
| Verlag=Kontext-Verlag
| Auflage=
| Datum=2000
| Ort=Essen
| ISBN=
| Online=
}}
 
== Weblinks ==
* [http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/ www.geldreform.de] – Materialien zur Geld-, Zins- und Schuldenproblematik (enthält auch einen Abschnitt mit [http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/Welcome.html#zinskritikkritik kritischer Literatur] und eine [http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/links.html Linkliste])
* ''[http://www.cko.lu/Freigeld.html Ein Plädoyer für Freigeld]'' von Christian Klein
* [http://www.dhm.de/sammlungen/kunst2/numismatik/freigeld/texte/ Freigeld aus den numismatischen Sammlungen] des Deutsches Historisches Museum|Deutschen Historischen Museums
* {{Digitalisat|IA=UeblicheEinwaendeGegenDieFreiwirtschaftlicheGeldrefor|LT=Übliche Einwände gegen die freiwirtschaftliche Geldreform mit Entgegnungen}} Eine Zusammenfassung von Klaus-Peter Schleisiek, ©Aachen, 1998 (überarbeitet 2002)
* http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/replik.htm – Replik zum Brakteatenmärchen
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
[[Kategorie:Freiwirtschaft]]
 
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 11. August 2022, 11:27 Uhr

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