Analytische Geometrie

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René Descartes (1596-1650) in einem Portrait von Frans Hals, 1648

Die analytische Geometrie, die von dem Philosophen und Mathematiker René Descartes begründet wurde, bedient sich algebraischer Methoden, seit der 1844 von Hermann Günter Graßmann entwickelten Vektorrechnung insbesondere der linearen Algebra (Vektoralgebra), um geometrische Probleme rein rechnerisch im Rahmen eines Koordinatensystems zu lösen, ohne dabei auf die unmittelbare geometrische Anschauung zurückzugreifen.

Wegen der damit verbundenen Abstraktion, die von den geometrischen Vorstellungen wegführt, bevorzugte Rudolf Steiner die rein geometrisch definierte synthetische bzw. projektive Geometrie, die zugleich eine gute Vorschulung für die imaginative Anschauung ist, mit der allein etwa die Formbildungen im Bereich des Lebendigen erfasst werden können.

"Wir tun innerhalb der analytischen Geometrie eigentlich das Folgende. Wir diskutieren irgendeine Gleichung y = f (x) oder eine andere Gleichung, und wenn wir innerhalb des gewöhnlichen Koordinatensystems bleiben, so sagen wir uns, jedem x entspricht dann ein y, und wir suchen die Endpunkte der Ordinaten als diejenigen Punkte auf, die sich aus unserer Gleichung ergeben. Was tritt da eigentlich ein? Da müssen wir uns sagen: Wenn wir die Gleichung behandeln, so behandeln wir sie eigentlich so, daß wir innerhalb desjenigen, was wir in der Gleichung handhaben, immer im Auge etwas haben, was außerhalb desselben liegt, was wir zuletzt suchen. Wir suchen zuletzt die Kurve. Aber in der Gleichung liegt ja nicht die Kurve. In der Gleichung liegen die Ordinaten und die Abszissen. Wir bewegen uns eigentlich so, daß wir außerhalb der Kurve konstruieren, und daß wir dasjenige, was wir an den Enden der Ordinaten haben, dann als die Punkte betrachten, die der Kurve angehören. Wir kommen mit unserer Gleichung in der analytischen Geometrie gar nicht hinein in die Kurve selber, in das geometrische Gebilde. Das ist etwas ungeheuer Bedeutsames, wenn es im erkenntnismäßigen Sinne begriffen wird, daß, wenn wir analytische Geometrie treiben, wir Operationen ausführen, die wir dann im Räume wieder aufsuchen, daß wir aber mit alldem, was wir da rechnen, eigentlich außerhalb der Betrachtung geometrischer Gebilde bleiben. Es ist das etwas, was man auffassen muß aus dem Grunde, weil man dann zu einer ganz anderen Vorstellung kommt, wenn man übergeht von der analytischen Geometrie zur projektiven oder synthetischen Geometrie. Da arbeitet man, wie die meisten von Ihnen wissen werden, nicht mehr mit der Rechnung, sondern da arbeitet man im Grunde genommen nur mit dem Schneiden von Linien und mit dem Projizieren von Gebilden und kommt dadurch wenigstens zunächst annäherungsweise dazu, aus dem bloßen Herumrechnen um die geometrischen Gebilde etwas hineinzutreten in diese geometrischen Gebilde selber." (Lit.: GA 324, S. 85f)

Siehe auch

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Naturbeobachtung, Experiment, Mathematik und die Erkenntnisstufen der Geistesforschung, GA 324 (1991), ISBN 3-7274-3242-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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