Kartenlegen und Kategorie:Klassischer Keynesianismus: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Kategorie:Keynesianismus]]
Das '''Kartenlegen''', auch genannt '''Kartomantie''' oder '''Chartomantik''' (''Kartenlegekunst''), ist ein Teilbereich der [[Wahrsagung]]. Die sehr neuzeitliche, Ende des 18. Jahrhunderts in Mode gekommene, Technik benutzt spezielle oder standardisierte [[Wahrsagekarten|Spielkarten]] (etwa [[Lenormandkarten|Lenormand-]], [[Zigeunerkarten|Zigeuner-]], [[Kipperkarten|Kipper-]] und [[Tarot]]-Karten, oder auch ein gewöhnliches [[Skat]]blatt) um in einem Gespräch zwischen Wahrsager und Kunde oder in einer Legung für sich selbst etwas über Situationen, Personen und zugehörige Fragen aussagen zu wollen. Völlig unabhängig von der Tauglichkeit als ernsthafte Prognose, die bereits im 18. Jahrhundert in Frage gestellt wurde, ist die Technik bis in die Gegenwart beliebt und weit verbreitet.
 
[[Datei:Lucas van Leyden - The fortune teller.jpg |mini|Die Kartenlegerin (ca. 1508, [[Lucas van Leyden]])]]
== Geschichte ==
Das Kartenlegen soll ab dem 7. Jahrhundert in China entstanden sein, als sich dort der [[Blockdruck|Holztafeldruck]] entwickelte, mit dem auch [[Spielkarten]] in Mode kamen, die bald als [[Wahrsagekarten]] eingesetzt wurden. Im [[18. Jahrhundert]], hauptsächlich durch französische [[Okkultist]]en wurde die Kartomantie ein populäres Phänomen, das bis heute anhält. Die populäre Legende vom ägyptischen Ursprung der Karten gehört dazu, tatsächlich wurde die divinatorische Verwendung erst Ende des 18. Jahrhunderts populär gemacht. Sie findet sich weder in früheren Bänden zur Magie noch zu Anwendungen von Spielkarten.<ref>{{Literatur|Autor = Thomas Körbel|Titel = Hermeneutik der Esoterik: eine Phänomenologie des Kartenspiels Tarot als Beitrag zum Verständnis von Parareligiosität|Verlag = LIT Verlag Münster|Jahr = 2001|ISBN = 978-3-8258-5378-5|Online = {{Google Buch|BuchID=kofvho28rsMC}}}}</ref> [[Jean-François Alliette]]s 1783–1784 veröffentlichtes Werk&#160;''Manière de se recréer avec un jeu de cartes nommées Tarot'' (frz. 'Wie man sich mit den Tarot genannten Spielkarten zerstreut') gilt als zentrale Grundlage. Ein frühere Herkunft durch [[Fahrendes Volk]] oder Zigeuner wird oft behauptet und ist Teil von entsprechenden Herkunftslegenden.
 
[[Friedrich Christian Avé-Lallemant]] bestätigte in frühen kriminalistischen Werken die französische Herkunft der Wahrsagekarten. Er sprach sich nicht nur wegen Betrugsmöglichkeiten für ein Verbot des Wahrsagens aus, sondern weil er das Wahrsagen als generell schädlich für die Psyche der Wahrsagerinnen empfand und behauptete, diese würden ungewöhnlich oft durch Suizid aus dem Leben scheiden.<ref>{{Literatur|Autor = Friedrich Christian Benedict Avé-Lallemant|Titel = Das Deutsche Gaunerthum in seiner social-politischen: th. Das historische Gaunerthum. Literatur des Gaunerthums|Verlag = F.A. Brockhaus|Jahr = 1858-01-01|Online = {{Google Buch|BuchID=d1EJAAAAQAAJ|Linktext=Volltext}}}}</ref>
 
== Vorgang ==
Die tatsächliche Möglichkeit die Zukunft vorherzusagen, wurde schon im 18. Jahrhundert nicht mehr groß wissenschaftlich diskutiert.<ref name=":0">{{Literatur|Autor = Martin Bentele, Jörg Fellermann|Titel = Perspektivenzuwachs. Drei Texte zu Supervision und Beratung. Aus Kulturwissenschaft, Schriftstellerei und Regionalentwicklung|Verlag = kassel university press GmbH|Jahr = 2013|ISBN = 978-3-86219-446-9|Online = {{Google Buch|BuchID=wMMiQNnT-QYC|Seite=15}}}}</ref> Die dem entgegenstehende nach wie vor anhaltende Beliebtheit des Kartenlesens hat nach Georges Minois mit einer vor allem therapeutischen Funktion der Wahrsager(in, zumeist Frauen) zu tun, die den oft durch Lebenskrisen verunsicherten Kunden zu neuem Tatendrang motiviere.<ref name=":0"/>
 
Die Kartenleger definieren ihre eigene Tätigkeit als Hilfestellung mit dem Ziel zur Lösung von Problemen zu gelangen, die äußeren Umstände des Kartenlesens (etwa durch Verkleidung, Umgebung und besonders symbolhafte Gegenstände) sind von Belang. Dazu mischt der Kartenleger die Karten und breitet sie nach bestimmten Mustern und Bildern aus, wobei die verschiedenen Positionen oftmals Bezeichnungen wie ''gegenwärtige Situation'', ''Ängste und Hoffnungen'' oder ''zukünftige Ereignisse'' tragen. Aus den vorgegebenen Kartenbedeutungen in Verbindung mit der Kartenposition ist die Kartenlegerin bestrebt, etwas herauslesen, was einen Blick in die Zukunft gestattet und zur Lebensanalyse tauglich sein kann.
 
== Neuere Entwicklungen des Kartenlegens ==
Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts verlieh die [[New Age|New-Age]]-Bewegung der [[Esoterik]] und damit auch der [[Kartomantie]] eine große Popularität. In dieser Zeit entstanden zahllose Derivate der verbreiteten Kartendecks. Sowohl [[Printmedien]], das [[Internet]], verschiedene [[Fernsehen|Fernsehsender]] und Telefon-[[Hotline]]s als auch spezielle Esoterikszeneläden bieten heute die verschiedensten Spielarten der Kartomantie an.
 
== Rechtliche Fragen ==
Bereits im Kaiserreich war das Wahrsagen nicht verboten, wurde aber polizeilich als „asoziale und arbeitsscheue“ Betätigung eingestuft und als potentiell gemeingefährlich und betrügerisch einer stärkeren Kontrolle ausgesetzt.<ref name=":1">{{Literatur|Titel=„Asoziale“ und „Parasiten“ im Recht der SBZ/DDR: Randgruppen im Sozialismus zwischen Repression und Ausgrenzung|Online={{Google Buch|BuchID=KD2HJlkzo44C}}|Verlag=Böhlau|Ort=Köln, Weimar|Jahr=2005|ISBN=978-3-412-06604-8|Autor=Sven Korzilius|Seiten=44ff}}</ref> In Sachsen konstatierte der nachmalige Innenminister (SED) [[Artur Hofmann]] 1946 eine erhebliche Zunahme des „[[Wahrsagen|Wahrsageunwesens]]“ in den Nachkriegswirren und erließ Verbot des gewerblichen Wahrsagens der [[Chiromantie]], der [[Phrenologie]] und der [[Astrologie]]. Es wurden Strafen von bis zu 150 Reichsmark und die Zuführung zum Arbeitsamt für Wiederaufbau angedroht.<ref name=":1" /> Die durchaus harte und verschärfte Behandlung wich nicht vom grundsätzlichen polizeilichen Vorgehen während des Nationalsozialismus oder im Deutschen Reich ab. In den gesamtdeutschen Medien intensiv besprochen wurde der 1956 vor einem DDR-Gericht verhandelte Fall der „[[Kartenlegerin von Suhl]]“, Charlotte Marquardt. Sie wurde zu einer Zuchthausstrafe von zwölf Jahren verurteilt, nachdem sie beim Kartenlegen etlichen DDR-Bürgern eine erfolgreiche [[Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR|Flucht aus der DDR]]  verheißen hatte und mit einem Exemplar des in Westdeutschland vom Verlag [[Karl Rohm]] verlegten ''Lorcher Astrologischen Kalender auf das Jahr 1956'' verhaftet worden war.<ref>Baldur Haase: [http://www.horch-und-guck.info/hug/archiv/1996-1999/heft-25/02510-haase/ ''Beim Kartenlegen „Reklame für die Einheit“: Charlotte M., die Kartenlegerin aus Suhl''.] [[Horch und Guck]], Heft 25/1999, S. 36–39, abgerufen am 31. Oktober 2015.<br>
Baldur Haase: ''Die Kartenlegerin von Suhl: „Ich bin bei der Stasi gefangen …“ 1955/56.'' Landesbeauftragter des Freistaates Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ehemaligen DDR, Erfurt 1998, ISBN 3-932303-16-4.</ref> Auch die westdeutschen Medien berichteten über diesen und andere Fälle. 1957 war eine Kartenlegerin aus Zossen in Luckenwalde vor Gericht gestellt worden und zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Sie hatte einer Diebin geraten, zu „verschwinden“, weil ihr möglicherweise eine Zuchthausstrafe drohe.<ref>{{Internetquelle|titel=Die Urteilsbegründung bleibt meist geheim|url=http://www.abendblatt.de/archiv/1958/article203037353/Die-Urteilsbegruendung-bleibt-meist-geheim.html|hrsg=Hamburger Abendblatt|zugriff=2015-10-23}}</ref>
 
Inwieweit [[Honorar]]e für gewerbliches Kartenlegen einklagbar sind, ist in Deutschland juristisch umstritten. Einerseits sind [[Vertrag|Verträge]] über offensichtlich unmögliche Leistungen wie [[Hellsehen]] [[Unwirksamkeit|nichtig]], das heißt, dass der Erbringer kein Anrecht auf die vereinbarte Zahlung hat. Andererseits befand der [[Bundesgerichtshof]] 2011, dass auch bei einer objektiv unmöglichen Leistung die Vergütungspflicht nicht entfalle, falls sich beide Vertragsparteien im Rahmen der [[Vertragsfreiheit]] über Leistungen geeinigt haben, die man als „[[jahrmarkt]]ähnliche Unterhaltung“ verstehen könne. Die Klägerin hatte vom Beklagten bereits mehr als € 35.000 für zahlreiche telefonische Lebensberatungen auf der Grundlage von Kartenlegen erhalten und verlangte nun die Begleichung weiterer € 6.700. Der Fall wurde ans [[Oberlandesgericht Stuttgart]] zurücküberwiesen und endete mit einem [[Vergleich (Recht)|Vergleich]].<ref>[http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=54916&pos=0&anz=1 Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2011] auf juris.bundesgerichtshof.de, Zugriff am 2. August 2013.<br />Maximilian Becker: ''Absurde Verträge''. Mohr Siebeck, Tübingen 2013.</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kartenlegen}}
 
== Literatur ==
* Gérard Analect Vincent Encausse ''Tarot der Zigeuner, der absolute Schlüssel zur Geheimwissenschaft''; Ansata-Verlag, Bern-München-Wien 1999;, ISBN 3-502-20245-1.
* Antoine Court de Gébelin ''Le monde primitif, analysé et comparé avec le monde moderne'' Band 8.
* Eliphas Levi ''Secrets de la magie''. Laffont, Paris  2000, ISBN 2-221-07808-X.
* Jean-Baptiste Alliette ''Etteilla ou la seule manière de tirer les cartes'' Amsterdam 1773, Hugendubel, München 1988
* Stuart R. Kaplan: ''Der Tarot. Geschichte, Deutung, Legesysteme''. Original: ''Tarot Classic.'' 1972. Aus dem Amerikanischen von Burkhardt Kiegeland. 5. Aufl. 1988, ISBN 3-88034-224-5 (1. Aufl. 1984).
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
[[Kategorie:Kartenspiel mit speziellem Blatt]]
[[Kategorie:Tarot]]
 
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 26. März 2022, 17:05 Uhr