Kopfgelenk

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Version vom 23. Dezember 2017, 23:44 Uhr von imported>Joachim Stiller (→‎Einzelnachweise)
Die Gelenkflächen (Kondylen) des ersten Halswirbels (Atlas), auf denen die Schädelbasis aufliegt, und die entsprechenden Gelenkflächen auf der Unterseite der Schädelbasis gehören zusammen zum oberen Kopfgelenk.
Kopfgelenk am Schädel eines Europäischen Waldelefanten

Als Kopfgelenke werden die Gelenke zwischen der Schädelbasis und dem erster Halswirbel, dem Atlas (Atlanto-okzipital-Gelenk) sowie die Gelenke zwischen Atlas und dem zweiten Halswirbel, der Axis (Atlanto-axial-Gelenke) bezeichnet. Diese Gelenke bewirken zusammen mit der übrigen Halswirbelsäule die Beweglichkeit des Kopfes in den drei Raumebenen: transversal („drehen“), koronal („neigen“) und sagittal („nicken“). Umgangssprachlich wird dieser obere Bereich der Halswirbelsäule als „Genick“ bezeichnet.[1]

Oberes Kopfgelenk

Das obere Kopfgelenk oder Atlanto-okzipital-Gelenk (Articulatio atlantooccipitalis) liegt zwischen den beiden Kondylen des Hinterhaupts (Occiput) und der Fovea articularis cranialis des Atlas. Es handelt sich um ein Ellipsoidgelenk, das vorwiegend Streckung und Beugung, also Nickbewegungen ermöglicht (im Englischen daher auch als „Yes“-Joint, deutsch „Ja“-Gelenk bezeichnet). In geringerem Umfang sind auch Seitwärtsneigungen des Kopfes möglich.

Die Gelenkkapsel ist jeweils dorsal (rückenwärts) und ventral (bauchwärts) durch Membranen (Membrana atlantooccipitalis dorsalis und ventralis) verstärkt. Im Bereich der dorsalen Membran befindet sich ein größeres, nur durch diese Membran verschlossenes Loch zwischen beiden Halswirbeln. In diesem Bereich kann man mit einer Kanüle in den Subarachnoidalraum bzw. deren Erweiterung (Cisterna cerebellomedullaris) vordringen, um eine Punktion von Liquor cerebrospinalis (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, Zerebrospinalflüssigkeit) durchzuführen. Außerdem kann man dort mit einem spitzen Gegenstand das Rückenmark zerstören („Genickstich“). Im Wirbelkanal verläuft über beide Kopfgelenke die Membrana tectoria, unter ihr liegt das Ligamentum cruciforme atlantis.

Unteres Kopfgelenk

Die unteren Kopfgelenke oder Atlanto-axial-Gelenke (Articulatio atlantoaxialis) werden von Atlas und Axis gebildet. Es gibt folgende Gelenke:

  • Articulatio atlantoaxialis mediana: Der Wirbelkörper des Axis wird nach oben (kranial) durch einen zapfenförmigen „Zahn“ (Dens axis) fortgesetzt, der entwicklungsgeschichtlich vom Atlas stammt. Dieser Zahn bildet mit seiner Facies articularis anterior in der Zahngrube des Atlas (Fovea dentis) ein so genanntes Rad- oder Zapfengelenk (Articulatio trochoidea). Weiterhin artikuliert der Dens axis mit seiner Facies articularis posterior mit dem Ligamentum transversum atlantis, das ihn auch gleichzeitig gegen rückwärts gerichtete Bewegungen sichert. Interessanterweise finden sich auf der Oberfläche des Bandes Auflagerungen von Faserknorpelzellen, die einen Rückschluss auf einen gelenkigen Kontakt mit dem Dens axis zulassen. Das Band liegt dorsal vom Dens und ist an den beiden Massae laterales des Atlas befestigt.
  • In der Articulatio atlantoaxialis lateralis stehen Atlas und Axis über die unteren und oberen Gelenkflächen der Gelenkfortsätze (Processus articulares) in Verbindung.

Diese Gelenkabschnitte werden von einer gemeinsamen Gelenkkapsel umschlossen und durch mehrere weitere Bänder fixiert. Um den Dens des Axis werden vorwiegend Drehbewegungen wie beim Kopfschütteln („No-joint“, „Nein“-Gelenk) ausgeführt. Das Zapfengelenk am Dens ermöglicht 20°–30° Rotation zu jeder Seite. Etwa 70 % der Kopfdrehung geschieht in diesem unteren Kopfgelenk, der Rest in der übrigen Halswirbelsäule.

Zusammenwirken der Kopfgelenke

Die Kopfgelenke ermöglichen eine sehr feine Abstufung der Bewegungen des Kopfes. Durch Kombinationen der Nickbewegungen der oberen und der Drehbewegungen der unteren Kopfgelenke sind Bewegungen in allen drei Raumebenen möglich.

Schädigungen der Kopfgelenke

Bei einem Genickbruch – einem Bruch des Zahns des zweiten Halswirbels (Dens axis) – oder einem Riss der Bänder des Dens axis kann das verlängerte Mark (Medulla oblongata) und das Rückenmark durchtrennt oder abgequetscht werden, wodurch es zu einer Zerstörung des Atem- und des Kreislaufzentrums kommt. Dies hat den sofortigen Tod zur Folge, vergleichbar einer Enthauptung. Besteht bei Verletzten ohne Spontanatmung der Verdacht auf eine Fraktur des Dens axis, so muss eine notwendige Intubation mit Vorsicht in Neutralstellung der Halswirbelsäule vorgenommen werden, um mögliche oder weitere Schädigungen von verlängertem Mark bzw. Rückenmark zu vermeiden.

Bänderverletzungen ohne Bruch des Dens axis können die Symptome einer Instabilität im Bereich der Kopfgelenke[2] einschließlich Atemstörungen auch in Form einer zentralen Schlafapnoe zur Folgen haben.

CT einer Fraktur des 2. Halswirbels

Eine fehlende oder unvollständige Ausbildung des Dens axis kann Ursache für eine Atlanto-axiale Subluxation sein.

Ein Riss des median gelegenen Haltebands zwischen Atlas und Dens axis (Atlantodentalgelenk) kann – insbesondere bei Vorliegen einer zusätzlichen Schädigung der seitlichen Gelenkkapselanteile zwischen Atlas und Axis – zu einem seitlichen Abdriften des Atlas auf dem Axis führen. Diese Verletzung stellt eine atlantoaxiale Instabilitätsverletzung dar. Ferner kann bei Rupturen der Gelenkkapsel zwischen Hinterhauptbein und Atlas oder der Flügelbänder eine sehr komplexe Instabilität der Kopfgelenke entstehen. Diese Instabilitätsverletzungen werden im klinischen Alltag regelmäßig übersehen, da der Patient aufgrund der erhöhten Muskelspannung, die einen Schutzspasmus gegen das Auseinanderdriften der Wirbel darstellt, eher eine muskuläre Verkrampfung als eine Instabilität aufzeigt. Bei Gabe von Muskelrelaxantien kann jedoch unter Fluoroskopie der Integritätsverlust der Kopfgelenke dargestellt werden. Symptome bei Instabilitätsverletzungen der Kopfgelenke sind in erster Linie auf intermittierende Durchblutungsstörungen im Bereich der Wirbelarterien, Arteria carotis interna und der Jugularvenen zurückzuführen. Es kann zu vorübergehenden Durchblutungsstörungen mit wiederholt diffusen Sauerstoffmangel-Situationen kommen. Der Patient berichtet von Benommenheit, Schwindel, Sehstörungen (Mouches volantes, Sternchensehen) etc. Es kommt bei diesen Patienten nicht zur Infarzierung, sondern zu einem diffusen leichtgradigen Zelluntergang des Hirnparenchyms. Vermeintlich psychiatrisch kranke Patienten zeigen jedoch unter FDG-PET einen isolierten Minderstoffwechsel im Bereich der Versorgungsgebiete, die bei Kopfgelenksinstabilitäten beeinträchtigt werden.[3]

Siehe auch

Literatur

  •  J. Fanghänel, F. Pera, F. Anderhuber u. a. (Hrsg.): Waldeyer Anatomie des Menschen. 17. völlig überarbeitete Auflage. de Gruyter, Berlin – New York 2003, ISBN 3-11-016561-9, Kap. 8.2.4 Kopfgelenke, S. 640 ff.

Einzelnachweise


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Kopfgelenk aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.