Geographie

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Physische Weltkarte

Die Geographie (griech. γεωγραφία geographía, von γῆ ‚Erde‘ und γράφειν gráphein ‚[be-]schreiben‘) oder Erdkunde dient der wissenschaftlichen Erforschung und Beschreibung der physischen Oberfläche der Erden, insbesondere auch als Ort des menschlichen Lebens und Handelns.

Geistige Geographie

Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit

"Wie man die Verhältnisse der Erde schildern kann nach dem Prinzip einer physischen Geographie, so lassen sich wohl auch die in diesen Vorträgen schon mehr oder weniger charakterisierten geistigen Impulse, die über die Erde hin wirken, in einer Art geistiger Geographie schildern - insbesondere das Zusammenwirken der östlichen und westlichen Impulse des geistigen Lebens der Menschheit mit all ihren verschiedenen Differenzierungen [...]

Wenn nach dem Osten geschaut wird - von dessen Verhältnis zum Westen so häufig das symbolische Wort gebraucht wird, das Licht komme aus dem Osten -, dann erhält der westliche Mensch, der Mensch der neueren Zivilisation überhaupt, doch den Eindruck eines traumhaften Geisteslebens. Gegenüber der Gewöhnung des modernen Geisteslebens an scharfumrissene, scharfkonturierte Begriffe, an Begriffe, die sich eng anlehnen an das, was äußerliche Beobachtung werden kann, nehmen sich die vielfach beweglichen, fluktuierenden, nicht so unmittelbar an Äußerliches in scharfen Konturen sich anlehnenden Vorstellungen des Ostens traumhaft aus. Wobei man allerdings sagen muß, daß aus diesem traumhaften Geistesleben, das sich ja in den herrlichsten Dichtungen, in den Veden, ausgelebt hat, wiederum die scharfen Begriffe einer umfassenden Philosophie, etwa der Vedantaphilosophie, sich entwickelt haben; Begriffe, die nicht gewonnen sind durch Vergleich äußerer Tatsachen, durch Analyse; Begriffe, die, ich möchte sagen, herausgeboren sind aus dem innerlich erlebten, innerlich ergriffenen Geistesleben [...]

In der Zeit, als der Orientale gerade das Großartigste seiner Weltanschauung ausbildete, das sich dann auf die Nachkommen vielfach in dekadentem Zustand übertragen hat, schuf der Osten alles mit hingebender Liebe. In jeder seiner Ideen, in jedem seiner Begriffe und seiner Bilder lebt die Liebe, und die Liebe verspüren wir in diesen Ideen, in diesen Begriffen und Bildern. Die Liebe will, ausfließen in die Objekte. Und sie fließt naturgemäßerweise aus und zaubert das vor unser Seelenauge hin, was der Orientale auch an Symbolen hinstellte - mit innigem Verständnis von manchem, was übersinnlich wirkt -, wenn er hinstellen wollte, was er als Geistiges in den Dingen empfand. Selbstverständlich soll damit nicht behauptet werden, daß eine solche Geisteskonfiguration, etwa über die ganze Erde ausgebreitet, der Weltentwickelung zum vollen Segen gereichen könne. Aber da sie einmal an einem Fleck der Erde aufgetaucht ist und vielfach ihre Wirkung ausgegossen hat über andere Gebiete des Erdenlebens, so muß sie eben gerade in einem Zeitalter, wo Verständigung unter den Menschen herbeigeführt werden soll, unbefangen ins Auge gefaßt werden.

Stellen wir dagegen dasjenige, was ganz gewiß nicht mit minderer Berechtigung, aber in ganz anderer Gestalt, mehr nach dem Westen hin - und wir leben auch in dieser Beziehung durchaus vielfach in diesem Westen drinnen - als eine besondere Anschauung sich entwickelt hat. Da sehen wir, wie als ein Ideal betrachtet wird und betrachtet werden muß, daß man sich gerade zurückzieht vor dem, was unmittelbar die Sinne beobachten, was ausgebreitet da draußen im Raum und in der Zeit liegt, und daß man das, was die Natur darbietet, was zum Weltgeheimnis führen soll, nach räumlicher Lage, nach Bewegung, nach Maß und Gewicht prüft, daß man das, was sich unmittelbar dem Auge darstellt, zerschneidet, unter das Mikroskop nimmt und dann sich Vorstellungen bildet, die sich eben nur unter dem Mikroskop ergeben können [...]

Wir müssen eigentlich sagen: Wenn wir, mit dem Rüstzeug unserer Wissenschaft - mit dem wir vielleicht gerade die schönsten Früchte unserer gegenwärtigen Naturwissenschaft gewonnen haben - ausgestattet, unsere Erkenntnis begründen, dann müssen wir, wenn wir wiederum an die Natur herankommen wollen, erst etwas in unserer Seele umschalten. Sind wir Botaniker, haben wir viel mikroskopiert, haben wir das Leben der Zellen kennengelernt, haben wir uns Vorstellungen gemacht aus der atomisierenden Art von heute, dann müssen wir in der Seele etwas umschalten, um wiederum Liebe zu haben zu der unmittelbaren blühenden und grünenden Pflanzenwelt. Wir müssen, wenn wir uns eine naturwissenschaftliche Vorstellung gemacht haben vom Bau des Tieres und des Menschen, etwas in uns wiederum umschalten, wenn wir vordringen wollen zur unmittelbaren Beobachtung der tierischen Gestalt und Tätigkeit, wenn wir uns freuen sollen, wie sich das Tier auf der Wiese tummelt, oder wenn es uns seinen melancholischen oder stieren Blick zuwendet oder uns zutraulich anschaut. Ebenso müssen wir etwas in unserer Seele umschalten, wenn wir uns hineinversetzen wollen in das, was das Auge schauen kann, indem es den Blick richtet auf die menschliche Gestalt, die Flächengestaltung verfolgt mit künstlerischem Blick und so weiter. Der Orientale braucht nicht umzuschalten. Das was er seine Wissenschaft nannte, führte ihn, indem er es von Liebe durchseelt erlebte, hinaus zu der unmittelbaren Anschauung. Die war ganz unmittelbar das Echo dessen, was er in der Seele erlebte.

Das sind Stimmungsunterschiede in der Welt- und Lebensauffassung in Ost und West. Und diese Stimmungsunterschiede wirken in dem Menschen der Mitte in der mannigfaltigsten Weise zusammen. Denn in dem, was wir in unserer Seele wissenschaftlich, künstlerisch, religiös erleben, da flutet vieles von jener Stimmung, die ich eben ein wenig zu charakterisieren versuchte als die aus dem Orient herüberwehende. In anderer Beziehung waltet aber in uns wiederum etwas von dem Welterleben, das entzündet ist von jener Wissenschaftlichkeit, die der Westen ausgebildet hat, die, ich möchte sagen, eine junge Wissenschaftlichkeit und Erkenntnis ist gegenüber der altgewordenen des Ostens. Und in jeder Seele der mittleren Zivilisation fluten diese beiden Strömungen zusammen. Im Grunde genommen ist das Leben, das uns gerade in Europa umgibt, ein Zusammenfluten, ein solches Zusammenfluten, daß wir heute gar sehr nötig haben, mit vollem Verständnis hineinzuschauen in das, was da zusammenflutet." (Lit.: GA 083, S. 108ff)

Geographieunterricht

"Der Raum gehört zu diesem Menschen dazu. Er ist ein Glied in der räumlichen Welt, insofern er ein Beine- und Füßemensch ist. Und wenn wir das räumlich betrachten, dann ist es in gewisser Weise für unseren astralischen Leib ein Sich-auf-die-Beine-Stellen, wenn wir Geographie mit dem Kinde treiben. Es wird tatsächlich der astralische Leib unten mächtiger und dichter. Wir treiben das Räumliche, und wir verdichten daher das Geistig-Seelische des Menschen nach dem Boden hin. Mit anderen Worten: Wir bringen den Menschen zu einer gewissen Festigung in sich gerade dadurch, daß wir recht anschaulich das Geographische betreiben, aber diese Geographie so betreiben, daß wir immer das Bewußtsein hervorrufen, daß der Niagara nicht an der Elbe liegt, sondern daß wir immer das Bewußtsein hervorrufen: wieviel Raum liegt zwischen Elbe und Niagara.

Wenn wir das wirklich anschaulich betreiben, dann stellen wir den Menschen in den Raum hinein, wir bilden insbesondere dasjenige in ihm aus, was ihm ein Weltinteresse beibringt, und das wird sich in der verschiedensten Weise in der Wirkung zeigen. Ein Mensch, mit dem wir verständig Geographie treiben, steht liebevoller seinem Nebenmenschen gegenüber als ein solcher, der nicht das Daneben-im-Raum erlernt. Er lernt das Danebenstehen neben den anderen Menschen; er berücksichtigt die anderen. Diese Dinge gehen stark in die moralische Bildung hinüber, und das Zurückdrängen der Geographie bedeutet nichts anderes als eine Aversion gegen die Nächstenliebe, die sich in unserem Zeitalter immer mehr und mehr zurückdrängen lassen mußte. Man merkt solche Zusammenhänge nicht, aber sie sind vorhanden. Denn es wirkt immer eine gewisse unterbewußte Vernunft oder Unvernunft in den Erscheinungen des Zivilisationslebens." (Lit.: GA 302, S. 52)

"Wenn man den Geographieunterricht recht anschaulich gestalten würde, wenn man namentlich die Länder, die Verteilung der Vegetation in den Ländern, die Verteilung der Bodenprodukte in den Ländern, durch graphische Darstellungen zeigt, in dieser Weise also den Unterricht recht anschaulich gestaltet, wird man gerade da bemerken, daß man nicht leicht eine allgemeine Stumpfigkeit des Schülermaterials findet. Dadurch kann man leicht gegen eine allgemeine Stumpfheit ankämpfen. Wenn man das auch noch dadurch belebt, daß man gerade beim Geographieunterricht versucht, das Land zuerst zu beschreiben, es dann aufzeichnet, es aufzeichnen laßt auf die Tafel, hineinzeichnet Flüsse, Gebirge, Verteilung von Vegetation, von Wald und Wiese, und dann Reisebeschreibungen mit den Schülern liest, dann wird man sehen, daß man meistens sehr wenig für Geographie unbegabte Schüler findet, ja, daß man die Geographie benützen kann, um Schüler zur Lebhaftigkeit zu bewegen und zum Herauskitzeln anderer Fähigkeiten. Man wird geradezu bemerken, wenn man die Geographie als solche interessant machen kann, wie in den Schülern andere Fähigkeiten aufgeweckt werden." (Lit.: GA 295, S. 94f)

"Ich habe Ihnen gesagt, daß der Geographieunterricht zuerst auf der zweiten Stufe des Volksschulalters auftreten kann. Wir können gut mit dem Geographieunterricht beginnen, wenn das 9. Lebensjahr überschritten ist. Wir müssen ihn nur in der richtigen Weise einrichten. Wir müssen überhaupt beim Volksschulunterricht der Zukunft - das gilt sogar auch für den Mittelschulunterricht - darauf sehen, daß dieser Geographieunterricht viel mehr umfaßt, als er gegenwärtig umfaßt. Das Geographische tritt in der Gegenwart allzusehr zurück, es wird wirklich recht stiefmütterlich behandelt. Mit dem Geographischen sollten eigentlich die Errungenschaften des übrigen Unterrichts in vielfacher Beziehung wie in eins zusammenfließen. Und wenn ich Ihnen auch gesagt habe, daß der Mineralogieunterricht erst auf der dritten Stufe, so um das 12. Jahr herum auftritt, so kann doch beschreibend, anschauend auch das Mineral schon auf der früheren Unterstufe etwas in das Geographische verflochten werden. Das Kind kann außerordentlich viel zwischen dem 9. und 12. Jahr aus der Geographie aufnehmen, wenn wir nur richtig mit dieser Geographie verfahren. Da handelt es sich darum, daß wir gerade in der Geographie von dem ausgehen, was das Kind in irgendeiner Weise von der Oberfläche der Erde und dem, was auf der Oberfläche der Erde geschieht, schon kennt. Wir versuchen, dem Kinde zunächst kunstgemäß wiederum eine Art Bild beizubringen von den Gebirgs- und Flußverhältnissen, aber auch den sonstigen Verhältnissen der Umgebung. Wir machen es so, daß wir wirklich mit dem Kinde elementarisch eine Karte ausarbeiten für die nächste Umgebung, in der das Kind aufwächst, die es kennt. Wir versuchen, dem Kinde dasjenige beizubringen, was die Übersetzung bietet von dem Drinnensein in einer Gegend zum Anschauen aus der Luftperspektive oder durch die Luftperspektive, also richtig die Verwandlung der zunächst bekannten Gegend in die Karte. Wir versuchen dem Kinde beizubringen, wie die Flüsse diese Gegend durchfließen, das heißt, wir zeichnen das Fluß- und Bachsystem der Umgebung in die Karte, in die wir allmählich die Anschauung der Umgebung verwandeln, wirklich ein. Und wir zeichnen auch in diese Karte die Gebirgsverhältnisse ein. Es ist gut, wenn wir da mit Farben arbeiten, wenn wir die Flüsse blau einzeichnen, wenn wir die Gebirge mit brauner Kreide einzeichnen. Dann aber zeichnen wir auch in diese Karte die übrigen, mit den menschlichen Lebensverhältnissen zusammenhängenden Dinge ein..." (Lit.: GA 294, S. 150ff)

"Nun sagte ich, man habe die Kinder vorzubereiten durch die Naturgeschichte auf die Geschichte, wenn man so vorgeht, wie ich es in den vorangegangenen Betrachtungen charakterisiert habe. Man hat aber die Kinder auch vorbereitet auf das Leben der Erde, indem man so Botanik getrieben hat, wie ich es charakterisiert habe. Dann kann man in diesem Lebensalter auch zum Geographischen übergehen. Dieses Geographische sollte sich aufbauen können auf allerlei in erzählender Form gehaltene Schilderungen von Gegenden, wobei auch ferne Gegenden, zum Beispiel amerikanische oder afrikanische Gegenden, geschildert werden können. Dadurch, wie auch durch die vorausgegangene Naturgeschichte, in der der Zusammenhang des Pflanzenreichs mit der ganzen Erde dargestellt wurde, ist das Kind vorbereitet, um gegen das 12. Jahr hin Verständnis zu haben für das eigentlich Geographische. Bei dieser Geographie kommt es jetzt darauf an, zu zeigen, wie von der Erde aus, von dem Klimatischen, von alledem, was die Erde an gesetzmäßiger Gestaltung und Struktur an ihren verschiedenen Orten hervorbringt, wie von dem das abhängt, was man in der Geschichte gerade entwickelt. Nachdem man einen Begriff gegeben hat vom Zusammenhang von Meer und Land, von dem Klimatischen im alten Griechenland, kann man nun zurückleiten auf dasjenige, was man rein als Symptom für den inneren Werdegang der Menschheit in bezug auf den Charakter des Griechentums entwickelt hat. Ein inniger Zusammenhang kann dann gefunden werden zwischen dem geographischen Bild, das man von der Erde gibt, und dem geschichtlichen Werden. Eigentlich sollten immer ineinandergreifen die Schilderungen der Erdengegenden und die Schilderungen, die man vom geschichtlichen Werden gibt. In der Geographie sollte im Grunde genommen Amerika nicht behandelt werden, bevor man in der Geschichte die Entdeckung Amerikas behandelt hat. Es ist notwendig, daß man in einer gewissen Weise berücksichtigt, daß der Horizont des Menschen im Laufe der Entwickelung sich ausgedehnt hat und daß man nicht zu stark, ich möchte sagen, das Menschengemüt zu einem Absoluten hinbringen soll." (Lit.: GA 301, S. 196f)

Siehe auch

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit, GA 83 (1981), ISBN 3-7274-0830-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Erziehungskunst. Methodisch-Didaktisches, GA 294 (1990), ISBN 3-7274-2940-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Erziehungskunst. Seminarbesprechungen und Lehrplanvorträge, GA 295 (1984), ISBN 3-7274-2950-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft, GA 301 (1991), ISBN 3-7274-3010-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Menschenerkenntnis und Unterrichtsgestaltung, GA 302 (1986), ISBN 3-7274-3020-6 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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