Epigenetik

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Version vom 3. Dezember 2018, 17:17 Uhr von imported>Joachim Stiller
Epigenetische Mechanismen (DNA-Methylierung), Quelle: National Institutes of Health.

Die Epigenetik (altgr. ἐπί epi ‚dazu‘, ‚außerdem‘ und Genetik) ist ein Teilgebiet der Biologie, das untersucht, welche zusätzlichen nicht genetischen Faktoren die Genexpression und damit die Entwicklung der Zelle bestimmen. Sie untersucht dabei Änderungen der Genfunktion, die nicht auf Mutation beruhen und dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden. Der Begriff wurde schon 1942 von Conrad Hal Waddington geprägt, als die Struktur der DNA noch unbekannt war und ganz allgemein definiert als „the branch of biology which studies the causal interactions between genes and their products which bring the phenotype into being“ („der Zweig der Biologie, der die kausalen Wechselwirkungen zwischen Genen und ihren Produkten, die den Phänotyp hervorbringen, untersucht“).

„Epigenetik umschreibt die Metaebene genetischer Regulation: Einen lange von der Forschung übersehenen Mechanismus mit vielschichtigen Konsequenzen. Denn per Epigenetik gelingt es dem Zellkern unter dem Einfluss äußerer Faktoren zu regulieren, wann und in welchem Ausmaß welche Gene ein- und ausgeschaltet werden. Somit erhöhen epigenetische Mechanismen die Flexibilität des immer gleichen Erbguts der unterschiedlichsten Zellen: Wie Haut-, Herz- oder Darmwandzellen ihre identischen DNA-Sequenzen einsetzen, kann unter epigenetischer Regulation auch von Umweltfaktoren abhängen...

Im biochemischen Detail beeinflussen epigenetische Regulatoren dabei unter anderem, wie eng verpackt - und damit zugänglich - einzelne Genombereiche vorliegen. Geregelt wird der Zugriff zunächst durch das Anheften oder Ablösen kleiner chemischer Gruppen. Das so modifizierbare Markierungsmuster des Genoms wird dann von Spezialenzymen gelesen, die weitere Schritte einleiten und zum Beispiel Gene an- oder eben ausschalten...

In der Konsequenz stößt die Epigenetik ein lang gehegtes Dogma der Biologie um: die Idee, dass die Eigenschaften eines Organismus durch das bei der Geburt vererbte Genmaterial unveränderbar bestimmt wird. Tatsächlich erlaubt die Epigenetik selbst subtilen Umweltveränderungen den Zugriff auf unser Erbgut - neue Forschung zeigt, das die Entstehung von Krankheiten oder die Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen epigenetisch beeinflusst sein können...“

Spektrum Kompakt: Epigenetik: Wie die Umwelt unser Erbgut beeinflusst, S. 7[1]

Zur Abgrenzung vom allgemeineren Konzept der Genregulation sind heutige Definitionen meist spezieller, zum Beispiel: „Der Begriff Epigenetik definiert alle meiotisch und mitotisch vererbbaren Veränderungen in der Genexpression, die nicht in der DNA-Sequenz selbst codiert sind.“[2] Andere Definitionen, wie die von Adrian Peter Bird, einem der Pioniere der Epigenetik, vermeiden die Einschränkung auf generationsübergreifende Weitergabe[3]. Epigenetik beschreibe „die strukturelle Anpassung chromosomaler Regionen, um veränderte Zustände der Aktivierung zu kodieren, zu signalisieren, oder zu konservieren.“[4]

Grundlage der Epigenetik sind Veränderungen an den Chromosomen, wodurch Abschnitte oder ganze Chromosomen in ihrer Aktivität beeinflusst werden. Man spricht auch von epigenetischer Veränderung bzw. epigenetischer Prägung.[5] Die DNA-Sequenz wird dabei jedoch nicht verändert. Die Veränderungen können in einer DNA-Methylierung, in einer Modifikation der Histone oder im beschleunigten Abbau von Telomeren bestehen. Diese Veränderungen lassen sich im Phänotyp, aber nicht im Genotyp (DNA-Sequenz) beobachten.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Pilar Cubas, Coral Vincent, Enrico Coen: An epigenetic mutation responsible for natural variation in floral symmetry, in: Nature, Vol. 401, 9. September 1999 doi:10.1038/43657 pdf

Einzelnachweise

  1. Spektrum Kompakt - Epigenetik: Wie die Umwelt unser Erbgut beeinflusst, Spektrum der Wissenschaft, 26. August 2015, eBook ISBN 978-3958920095
  2. „The term epigenetics defines all meiotically and mitotically heritable changes in gene expression that are not coded in the DNA sequence itself.“ In: Gerda Egger et al.: Epigenetics in human disease and prospects for epigenetic therapy. Nature 429, S. 457–463 (2004)
  3. Rudolf Jaenisch, Adrian Bird: Epigenetic regulation of gene expression: how the genome integrates intrinsic and environmental signals, in: Nature Genetics Supplement Volume 33, March 2003, PP. 245-254 doi:10.1038/ng1089 pdf
  4. „... the structural adaptation of chromosomal regions so as to register, signal or perpetuate altered activity states.“ In: Adrian Peter Bird: Perceptions of epigenetics. In: Nature. Band 447, Nummer 7143, Mai 2007, S. 396–398, doi:10.1038/nature05913, PMID 17522671 pdf
  5. Rudolf Hagemann: Epigenetik und Lamarckismus haben nichts gemeinsam! In: Laborjournal 4/2009; S. 12
  6. Benjamin Lewin: Gene. Lehrbuch der molekularen Genetik, 2. Auflage, VCH, Weinheim 1991, S. 885


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