Paul Verlaine und Kategorie:Wirtschaftssoziologie: Unterschied zwischen den Seiten

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Diese Kategorie enthält Unterkategorien und Artikel zum Thema '''[[Wirtschaftssoziologie]]'''.


'''Paul Marie Verlaine'''<ref>[http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb119279849/PUBLIC Bibliothèque nationale de France (catalogue.bnf.fr): Eintrag zu Paul Verlaine]</ref> (* 30. März 1844 in Metz; † 8. Januar 1896 in Paris) war ein französischer [[Lyrik]]er des [[Symbolismus (Literatur)|Symbolismus]].
*'''{{WikipediaDE|Kategorie:Wirtschaftssoziologie}}


== Leben und Schaffen ==
[[Kategorie:Wirtschaftswissenschaft]]
=== Die jüngeren Jahre ===
[[Kategorie:Wirtschaftssoziologie|!]]
[[File:Henri Fantin-Latour - By the Table - Google Art Project.jpg|mini|links|Verlaine und Arthur Rimbaud (links sitzend; Gemälde von [[Henri Fantin-Latour]], 1872)]]
[[Kategorie:Spezielle Soziologie]]
Paul Verlaine war das einzige lebend zur Welt gekommene Kind seiner Eltern. Seine Kindheit verbrachte er in Metz, [[Montpellier]], [[Nîmes]] und dann wieder Metz, wo sein Vater, ein Offizier, jeweils stationiert war. Nachdem dieser den Dienst 1851 quittiert hatte, ließ sich die durchaus wohlhabende Familie in Paris nieder. Hier wurde Verlaine 1853 Internatsschüler in einer Privatschule (pension) und besuchte von dort aus später zugleich das [[Lycée Condorcet|Lycée Bonaparte]] (heute Condorcet). Er war zunächst ein guter Schüler, ließ um die 14 aber stark nach und fing an Gedichte zu schreiben, deren ältestes bekanntes von Ende 1858 stammt und dank seiner Zusendung an [[Victor Hugo]] erhalten ist. Nach dem [[Baccalauréat]], das er 1862 knapp genügend absolvierte, immatrikulierte Verlaine sich als Jurastudent, verkehrte vor allem aber in Pariser Literatencafés und literarischen Zirkeln. In diesem Ambiente lernte er praktisch alle Autoren seiner Generation kennen und schrieb überwiegend Lyrik. Im August 1863 erschien erstmals ein Gedicht von ihm in einer Zeitschrift. Allerdings begann er auch zu trinken. Sein inzwischen stark kränkelnder Vater war besorgt und zwang ihn nach längerem Hausarrest (er war ja minderjährig), eine Stelle bei einer Versicherung anzunehmen. Von dort wechselte Verlaine Anfang 1864 in die mittlere Angestelltenlaufbahn bei der Pariser Stadtverwaltung.
[[Kategorie:Plurale Ökonomik]]
 
Neben seiner Berufstätigkeit war er weiter literarisch aktiv. Schon mit 16 Jahren war er auf den Gedichtband ''[[Les Fleurs du Mal]]'' von [[Charles Baudelaire]] gestoßen, der sein wichtigstes Vorbild wurde. 1865 war ein Aufsatz über ihn der erste längere Text Verlaines, der gedruckt erschien. 1866 druckte [[Théodore de Banville]] in seiner epochemachenden [[Anthologie]] ''Le Parnasse contemporain'' sieben Gedichte von ihm ab. Im selben Jahr publizierte Verlaine einen ersten Sammelband seiner Gedichte als Privatdruck unter dem Titel ''Poèmes saturniens''. Der Einfluss von Baudelaire ist deutlich, doch sind Verlaines Gedichte elegischer, melodischer, weicher. In der Sammlung ''Fêtes galantes'' (1869) versuchte er, die verspielten Figuren und die wehmütig-heitere Stimmung der Bilder [[Antoine Watteau]]s (1684–1721) lyrisch einzufangen, die ihn im [[Louvre]] fasziniert hatten. Zugleich jedoch verfasste er auch sozialistisch orientierte politische Gedichte, die eine Sammlung mit dem Titel ''Les Vaincus'' (dt. die Besiegten) ergeben sollten.
 
Seine psychische Verfassung zu dieser Zeit war wenig stabil: Immer wieder verfiel er seit dem Tod seines Vaters (1865) in Alkoholexzesse, die ihn im Juli 1869 sogar zu zwei Mordversuchen an seiner Mutter führten.
 
Kurz zuvor hatte er sich in Mathilde Mauté de Fleurville verliebt, die 16-jährige Halbschwester eines Freundes. Die Beziehung stabilisierte ihn dann offenbar, und als wohlhabender Erbe in spe durfte er sich trotz starker Bedenken von Mathildes Vater Ende des Jahres mit ihr verloben und sie im Juni 1870 (mit einer vorsichtshalber nur aus Pachteinnahmen bestehenden Mitgift) heiraten. Fast am selben Tag erschien die Sammlung ''La bonne chanson'', die das Glück seiner Liebe und vorübergehenden Abstinenz spiegelt und die er Mathilde widmete.
 
=== Nach 1870 ===
 
Schon im Jahr darauf endete die kurze halbwegs bürgerliche Phase seines Lebens. Im März 1871 schloss er sich nach der Niederlage Frankreichs im [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieg]] den marxistisch inspirierten Revolutionären der [[Pariser Kommune]] an und verlor nach der Niederschlagung der Kommune im Juli seinen Posten bei der Stadtverwaltung.
 
Im September nahm er den knapp 17-jährigen [[Arthur Rimbaud]] bei sich auf, der ihm Gedichte zugeschickt hatte und den er nach Paris eingeladen hatte. Ende Oktober wurde er Vater eines Sohnes, doch begann er etwa zur selben Zeit ein homosexuelles Verhältnis mit Rimbaud. Es folgten lange verworrene Monate, während derer er hin und her pendelte zwischen Mathilde (die er des Öfteren bedrohte und misshandelte und zur Flucht zu ihren Eltern trieb), seiner Mutter und Rimbaud (der sich im Frühjahr 1872 für ein paar Wochen absentierte). Am 7. Juli 1872 verließ Verlaine zusammen mit diesem Paris. Anschließend vagabundierte er mit ihm durch Nordostfrankreich, England und Belgien, sich mehrfach trennend und versöhnend, häufig depressiv und suizidgefährdet. Hierbei wurde er immer wieder von seiner Mutter aufgesucht und finanziell unterstützt. Seine Versuche, in Kontakt mit Mathilde zu treten, blieben vergeblich.
 
Dichterisch war es (wie auch für Rimbaud) durchaus eine fruchtbare Zeit, er verfasste u.&nbsp;a. die ''Ariettes oubliées'' (dt. kleine vergessene Arien) und die ''Romances sans paroles'' (dt. Romanzen ohne Worte, beide erschienen 1874). Am 4. Juli 1873 war er, nachdem er wenige Tage vorher Rimbaud in London im Streit verlassen hatte, allein in Brüssel. Dort schrieb er Abschiedsbriefe an seine Frau (die mittlerweile die Scheidung eingereicht hatte), an seine Mutter und an Rimbaud. Die beiden letzteren reisten sofort an, Rimbaud allerdings um endgültig mit ihm zu brechen. Hierbei kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern, in deren Verlauf sich Verlaine betrank, schließlich tätlich wurde und sogar in Gegenwart seiner Mutter auf Rimbaud schoss. Dieser wurde nur leicht am Handgelenk verletzt. Als Verlaine nach dem gemeinsamen Aufsuchen einer Ambulanz erneut auf Rimbaud zu schießen drohte, flüchtete dieser zu einem Polizisten. Verlaine wurde festgenommen und zu zwei Jahren Haft verurteilt.
 
Schon in der Untersuchungshaft hatte er viele weitere Gedichte verfasst. Im Gefängnis (1873/75) wurde er mit Hilfe des Gefängnispfarrers fromm und schrieb religiöse Gedichte, die er 1880 in dem Band ''Sagesse'' (dt. Weisheit, Abgeklärtheit) vereinte. Auch das Gedicht ''Art poétique'' (dt. Dichtkunst), das zu einer Art Manifest des Symbolismus wurde, stammt aus der Haftzeit.
 
Nach der vorzeitigen Entlassung Anfang 1875 besuchte Verlaine Rimbaud in [[Stuttgart]]. Es kam erneut zu Tätlichkeiten und die erhoffte Versöhnung blieb aus. Im März ging Verlaine nach England und hielt sich dort mit Französisch- und Zeichenunterricht über Wasser, war aber kurz auch als Lehrer angestellt. 1877 erhielt er vertretungsweise eine Lehrerstelle in [[Rethel]], die aber 1878 nicht verlängert wurde wegen vermuteter homosexueller Beziehungen zu einem Schüler, dem 18-jährigen Lucien Létinois. Verlaine ging nun mit diesem, den er als seinen Ziehsohn betrachtete, nach England, kehrte aber Ende 1879 zurück.
 
=== 1880 bis 1896 ===
 
Anfang 1880 übernahm er dank eines Zuschusses seiner Mutter mit Létinois und dessen Eltern einen Pachthof und versuchte sich als Landwirt. 1882 war der Hof finanziell am Ende. Verlaine kehrte nach Paris zu seiner Mutter zurück. Seine Bemühungen, erneut Lehrer zu werden, scheiterten. Er lebte danach weiter bei seiner Mutter, zunächst in Paris, dann auf einem kleinen Anwesen, das sie in Coulommes von den Eltern des 1883 an Typhus verstorbenen Létinois gekauft hatte. Er trank jedoch wieder und versuchte ein weiteres Mal, seine Mutter zu erwürgen, was ihm erneut Haft und eine Geldstrafe eintrug und zu einem vorübergehenden Zerwürfnis führte (1885). Gegen Jahresende erkrankte er und wurde aufgrund einer fortschreitenden [[Syphilis]] nie mehr völlig gesund.
 
Als Verlaines Mutter Anfang 1886 starb, fiel der Rest ihres Vermögens per Testament an seinen Sohn. Er selbst war nun endgültig verarmt. Die nächsten Jahre verbrachte er elend weitgehend in Pariser Armenasylen, Spitälern, Absteigen oder, wenn er über etwas Geld verfügte, bei Prostituierten oder in kleinen Hotels.
[[Datei:Tombe Verlaine 1.jpg|mini|Paul Verlaines Grab]]
Als Autor allerdings begann er nun bekannter zu werden. 1883 hatte er eine Serie mit Dichterporträts unter dem Titel ''Les Poètes maudits'' (dt. „Die verfemten Dichter“) veröffentlicht, 1884 den Gedichtband ''Jadis et naguère'' (dt. „Einst und jüngst“). Er schrieb Lyrik, Essays, Autobiographisches, Autorenporträts, Reiseberichte usw. Darüber hinaus publizierte er Werke Rimbauds, die er in eigenen Abschriften oder auch in Autographen besaß, und rettete sie so vor dem Vergessen. 1892 wurde er erstmals zu einer Serie von Vorträgen nach Holland eingeladen, 1893 nach Belgien, Lothringen und England. Ebenfalls 1893 versuchte er, für die [[Académie française]] zu kandidieren, stieß aber schon im Vorfeld auf starken Widerstand. Das Unterrichtsministerium verlieh ihm mehrere Preise und Ehrungen. Ein Freundeskreis zahlte ihm eine monatliche Pension von 150 Frs. Auch wurde in [[Nancy]] eine Straße nach ihm benannt.
 
1894 wurde Verlaine als Nachfolger des kurz zuvor verstorbenen Lyrikers [[Charles Leconte de Lisle|Leconte de Lisle]] zum „Prince des poètes“ (Dichterfürsten) gewählt, und 1895 gründete er mit einer langjährigen Freundin einen gemeinsamen Hausstand. Am Ende desselben Jahres erkrankte er und schrieb zwei letzte Gedichte: ''Mort !'' (dt. „Tod!“) und ''Désappointement'' (dt. „Enttäuschung“). Er starb am 8.&nbsp;Januar 1896. Dem Trauerzug am 12.&nbsp;Januar zum [[Cimetière des Batignolles]] folgten mehrere tausend Personen. Bekannte Autoren hielten Totenreden auf ihn.
 
== Literarische Bedeutung ==
[[Datei:Frédéric Bazille - Paul Verlaine.jpg|mini|Paul Verlaine (Porträt von [[Frédéric Bazille]]<ref>{{Internetquelle|url=http://www.sothebys.com/en/news-video/blogs/all-blogs/impressions/2015/05/frederic-bazille-paul-verlaine-portrait.html|titel=The Secret History of an Intimate Portrait|autor=Tehzeeb Sandhu|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2017-05-09}}</ref>)]]
Verlaine schloss sich den [[Parnassiens]] an, bei denen er sein poetisches Handwerk lernte. Er wurde zum führenden Lyriker des [[Symbolismus (Literatur)|Symbolismus]] und beeinflusste viele spätere französische Dichter. Seine hochmusikalischen Verse bringen feinste Gefühlsregungen und Zwischentöne zum Ausdruck. Verlaines Maxime lautete: „De la musique avant toute chose.“ („Musik, Musik vor allen Dingen.“) Die Thematik reicht von morbider Erotik bis zu ekstatischer Frömmigkeit. Er hat besonders die Kunst der [[Neuromantik]] beeinflusst.
 
W. Berger, der auch eine Auswahl Verlaine’scher Gedichte übertragen hat, schreibt: „Von Baudelaire und den Parnassiens beeinflusst, gehört Verlaine zu den Wegbereitern des Symbolismus, dessen erster bedeutender Vertreter er selbst ist. Sein musikalischer, auf raffinierteste Klangeffekte abgestimmter Vers gewann der französischen Sprache bis dahin unerhörte euphonische Möglichkeiten ab. Sein Gedicht ''Art poétique'' wurde zum poetologischen Manifest der Symbolisten…“
 
Der Klang seiner Gedichte ist meistens wichtiger als ihr Inhalt, was dazu führt, dass sie schwer zu übertragen sind. An diese schwierige Aufgabe wagten sich beispielsweise [[Hermann Hesse]] („Mon Rêve Familier“), [[Rainer Maria Rilke]] („Agnus Dei“), Stefan George ("Chanson d'Automne") und [[Paul Zech]].
 
== Notizen zu den wichtigsten Werken ==
Die meisten Gedichte der ersten Sammlung sind noch wenig kennzeichnend für die spätere Eigenart Verlaines. Die ''Poèmes saturniens'' – in der Titelgebung an eine Gedichtgruppe aus den ''[[Les Fleurs du Mal|Fleurs du Mal]]'' anknüpfend – stehen in Themenwahl und Gedankenführung stark unter dem Einfluss [[Charles Baudelaire|Baudelaires]], während sie im Versbau die Schule [[Théodore de Banville|Banvilles]] erkennen lassen. Die baudelaireschen Motive sind ins Zarte und Spielerische aufgelöst; die Melancholie entspringt nicht der Bitternis der Vereinsamung, sondern einer seelischen Erschöpfung, die dem Dichter neue Sensationen bietet und ihn befähigt, alltägliche Dinge in neuem Licht zu sehen.
 
In den ''Fêtes galantes'' hat Verlaine im Sinne der baudelaireschen Forderung, dass die Lyrik ein Kollektiverlebnis der Sinne sein soll, versucht, die Malkunst [[Antoine Watteau|Watteaus]] dichterisch wiederzugeben, die damals gerade durch die kunstkritischen Arbeiten der [[Edmond und Jules de Goncourt|Goncourts]] und einen eigenen Saal im Louvre eine Renaissance erlebte. Dem Geist des Malers wie dem des 18. Jahrhunderts und der Rokokoepoche überhaupt werden die Gedichte besonders dadurch gerecht, dass sie Gedanken an den Tod und Vergänglichkeit mit tändelnder Ironie in die Stimmung des „carpe diem“ überleiten. Zu dem spielerisch-frivolen Inhalt der Gedichte steht die noch streng parnassische Form in einem – wohl gewollten – Gegensatz. Über dieser Sammlung und den ''Poèmes saturniens'' lastet das Gefühl der Bedrohung, die Ahnung des Untergangs und kompensatorisch dazu die Erfahrung der Unerfüllbarkeit des Traumes (''Mon rêve familier'') und der Bitterkeit der Erinnerung (''Colloque sentimental''). Der frühe Verlaine steht zwischen Dekadenz und Symbolismus.
 
Die Sammlung ''La Bonne Chanson'' enthält Liebesgedichte an seine Braut und spätere Gattin Mathilde Mauté und ist von spontan empfundenem Glück und der Sehnsucht nach einer bürgerlichen Existenz geprägt. Sie bildet zugleich den Abschluss der Dichtungsperiode Verlaines, in der er sich noch in herkömmlichen Bahnen bewegte.
 
[[Datei:Verlaine Dornac.png|mini|300px|Paul Verlaine (Fotografie von [[Dornac]])]]
Erst die Begegnung mit dem zehn Jahre jüngeren Rimbaud hat die Kräfte seines Verstandes und seiner Phantasie zu höchster Leistung entfaltet. Er suchte eine Lebensform, die mit seinem bisherigen Leben, seiner Zeit, mit allem, was Durchschnitt und Bürgerlichkeit hieß, nichts mehr gemeinsam hatte. Dies führte aber auch dazu, dass ihm das Unterscheidungsvermögen zwischen Wirklichkeit und Wahn allmählich verlorenging. In den ''Romances sans Paroles'' wandte Verlaine erstmals die Theorie an, die er in einem später (1882) veröffentlichten Gedicht ''Art poétique'' (entstanden 1874) niederlegte: Der Vers soll Musik sein, eine Harmonie von Tönen, ein flüchtiger Rausch, der die Grenzen der Form verwischt und die Farben nur als Nuancen wiedergibt („Pas la couleur, rien que la nuance!“). Der Reim wird als billiges Effektmittel beiseitegeschoben; das Gedicht soll in seinem Aufbau durchaus frei sein und seine Wirkung lediglich durch die geschickte Komposition von Lauten zu erreichen suchen. Diese Auflockerung des traditionellen Vers- und Strophenbaus, wie sie sich erstmals in den ''Romances'' findet, wirkt aber keineswegs wie Formlosigkeit, denn die musikalische Harmonie erweist sich als ein ebenso starkes konstruktives Prinzip wie eine vorgeschriebene Zahl von Silben oder Folge von Reimen. In diesem Manifest fordert er den „vers impair“. Er versteht darunter weniger den Vers mit ungerader Silbenzahl als die Ungleichsilbigkeit der Verse innerhalb einer Strophe. Hinzu kommt im Bereich der Wortwahl die beabsichtigte Mehrdeutigkeit. Das im Schwebezustand verharrende Gedicht wird zum Pendant einer begrifflich nicht mehr fassbaren Welt. Rhetorische Mittel wie Pointen, Satire und Ironie sind verbannt. In Abgrenzung gegen die rationale, konturenscharfe, kühle Lyrik der [[Parnassiens]], doch auch gegen die emphatische Rhetorik der [[Romantik]] postuliert Verlaine also eine Dichtung, in der die Form – im weitesten Sinn verstanden – auf Kosten des Inhalts Autonomie erlangt.
 
Verlaines zeitweilige Rückkehr zum Glauben während seiner Gefängnishaft fand ihren Ausdruck in den Gedichten der Sammlung ''Sagesse'' („Weisheit“), deren Thema der Kampf zwischen Gut und Böse ist. Mittelalterliche Motive klingen an; das Gedicht wird zum Gebet, zur Lobpreisung Gottes, und die zartesten Marienlieder gelangen ihm in dieser Zeit, da er tatsächlich an seine Umkehr glaubte. Auch in der Form zeigen die ''Sagesse''-Gedichte eine Rückkehr zur Tradition; die meisten sind in [[Alexandriner]]n verfasste [[Sonett]]e.
 
1884 setzte er in dem Band ''[[Poète maudit|Les Poètes maudits]]'' (dt. ''Die verfemten Dichter'') u.&nbsp;a. Rimbaud und [[Stéphane Mallarmé|Mallarmé]] ein Denkmal. ''Amours'' handelt vor allem von seinem 1883 verstorbenen Schüler Létinois. In den späteren Jahren verfasste er mehrere autobiographische Prosaschriften wie ''Mes hôpitaux'', ''Mes prisons'' und ''Confessions''.
 
== Sonstiges ==
[[Datei:Paul Verlaine - Chanson d'automne - Pieterskerkhof 4, Leiden.JPG|mini|''Chanson d'automne''<br />Mauergedicht in [[Leiden (Stadt)|Leiden]]]]
* Das Verhältnis von Paul Verlaine und [[Arthur Rimbaud]] wurde 1995 von [[Agnieszka Holland]] unter dem Titel ''[[Total Eclipse – Die Affäre von Rimbaud und Verlaine]]'' verfilmt.
 
* Mit den Strophen des nachfolgenden Gedichts ''Chanson d'automne'' (1866), insbesondere der als Signal geltenden 2. Strophe, wurde die französische [[Résistance]] im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] auf dem Sender [[Radio Londres]] der [[BBC]] am Abend des 5. Juni über den Termin der innerhalb 48 Stunden bevorstehenden Landung in Frankreich (6.&nbsp;Juni 1944, [[Operation Overlord]]) informiert.
 
<poem lang="fr" style="margin-left:2em; float:left;">
'''''Chanson d’automne'''''
 
''Les sanglots longs''
''des violons''
''de l’automne''
''Blessent mon coeur''
''d’une langueur''
''monotone.''
 
''Tout suffocant''
''Et blême, quand''
''Sonne l’heure,''
''Je me souviens''
''Des jours anciens''
''Et je pleure''
 
''Et je m’en vais''
''Au vent mauvais''
''Qui m’emporte''
''Deçà, delà,''
''Pareil à la''
''Feuille morte.''
</poem>
<poem style="margin-left:2em; float:left;">
Als Verstehenshilfe wörtlich<br />übersetzt von Gert Pinkernell:
 
Die langen Schluchzer
der Geigen
des Herbstes
verwunden mein Herz
mit einer monotonen
Wehmut.
 
Ganz erstickend
und bleich, wenn
die Stunde schlägt,
erinnere ich mich
der einstigen Tage,
und ich weine.
 
Und ich gehe fort
mit dem bösen Wind,
der mich davonträgt,
hierhin, dorthin,
ähnlich dem
welken Blatt.
</poem>
 
<poem style="margin-left:2em; float:left;">
Die poetische Nachdichtung<br /> von [[Stefan George]] lautet:
 
Seufzer gleiten
Die saiten
Des herbsts entlang,
Treffen mein herz
Mit einem schmerz
Dumpf und bang.
 
Beim glockenschlag
Denk ich zag
Und voll peinen
An die zeit,
Die nun schon weit,
Und muss weinen.
 
Im bösen winde
Geh ich und finde
Keine statt …
Treibe fort,
Bald da bald dort,
Ein welkes blatt.
</poem>
{{Absatz|links}}
 
* Die Waffe, ein 6-schüssiger leichter [[Casimir Lefaucheux|Lefaucheux]]-[[Revolver]], [[Kaliber]] 7 Millimeter,  war 2016 auf 50.000 bis 60.000 Euro geschätzt worden. Ein Stück Literaturgeschichte, wird im Jahr 2016 im [[Auktionshaus]] [[Christie’s]] für 434.500 Euro von einem unbekannten ersteigert. Mit dem der französische Dichter Paul Verlaine einst auf seinen Kollegen <u>Arthur Rimbaud</u> schoss. Der Revolver, nach Angaben von Christie’s und der [[Belgien|belgischen]] Justiz, war durch die Polizei an den Besitzer des belgischen Waffengeschäft Montigny in [[Brüssel]] zurückgegeben worden, wo er bis zum Jahr 1981 in einem [[Tresor]] lag. Danach ging er, als Geschenk, an den Steuerberater des Waffengeschäftes. Der ihn zuerst in den 2010-Jahren für Ausstellungen zur Verfüg stellte und 2016 zu der Auktion gab.
 
== Werke ==
[[Datei:Auguste de Niederhausern-Rodo - Paul Verlaine.JPG|mini|Verlaine-Statue von [[Rodo]] im [[Jardin du Luxembourg]]]]
 
* ''Poèmes saturniens'', 1866
* ''Fêtes galantes'', 1869
* ''La Bonne Chanson'', 1870
* ''Romances sans paroles'', 1873
* ''Sagesse'', 1880
* [http://www.uni-duisburg-essen.de/lyriktheorie/texte/1882_verlaine.html ''L'Art poétique''], 1882
* ''Les Poètes maudits'', 1884; [http://www.uni-duisburg-essen.de/lyriktheorie/texte/1883_verlaine.html Rimbaud]
* ''Jadis et naguère'', 1885
* ''Mémoires d'un veuf'', 1886
* ''À Louis II de Bavière'', 1888
* ''Amour'', 1888
* ''Parallèlement'', 1889
* ''Dédicaces'', 1890
* ''Chansons pour elles''
* ''Bonheur''
* ''Mes hôpitaux'', 1891
* ''Liturgies intimes''
* ''Chansons grises'', 1892
* ''Elégies. Odes en son honneur''
* ''Mes prisons''
* ''Quinze jours en Hollande'', 1893
* ''Epigrammes''
* ''Dans les limbes'', 1894
* ''Confessions'', 1895
* ''Invectives''
* ''Chanson d'automne'', 1866
* ''Chair'', 1896
 
== Vertonungen (Auswahl) ==
Verlaine gehört zu den meist vertonten französischen Lyrikern überhaupt.
 
* [[Gabriel Fauré]]: ''Mélodies de Venise'' (1891), ''La Bonne Chanson'' (1892–1894)
* [[Ernest Chausson]]: ''Deux poèmes de Verlaine'' op. 34 (1898)
* [[Claude Debussy]]: ''Ariettes oubliées'' (1888), ''Trois Mélodies'' (1891), ''Fêtes galantes I'' (1892) und ''II'' (1904), weitere Vertonungen als Klavierwerke, so z. B. ''[[Suite bergamasque|Clair de lune]]''
* [[Charles Koechlin]]: ''Cinq poèmes de La bonne chanson'' op. 24 (1901–02)
* [[Georges Brassens]]: ''Colombine'', ''Chanson d' automne''
 
Weitere Komponisten:
*[[Emmanuel Chabrier]]
*[[Frederick Delius]]
*[[Léo Ferré]]
*[[Reynaldo Hahn]]
*[[Arthur Honegger]]
*[[Jules Massenet]]
*[[Klaus Michael Miehling]]
*[[Maurice Ravel]]
*[[Camille Saint-Saëns]]
*[[Margarete Sorg-Rose]]
*[[Igor Strawinski]]
*[[Louis Vierne]]
 
== Literatur ==
* Pierre Brunel u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Paul Verlaine''. Presse de Sorbonne, Paris 2004, ISBN 2-84050-365-4.
* Ivan Gobry: ''Verlaine et le destin''. Éditions Téqui, Paris 1997, ISBN 2-7403-0526-5.
* [[Guy Goffette]]: ''Verlaine d'ardoise et de pluie''. Reihe: Folio. Gallimard, Paris 1998, ISBN 2-07-040413-7.
* Pierre Petitfils: ''Verlaine. Biographie''. Julliard, Paris 1994, ISBN 2-260-01236-1.
* Wilhelm Stenzel: ''Paul Verlaine, der Mensch und der Dichter''. Xenien, Leipzig 1913 ([http://digital.library.cornell.edu/cgi/t/text/text-idx?c=cdl;idno=cdl025 Digitalisat])
* [[Henri Troyat]]: ''Verlaine''. Flammarion, Paris 1993, ISBN 2-08-066928-1.
* Mathilde Verlaine: ''Mémoires de ma vie''. Champ Vallon, Syssel 1992, ISBN 2-87673-134-7.
* [[Stefan Zweig]]: ''Verlaine''. AMS-Press, New York 1980, ISBN 0-404-16359-9.
* {{BBKL|archiveurl=https://web.archive.org/web/20070629065235/http://www.bautz.de/bbkl/v/verlaine_p_m.shtml |band=12|spalten=1261-1264|autor=Kay-Volker Koschel|artikel=Verlaine, Paul-Marie}}
 
== Weblinks ==
{{Wikisource|Paul Verlaine}}
{{Commonscat|Paul Verlaine|Paul Verlaine}}
* {{DNB-Portal|118804219}}
* {{DDB|Person|118804219}}
* [http://poesie.webnet.fr/auteurs/verlaine.html Werke von Paul Verlaine] (französisch)
* {{Zeno-Autor|Literatur/M/Verlaine,+Paul-Marie}}
* [http://www.pinkernell.de/romanistikstudium „Namen, Titel und Daten der französischen Literatur“] von Gert Pinkernell
* [http://www.lieder.net/lieder/get_author_texts.html?AuthorId=2906 Liste vertonter Gedichte Paul Verlaines bei ''The LiederNet Archive'']
* [http://gutenberg.spiegel.de/buch/meine-spitaler-1817/1 ''Meine Spitäler'']. Übers. Hanns von Gumppenberg. Insel-Verlag, Leipzig, im Project Gutenberg
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118804219|LCCN=n/79/43496|NDL=00459680|VIAF=4937684}}
 
{{SORTIERUNG:Verlaine, Paul}}
[[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Literatur (Französisch)]]
[[Kategorie:Symbolismus (Literatur)]]
[[Kategorie:Schriftsteller]]
[[Kategorie:Dichter]]
[[Kategorie:Lyrik]]
[[Kategorie:Autor]]
[[Kategorie:Franzose]]
[[Kategorie:Geboren 1844]]
[[Kategorie:Gestorben 1896]]
[[Kategorie:Mann]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 10. Januar 2021, 10:33 Uhr

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