Linguistische Analyse

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Elizabeth Anscombe

Die dritte Phase der analytischen Philosophie wird „Linguistische Analyse“ oder auch „Linguistischer Phänomenalismus“ genannt. Sie begann noch während des Zweiten Weltkrieges und dauerte bis weit in die sechziger Jahre hinein an. Zwei Schulen waren es, die die Linguistische Analyse zu einer eigenständigen philosophischen Disziplin ausarbeiteten. Die eine (in Cambridge) entstand, als sich um Wittgenstein und John Wisdom ein Schülerkreis herausbildete, zu welchem Philosophen wie Elizabeth Anscombe, Rush Rhees, A. Ambrose, N. Malcolm und noch zahlreiche andere gehörten. In Oxford organisierte sich etwas später als in Cambridge ebenfalls eine Schule der Linguistischen Analyse. Ihre herausragenden Vertreter waren Gilbert Ryle, John Langshaw Austin, Peter Frederick Strawson, Richard Mervyn Hare, Antony Flew u. a. Die Oxforder Schule sollte später als „Oxford-Ordinary-Language-School“ Berühmtheit erlangen und sich zu einer der einflussreichsten Strömungen in der Philosophie der Gegenwart und Sprachwissenschaft der Gegenwart entwickeln.

Während im Logischen Atomismus und im Logischen Positivismus bzw. Empirismus noch der Gedanke einer zu konstruierenden Idealsprache vorherrschend war und man die Wahrheit von Sätzen und komplexen Satzverbindungen als Wahrheitsfunktion ihrer elementaren Bestandteile verstand, die es durch logische Analyse zu bestimmen galt, wird dies in der Linguistischen Analyse grundlegend anders. Dort rückt die „ganz normale“, gesprochene Sprache in den Mittelpunkt und wird zum Objekt der Analyse. Der als Schlagwort berühmt gewordene linguistic turn in der modernen Philosophie setzt hier endgültig ein. Die Methode, derer man sich bedient, ist nun nicht mehr vor allem logisch-analytisch, sondern es wird vielmehr gefragt: Wie wird das betreffende Wort im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet? Was will der Sprecher damit zum Ausdruck bringen? Oder: Welches sind die Regeln des Sprachspiels, das speziell hier gespielt wird? An die Stelle der formal-logischen Sprachanalyse tritt also die deskriptive Analyse von Sprachspielen bzw. – im Rückgriff auf Moore – die Begriffsanalyse.

Initiator dieser neuen Art zu philosophieren ist in Cambridge Ludwig Wittgenstein. In einer radikalen Abkehr von vielen seiner ursprünglich im „Tractatus“ vertretenen Ansichten entwirft er ein völlig neues Verständnis von Sprache. Sprache wird von ihm und seinen Schülern nunmehr verstanden als ein unüberschaubares Konglomerat einzelner „Sprachspiele“, die je eigenen Regeln gehorchen, sich aber dennoch durch ihre „Familienähnlichkeiten“ überschneiden (z. B. das Sprechen über Spiele mit dem Sprechen über Sport). Philosophische Probleme sind nichts anderes als „Scheinprobleme“, also lediglich „Sprachverwirrungen“, die durch die Rückkehr zur normalen, also umgangssprachlichen Verwendungsweise der Begriffe und Wörter aus der Welt geschafft, gleichsam „wegtherapiert“ werden können. Dies wird möglich, indem man die internen Spielregeln eines Sprachspiels, das heißt die Regeln der Verwendungsweise der einzelnen Wörter und Sätze darin aufdeckt. In den postum 1953 veröffentlichten „Philosophische Untersuchungen“ hat Wittgenstein seine neuen sprachphilosophischen Überzeugungen ausführlich dargelegt.

Auch in Oxford wurden die neuen Ideen Wittgensteins aufgenommen und diskutiert, jedoch weit weniger enthusiastisch als in Cambridge, wo Wittgenstein die Stellung eines geradezu charismatischen Führers und Vordenkers zukam. In Oxford ist es Gilbert Ryle, ein Schüler John Cook Wilsons, der im Rückgriff auf die philosophische Grundhaltung und Methode Moores die Linguistische Analyse vorantreibt. Philosophieren bedeutet für Ryle – wie auch für den späten Wittgenstein – die Auflösung der philosophischen Probleme durch Analyse der normalen Umgangssprache und Entwirrung der begrifflichen Konfusion durch Begriffsanalyse. Bei Ryle steht nicht eine Sprachspielkonzeption im Vordergrund, sondern die ursprünglich von Moore ins Leben gerufene Begriffsanalyse sowie die grammatisch-logische Analyse von Sätzen im Sinne Wilsons. Ähnlich wie von Wittgenstein gefordert, soll der Philosoph als Therapeut wirken, indem er die erkrankte Sprache der Philosophen selbst durch Orientierung am alltäglichen Sprachgebrauch heilt. Viele vermeintliche philosophische Probleme seien überhaupt nur entstanden, indem man in falscher Weise mit Sprache umging. Ein Beispiel sind so genannte „Kategorienfehler“, die etwa entstehen, wenn man für eine Aussage eine syntaktische Form wählt, die dem wiederzugebenden Sachverhalt nicht angemessen ist, wie in folgendem Beispiel:

„Ein Südseeinsulaner sieht seinem ersten Fußballspiel zu. Man erklärt ihm die Funktion des Torwarts, der Stürmer, der Verteidiger, des Schiedsrichters usw. Nach einer Weile sagt er: ‚Aber da ist doch niemand, der den berühmten Mannschaftsgeist beisteuert. Ich sehe wer angreift, wer verteidigt, wer die Verbindung herstellt und so weiter: aber wessen Rolle ist es, den Mannschaftsgeist zu liefern?‘ Und wieder müssten wir erklären, dass er nach der falschen Kategorie eines Dinges Ausschau halte. Der Mannschaftsgeist ist nicht noch eine Fußballoperation wie das Toreschießen, das Einwerfen usw.
Aber er ist auch nicht ein drittes Ding, von dem wir sagen könnten, der Mittelstürmer habe zuerst eingeworfen und dann Mannschaftsgeist gezeigt, oder der Verteidiger werde jetzt entweder köpfen oder Mannschaftsgeist zeigen. Die Irrtümer wurden von Menschen begangen, die nicht wussten wie die Begriffe […] zu handhaben sind. Die Schwierigkeiten erwachsen aus ihrer Unfähigkeit, gewisse Wörter richtig zu verwenden.“

Ryle: Der Begriff des Geistes

Ryles sprachkritische Vorgehensweise wurde insb. durch sein Werk „The Concept of Mind“ (Oxford 1949) einflussreich. In der Nachfolge Ryles haben Strawson, Dummett und andere später eigene, ebenfalls wirkungsgeschichtlich einflussreiche, sprachphilosophische Ansätze entwickelt.


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