Weltanschauung (Anthroposophie): Unterschied zwischen den Versionen

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== Die zwölf Weltanschauungen ==
== Die zwölf Weltanschauungen ==
=== Zwölf Weltanschauungen ===
=== Zwölf Weltanschauungen ===


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== Der Mensch und die Weltanschauungen ==
== Der Mensch und die Weltanschauungen ==
=== Zusammenhang mit dem physischen und ätherischen Gehirn ===
Die Weltanschauungen, die dem oberen, dem Tagesteil des [[Tierkreis]]es entsprechen (etwa vom [[Idealismus]] bis zum [[Realismus]], mit dem [[Materialismus]] an der obersten Spitze) korrespondieren mit dem [[Physisches Gehirn]]; die „unteren“, „nächtlichen“ Weltanschauungen (vom [[Dynamismus]] bis zum [[Psychismus]]) entsprechen dem [[Äthergehirn]].
{{GZ|Geht man hinaus über das, was der Mensch ist, so wie man zur
Erklärung der Erscheinung der Erde hinausgehen muß zu Sonne und
Mond - was die gegenwärtige Wissenschaft nicht tut -, so kommt
man dazu, dreierlei als nebeneinander berechtigt anerkennen zu
müssen: Theismus, Intuitismus und Naturalismus. Denn nicht, daß
man auf einem dieser Töne besteht, sondern daß man sie zusammenklingen
läßt, entspricht dem, was die Wahrheit ist. Und wie unsere
engere Körperlichkeit mit Sonne, Mond und Erde wieder hineingestellt
ist in die sieben Planeten, so ist hineingestellt Anthropomorphismus
als die trivialste Weltanschauung in das, was zusammenklingen
kann aus Theismus, Intuitismus und Naturalismus, und dieses
zusammen wieder in das, was zusammenklingen kann aus den
sieben Seelenstimmungen. Und diese sieben Seelenstimmungen
nuancieren sich nach den zwölf Zeichen des Tierkreises.
Sie sehen schon, dem Namen nach, und zwar nur dem Namen
nach, ist nicht eine Weltanschauung wahr, sondern es sind 12 + 7 <nowiki>=</nowiki> 19+ 3 <nowiki>=</nowiki> 22+ 1 <nowiki>=</nowiki> 23 Weltanschauungen berechtigt. Dreiundzwanzig
berechtigte Namen für Weltanschauungen haben wir. Aber alles
andere kann noch dadurch entstehen, daß die entsprechenden Planeten
in den zwölf Geistes-Tierkreisbildern herumlaufen.
Und nun versuchen Sie, aus dem, was jetzt auseinandergesetzt
worden ist, sich ein Empfinden anzueignen für die Aufgabe, welche
die Geisteswissenschaft für das Friedenstiften innerhalb der verschiedenen
Weltanschauungen hat, für das Friedenstiften aus der Erkenntnis
heraus, daß die Weltanschauungen miteinander, in ihrem
gegenseitigen Aufeinanderwirken, in gewisser Beziehung erklärlich
sind, daß sie aber alle nicht ins Innere der Wahrheit führen können,
wenn sie einseitig bleiben, sondern daß man gleichsam den Wahrheitswert
der verschiedenen Weltanschauungen innerlich in sich erfahren
muß, um wirklich - wir dürfen so sagen - mit der Wahrheit
zurechtzukommen. So wie Sie sich denken können den physischen
Kosmos: den Tierkreis, das Planetensystem, Sonne, Mond und Erde
zusammen, die Erde für sich, so können Sie sich ein geistiges Weltenall
denken: Anthropomorphismus; Theismus, Intuitismus, Naturalismus;
Gnosis, Logismus, Voluntarismus, Empirismus, Mystik,
Transzendentalismus, Okkultismus; und das alles verlaufend in den
zwölf Geistes-Tierkreisbildern. Das ist vorhanden; nur ist es geistig
vorhanden. So wahr als der physische Kosmos physisch vorhanden
ist, so wahr ist das geistig vorhanden.
In diejenige Hirnhälfte, die der Anatom findet, von der man ja
sagen kann, daß sie die halbkugelförmige ist, in sie wirken herein
vorzugsweise diejenigen Wirkungen des Geisteskosmos, die von den
oberen Nuancen ausgehen. Dagegen gibt es einen unsichtbaren Teil
des Gehirns, der nur, wenn man den Ätherleib betrachtet, sichtbar
ist; der ist vorzugsweise von dem unteren Teil des Geisteskosmos
beeinflußt (siehe Zeichnung.) Aber wie ist diese Beeinflussung?
Sagen wir, bei jemandem ist es so, daß er mit seinem Logismus
eingestellt ist in den Sensualismus, daß er eingestellt ist mit seinem
Empirismus in den Mathematizismus. Dann gibt das, was auf
diese Weise zustande kommt, Kräfte, die in sein Gehirn hereinwirken,
und jener obere Teil seines Gehirns ist dann besonders
regsam und übertönt die anderen. Unzählige Nuancen von
Gehirntätigkeiten kommen dadurch zustande, daß das Gehirn
gleichsam im geistigen Kosmos schwimmt und die Kräfte auf diese
Weise ins Gehirn hereinwirken, wie wir das jetzt haben darstellen
können. So mannigfaltig sind wirklich die menschlichen Gehirne, als
sie mannigfaltig sein können nach den Kombinationen, die sich aus
diesem geistigen Kosmos ergeben. Was in jenem unteren Teile des
geistigen Kosmos ist, das wirkt gar nicht einmal auf das physische
Gehirn, sondern auf das Äthergehirn.
[[Datei:GA151 065.gif|center|400px|Zeichnung aus GA 151, S. 65]]
Wenn man von alledem spricht, dann ist wohl der beste Eindruck,
den man davon erhalten kann, der, daß man sagt: Es eröffnet
einem das die Empfindung für das Unendliche der Welt, für das
qualitativ Großartige der Welt, für die Möglichkeit, daß man als
Mensch in unendlicher Mannigfaltigkeit in dieser Welt existieren
kann. Wahrhaftig, wenn wir nur dieses betrachten können, dann
können wir uns schon sagen: Es fehlt wahrlich nicht an Möglichkeiten,
daß wir verschieden sein können in unseren verschiedenen Inkarnationen,
die wir auf der Erde durchzumachen haben. Und überzeugt
kann man auch sein, daß der, welcher die Welt so betrachtet,
gerade durch eine solche Weltbetrachtung dazu kommt, daß er sagen
muß: Ach, wie reich, wie grandios ist die Welt! Welches Glück, an
ihr immer weiter, immer mehr, immer mannigfaltiger teilzunehmen,
an ihrem Sein, ihren Wirkungen, ihrem Streben!|151|63ff}}


== Weltanschauungsstimmungen, Seelentöne, Anthropomorphismus ==
== Die sieben Weltanschauungsstimmungen ==
=== Sieben Weltanschauungsstimmungen ===


Zusätzlich zu den 12 grundlegenden Weltanschauungen unterscheidet [[Rudolf Steiner]] '''sieben Seelenstimmungen''', durch die jede dieser 12 Weltanschauungen erlebt werden können. Diese '''sieben Weltanschauungsstimmungen''' entsprechen den [[sieben Planeten]] (geordnet nach der [[Okkulte Reihenfolge der Planeten|okkulten Reihenfolge der Planeten]]).
Zusätzlich zu den 12 grundlegenden Weltanschauungen unterscheidet [[Rudolf Steiner]] '''sieben Seelenstimmungen''', durch die jede dieser 12 Weltanschauungen erlebt werden können. Diese '''sieben Weltanschauungsstimmungen''' entsprechen den [[sieben Planeten]] (geordnet nach der [[Okkulte Reihenfolge der Planeten|okkulten Reihenfolge der Planeten]]).
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</center>
</center>
=== Drei Seelentöne ===
Alle Weltanschauungen können nach Rudolf Steiner auch noch dadurch modifiziert werden, dass sie einen bestimmten Seelenton erhalten. Steiner unterscheidet drei solcher Töne, denen kosmisch [[Sonne]], [[Mond]] und [[Erde (Planet)|Erde]] entsprechen. Diese drei Töne sind:
<center>
{|width="400"
|-
| [[Theismus]] || [[Sonne]]
|-
| [[Intuitismus]] || [[Mond]]
|-
| [[Naturalismus]] || [[Erde (Planet)|Erde]]
|}
</center>
<div style="margin-left:20px">
"Es kommt allerdings noch eines dazu. Das ist, daß diese Weltanschauungen
- es sind ihrer schon sehr viele Nuancen, wenn Sie sich
alle Kombinationen suchen - noch dadurch modifiziert werden, daß
sie alle einen ganz bestimmten Ton erhalten können. Aber auf
diesem Gebiete des Tones haben wir nur dreierlei zu unterscheiden.
Alle Weltanschauungen, alle Kombinationen, die auf diese Weise
entstehen, können wieder in dreifacher Weise auftreten. Sie können
erstens sein theistisch, so daß ich das, was in der Seele als Ton auftritt,
zu benennen habe mit Theismus. Sie können so sein, daß wir
im Gegensatz zum Theismus den betreffenden Seelenton zu nennen
haben Intuitismus. Theismus entsteht, wenn der Mensch sich an alles
Äußere hält, um seinen Gott zu finden, wenn er seinen Gott im
Äußeren sucht. Der althebräische Monotheismus war vorzugsweise
eine theistische Weltanschauung. Intuitismus entsteht, wenn der
Mensch seine Weltanschauung vorzugsweise durch das sucht, was intuitiv
in seinem Inneren aufleuchtet. Es gibt zu diesen beiden noch
einen dritten Ton; das ist der Naturalismus.
{|align="center"
|-
| <poem>
Theismus
Intuitismus
Naturalismus
</poem>
|}
Diese drei Seelentöne haben auch ein Abbild in der äußeren Welt
des Kosmos, und zwar verhalten sie sich nun in der menschlichen
Seele genauso wie Sonne, Mond und Erde, so daß der Theismus der
Sonne entspricht - jetzt Sonne als Fixstern, nicht als Planet aufgefaßt
-, daß der Intuitismus dem Mond entspricht und der Naturalismus
der Erde. Derjenige - übersetzen Sie sich das einzelne, was
hier als Sonne, Mond und Erde bezeichnet ist, ins Geistige - , welcher
über die Erscheinungen der Welt hinausgeht und sagt: Wenn ich
hinausschaue, so offenbart sich mir in alledem der Gott, der die Welt
erfüllt, - der Erdenmensch, der sich aufrichtet, wenn er in die Sonnenstrahlen
kommt, ist der Theist. Der Mensch, der nicht über die
Naturvorgänge hinausgeht, sondern bei den einzelnen Erscheinungen
stehenbleibt, so wie der, welcher nie seinen Blick zur Sonne
hinaufrichtet, sondern nur auf das sieht, was ihm die Sonne hervorbringt
auf der Erde, der ist Naturalist. Der, welcher das Beste, was er
in der Seele haben kann, aufsucht dadurch, daß er es in seinen Intuitionen
aufgehen läßt, der ist wie der den Mond besingende und vom
silbernen, milden Mondenglanz in seiner Seele angeregte intuitistische
Dichter und läßt sich mit ihm vergleichen. Wie man mit der
Phantasie das Mondenlicht in Zusammenhang bringen kann, so muß
man okkult den Intuitisten, wie er hier gemeint ist, mit dem Monde
in Beziehung bringen." {{Lit|{{G|151|61ff}}}}
</div>
=== [[Anthropomorphismus]] ===
<div style="margin-left:20px">
"Endlich gibt es noch ein Viertes; das ist allerdings nur in einem
einzigen Element vorhanden. Wenn der Mensch sich gewissermaßen
in bezug auf alle Weltanschauung ganz nur an das hält, was er an
oder um oder in sich selbst erfahren kann:, das ist Anthropomorphismus.
<center>[[Anthropomorphismus]]</center>
Er entspricht der Erde, wenn man diese als solche betrachtet, abgesehen
davon, ob sie von der Sonne, vom Mond oder anderem umgeben
ist. Wie wir die Erde für sich allein betrachten können, so können
wir auch in bezug auf Weltanschauungen auf nichts Rücksicht
nehmen als auf das, was wir als Menschen in uns finden können.
Dann wird der in der Welt so verbreitete Anthropomorphismus entstehen." {{Lit|{{G|151|63}}}}
</div>


== Problematik ==
== Problematik ==

Version vom 18. Dezember 2020, 22:39 Uhr

Zwölf Weltanschauungen und sieben Seelenstimmungen.

Die Weltanschauung bezeichnet die geistige Grundhaltung, von der aus die erlebte Wirklichkeit betrachtet wird. Rudolf Steiner hat zwölf grundlegende Weltanschauungen unterschieden, die in ihrer Totalität für die menschliche Seele ein geistiges Abbild des Tierkreises bilden. Jede Weltanschauung für sich genommen ist eine Einseitigkeit; erst durch die lebendige Ganzheit aller 12 Weltanschauungen lässt sich ein rundum befriedigendes Bild der Welt gewinnen. Jede dieser zwölf Weltanschauungen kann dabei wieder durch 7 Weltanschauungsstimmungen nuanciert werden, die kosmisch dem Planetensystem entsprechen.

Begriffs- und Bedeutungsgeschichte

18. und 19. Jahrhundert

Das Kompositum „Weltanschauung“ findet sich zuerst in Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft (Erster Theil, Zweites Buch, § 26) von 1790. Die Kritik der Urteilskraft ist Kants dritte Kritik und enthält seine philosophische Ästhetik. Der Begriff fällt – eher nebenbei – im Kapitel, welches die Grundlegung des ästhetischen Empfindens überhaupt leisten soll: die Analytik des Erhabenen.

„Weltanschauung“ bedeutet also zunächst ganz allgemein die Fähigkeit, die Welt unter eine ästhetisch-rezeptive Anschauung zu bringen und sie als unendlich vielfältige Erscheinung in Begriffe zu fassen. In Kants Werk kommt diesem Begriff keine entscheidende systematische Bedeutung zu.

Zunehmend wichtig wird der Begriff Weltanschauung ab 1800 in der Romantik, soweit sie sich gegen einen als überzogen empfundenen Rationalismus der Aufklärungsepoche wendet und diesem einen holistischen und integrierenden Ansatz entgegenhält.

Verwendungen des Begriffes sind etwa bei Friedrich Schelling (1799) und Novalis (vor 1801) belegt:

„Die Welt ist Resultat eines unendlichen Einverständnisses, und unsere eigene innere Pluralität ist der Grund der Weltanschauung.“

Insofern lässt sich hier ein entscheidender Bedeutungswandel des Begriffes feststellen:

in den Vordergrund tritt das subjektive Empfinden, das persönliche Bild von der Welt als Summe eben nicht nur rationaler Erkenntnis, sondern auch von Erfahrung und Gefühl. Damit behauptet die Weltanschauung auch ein unhintergehbares Eigenrecht gegen andere (persönliche) Anschauungen, und aus dem Singular Weltanschauung wird der Plural der Anschauungen.

Friedrich Schleiermacher formuliert 1813 in den Vorlesungen über Pädagogik entsprechend:

„Es ist die Weltanschauung eines jeden, worin die Totalität aller Eindrücke zu einem vollständigen Ganzen des Bewusstseins bis auf den höchsten Punkt gesteigert […] gedacht wird.“

Weltanschauung wird dabei nicht als bloß subjektiv-spekulatives Meinen über die Dinge in der Welt verstanden, sondern als ein prozessualer Bildungsweg der zunehmenden persönlichen Integration von Wissen über Naturwissenschaft und Geschichte, die die „höchste Selbsttätigkeit des menschlichen Geistes“ voraussetzt, und deren Ziel ein „zusammenhängendes Ganzes“ sei.

Für Johann Wolfgang Goethe versteht sich gerade der Begriff der Anschauung als dem bloßen intellektuellen Verstehen entgegengesetzt und wohl überlegen: versucht doch der Blick, das Ganze in seinem organischen Zusammenhang zu fassen, während das Verstehen – das ein Hören oder Hören als Lesen ist – stets nur ein Bearbeiten des Partikularen sein kann, das der Sache nicht gerecht wird.

In dieser Hinsicht ist Goethes Optizismus, seine Bevorzugung des Augenscheins gegenüber einer intellektuellen, sezierenden Analyse, für die weitere kulturelle Bedeutung des Begriffes entscheidend: Sie rechtfertigt gerade das Unterlassen der intellektuellen Analyse zugunsten der Anschauung als einer anderen – überlegenen – Form der Erkenntnis (Vgl. hierzu die Kontroverse über Goethes Farbenlehre).

Gerade in der Goethe-Rezeption am Anfang des 20. Jahrhunderts wird diese Eigenheit als eine spezifisch deutsche – das soll heißen: besonders tiefgründige – Betrachtungsweise den anderen europäischen Erkenntnismethoden entgegengesetzt: als schauendes Denken.

Schon früh artikuliert sich aber auch Kritik am Modewort „Weltanschauung“, welches den engeren Bereich der akademischen Philosophie verlässt, etwa beim Skeptiker Jacob Burckhardt:

„Vor Zeiten war ein jeder ein Esel auf seine Faust und ließ die Welt in Frieden; jetzt dagegen hält man sich für 'gebildet', flickt eine 'Weltanschauung' zusammen und predigt auf die Nebenmenschen los.“[1][2]

Dabei richtet sich die Kritik zumeist gegen die bürgerliche Popularisierung des Begriffes und dessen oberflächliches Bedürfnis nach „Tiefsinn“. Julian Schmidt gegen Friedrich Hebbel:

„Es ist mit jener Anforderung, das Drama solle eine ‚Weltanschauung‘ geben, nicht viel zu machen. Dieses leidige Wort […] ist seit dem Faust durch unsere halbphilosophischen Kunstkritiker so im Katechismus festgesetzt, daß ein Drama, welches nicht eine Weltanschauung enthält […] gar nicht mehr angesehen wird.“[2]

Der Begriff „Weltanschauung“ weitet sich bald bis zur Unkenntlichkeit: Das Wörterbuch der philosophischen Begriffe von Rudolf Eisler verweist unter dem Lemma „Weltanschauung“ kurzerhand auf das Lemma „Philosophie“[3] oder er wird in sprachkritischer Absicht mit der Alltagssprache gleichgesetzt:

„Von allen diesen Worten ist gegenwärtig keines so im Schwange wie: Weltanschauung. Der müsste schon ein ganz armseliger Tropf sein, wer heutzutage nicht seine eigene Weltanschauung hätte. Ich glaube aber schon (Kr. d. Spr. I S. 538 und III 235) gezeigt zu haben, daß nicht nur die Weltanschauung des schlichtesten Mannes aus dem Volke, sondern auch die Weltanschauung des Dichters und Denkers identisch sei mit seinem Sprachvorrat und seinem Sprachgebrauch, daß wir diese Sprachbereitschaft oder Weltanschauung nicht immer ganz beisammen haben, daß die Weltanschauung eines Menschen von seiner allgemeinen und von seiner augenblicklichen Seelensituation abhänge. In diesem Sinne darf man freilich sagen, daß jeder Tropf seine eigene Weltanschauung habe, in seiner Individualsprache nämlich.“[4]

20. Jahrhundert

Die sozialphilosophische Diskussion am Beginn des 20. Jahrhunderts ist vor allem geprägt durch eine sehr weitgehende Relativierung von philosophischen und religiösen Wahrheitansprüchen. Die Wahrheit wird dabei vor allem zum „Verhältnisbegriff“ (Simmel, 1907) erklärt, was man letztlich als eine Vergesellschaftung des Perspektivismus verstehen kann. Bei Georg Simmel finden sich etwa neben Weltanschauung auch Bildungen wie „Lebensanschauung“ (Simmel, 1918) des „Grenzwesens Mensch“. In diesen Zusammenhang gehört auch die Vorstellung, dass es sich bei einer Weltanschauung um ein begrenztes Gehäuse handele (das allerdings im Sinne Simmels auch der Überschreitung, des „Mehr-Lebens“ fähig sei).

Einen wichtigen Beitrag zur Relativierung von Wahrheitsansprüchen bietet nicht nur die soziologische Beobachtung gesellschaftlichen Pluralismus' und sozialer Wirklichkeitskonstruktion (in diesem Sinne ist auch der Anspruch von Simmels Philosophie des Geldes zu verstehen), sondern sie wird schon als Diskussion in der Philosophie selbst geführt. Zunächst noch im Bemühen um eine normative – nicht relativistische oder historische – Grundlegung des Verhältnisses der Naturwissenschaften zu den Geisteswissenschaften hatte etwa Wilhelm Windelband noch aus der „allgemeinen Gesetzmäßigkeit der Dinge“ den „festen Rahmen unseres Weltbildes“ abzuleiten versucht.

Sein Schüler Heinrich Rickert (s. a.: Neukantianismus, südwestdeutsche Schule) entledigt sich dieses normativen Anspruchs zugunsten einer Problematisierung geisteswissenschaftlicher Methodologie und versteht menschliche Kultur (wie auch soziales Leben allgemein) als Wertebeziehung (s. a.: Wertphilosophie und Axiologie). Damit fokussiert sich die Problemstellung künftig auf das Phänomen der Geltung von Werten, und nicht mehr auf dessen – wie auch immer verstandenen – Realitätsbezug.

Wilhelm Dilthey versucht eine Typologie der Weltanschauungen in seiner Weltanschauungslehre (Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den Metaphysischen Systemen. Berlin 1919). Sie stellt weiter den Versuch dar, die existierenden philosophischen Systeme in ihrem Zusammenhang mit dem Leben, der Kultur und Religion, den spezifischen Erfahrungen des Menschen zu verstehen und beansprucht letztlich, eine „Philosophie der Philosophie“ zu sein.

Dilthey formuliert als seinen „Hauptsatz“ der Weltanschauungstheorie:

„Die Weltanschauungen sind nicht Erzeugnisse des Denkens. Sie entstehen nicht aus dem bloßen Willen des Erkennens. […] Aus dem Lebensverhalten, der Lebenserfahrung, der Struktur unserer psychischen Totalität gehen sie hervor.“

Damit ist für Dilthey die Weltanschauung an den Begriff des Lebens geknüpft, das in seiner Endlichkeit immer nur perspektivisch und in Ausschnitten zur Anschauung des niemals zu erreichenden Ganzen kommt. Weltanschauungen sind für Dilthey – wie auch philosophische Systeme – an das Herzblut eines Menschen geknüpft, an eine sie tragende Grundstimmung. Diese allein macht philosophische Systeme und Weltanschauungen mit ihren nie zu lösenden inneren Widersprüchen erst „lebensfähig“. Treffen verschiedene solcher Weltanschauungen aufeinander, so kann es zum „Kampf der Weltanschauungen“ kommen.

Karl Jaspers' Psychologie der Weltanschauungen (Berlin 1919) versucht sich an einer Analyse der Elemente von Weltanschauungen in einer Weltanschauungspsychologie. Er unterscheidet als die „statischen Elemente“ einer Weltanschauung:

  • Verhaltensweisen des Subjektes (gegenständliche, selbstreflektierte, enthusiastische) und
  • Weltbilder (sinnlich-räumliche, seelisch-kulturelle, metaphysische).

Diese Anschauungen zerbrechen in existentiellen Situationen wie Leiden, Kampf und Tod und zeigen dabei den Charakter des Menschen.

Karl Mannheims Ideologie und Utopie von 1929 untersucht die weltanschaulichen Kämpfe der Moderne vor allem unter sozialhistorischen Aspekten. Er formuliert die Idee einer Wissenssoziologie, die als wertfreie Ideologieforschung konzipiert ist und den allgemeinen totalen Ideologiebegriff in Relation zur eigenen wissenschaftlichen Position setzen soll, indem sie den Zusammenhang von jeweiliger sozialer Seinslage und historisch bewusstseinsmäßiger Perspektive herausarbeitet.

Unter „totalem Ideologiebegriff“ versteht Mannheim: die „totale Bewusstseinsstruktur eines ganzen Zeitalters“ – welche in diesem Fall genau der Umstand einer tiefgreifenden Ideologisierung ist. Sinn des Unterfangens ist letztlich die „Selbstkorrektur“ nicht nur der sozialwissenschaftlichen Methodologie und die Zurückweisung der zunehmenden Ideologisierung in der Soziologie („partikulare Ideologie“ als gegenseitige Ideologieunterstellung), sondern letztlich die Offenheit des Denkens erneut zu gewährleisten.

Dass Mannheim hier nahezu durchgehend von Ideologie und nicht von Weltanschauung spricht, obwohl die Wissenssoziologie genau auf das weltanschauliche Denken zielt, deutet auf zwei Sachverhalte:

  • zum einen glaubt sich die Ideologieanalyse als „Metatheorie der Weltanschauung“ der weltanschaulichen Perspektive enthoben,
  • zum anderen hat sich der Begriff bereits auf eine engere, d. h. politisch rechte Bedeutung zurückgezogen.

Sigmund Freud beendet seine Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1932) mit der 35. Vorlesung Über eine Weltanschauung. Er setzt sich darin kritisch mit dem Anspruch von Weltanschauungen auseinander.[5]

Romano Guardini prägte die Begriffe der „katholischen Weltanschauung“ bzw. „christlichen Weltanschauung“ zwischen 1923 und 1964 vor allem durch seine Berufungen an die gleichnamigen Lehrstühle der Universität Breslau, der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, der Eberhard Karls Universität Tübingen sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Politisierung des Begriffes

Für die 1920er und 1930er Jahre lässt sich eine geradezu inflationäre Verwendung des Begriffes der Weltanschauung – vor allem in rechts-konservativen und nationalistischen Kreisen – konstatieren, die an dessen romantischen Bedeutungsgehalt anzuknüpfen scheint. Diese affirmative Selbst-Identifikation der Rechts-Konservativen mit dem Weltanschauungsdenken hat den Begriff lange geprägt und beginnt erst heute in Vergessenheit zu geraten.

Armin Mohler, ein sich selbst dem rechten Lager zurechnender Chronist der „Konservativen Revolution“, definiert:

„Weltanschauung ist nicht dasselbe wie Philosophie. Während die Philosophie ein Teil des alten geistigen Gehäuses des Abendlandes ist, fassen wir die Weltanschauung als ein Ergebnis des Zerfalls dieses Gehäuses auf. Der Versuch die Weltanschauung bloß als eine weniger klar durchgebildete Philosophie […] zu verstehen, sieht am wesentlichen vorbei.“[6]

Das Wesentliche für Mohler ist, „daß in ihr [sc. der Weltanschauung] Denken, Fühlen, Wollen nicht mehr reinlich geschieden werden können.“[6]

Damit wird Weltanschauung geradezu zu einem Kampfbegriff gegen den Begriff der Ideologie gesetzt.

Von entscheidendem Einfluss für die spätere nationalsozialistische Verwendung des Begriffes Weltanschauung dürfte nicht zuletzt auch Oswald Spenglers universalhistorische Ausweitung des Begriffes in Der Untergang des Abendlandes von 1918 sein: nicht nur lehnt sich Spenglers eigene wissenschaftliche Erkenntnismethode eng an Nietzsches Perspektivismus und Goethes Metamorphosenlehre (vgl. Goethe: Metamorphose der Pflanzen, 1790.) an – und versteht sich in dieser Hinsicht als besonders deutsch und tiefgründig. Auch stellt sich für Spengler die Geschichte der Kulturen als ein Kampf der Weltanschauungen dar. Weltanschauungen sind in diesem Verständnis kollektive, unausgesprochen geteilte Ansichten über Gestalt und Sinn der Welt und Bestimmung des Menschen. Seine besondere Betonung liegt auf der Unausweichlichkeit einer einmal getroffenen Anschauungsweise für den gesamten Werdegang einer Kultur; sie bestimmt dessen Schicksal bis zum Schluss. Im Laufe der Geschichte einer Kultur würden letztlich nur die Grundmotive einer spezifischen Weltanschauung stilistisch variiert. Dabei deutet aber gerade der konkrete Begriff „Weltanschauung“ für den Kulturpessimisten Spengler bereits auf eine Reflexion der eigenen Grundlagen und der eigenen Perspektive und damit schon auf dessen innere Schwäche und ihren Niedergang.

Kritik

Eine komplexe und kritische Beschäftigung mit dem Thema Weltanschauung stellt Martin Heideggers Vortrag Die Zeit des Weltbildes von 1938 dar. Heidegger hatte sich noch 1933/34 entschieden für die Nationalsozialisten engagiert, während ab 1936 – u. a. anhand der Beschäftigung mit Nietzsche und dem Nihilismus – seine Haltung distanzierter wurde. Heideggers Kritik am Nationalsozialismus ist keine politische Kritik, sondern eine Kritik, die die gesamte abendländische Metaphysik trifft.

Für Heidegger stellt das Weltbild ein Mittel der technisch-wissenschaftlichen Zurichtung der Welt in der Neuzeit dar, auf welche die abendländische Metaphysik letztlich hinausliefe. Damit wird für Heidegger die Vor-stellung von der Welt gerade zum Symptom der Vergegenständlichung des Seins ausschließlich als bloß Seiendes (siehe auch Ontologische Differenz) und damit zur Abkehr von einer wie auch immer gedachten Besinnung:

„Daß die Welt zum Bild wird, ist ein und derselbe Vorgang mit dem, daß der Mensch innerhalb des Seienden zum Subjectum wird.“ [und] „Sobald die Welt zum Bilde wird, begreift sich die Stellung des Menschen als Weltanschauung […]. Dies bedeutet: Das Seiende gilt erst als seiend, sofern es und soweit es in dieses Leben ein- und zurückbezogen, d. h. er-lebt und Er-lebnis wird.“[7]

Somit macht sich der Mensch zum absoluten Maß und zur Richtschnur alles Seienden:

„Weil diese Stellung sich als Weltanschauung sichert, gliedert und ausspricht, wird das neuzeitliche Verhältnis zum Seienden in seiner entscheidenden Entfaltung zur Auseinandersetzung von Weltanschauungen […]. Für diesen Kampf der Weltanschauungen setzt der Mensch die uneingeschränkte Gewalt der Berechnung, der Planung und der Züchtung aller Dinge ins Spiel.“[7]

Der Begriff in der nationalsozialistischen Propaganda

In der Sprache des Nationalsozialismus machte gerade die Betonung der Unausweichlichkeit einer einmal getroffenen Entscheidung und dessen unüberbrückbare Opposition zu anderen Weltanschauungen den Begriff propagandistisch so attraktiv (siehe auch: Dezisionismus).

Der Nationalsozialismus bezeichnete sich selbst als Weltanschauung und nicht als Ideologie. Während man einer Ideologie nur anhängen kann, so werden Weltanschauungen geteilt – oder auch nicht. Im Sinne des Nationalsozialismus wurde eine Weltanschauung gelebt: sie entzieht sich der Kritik, da sie die Wahrnehmung selbst bereits bestimmt und alle Lebensbereiche unter ihrer Perspektive interpretieren und umformen kann. So werden zugleich, darauf macht Victor Klemperer in LTI aufmerksam, alle möglichen Positionen und selbst die Philosophie zu bloß konkurrierenden Anschauungen degradiert, gegen welche sich der Nationalsozialismus als „totale Weltanschauung“ durchsetzen sollte – und zwar durch die Mittel der Überzeugung der Zaudernden durch Propaganda bis hin zur physischen Vernichtung all jener, die die Weltanschauung des Nationalsozialismus nicht teilen wollten oder sollten.

Der Begriff nach 1945

Der Begriff „Weltanschauung“ scheint durch die nationalsozialistische Verwendung im wissenschaftlichen Sprachgebrauch nachhaltig diskreditiert, auch wenn sich diese Position erst im Laufe der 1950er und 1960er Jahre durchsetzte. Von 1947 bis 1949 erschien etwa noch eine 5-bändige „Geschichte der abendländischen Weltanschauungen“ von Hans Meyer, während in der Gegenwart nur wenige Publikationen das Wort „Weltanschauung“ in einem nicht-historischen Sinne im Titel führen. Problematisch und für philosophische Erörterung ungeeignet scheint vor allem die enorme Spannweite oder anders formuliert die Ungenauigkeit und damit die assoziative Beliebigkeit des Begriffes. In Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur wird er weiterhin verwendet.

In der aktuellen soziologischen Theoriebildung kommt dem Begriff der Weltanschauung keine analytische Bedeutung mehr zu: der (aus Sicht einiger unhintergehbare) Perspektivismus sowohl der beteiligten Individuen, wie gesellschaftlicher Subsysteme geht in der Analyse der Kommunikationsbedingungen und -situationen als Interaktionssysteme vollständig auf.

So ist „Sinn“ etwa für Niklas Luhmann nur ein Mittel zur Reduktion von Komplexität in einer gegebenen Umwelt, welche die Kommunikation selbst ist – und damit eine der Kommunikation letztlich untergeordnete Funktion, die die Anschlussfähigkeit der Kommunikation sicherstellen soll (siehe auch: Systemtheorie (Luhmann)). Auch das Interesse Jürgen Habermas' richtet sich eher auf die Möglichkeit gelingender Interaktion im Diskurs, als auf ein statisches Konzept existierender Positionen. Die Soziologie ersetzt also den tendenziell zum Solipsismus neigenden Begriff der Weltanschauung zugunsten einer Beobachtung der Dynamik von Kommunikationsprozessen und intersubjektiver Wahrheit (siehe auch: Intersubjektivitätsphilosophie).

Der Begriff der Weltanschauung taucht in der Soziologie und Politikwissenschaft allenfalls noch dort auf, wo es um eine Ideologiekritik im engeren Sinne geht, wo also eher in der Tradition Mannheims verfahren wird, etwa bei Ernst Topitschs Weltanschauungsanalyse als Kritik des Marxismus.

Unbenommen seiner Verwendung in der Alltagssprache, ist der Begriff der Weltanschauung damit aus dem wissenschaftlichen und auch aus dem philosophischen Sprachgebrauch nahezu verschwunden.

Hans Blumenberg fasst die Struktur des Begriffes noch einmal im Rückblick auf Kants Begriffserfindung in der KdU folgendermaßen zusammen:

„Wenn in Bezug auf die Welt keine Anschauung verstattet und dennoch Anschauung unverzichtbar ist, greifen Substitutionen ein, Erlebnisse für Sachverhalte: das Gewaltige für das Unermessliche – absolute Metaphern, deren Risiko darin besteht, daß sie, als „beim Wort genommene“, zur Dogmatik eben dessen werden, was am Ende „Weltanschauung“ heißt und vordergründige Befriedigung an der Durchsichtigkeit wie Übersichtlichkeit der Dinge suggeriert. Es ist mehr ein Begriffsschicksal als eine Begriffsgeschichte.“

Hans Blumenberg: Lebenszeit und Weltzeit. FfM 2001. S. 9 f.

Steiner über die Weltanschauungen

Die zwölf Weltanschauungen

Zwölf Weltanschauungen

"Es ist so wesentlich, wenn man überhaupt über das Denken sich eine Vorstellung machen will, daß man sich darüber klar wird, daß die Wahrheit eines Gedankens auf seinem Gebiete noch nichts aussagt über die allgemeine Gültigkeit eines Gedankens. Ein Gedanke kann durchaus auf seinem Gebiete richtig sein; aber nichts wird dadurch ausgemacht über die allgemeine Gültigkeit des Gedankens. Beweist man mir daher dieses oder jenes, und beweist man es mir noch so richtig, unmöglich kann es sein, dieses also Bewiesene auf ein Gebiet anzuwenden, auf das es nicht hingehört. Es ist daher notwendig, daß sich der, welcher sich ernsthaft mit den Wegen beschäftigen will, die zu einer Weltanschauung führen, vor allen Dingen damit bekannt macht, daß Einseitigkeit der größte Feind aller Weltanschauungen ist und daß es vor allen Dingen nötig ist, die Einseitigkeit zu meiden. Einseitigkeit müssen wir meiden." (Lit.: GA 151, S. 33)

Folgende Weltanschauungen nennt Rudolf Steiner:

Materialismus Krebs
Sensualismus Löwe
Phänomenalismus Jungfrau
Realismus Waage
Dynamismus Skorpion
Monadismus Schütze
Spiritualismus Steinbock
Pneumatismus Wassermann
Psychismus Fische
Idealismus Widder
Rationalismus Stier
Mathematismus Zwillinge

"Ich habe gestern diejenigen Weltanschauungsnuancen darzustellen versucht, welche dem Menschen möglich sind, so möglich, daß für jede dieser Weltanschauungsnuancen gewisse vollgültige Beweise der Richtigkeit, der Wahrheit für ein gewisses Gebiet erbracht werden können. Für den, der nicht darauf aus ist, alles, was er auf einem bestimmten engbegrenzten Gebiete zu beobachten, zu überdenken in der Lage war, zu einem Begriffssystem zusammenzuschmieden und dann die Beweise dafür zu suchen, sondern für den, der darauf aus ist, wirklich in die Wahrheit der Welt einzudringen, ist es wichtig zu wissen, daß diese Allseitigkeit Notwendigkeit ist, die sich darin ausspricht, daß dem menschlichen Geist wirklich zwölf typische Weltanschauungsnuancen - auf die Übergänge dazwischen kommt es jetzt nicht an - möglich sind. Will man wirklich zur Wahrheit kommen, dann muß man den Versuch machen, sich die Bedeutung dieser Weltanschauungsnuancen ein mal klarzumachen, muß den Versuch machen, zu erkennen, auf welchen Gebieten des Daseins die eine oder die andere dieser Weltanschauungs nuancen den besseren Schlüssel bildet. Wenn wir uns noch einmal diese zwölf Weltanschauungsnuancen vor Augen führen, wie das gestern ge schehen ist, so ist es also der Materialismus, der Sensualismus, der Phänomenalismus, der Realismus, der Dynamismus, der Monadismus, der Spiritualismus, der Pneumatismus, der Psychismus, der Idealismus, der Rationalismus und der Mathematismus.

Es ist nun in der wirklichen Welt des menschlichen Forschungsstrebens nach der Wahrheit leider so, daß bei den einzelnen Geistern, bei den einzelnen Persönlichkeiten immer die Hinneigung zu der einen oder der anderen dieser Weltanschauungsnuancen überwiegt und daß da durch die Einseitigkeiten in den verschiedenen Weltanschauungen der verschiedenen Epochen auf die Menschen wieder wirken. Was ich so als die zwölf Hauptweltanschauungen hingestellt habe, das muß man kennen als etwas, was man wirklich so überschaut, daß man gleichsam immer die eine Weltanschauung neben die andere so kreisförmig hin stellt und sie ruhend betrachtet. Sie sind möglich; man muß sie kennen. Sie verhalten sich wirklich so, daß sie ein geistiges Abbild des uns ja wohlbekannten Tierkreises sind. Wie den Tierkreis scheinbar die Sonne durchläuft und wie andere Planeten scheinbar den Tierkreis durch laufen, so ist es der menschlichen Seele möglich, einen Geisteskreis zu durchlaufen, welcher zwölf Weltanschauungsbilder enthält." (Lit.: GA 151, S. 46f)

Die Weltnachauungen durch die Epochen

Der Mensch und die Weltanschauungen

Zusammenhang mit dem physischen und ätherischen Gehirn

Die Weltanschauungen, die dem oberen, dem Tagesteil des Tierkreises entsprechen (etwa vom Idealismus bis zum Realismus, mit dem Materialismus an der obersten Spitze) korrespondieren mit dem Physisches Gehirn; die „unteren“, „nächtlichen“ Weltanschauungen (vom Dynamismus bis zum Psychismus) entsprechen dem Äthergehirn.

„Geht man hinaus über das, was der Mensch ist, so wie man zur Erklärung der Erscheinung der Erde hinausgehen muß zu Sonne und Mond - was die gegenwärtige Wissenschaft nicht tut -, so kommt man dazu, dreierlei als nebeneinander berechtigt anerkennen zu müssen: Theismus, Intuitismus und Naturalismus. Denn nicht, daß man auf einem dieser Töne besteht, sondern daß man sie zusammenklingen läßt, entspricht dem, was die Wahrheit ist. Und wie unsere engere Körperlichkeit mit Sonne, Mond und Erde wieder hineingestellt ist in die sieben Planeten, so ist hineingestellt Anthropomorphismus als die trivialste Weltanschauung in das, was zusammenklingen kann aus Theismus, Intuitismus und Naturalismus, und dieses zusammen wieder in das, was zusammenklingen kann aus den sieben Seelenstimmungen. Und diese sieben Seelenstimmungen nuancieren sich nach den zwölf Zeichen des Tierkreises.

Sie sehen schon, dem Namen nach, und zwar nur dem Namen nach, ist nicht eine Weltanschauung wahr, sondern es sind 12 + 7 = 19+ 3 = 22+ 1 = 23 Weltanschauungen berechtigt. Dreiundzwanzig berechtigte Namen für Weltanschauungen haben wir. Aber alles andere kann noch dadurch entstehen, daß die entsprechenden Planeten in den zwölf Geistes-Tierkreisbildern herumlaufen.

Und nun versuchen Sie, aus dem, was jetzt auseinandergesetzt worden ist, sich ein Empfinden anzueignen für die Aufgabe, welche die Geisteswissenschaft für das Friedenstiften innerhalb der verschiedenen Weltanschauungen hat, für das Friedenstiften aus der Erkenntnis heraus, daß die Weltanschauungen miteinander, in ihrem gegenseitigen Aufeinanderwirken, in gewisser Beziehung erklärlich sind, daß sie aber alle nicht ins Innere der Wahrheit führen können, wenn sie einseitig bleiben, sondern daß man gleichsam den Wahrheitswert der verschiedenen Weltanschauungen innerlich in sich erfahren muß, um wirklich - wir dürfen so sagen - mit der Wahrheit zurechtzukommen. So wie Sie sich denken können den physischen Kosmos: den Tierkreis, das Planetensystem, Sonne, Mond und Erde zusammen, die Erde für sich, so können Sie sich ein geistiges Weltenall denken: Anthropomorphismus; Theismus, Intuitismus, Naturalismus; Gnosis, Logismus, Voluntarismus, Empirismus, Mystik, Transzendentalismus, Okkultismus; und das alles verlaufend in den zwölf Geistes-Tierkreisbildern. Das ist vorhanden; nur ist es geistig vorhanden. So wahr als der physische Kosmos physisch vorhanden ist, so wahr ist das geistig vorhanden.

In diejenige Hirnhälfte, die der Anatom findet, von der man ja sagen kann, daß sie die halbkugelförmige ist, in sie wirken herein vorzugsweise diejenigen Wirkungen des Geisteskosmos, die von den oberen Nuancen ausgehen. Dagegen gibt es einen unsichtbaren Teil des Gehirns, der nur, wenn man den Ätherleib betrachtet, sichtbar ist; der ist vorzugsweise von dem unteren Teil des Geisteskosmos beeinflußt (siehe Zeichnung.) Aber wie ist diese Beeinflussung? Sagen wir, bei jemandem ist es so, daß er mit seinem Logismus eingestellt ist in den Sensualismus, daß er eingestellt ist mit seinem Empirismus in den Mathematizismus. Dann gibt das, was auf diese Weise zustande kommt, Kräfte, die in sein Gehirn hereinwirken, und jener obere Teil seines Gehirns ist dann besonders regsam und übertönt die anderen. Unzählige Nuancen von Gehirntätigkeiten kommen dadurch zustande, daß das Gehirn gleichsam im geistigen Kosmos schwimmt und die Kräfte auf diese Weise ins Gehirn hereinwirken, wie wir das jetzt haben darstellen können. So mannigfaltig sind wirklich die menschlichen Gehirne, als sie mannigfaltig sein können nach den Kombinationen, die sich aus diesem geistigen Kosmos ergeben. Was in jenem unteren Teile des geistigen Kosmos ist, das wirkt gar nicht einmal auf das physische Gehirn, sondern auf das Äthergehirn.

Zeichnung aus GA 151, S. 65
Zeichnung aus GA 151, S. 65

Wenn man von alledem spricht, dann ist wohl der beste Eindruck, den man davon erhalten kann, der, daß man sagt: Es eröffnet einem das die Empfindung für das Unendliche der Welt, für das qualitativ Großartige der Welt, für die Möglichkeit, daß man als Mensch in unendlicher Mannigfaltigkeit in dieser Welt existieren kann. Wahrhaftig, wenn wir nur dieses betrachten können, dann können wir uns schon sagen: Es fehlt wahrlich nicht an Möglichkeiten, daß wir verschieden sein können in unseren verschiedenen Inkarnationen, die wir auf der Erde durchzumachen haben. Und überzeugt kann man auch sein, daß der, welcher die Welt so betrachtet, gerade durch eine solche Weltbetrachtung dazu kommt, daß er sagen muß: Ach, wie reich, wie grandios ist die Welt! Welches Glück, an ihr immer weiter, immer mehr, immer mannigfaltiger teilzunehmen, an ihrem Sein, ihren Wirkungen, ihrem Streben!“ (Lit.:GA 151, S. 63ff)

Die sieben Weltanschauungsstimmungen

Zusätzlich zu den 12 grundlegenden Weltanschauungen unterscheidet Rudolf Steiner sieben Seelenstimmungen, durch die jede dieser 12 Weltanschauungen erlebt werden können. Diese sieben Weltanschauungsstimmungen entsprechen den sieben Planeten (geordnet nach der okkulten Reihenfolge der Planeten).

Gnosis Saturn
Logismus Jupiter
Voluntarismus Mars
Empirismus Sonne
Mystik Venus
Transzendentalismus Merkur
Okkultismus Mond

Problematik

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Jacob Burckhardt an Gottfried Kinkel (26. April 1844) in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. 19 (1921) S. 276.
  2. 2,0 2,1  Weltanschauung. In: Deutsches Wörterbuch. Band 28: Weh–Wendunmut – (XIV, 1. Abteilung, Teil 1), S. Hirzel, Leipzig 1955, Sp. 1530–1538 (attempt to index field 'wikibase' (a nil value) woerterbuchnetz.de).
  3. Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Berlin 1899, Band II, S. 720.
  4. Fritz Mauthner: Wörterbuch der Philosophie. Neue Beiträge zu einer Kritik der Sprache. München 1910. Leipzig 1923. Band III, S. 430. Zitiert nach: Geschichte der Philosophie. Darstellungen, Handbücher, Lexika. Hrsg. M. Bertram. Berlin 1998, Digitale Bibliothek, Band 3.)
  5. Sigmund Freud, Studienausgabe, Frankfurt am Main 1969, Band 1, S. 586 ff.
  6. 6,0 6,1 Mohler, Graz 1950, Darmstadt 1989, S. 15 ff.
  7. 7,0 7,1 Martin Heidegger: Holzwege. Frankfurt am Main 1950, S. 90 ff.


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