Fritz Mauthner

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Fritz Mauthner (* 22. November 1849 in Horschitz, Böhmen, Kaisertum Österreich; † 29. Juni 1923 in Meersburg) war ein deutschsprachiger Philosoph und Schriftsteller.

Prägend für Mauthners Wirken war die Bekanntschaft mit Ernst Mach (1838-1916). Mauthner schrieb Romane, Novellen, Erzählungen, Satiren, Essays und andere theoretische Schriften, sowie kulturgeschichtliche und sprachphilosophische Werke. In seinem sprachkritischen 3-bändigen Hauptwerk «Beiträge zu einer Kritik der Sprache» meint er gleich zu Beginn:

„‚Im Anfang war das Wort.‘ Mit dem Worte stehen die Menschen am Anfang der Welterkenntnis und sie bleiben stehen, wenn sie beim Worte bleiben. Wer weiter schreiten will, auch nur um den kleinwinzigen Schritt, um welchen die Denkarbeit eines ganzen Lebens weiter bringen' kann, der muß sich vom Worte befreien und vom Wortaberglauben, der muß seine Welt von der Tyrannei der Sprache zu erlösen versuchen.“

Fritz Mauthner: Beiträge zu einer Kritik der Sprache I, S. 1

So spricht Mauthner denn auch in wiederholten Attacken von der erdückenden „Logokratie“ des Wortes, vom „Wortaberglauben“ und vom „Fluch der Sprache“:

„Zum Hasse, zum höhnischen Lachen bringt uns die Sprache durch die ihr innewohnende Frechheit. Sie hat uns frech verraten; jetzt kennen wir sie. Und in den lichten Augenblicken dieser furchtbaren Einsicht toben wir gegen die Sprache wie gegen den nächsten Menschen, der uns um unseren Glauben, um unsere Liebe, um unsere Hoffnung betrogen hat.“

– ebd., S.86

Mauthners Sprachkritik wurde von den nachfolgenden Sprachphilosphen weitestgehend ignoriert. So schreibt etwa Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus logico-philosophicus unter Punkt 4.0031 ganz lapidar: „Alle Philosophie ist ‚Sprachkritik‘. (Allerdings nicht im Sinne Mauthners)

Auch Rudolf Steiner äußerte sich wiederholt ablehnend zu Mauthners Sprachkritik.

„Denken Sie, daß wir ja heute nicht nur haben die alte «Kritik der reinen Vernunft» von Immanuel Kant, in der den Menschen klar gemacht wird: An das Ding-an-sich könnt ihr doch nicht kommen, alles ist nur Schein —, wir haben ja heute, wie ich schon öfter erwähnt habe, sogar schon eine «Kritik der Sprache» von Fritz Mauthner. Und wir haben sie nicht nur, diese «Kritik der Sprache», sondern Trompeter für diese «Kritik der Sprache», Trompeter des Ruhmes der «Kritik der Sprache» sind zahlreiche Journalisten geworden, und es gibt zahlreiche Leute, die in dieser «Kritik der Sprache» von Fritz Mauthner ein monumentales Werk der Gegenwart sehen, während es nichts anderes ist als scheußlichster philosophischer Dilettantismus, Nicht einmal bis zu dem Begriffe kann sich Mauthner erheben, daß doch Dinge vorgestellt werden nicht dadurch, daß man bloß das Wort hat, sondern daß das Wort etwas ist wie ein Hinweis und wie eine Gebärde auf das Ding. Bei geistigen Dingen ist das ja schwieriger vorzustellen; aber natürlich muß man sich zunächst klar machen, wie das Wort nur eine Gebärde ist und wie man an den Worten nicht herumkritisieren kann, weil das Wort eine Gebärde ist, die hinweist auf das Betreffende, so im Physischen und so im Geistigen. Weil Mauthner keine Ahnung hat von der Natur des Wortes, fängt er an, das Wort zu kritisieren, und glaubt, die Menschen haben Worte gemacht und hängen dann bloß an den Worten, hinter denen keine Wirklichkeiten sind. Ja, aber die Wirklichkeiten kann man nicht dadurch kritisieren, daß man das Wort kritisiert. Ich will Ihnen das an einem drastischen Beispiel zeigen. Denken Sie sich, was tut Fritz Mauthner! Er hat drei dicke Bände geschrieben: «Kritik der Sprache», hat auch ein «Wörterbuch der Philosophie» in zwei dicken Bänden geschrieben, worin er dann ja auch, sagen wir, gesammelt hat: Begriff des Seins, Begriff der Erkenntnis und so weiter. Das wird alles so nach den Worten abgehandelt: wo das Wort herkomme, wo das Wort zuerst auftritt, wie das Wort von einer Sprache in die andere wandle. Und indem er so beschreibt, wie das Wort von einer Sprache in die andere sich wandelt, da glaubt er, daß er irgend etwas über die Dinge aussagen kann. Ich will es Ihnen an einem drastischen Beispiel klarmachen: Nehmen wir an, Fritz Mauthner zöge so durch Österreich, da könnte er zum Beispiel ein Wort finden, das gebildet worden ist, das Wort «Böhmischer Hofrat». Der «böhmische Hofrat», ist eine Bezeichnung, die man in Österreich sehr häufig findet: irgendeiner ist ein «böhmischer Hofrat». Was würde der Sprachkritiker Fritz Mauthner nach seiner Methode machen müssen? Er müßte natürlich bei «B» in seinem «Philosophischen Wörterbuch» zunächst anknüpfen und müßte «böhmisch» ordentlich kritisieren und würde finden, es sei ein Teil des Begriffes «Böhmen». Dann würde er bei «H» aufschlagen: Hof rat. Er würde dann den Begriff «Hofrat» ordentlich analysieren und würde auf diese Weise die Wirklichkeit des «böhmischen Hofrats» suchen. Aber das Eigentümliche ist dabei, daß «böhmischer Hofrat» in Österreich ein Wesen ist, das weder ein Böhme noch ein Hofrat zu sein braucht, im Gegenteil, die meisten «böhmischen Hofräte» in Österreich sind weder Böhmen noch Hof rate! Das ist gerade ihre Eigentümlichkeit, sie sind durchaus keine Hofräte, es ist nur ein Zufall, wenn einer einmal ein Hofrat ist, und sie brauchen durchaus keine Böhmen zu sein, es ist auch wiederum ein Zufall, wenn ein «böhmischer Hofrat » ein Böhme ist. Einen «böhmischen Hofrat» nennt man in Österreich den, der so ein Schleicher ist, der Talent hat, die Leute, die er überspringen will in der Rangordnung, beiseite zu schieben, Mittelchen findet, um sich hinaufzuschieben. Das alles hat zu tun weder mit «böhmisch» noch mit «Hofrat». Er kann ein in Steiermark geborener Kanzleidiener und doch «böhmischer Hofrat» sein. Da sehen Sie, wie das Wort gebildet wird, gedeutet auf die Wirklichkeit. Und so sind alle Worte gebildet. Wenn man hinter den Worten die Wirklichkeiten sucht, so findet man so wenig hinter den Worten die Wirklichkeiten, wie man hinter dem «böhmischen Hofrat » in Österreich die Wirklichkeit findet, wenn man nicht aus anderem heraus als aus dem Wortinhalte darauf kommt, was eigentlich das Wort bedeutet.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, bis zu diesem Grade von Verworrenheit ist die Gegenwart gekommen, und bis zu diesem Grade von Hochmut in der Verworrenheit ist man gekommen, daß man das als epochemachende Leistung ansieht.“ (Lit.:GA 167, S. 296ff)

Werke (Auswahl)

  • Beiträge zu einer Kritik der Sprache (3 Bände), 1901–1902 (2. überarb. Auflage 1906–1913, 3. Auflage 1923, Neuauflage 1982, 2017), ISBN 978-3957005847
  • Die Sprache, Frankfurt am Main: Rütten & Loenig, (Die Gesellschaft.9.) 1907, Neuaufl. Marburg: Metropolis 2012, ISBN 978-3-89518-881-7
  • Wörterbuch der Philosophie - Neue Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 1. Auflage in 2 Bänden 1910 (Nachdruck bei Diogenes, 1980), 2. vermehrte Auflage in 3 Bänden 1923–1924 (Nachdruck beim Verlag Böhlau 1997, ISBN 3-205-98644-X).

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.