Tarnung (Biologie) und Das 2. Siegel: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Colostygia aqueata Buchstein01.jpg|mini|Somatolyse: Der [[Nachtfalter]] ''[[Colostygia aqueata]]'' auf hellem [[Carbonate|Carbonatgestein]] am [[Großer Buchstein|Großen Buchstein]] in den Ostalpen]]
: "3 Als das Lamm das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen rufen: Komm! 4 Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben." (Einheitsübersetzung, Off: 6,3-4)
[[Datei:Phlogophora meticulosa, Achateule 4.JPG|mini|Somatolyse: [[Achateule]] auf Laubblatt]]


'''Tarnung''', in der [[Verhaltensbiologie]] auch als '''Krypsis''' (von {{grcS|κρύψις|''krýpsis''|de=das Verbergen, Sichverbergen}})<ref name="GEMOLL">{{Literatur | Autor=Wilhelm Gemoll | Titel=Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch | Auflage= | Verlag=G. Freytag Verlag/Hölder-Pichler-Tempsky | Ort=München/Wien | Jahr=1965 | ISBN= }}</ref> bezeichnet, ist bei Tieren der Vorgang oder Zustand, der darauf abzielt, irreführende Signale an ein anderes Lebewesen zu senden. Es ist sowohl der simpelste und effektivste Mechanismus zur Reduzierung des [[w:Prädator|Prädationsrisikos]] als auch eine mögliche [[evolutionäre Anpassung]] von [[Beutegreifer]]n, die aufgrund ihrer Tarnung von potentiellen Beutetieren weniger leicht wahrgenommen werden. Diese Irreführung kann sich gegen alle Sinnesorgane richten, also zum Beispiel die [[visuelle Wahrnehmung]] („das [[Auge]]“) täuschen, die [[auditive Wahrnehmung]] („das [[Ohr]]“) oder die [[olfaktorische Wahrnehmung]] („den [[Geruch]]ssinn“). Als Sonderform der Tarnung können auch bestimmte [[Mimikry]]-Varianten aufgefasst werden, bei denen zum Beispiel wohlschmeckende oder wehrlose [[Art (Biologie)|Arten]] äußere Merkmale übelschmeckender oder wehrhafter Arten kopieren und sich so gegenüber potenziellen [[Fressfeind]]en tarnen.
[[Kategorie:Das 2. Siegel|!]]
 
Wird das visuelle (das äußerlich sichtbare) Erscheinungsbild eines Tieres zur Tarnung genutzt, bezeichnet der Fachmann dieses Aussehen als '''Tarntracht'''.
 
Der Austausch von Signalen ist eine wesentliche Voraussetzung für jegliche [[Kommunikation]] und erfordert mindestens einen Sender und einen Empfänger von Signalen. Die Tarnung bei Tieren kann daher beschrieben werden als eine im Verlauf der [[Phylogenese|Stammesgeschichte]] erworbene Befähigung, zumindest unter bestimmten Umständen nur solche Signale zu senden, die sich in möglichst geringem Maße von den Gegebenheiten unterscheiden, die das Individuum umgeben. Die Tarnung kann sowohl dem Verbergen vor Fressfeinden dienen als auch dem Verbergen vor potenzieller Beute (''Angriffstarnung'').
 
== Somatolyse ==
[[Datei:Female_Panthera_leo_in_the_wild.jpg|mini|Somatolyse: Löwin in trockenem Steppengras]]
[[Datei:Zebras Serengeti.JPG|mini|Zebras in der Serengeti: Die Streifen schützen sie vor Mückenstichen.]]
Somatolyse (von {{grcS|σῶμα|''sōma''|de=Körper}} sowie {{lang|grc|λύσις|''lýsis''|de=Auflösung}}, wörtlich also ''Auflösung des Körpers'')<ref name="GEMOLL" />, beschreibt das Verschmelzen eines Lebewesens mit seiner natürlichen Umgebung durch eine besonders gemusterte und manchmal auch farblich mit der Umgebung abgestimmte Tracht – das Tier wird durch Anpassung an die Struktur und Färbung der Umgebung gewissermaßen unsichtbar.
 
Diese Form der Tarnung dient meist dazu, natürlichen Feinden zu entgehen oder auch, wie zum Beispiel beim [[Löwe]]n und bei anderen [[Großkatzen]], von der potenziellen Beute so spät wie möglich entdeckt zu werden. Aus Sicht des beobachtenden Menschen können eine der Somatolyse dienende Musterung oder ein [[Farbmerkmal]] statt tarnend sehr auffällig sein und damit kontraproduktiv scheinen. Ein Beispiel hierfür ist das schwarz-weiß gestreifte [[Zebra]]. In der Dauerausstellung des Berliner [[Museum für Naturkunde (Berlin)|Museums für Naturkunde]] wird das Entstehen der Fellfärbung wie folgt beschrieben:
 
{{Zitat|Der Lebensraum der [[Tsetsefliegen|Tsetse-Fliege]] ist der [[Tropen]]gürtel Afrikas, südlich der [[Sahara]]. Bei der [[Ausbreitung (Biologie)|Ausbreitung]] auf dem afrikanischen Kontinent durchquerten die aus Asien stammenden, dunkel gefärbten [[Wildpferd#Pleistozäne Wildpferde|Wildpferde]] dieses Gebiet. Ein Streifenmuster war hier ein [[Selektion (Evolution)|selektiver]] Vorteil, denn die [[Facettenauge|Komplexaugen]] der vor allem [[Temporale Spezialisten|nachtaktiven]] Fliege konnten die [[Umriss|Silhouette]] der Zebras in der Dunkelheit nicht auflösen. Die Zebra-Streifen dienten der Tarnung vor dem Krankheitsüberträger. Das vor 100 Jahren ausgerottete [[Quagga]] hingegen war ein Zebra, dessen Streifenmuster nur auf den Schwanzansatz, den Kopf und den Hals beschränkt war, ohne dass dadurch ein Nachteil entstand. Seine – gestreiften – Vorfahren hatten den Lebensraum der Tsetse-Fliege durchschritten und ihn im Süden wieder verlassen. In ihrem neuen Lebensraum, der [[Kapprovinz]], bot das Streifenmuster keinen selektiven Vorteil mehr und konnte wie beim Quagga aufgegeben werden.|ref=<ref>Diese Deutung basiert auf Experimenten des britischen [[Insektenkunde|Entomologen]] Jeffrey Waage, vergl. J. K. Waage: ''How the zebra got its stripes: biting flies as selective agents in the evolution of zebra colouration.'' In: ''Journal of the Entomological Society of South Africa.'' Band 44, 1981, S. 351–358.</ref>}}
[[Datei:Horse with Zebra-Blanket.jpg|mini|left|Decke mit Zebra-Musterung zum Schutz vor Pferdebremsen beim Hauspferd]]
Bestätigt wurde diese Deutung 2012 und 2014 in zwei Studien.<ref>Ádám Egri et al.: ''Polarotactic tabanids find striped patterns with brightness and/or polarization modulation least attractive: an advantage of zebra stripes.'' In: ''Journal of Experimental Biology.'' Band 215, 2012, S. 736–745, [[doi:10.1242/jeb.065540]]</ref><ref>Tim Caro et al.: ''The function of zebra stripes.'' In: ''Nature Communications.'' Band 5, Artikel-Nr. 3535, 2014, [[doi:10.1038/ncomms4535]]</ref> 2019 wurde – anhand von Nachbildungen bemalter Menschkörper – weitergehend nachgewiesen, dass [[Pferdebremse]]n von braunen Modellen zehnmal mehr angelockt werden als von schwarzen Modellen mit weißen Streifen. Beige bemalte Modelle lockten die Pferdebremsen doppelt so häufig an wie schwarz-weiß gestreifte.<ref>Gábor Horváth, Ádám Pereszlényi, Susanne Åkesson und György Kriska: ''Striped bodypainting protects against horseflies.'' In: ''Royal Society Open Science.'' Band 6, Nr. 1, 2019, [[doi:10.1098/rsos.181325]]<br /> [https://www.lunduniversity.lu.se/article/body-painting-protects-against-bloodsucking-insects ''Body-painting protects against bloodsucking insects.''] Auf: ''lunduniversity.lu.se'' vom 17. Januar 2019</ref> Ursache dieser Unterschiede ist offenbar, dass die Streifen bei Bremsen zu erheblichen Irritationen bei der Landung führen und deshalb die Landung häufiger als bei nicht-gestreiften Zielen unterbleibt.<ref>Tim Caro et al.: ''Benefits of zebra stripes: Behaviour of tabanid flies around zebras and horses.'' In: ''PLoS ONE.'' Band 14, Nr. 2, 2019, e0210831, [[doi:10.1371/journal.pone.0210831]]</ref> Zuvor war vermutet worden, dass sich – zum Beispiel aus dem Blickwinkel einer geduckt am Boden umherstreifenden [[Löwe|Löwin]] – die seitlich vertikalen, an Kopf und Hinterleib eher horizontalen Streifen einer dicht aneinandergedrängt stehenden Herde visuell mit den hochgewachsenen Gräsern und dem Flirren der tagsüber oft erhitzten, bodennahen Luft vereinen und sich so die Konturen des einzelnen Tieres auflösen, was dem Beutegreifer das [[Fixation (Augenheilkunde)|Fixieren]] eines bestimmten Tieres erschwert.
 
[[Datei:Ursus maritimus Steve Amstrup.jpg|mini|Somatolyse: [[Eisbär]] mit Jungtieren]]
Ein bekanntes Beispiel für farblich getarnte Tiere ist ferner der (weiße) [[Eisbär]], der auf der Jagd nach jungen (weißen) [[Sattelrobbe]]n gegenüber potenzieller Beute hervorragend getarnt ist, wie umgekehrt die Robbenbabys in Schnee und Eis aus größerer Entfernung nicht vom Untergrund zu unterscheiden und somit vor allzu raschem Entdecktwerden geschützt sind. Ähnliches gilt für bestimmte [[Tierläuse]] aus der Gruppe der [[Ischnocera]]: US-Forscher berichteten im Jahr 2010, dass im Gefieder von weiß gefiederten Vögeln eher weißhäutige Läuse, im Gefieder von dunkel gefiederten Vögeln eher dunkelhäutige Läuse nachweisbar sind; offenbar war es das Pickverhalten der sich reinigenden Wirte, das einen [[Selektionsdruck]] hin zur Vorherrschaft einer bestimmten Farbvariante bei den [[Parasitismus#Ektoparasiten|Ektoparasiten]] verursachte.<ref>Sarah E. Bush u.&nbsp;a.: ''Evolution of Cryptic Coloration in Ectoparasites.'' In: ''The American Naturalist.'' Band 176, S. 2010, S. 529–535, {{DOI|10.1086/656269}}</ref> Auch die [[Schnee-Eule]] wirkt nur in der Voliere eines Tierparks aufgrund ihres strahlend weißen, mit braunen Flecken gesprenkelten Gefieders recht auffällig. In leicht mit Schnee überdecktem Laub hingegen sitzend, ist sie kaum vor der Umgebung zu unterscheiden.
 
Eine Forschergruppe der Universität Freiburg berichtete Mitte 2006 über ein Experiment mit teils auffällig gefärbten Schmetterlings-[[Attrappe]]n, die sie – stets mit toten [[Mehlwurm|Mehlwürmern]] bestückt – an unterschiedlichen Baumstämmen platziert hatten.<ref>H. M. Schäfer und N. Stobbe: ''Disruptive coloration provides camouflage independent of background matching.'' In: ''Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences.'' Online-Veröffentlichung vom 7. Juli 2006, [[doi: 10.1098/rspb.2006.3615]]</ref> Nach einer bestimmten Zeit wurde jeweils kontrolliert, ob der Mehlwurm verschwunden war, was als ‚Falter gefressen‘ bewertet wurde. Ergebnis: Am längsten ‚überlebten‘ jene Falter-Attrappen, die an den Flügelrändern gemustert waren; deutlich häufiger verschwanden die Mehlwürmer aus den im Flügelinneren gemusterten Attrappen. Dies galt selbst für blau-rosa gefärbte Attrappen auf einer moosbewachsenen Eiche. Aus ihren Beobachtungen schlossen die Forscher, dass die Auflösung der Körperkonturen durch gefleckte Flügelränder dazu führt, dass die [[Angeborener Auslösemechanismus|angeborenen Auslösemechanismen]] der potenziellen Fressfeinde den so getarnten Schmetterling nicht mehr als ‚Beute‘ detektieren, und zwar unabhängig vom Untergrund. <!--„We suggest that this result is explainable because disruptive coloration is effective by exploiting predators' cognitive mechanisms of prey recognition and not their sensory mechanisms of signal detection.“--> Durch Fleckung im Flügelinneren könne sich ein Schmetterling hingegen nur in Abhängigkeit vom passend gefärbten Untergrund tarnen. <!--„disruptive coloration on the body interior provide camouflage, but their protection is background-specific.“-->
 
; Weitere Beispiele:
[[Datei:Lichen mimesis in mid-Mesozoic lacewings.jpg|left|mini|Tarnung durch Somatolyse im [[Jura (Geologie)|Jura]]:<br /> Zwei fossile [[Florfliegen]] <br />auf einer fossilen [[Flechte]]]]
* 165 Millionen Jahre alt ist die in der [[Innere Mongolei|Inneren Mongolei]] entdeckte [[fossil]]e [[Flechte]] ''Daohugouthallus ciliiferus'', auf der zwei fossile [[Florfliegen]] der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Lichenipolystoechotes'' entdeckt wurde. Die Tiere der 2020 erstmals beschriebenen [[Art (Biologie)|Arten]] ''Lichenipolystoechotes angustimaculatus'' und ''Lichenipolystoechotes ramimaculatus'' weisen der [[Erstbeschreibung]] zufolge „bemerkenswerte Flügelmuster auf, die genau der gleichaltigen Flechtenart ''Daohugouthallus ciliiferus'' gleichen.“<ref>Hui Fang, Conrad C. Labandeira, Yiming Ma et  al.: ''Lichen mimesis in mid-Mesozoic lacewings.'' In: ''eLife.'' 2020;9:e59007, [[doi:10.7554/eLife.59007]].</ref>
 
* An steinigen Steilhängen der [[Hengduan Shan|Hengduan-Berge]] im Südosten des [[Hochland von Tibet|Hochlands von Tibet]] wächst ''Fritillaria delavayi'', eine Pflanze aus der Gattung ''[[Fritillaria]]'', die als Heilmittel in der [[Traditionelle chinesische Medizin|Traditionellen chinesischen Medizin]] verwendet wird. Das Abpflücken dieser Pflanzen hat einen hohen, von den Sammlern ausgehenden Selektionsdruck ausgeübt: An jenen Hängen, die regelmäßig von Sammlern aufgesucht werden, gleicht die Färbung der Pflanzen sehr viel genauer dem Untergrund als an Hängen ohne oder nur mit seltenen Sammelaktivitäten, so dass sie für Sammler weniger gut sichtbar sind. In einer 2020 veröffentlichten Studie hieß es, die „kommerzielle Ernte“ habe den Phänotyp dieser [[Wildpflanze]]n in „ungeahnter und dramatischer Weise“ verändert.<ref>Yang Niu, Martin Stevens und Hang Sun: ''Commercial Harvesting Has Driven the Evolution of Camouflage in an Alpine Plant.'' In: ''Current Biology.'' Online-Vorabveröffentlichung vom 20. November 2020, [[doi:10.1016/j.cub.2020.10.078]]. <br /> [https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-11/uoe-pet111920.php ''Plant evolves to become less visible to humans.''] Auf: ''eurekalert.org'' vom 20. November 2020.</ref>
 
* [[Zitterspinnen]] können ihr Netz in rasche Schwingungen versetzen, so dass sie aufgrund dieser Bewegungen für einen Fressfeind im Netz nicht mehr sicher lokalisierbar sind.<ref>{{Webarchiv | url=http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/essays/pholcus/pholcus_phalangioides.html | wayback=20010411194644 | text=''The long-legged cellar spider.''}} Auf: ''mpiz-koeln.mpg.de'' vom 21. Juli 1999</ref>
 
* In Strandnähe kann man häufig Fische beobachten, deren Grundfärbung silbrig erscheint, die aber an den Seiten markante, dunkle Streifen – vom Rücken zum Bauch – aufweisen. Bei Sonnenschein kann man im Flachwasser auch als schnorchelnder Laie bemerken, dass die sich am Boden abzeichnenden Schattenwürfe der gewellten Wasseroberfläche vergleichbare Streifenmuster erzeugen. Von der Seite oder von schräg oben betrachtet sind solche Fische schon aus geringer Entfernung kaum von ihrer Umgebung zu unterscheiden.
[[Datei:Reef0296.jpg|mini|Somatolyse: Der Rotlichtanteil der Sonnenstrahlen dringt nicht in größere Meerestiefen hinein, die im Hellen rote Farbe dieses [[Seestern]]s tarnt ihn dort blau-grau.]]
 
* Viele auffällig rot gefärbte Fische, die man zum Beispiel in [[Korallenriff]]en antreffen kann, haben diese auf den ersten Blick auffällige Färbung entwickelt, weil sie so im Dunkeln vor Raubfischen besser geschützt sind: Das Rotlicht wird vom Wasser am stärksten weggefiltert (daher erscheint Wasser in der Tiefe immer bläulich), so dass diese Fische im Dunkeln blau-grau erscheinen.
 
* Manche [[Quallen]] und [[Garnelen]] sind durchscheinend wie Wasser.
* Nicht minder bekannt sind die grün wie ein Blatt gefärbten [[Raupe (Schmetterling)|Raupen]] mancher [[Schmetterlinge]].
* Zu den besonders gut getarnten Vögeln zählen die [[Rohrdommel]]n. Ihr Rückengefieder ist überwiegend braun, während ihre Vorderseite blass ist und punktierte, waagrechte Streifen aufweist. Dank dieser somatolytischen Färbung von Hals und Brust sind diese großen Vögel selbst hinter wenigen Schilfhalmen nicht auszumachen. Die tarnende Färbung des Gefieders wird unterstützt durch Verhaltenskomponenten. Rohrdommeln bewegen sich extrem langsam durch das Schilf. Bei Gefahr wenden sie der Gefahrenquelle ihre Vorderseite zu, da diese besser getarnt ist. Ändert die Gefahrenquelle ihren Standpunkt, drehen sich die Rohrdommeln ebenfalls mit. Rohrdommeln nehmen bei Gefahr eine typische starre Körperhaltung ein, bei der der Hals lang gestreckt ist und der Schnabel zum Himmel weist. Diese Position können sie über Stunden einhalten. Bewegt der Wind das Schilf, wiegen sich die Rohrdommeln mit den Windbewegungen mit.<ref>Christopher McGowan: ''The Raptor and the Lamb – Predators and Prey in the Living World.'' Penguin Books, London 1998, S. 100–101, ISBN 0-14-027264-X.</ref>
* Viele Vögel haben gefleckte Eier: Solche Eier heben sich vom Nest weniger stark ab als ungefleckte Eier. Bei der [[Kohlmeise]] haben britische Forscher aber zusätzlich nachgewiesen, dass die rötlichen Sprenkel umso dichter sind, je dünner die Eischale ist. Offenbar wirken die rötlichen Farbpigmente wie eine Art zusätzlicher Klebstoff zwischen den Kalkspat-Kristallen der Schale.
* Die kleinen [[Regenpfeifer]] der Gattung ''Charadrius'' haben ein kontrastreich gefärbtes Gefieder mit einem weißen und oft auch einem schwarzen Halsband. Dadurch wird bei flüchtigem Hinsehen keine Vogelsilhouette erkannt, sondern Kopf und Rumpf werden als zwei verschiedene Gegenstände (Steine) wahrgenommen.
 
<gallery class="center" caption="Somatolyse: weitere Beispiele">
Datei:Zangcicade goed gecamoufleerd op den.jpg|[[Zikade]] auf Baumstamm
Datei:Jumping spider with prey.jpg|[[Springspinne]] mit Beute
Datei:Gut getarnt 0869.JPG|[[Zwitscherschrecke]] im hohen Junigras
Datei:Lagarta2.jpg|[[Raupe (Schmetterling)|Raupe]] der Gattung ''[[Citheronia]]''
Datei:Green Mamba cropped.JPG|[[Grüne Mamba]], ein baumbewohnender [[Beutegreifer]]
</gallery>
 
=== Industriemelanismus ===
{{Hauptartikel|Industriemelanismus}}
 
Unter [[Melanismus]] versteht man eine besonders ausgeprägte Einlagerung von dunklen [[Pigment (Biologie)|Pigmenten]] (speziell von [[Melanin]]) in die Haut. Beim [[Birkenspanner]] trug sich Ende des 19. Jahrhunderts in [[England|englischen]] Industriegebieten ein derart drastischer Wandel des äußeren Erscheinungsbilds zu, dass sich hierfür der Begriff „Industriemelanismus“ einbürgerte.
 
Die Bezeichnung unterstellt eine Veränderung der Häufigkeitsverteilung von hellen und dunklen Varianten des Schmetterlings als Folge der Luftverschmutzung durch Industriebetriebe. Diese Deutung ist heute jedoch umstritten.
[[Datei:Tiburón.jpg|mini|Gegenschattierung: [[Grauer Riffhai]]]]
=== Gegenschattierung ===
Im Unterschied zu vielen am Boden lebenden Tieren, die sich auf der Erdoberfläche und damit in einem zweidimensionalen [[Habitat]] bewegen, halten sich fliegende Tiere, [[Aquatil|Wasser]]- oder [[Arboricol|Baumbewohner]] in einem dreidimensionalen Lebensraum auf. Solche Tiere sind Angriffen potenziell nicht nur von den Seiten und von oben ausgesetzt, sondern auch von unten. Der Umstand, dass das Licht stets von oben auf den Körper fällt, lässt eine einheitliche Färbung zum Zwecke der Tarnung nicht zu: Einheitlich dunkle Tiere wären von unten gegen den hellen Himmel gut sichtbar, einheitlich helle Tiere von oben gegen den dunklen Untergrund. Die im Verlauf der [[Phylogenese|Stammesgeschichte]] unterschiedlicher Gruppen sich mehrmals unabhängig voneinander entwickelte Anpassung ist die Gegen- oder [[Konterschattierung]] ([[Englische Sprache|engl.]] ''countershading''). So sind viele Fische bauchseitig wesentlich heller gefärbt als auf ihrer Oberseite und [[Analogie (Biologie)|analog]] nutzen auch viele [[Vögel]] und [[Säugetiere]] diese Art der Tarnung.
 
=== Anpassung an Umgebungshelligkeit ===
Manche marine Tiere der mittleren Wassertiefe ahmen die Helligkeit der Umgebung nach und geben einen [[Biolumineszenz|schwachen Schimmer]] nach unten ab, um ihren Schatten zu verdecken, z.&nbsp;B. der [[Kleiner Schwarzer Dornhai|Kleine Schwarze Dornhai]] (''Etmopterus spinax''). Hormonell gesteuert können die fein verteilten Leuchtpunkte aktiv durch veränderliche [[w:Chromatophore (Zelle)|Chromatophoren]] abgestuft abgeschirmt und sehr präzise an die Umgebungshelligkeit angepasst werden.<ref>Julien M. Claes, Jérôme Mallefet: ''The lantern shark’s light switch: turning shallow water crypsis into midwater camouflage.'' In: ''Biology Letters.'' Band 6, Nr. 5, 2010, S. 685–687, [[doi:10.1098/rsbl.2010.0167]]</ref>
 
Der [[w:Zwergtintenfische|Zwergtintenfisch]] ''Euprymna scolopes'' bedient sich zur Erzeugung des Lichtschimmers [[w:Symbiose|Endosymbionten]]: In seinem [[w:Pallium (Weichtiere)|Mantel]] leben [[Leuchtbakterien]], so dass der [[Wirt (Biologie)|Wirt]] – von unter ihm schwimmenden potentiellen Fressfeinden – kaum noch wahrgenommen werden kann. Dabei kann der Tintenfisch die Lichtmenge aktiv an die Umgebungshelligkeit anpassen, sein Nervensystem nimmt die von den Bakterien erzeugte Helligkeit unmittelbar (also nicht allein über die Augen) wahr.<ref>Deyan Tong et al.: ''Evidence for light perception in a bioluminescent organ.'' In: ''PNAS.'' Band 106, Nr. 24, 2009, S. 9836–9841, {{DOI|10.1073/pnas.0904571106}}</ref>
 
=== Farbänderung ===
Die Fähigkeit zur Änderung der Körperfarbe, um sich der Umgebung so nah wie möglich anzugleichen, ist oft eine Schutzvorrichtung und wurde von den unterschiedlichsten [[Art (Biologie)|Tierarten]] unabhängig voneinander entwickelt. Am bekanntesten und geradezu sprichwörtlich geworden für Personen, die es verstehen, sich jeder Umgebung anzupassen, sind die [[Chamäleons]]. Chamäleons bewegen sich zudem extrem langsam und schaukeln beim Vorwärtsbewegen vor und zurück, so dass sie im Geäst eines vom Wind bewegten Baumes kaum noch wahrgenommen werden können.
 
Der [[Schneehase]], der u.&nbsp;a. in Nordeuropa und im [[Alpen]]raum lebt, wechselt im Jahresverlauf sein Fell: Im Sommer ist er grau-braun gefärbt, sein Winterfell ist hingegen weiß. Derart markant wechselt im Jahresverlauf auch das [[Hermelin]] seine Fellfarbe und das [[Alpenschneehuhn]] sein Gefieder.
 
Viele [[Kraken]] und [[Kalmare]]n können die Tönung ihrer Haut binnen weniger Sekunden ändern. Der Langarm-Oktopus ''Macrotritopus defilippi'' tarnt sich am Meeresboden beispielsweise, indem er Färbung, Körperform und Bewegung des [[Pfauenbutt]]s ''Bothus lunatus'' nachahmt.<ref>Roger T. Hanlon et al.: ''A „Mimic Octopus“ in the Atlantic: Flatfish Mimicry and Camouflage by Macrotritopus defilippi.'' In: ''Biological Bulletin.'' Band 218, 2010, S. 15–24 ([http://www.biolbull.org/cgi/content/full/218/1/15 Volltext])</ref> Auch ''[[w:Gewöhnlicher Tintenfisch|Sepia officinalis]]'' kann sich mit Hilfe gelber, orangeroter und dunkelbrauner [[w:Chromatophore (Zelle)|Chromatophoren]] tarnen. Das Tier bewertet mit einem einzigen [[w:Fotorezeptor|Rezeptortyp]] in seinem Auge die Helligkeitskontraste des Untergrunds (bei 492 nm Wellenlänge).<ref>Roger Hanlon: ''Cephalopod dynamic camouflage.'' In: ''Current Biology.'' Band 17, Nr. 11, 2007, S. R400–R404, {{DOI|10.1016/j.cub.2007.03.034}} und [http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982207011384 Volltext]</ref> Diese Tiere besitzen zudem noch einen weiteren, wirksamen Schutzmechanismus, der ihnen den Spitznamen [[Tintenfische]] eintrug: Von einem Fressfeind in die Enge getrieben, können sie eine dunkle Flüssigkeit hinter sich ins Wasser spritzen, die eine so dichte Wolke bildet, dass sie aufgrund dieser Tarnung reelle Chancen auf ein Entkommen haben.
 
<gallery class="center" caption="Beispiele für Farbänderung:">
Datei:Snowshoe hare.jpg|[[Schneeschuhhase]] im weißen Winterfell
Datei:Lepus americanus.jpg|Schneeschuhhase im braunen Sommerfell
Datei:misumena.vatia.beute.wespe.1771.jpg|mini|''[[Veränderliche Krabbenspinne|Misumena vatia]]'', gelbes Weibchen mit Beute
Datei:Misumena vatia female Luc Viatour 1.jpg|mini|''Misumena vatia'' – weißes Weibchen
Datei:Peacock Flounder Bothus mancus in Kona.jpg|miniatur|[[Fasanbutt]]: [[w:Serienfotografie|Bilderfolge]] im Abstand weniger Minuten
</gallery>
 
; Weitere Beispiele:
* Die [[Veränderliche Krabbenspinne]] ''(Misumena vatia)'' sitzt häufig in den gelben Blüten von [[Sumpfdotterblume]]n, gelegentlich aber auch in den weißen Blüten der [[Echte Zaunwinde|Echten Zaunwinde]] und lauert dort [[Insekten]] auf. Geschlechtsreife Weibchen können bei Bedarf einen gelben Farbstoff in ihre andernfalls weiße Haut einlagern und diesen auch wieder abbauen. Binnen Stunden können sie sich so umfärben und sind dann auch für das Auge des Menschen in einer entsprechend gefärbten Blüte kaum noch zu entdecken.
* Auch der zu den sogenannten Anglerfischen gehörende Fühlerfisch ''Antennarius commersoni'' verfügt über zwei bis vier Hauptfarbzustände, zwischen denen er teils binnen Sekunden, teils erst im Verlauf von Stunden wechseln kann. Diese Tiere sitzen häufig reglos und farblich angepasst am Boden, durch ihre warzig-beulige Körperoberfläche wie ein bewachsener Fels aussehend. Das einzig Auffällige ist eine Fischimitation, die an einer fädigen Ausstülpung der vordersten Rückenflosse hängt und Raubfische anlockt, die von diesem „lebenden Stein“ dann selbst gefressen werden.
* Ein weiteres relativ bekanntes Beispiel sind [[Scholle (Fisch)|Schollen]] und andere [[Plattfische]] wie der [[Fasanbutt]] (''Bothus mancus''), die Farbe und Zeichnung ihrer Körperoberfläche entsprechend dem Untergrund, auf dem sie liegen, verändern können: Auf Kies sieht ihre Haut fleckiger aus als auf Sand. In ihre Haut sind diverse Farbzellen eingebettet (Chromatophoren), die sich ausdehnen (dann ist ihre Oberfläche groß und farbig), bei Bedarf aber auch zusammenziehen können (ihre Oberfläche ist dann minimal). Die angestrebte Musterung wird letztlich durch die Verteilung unterschiedlicher Farbzell-Typen auf der Haut bewirkt und vom Auge gesteuert.
* Die [[w:Raupe (Schmetterling)|Larve (Raupe)]] des [[Tomatenschwärmer]]s ''Manduca quinquemaculata'' (im englischen Sprachraum: ''Tomato hornworm'') wird auch ''Tomatenraupe'' genannt und gilt als bedeutender Fraßschädling. Abhängig von der Umgebungstemperatur, kann sie ihre Farbe ändern: Wenn die Temperatur ständig über 28 Grad Celsius ist, sind die Raupen grün, bei niedrigeren Temperaturen sind die Raupen nahezu schwarz. Dies wird von Wissenschaftlern darauf zurückgeführt, dass bestimmte Hormone bei den jugendlichen Raupen in Abhängigkeit von der Außentemperatur aktiv sind; den biologischen Nutzen deuten sie so: Bei hohen Temperaturen überwiegt der Vorteil der Tarnung, bei niedrigeren Temperaturen (speziell im Herbst) überwiegt der Vorteil einer besseren [[Absorption (Physik)|Absorption]] von Sonnenwärme in den dann zumindest teilweise bereits vertrocknenden Pflanzen.<ref>In: Elizabeth Pennisi: ''Hidden Genetic Variation Yields Caterpillar of a Different Color.'' In: ''Science.'' Band 311, Nr. 5761, 2006, S. 591, [[doi:10.1126/science.311.5761.591a]]</ref>
* Mittelamerikanische [[Rindenwanzen]] (Aradidae) dunkeln bei Kontakt mit Wasser rasch nach: So behalten sie auch nach einem Gewitterregen die Farbe der Baumrinde, auf der sie sich aufhalten und die bei Regen ebenfalls deutlich dunkler ist als in trockenem Zustand.
 
== Mimese ==
[[Datei:Medauroidea.extradentata.jpg|mini|[[Mimese]]: Vietnamesische [[Stabschrecken|Stabschrecke]] (''Medauroidea extradentata'')]]
{{Hauptartikel|Mimese}}
 
Nicht ganz sauber abgrenzbar gegen die ''Somatolyse'' ist die [[Mimese]], die ebenfalls als eine Form der Tarnung angesehen werden kann. Während unter Somatolyse alle Fälle zu fassen sind, die auf ein Unsichtbar-Werden hinzielen, bleiben Tiere bei Mimese sehr wohl sichtbar, können jedoch aufgrund von Körperfärbung und Körperbau leicht mit Dingen ihrer Umgebung verwechselt werden. Hinsichtlich ihrer Körperfarbe ahmen Tiere bei der Mimese unter Umständen zwar die Umwelt ebenfalls nach, ihre Körperfarbe ist aber, anders als beim Farbwechsel, dauerhaft. Ein Beispiel ist der [[Brombeer-Blattspanner]] – er sieht aus wie Vogelkot.
 
== Chemische Tarnung ==
Ein bekanntes Beispiel sind die [[Anemonenfische]]: Sie leben in [[Seeanemonen]], ohne von dieser [[Nesselzelle|genesselt]] zu werden. Dies gelingt ihnen, indem sie von der Seeanemone bestimmte chemische Substanzen als Schutzstoffe übernehmen. Die Seeanemone kann den Fisch dann nicht mehr von ihren eigenen Tentakeln unterscheiden. Wenn man die auf den [[Schuppe (Morphologie)|Schuppen]] der Fische befindlichen Schutzstoffe im Experiment beseitigt, werden auch die Anemonenfische genesselt.<ref>Dietrich Schlichter: ''Produktion oder Übernahme von Schutzstoffen als Ursache des Nesselschutzes von Anemonenfischen?'' In: ''Journal of Experimental Marine Biology and Ecology.'' Band 20, Nr. 1, 1975, S. 49–61, {{DOI|10.1016/0022-0981(75)90101-X}}</ref>
 
An der [[Universität Bayreuth]] wurde Anfang der 1990er Jahre ein Projekt zum Thema ''Chemische Tarnung'' finanziert, in dem es u.&nbsp;a. um die Steigerung des Fortpflanzungserfolgs durch Tarnung ging. Im Projektbericht hieß es hierzu, dass der Fortpflanzungserfolg von Blattlaus-[[Parasitoid]]en durch chemische Tarnung optimiert wird, wenn diese Parasiten Blattlauskolonien befallen, die von [[Ameisen]] belaufen werden; Ameisen nutzen die süßen Ausscheidungen der Blattläuse als Nahrungsquelle. Hierbei sei von Bedeutung, dass Ameisen räuberische und parasitische Blattlaus-Antagonisten aus der Blattlaus-Kolonie entfernen. Bestimmte Parasitoide sind jedoch durch chemische Tarnung an diese schützenden Tätigkeiten der Ameisen zugunsten der Blattläuse angepasst: Sie werden von den Ameisen also nicht entdeckt und können sich ungestört zu Lasten der Blattläuse entwickeln.<ref>Siehe dazu u.&nbsp;a.: ''Forschungsbericht der Universität Bayreuth 1992–1994.''</ref>
 
Der [[Lungenenzian-Ameisenbläuling]] legt seine Eier vorzugsweise auf Blättern des [[Lungen-Enzian]]s ab, wo sie sich zu [[Raupe (Schmetterling)|Raupen]] fortentwickeln. Die Raupen werden von [[Rote Gartenameise|Roten Gartenameisen]] häufig in deren Kolonien getragen und wie die eigenen Jungtiere versorgt. Dänische Forscher berichteten Anfang 2008, diese Form des [[Sozialparasitismus]] beruhe darauf, dass die Schmetterlingsraupen durch chemische Substanzen in ihrer Haut vor einer Enttarnung geschützt werden.<ref>David R. Nash u.&nbsp;a.: ''A Mosaic of Chemical Coevolution in a Large Blue Butterfly.'' In: ''Science.'' Band 319, 2008, S. 88–90, {{DOI|10.1126/science.1149180}}</ref>
 
Andere Formen der chemischen Tarnung werden gegen [[Ameisen]] angewandt. Viele Wirbellose imitieren die Pheromone, mit denen Ameisen Straßen markieren. Die Ameisen folgen dieser falschen Straße und laufen damit direkt zu ihren Feinden. Einige Spinnentiere, Tausendfüßlerarten und Käfer imitieren speziell die Pheromone der Ameisenlarven. So können sie ungehindert in den Bau zu den Brutkammern eindringen und sich der Larven bedienen.
 
== Akustische Tarnung ==
Lautäußerungen sind wesentlich schwieriger zu analysieren als visuelle Merkmale, da dies meist – zumal im Freiland – nur mit einem erheblichen technischen Aufwand gelingt. Daher sind eindeutige Befunde bisher rar.<ref>Anastasia H. Dalziell et al.: ''Avian vocal mimicry: a unified conceptual framework.'' In: ''Biological Reviews.'' Band 90, Nr. 2, 2014, S. 643–668, [[doi:10.1111/brv.12129]].</ref>
 
Im Urwald des [[Amazonasbecken]]s wurde eine [[Langschwanzkatze]] beobachtet, die den Ruf junger [[Zweifarbentamarin]]e imitierte, worauf erwachsene Zweifarbentamarine sich dem Ort dieser Rufe annäherten. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Wildkatze einen der sich nähernden Krallenaffen zu erbeuten versuchte.<ref>Fabiano de Oliveira Calleia, Fabio Rohe und Marcelo Gordo: ''Hunting Strategy of the Margay (Leopardus wiedii) to Attract the Wild Pied Tamarin (Saguinus bicolor).'' In: ''Neotropical Primates.'' Band 16, Nr. 1, 2009, S. 32–34, [[doi:10.1896/044.016.0107]] (Volltext frei zugänglich). <br /> [http://www.eurekalert.org/pub_releases/2010-07/wcs-wcs070810.php ''Wildlife Conservation Society finds wild cat mimicking monkey calls.''] Auf: ''eurekalert.org'' vom 8. Juli 2010.</ref>
 
Der [[Kreuzenzian-Ameisenbläuling]] (''Maculinea rebeli'') legt seine Eier ausschließlich am [[Kreuz-Enzian]] ab. Wenn die aus den Eiern hervorgegangenen Raupen sich am Enzian fettgefressen haben, lassen sie sich zu Boden fallen und riechen dann plötzlich wie Königinnen der Ameisen-Art ''[[Myrmica schencki]]''. Daraufhin werden sie von den Ameisen ins Ameisennest getragen und dort gefüttert. Diese chemische Tarnung war schon länger bekannt, britische Forscher haben 2008 zusätzlich die Lautäußerungen der Ameisen und der Raupen analysiert. Sie fanden heraus, dass Schmetterlingsraupen im Ameisennest Laute hervorbringen, die den Lauten der Ameisen-Königinnen sehr ähnlich sind. Wurden den Ameisen-Arbeiterinnen Lautäußerungen ihrer Königin sowie Laute der Raupen vorgespielt, so betrillerten sie in beiden Fällen gleichermaßen den Lautsprecher.<ref>Francesca Barbero, Jeremy A Thomas, Simona Bonelli, Emilio Balletto und Karsten Schönrogge: ''Queen Ants Make Distinctive Sounds That Are Mimicked by a Butterfly Social Parasite.'' In: ''Science.'' Band 323, 2009, S. 782–785, [[doi:10.1126/science.1163583]].</ref>
 
Für Schmetterlinge aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Bärenspinner]] wurde nachgewiesen, dass eine wohlschmeckende Art die Geräusche einer unschmackhaften Art nachahmt und daher beide Arten von [[Fledermäuse]]n nicht gejagt und gefressen werden.<ref>Jesse R. Barber und William E. Conner: ''Acoustic mimicry in a predator–prey interaction.'' In: ''PNAS.'' Band 104, Nr. 22, 2007, S. 9331–9334, [[doi:10.1073/pnas.0703627104]], ([http://www.pnas.org/content/104/22/9331.full.pdf+html Volltext (PDF)])</ref>
 
''[[Bunaea alcinoe]]'', ein afrikanischer Schmetterling aus der Familie der [[Pfauenspinner]], Unterfamilie [[Saturniinae]], verhindert mit Hilfe einer biomechanischen „[[Tarnkappentechnik]]“, dass die [[Ultraschall]]-Laute jagender Fledermäuse von seinem Körper reflektiert werden. Spezielle Haare am Körper und Schuppen an seinen Flügelmembranen absorbieren einen Großteil der von Fledermäusen emittierten Ultraschallfrequenzen.<ref>Zhiyuan Shen, Thomas R. Neil, Daniel Robert, Bruce W. Drinkwater und Marc W. Holderied: ''Biomechanics of a moth scale at ultrasonic frequencies.'' In: ''PNAS.'' Band 115, Nr. 48, 2018, S. 12200–12205, [[doi:10.1073/pnas.1810025115]].<br /> [https://www.chemistryworld.com/news/moths-draped-in-stealth-acoustic-cloak-evade-bat-sonar/4012807.article ''Moths draped in stealth acoustic cloak evade bat sonar.''] Auf: ''chemistryworld.com'' vom 26. November 2020.</ref><ref>Thomas R. Neil, Zhiyuan Shen, Daniel Robert, Bruce W. Drinkwater und Marc W. Holderied: ''Thoracic scales of moths as a stealth coating against bat biosonar.'' In: ''Journal of the Royal Society Interface.'' Band 17, Nr. 163, 2020, [[doi:10.1098/rsif.2019.0692]].</ref>
 
Jene [[Schwebfliegen]], die wie [[w:Echte Wespen|Wespen]] aussehen, verursachen auch Fluggeräusche, die denen der Wespen ähneln. Dies liegt vor allem an einer extrem ähnlichen [[Frequenz]] der Flügelschläge: Bei Schwebfliegen wurden 147 Flügelschläge pro Sekunde nachgewiesen, bei Wespen 150.<ref>Art Wolfe: ''Kunst der Tarnung.'' Frederking & Thaler Verlag, München 2005, S. 10, ISBN 3-89405-656-8.</ref>
 
== Weitere Formen der Tarnung ==
[[Datei:Close wing position of Spindasis vulcanus (Fabricius, 1775) – Common Silverline 2.jpg|mini|''Cigaritis vulcanus'' (Indien) mit vermeintlichem Kopfende am Hinterflügel (links). Die dunklen Flecken sowie die Verlängerungen der Außenränder der [[w:Flügel (Schmetterling)|Flügel]] sind deutlicher ausgeprägt als die tatsächlichen Augen und Fühler am Kopf (rechts).]]
* Manche Arten der [[Schmetterlinge]] tarnen ihren Kopf (und damit ihre potenzielle Fluchtrichtung) durch eine fühlerartige Verlängerung ihres Hinterleibs.
* Die asiatische [[Lackschildlaus]] ''Tachardia lacca'' besiedelt u.&nbsp;a. Bäume der Gattung [[Feigen|Ficus]]. Sie bohren Blätter an, saugen Saft heraus und scheiden dann ein harziges Sekret aus, das ihren Körper bedeckt und sie so als scheinbaren Teil des Baumes tarnt.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Tarnung (Biologie)]]
 
== Literatur ==
* Otto von Frisch: ''1000 Tricks der Tarnung.'' Ravensburger Verlag, Esslingen 1979, ISBN 3-473-39564-1.
* Klaus Lunau: ''Warnen, Tarnen, Täuschen. Mimikry und andere Überlebensstrategien in der Natur.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-14633-6.
* Art Wolfe: ''Kunst der Tarnung.'' Frederking & Thaler Verlag, München 2005, ISBN 3-89405-656-8 (Originaltitel: ''Vanishing Act.'' Bulfinch Press, New York) – ein großformatiger, aussagekräftiger Bildband.
* Peter Kappeler: ''Verhaltensbiologie.'' Springer Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-540-24056-X.
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Tarnung}}
{{Commonscat|Animal camouflage|Tarnung (Biologie)}}
* [http://www.starfish.ch/Korallenriff/Aussehen.html#Tarnung Bedeutung der Farbe als Mittel der Tarnung bei Meerestieren.] Auf: ''starfish.ch'', eingesehen am 17. September 2015
* [http://www.arthropods.de/insecta/hymenoptera/sphecidae/ammophilaSabulosa03.htm Tarnung bei Sandwespen.] Auf: ''arthropods.de'', eingesehen am 17. September 2015
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Lesenswert|31. März 2006|15225837}}
 
[[Kategorie:Evolutionsbiologie]]
[[Kategorie:Evolution]]
[[Kategorie:Tarnung|!101]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 14. Januar 2021, 03:14 Uhr

"3 Als das Lamm das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen rufen: Komm! 4 Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben." (Einheitsübersetzung, Off: 6,3-4)